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Magazin. Eine Publikation der Stiftung THE SCHAUFLER FOUNDATION. No.3. lernen. lernen. Magazin

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Academic year: 2022

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1 Magazin lernen

lernen

Eine Publikation der Stiftung THE SCHAUFLER FOUNDATION 2021

Magazin

No.3

(2)

ler|nen

1. a. sich Wissen, Kenntnisse aneignen

b. sich, seinem Gedächtnis einprägen

c. Fertigkeiten erwerben

d. im Laufe der Zeit [durch Erfah- rungen, Einsichten] zu einer

bestimmten Einstellung, einem bestimmten Verhalten gelangen

2. [ein Handwerk] erlernen

Quelle:

Duden

(3)

Magazin lernen Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Lernen ist das Leitthema der dritten Ausgabe des Stiftungs- magazins von THE SCHAUFLER FOUNDATION. In der letzten Zeit mussten wir alle lernen, mit einer neuen Lebensrealität umzugehen, uns anzupassen, besonnen und umsichtig zu agieren. Die Corona- Pandemie hat uns gelehrt, mehr Rücksicht zu nehmen und aufeinander zu achten.

Mein Mann Peter Schaufler war immer neugierig und offen für Veränderungen. Für ihn war Stillstand nie eine Option! Aus diesem Grund umfasst die Stiftung auch die Förderbereiche Wissenschaft, Forschung und Kunst. Peter Schaufler hielt es wie Francis Picabia mit seinem Motto:

„Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.“

So werden die Museumsbesucher:innen bereits auf dem Vordach des SCHAUWERK von der großen Skulptur eines Gehirns begrüßt, die der Künstler Peter Kogler geschaffen hat. Sie lädt die Besucher:innen ein, das Museum mit freiem Kopf zu betreten und neue Sicht- und Denk- weisen zuzulassen. Das SCHAUWERK wurde seit der Eröffnung vor elf Jahren zu einem Ort des lebendigen Austauschs für Alt und Jung, so wie mein Mann es sich gewünscht hat. Es werden unterschiedlichste Bildungsformate für Kinder, Student:innen, Erwachsene, Senior:innen, aber auch für demenziell Erkrankte angeboten.

Die Beiträge in dieser dritten Ausgabe unseres tsf Magazins sind wieder sehr vielfältig: Wir berichten u. a. über das SCHAUFLER LAB@TU DRESDEN. Die Stiftung fördert ein interdisziplinäres Dok- torand:innenkolleg und ein Künstler:innenstipendium an der Techni- schen Universität Dresden. Hier vernetzen sich Wissenschaftler:innen aus unterschiedlichen Fachbereichen und forschen in der ersten Pro- jektphase zu Künstlicher Intelligenz. Durch den aktiven Austausch der verschiedenen Wissenschaftsbereiche entstehen neue Impulse.

Ein Essay behandelt das Thema lernen und zeigt neue Er- kenntnisse der Forschung. Im Museum SCHAUWERK ist die große Sonderausstellung „ANTONY GORMLEY. Learning to Be“ zu sehen. Die Arbeiten des britischen Bildhauers sind ein wichtiger Schwerpunkt der Sammlung Schaufler. Einige Werke Gormleys werden seit mehreren Jah- ren im Studiensaal des Museums ausgestellt. Dort können Schüler:innen vor dem Original lernen. Wir berichten zudem von einem spannenden Besuch bei dem Künstler Not Vital, der vor allem durch den Kontakt mit fernen Ländern und Kulturen lernt und diese Inspirationen in seine Werke einfließen lässt.

Ich möchte Sie nun einladen, neugierig zu sein auf die Welt zwischen Wissenschaft, Forschung und Kunst, die Ihnen im neuen tsf Magazin begegnen wird.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und Lernen.

Christiane Schaufler-Münch,

Vorsitzende des Kuratoriums von THE SCHAUFLER FOUNDATION

Editorial

(4)

Inhalt

12

Der Studiensaal des SCHAUWERK bietet Schüler:innen die Möglichkeit, sich inmitten von Kunstwerken auf ihr Abitur vorzubereiten.

42

Zu Besuch bei Not Vital im Engadin

Zu Besuch bei ...

42 Not Vital

Next

50 Was die Zukunft bringt

Kunst & Kälte

52 Imi Knoebel

Now

4 Aktuelles

Im Gespräch

24 Kunst und Künstliche Intelligenz

Werkschau

30 Baustelle & Kunst

Programm

40 SCHAUWERK

trotz Corona

(5)

Magazin lernen

Essay

6 Das unbekannte Gehirn

Vorstellung

12 Studiensaal im Schauwerk

Projekt

16 Forschen im Lab:

Zwischen Wissen- schaft und Kunst

Kurz & knapp

38 Zum Thema lernen

Im Fokus

48 Peter Kogler

Zum Thema

No.3 lernen

Inhalt

16

Das SCHAUFLER LAB@TU DRESDEN dient den Stipendiat:innen als Ort der Begegnung

(6)

Now

LOVE STORIES im SCHAUWERK

Zehn Jahre nach Eröffnung des SCHAUWERK Sindelfingen im Juni 2010 zeigt das Museum unter dem Titel LOVE STORIES noch bis zum 13. März 2022 Lieblingswerke aus der Sammlung Schaufler, die in vergangenen Ausstellungen bereits präsentiert wurden. Zu sehen ist der Pu- blikumsliebling „Mother as a Ship“ – ein faszinie- render, mit einer tiefschwarzen Pigmentschicht überzogener Hohlkörper, den der indisch-bri- tische Künstler Anish Kapoor gestaltete. Nam June Paiks „TV Cello“ erinnert mit seinem aus Bildschirmen geformten Körper an die Anfänge der Medienkunst. Und Norbert Krickes Raum- plastik entfaltet mit ihrer einfachen, unpräten- tiösen Linie eine beeindruckende Präsenz in einem Ausstellungsraum, der nur mit weißen und schwarzen Werken bestückt ist. Während Russell Youngs Doppelbildnis von Hollywood- Star Marilyn Monroe einen Hauch von Glamour verströmt, streckt Yasumasa Morimura den Be- sucherinnen und Besuchern als Albert Einstein

Ausstellungsansicht LOVE STORIES mit Werken von Tony Cragg und Russell Young

Auf dem Gelände der ehemaligen Firmen- zentrale von BITZER entsteht der Neubau für die Sammlung Schaufler.

Kunst

Auf dem Gelände der ehemaligen Firmenzentrale von BITZER, neben dem SCHAUWERK Sindelfingen, entsteht ein Depot für den umfangreichen Kunst- bestand der Sammlung Schaufler. Gegenwär- tig sind große Teile der Sammlung extern ein- gelagert. Die Bauarbeiten für das Kunstdepot schreiten voran. Der Rohbau wurde komplett fertig- gestellt, zurzeit werden der Innenausbau und die komplexen technischen Anlagen für den Brand- schutz und die Klimatisierung ausgeführt. Vor- aussichtlich im Frühjahr 2022 kann das Depot bezogen werden. Der Neubau ist funktional und modern. Auf zwei Ebenen werden klimatisierte und gesicherte Lagerflächen für den Kunstbe- stand geschaffen. Zusätzlich entstehen ein Café, eine Restaurierungswerkstatt, Workshopräume für die Kunstvermittlung und Büroräume. Die bestehenden Keller werden abgetragen, der ent- stehende Raum wird für eine Tiefgarage genutzt.

Mit der Planung und Ausführung wurde das Ar- chitekturbüro BFK Architekten aus Stuttgart be- auftragt. Der Bau orientiert sich am Museum und nimmt seine klaren Formen auf.

Stand der Dinge – ein Kunstdepot für das

SCHAUWERK

Allgemein

(7)

7 Magazin lernen

Klima-

Messkoffer

Förderung

Wissenschaft und Forschung

Seit 2004 bietet die Europäische Studienakademie (ESaK) ein duales Studium in den Fachrichtungen Kältesystemtechnik und Klimasystem- technik in Maintal bei Frankfurt am Main an. Die BFS/ESaK-STIFTUNG existiert seit 2007. Zweck ist die För- derung von Bildung und Erziehung sowie von Wissenschaft und Forschung in allen Bereichen der Kälte- und Klimatechnik. Im Wesentlichen wird dies durch Auslandsstipendien, För- derbeihilfen zu Abschlussarbeiten und Unterstützung der ESaK-Ausstat- tung geleistet. Ein wichtiger Be- reich ist die Vergabe von Stipendien für Bachelorarbeiten, die an Uni- versitäten im Ausland geschrieben werden. Von 2009 bis 2019 wurden 25 Stipendien vergeben. Auch THE SCHAUFLER FOUNDATION bringt sich hier ein. Aufgrund der Corona- Pandemie konnten drei Stipendiaten ihren Auslandsaufenthalt nicht antreten. Glücklicherweise konnte jedoch ein Student trotz allem seine Bachelorarbeit online in Zu- sammenarbeit mit einer Universität in Norwegen beginnen. Die nicht als Stipendien zu verwendenden Gelder wurden in einen Klima-Mess- koffer investiert.

Now

S c hüle rinn e n un d S c hüle r h ab e n e s zur ze it nicht leicht. Menschliche Begegnungen und schulisches Lernen finden weitgehend digital s t a t t . D a b e i f e h l t b e s o n d e r s J u g e n d l i c h e n in den Zeiten der Kontak tsperre die Gemein- schaft der Gleichaltrigen, das gemeinsame Erle- ben, das persönliche Miteinander. Gemeinsames Tun und Musizieren erhält ganz besondere Bedeu- tung. Musik und Kunst können den Jugendlichen in besonderer Weise helfen, wieder ins Gleich- gewicht zu kommen. Im Herbst 2020 konnte die Bürgerstiftung Sindelfingen dank der Unter- stützung von THE SCHAUFLER FOUNDATION jeweils vier Cajones und vier Djemben an neun Sindelfinger Schulen übergeben. Für die Pro- duktion der Cajones wurde mit der Lebenshilfe Pforzheim Enzkreis e. V. ein regionaler Herstel- ler gefunden. Die Schüler:innen können nun im gleichen Rhythmus miteinander musizieren. Das gemeinsame Trommeln auf den Cajones soll die Gemeinschaft und das Gefühl der Zusammen- gehörigkeit stärken. Alle neun Schulen haben sich sehr über die Instrumente gefreut. Der Mu- sikunterricht konnte so neu gestaltet werden.

Gemeinsam ist besser! Und geglückte Kommuni- kation geht auch ohne Sprache.

Gemeinsam

Musik machen ist gut für Kopf und Herz!

Text Heike Wörn

Sindelfinger Schüler:in- nen haben Freude an den Instrumenten

(8)

Essay Das un-

bekannte Gehirn

Text

Eva Wolfangel

(9)

9 Magazin lernen

V

or einiger Zeit habe ich ein erstaunlich fittes, waches und neugieri- ges Kerlchen kennengelernt: Das kleine Wesen bewegte seine Arme und folgte diesen Bewegungen mit großen Augen, gerade so, als neh- me es die Arme zum ersten Mal wahr. Ich hatte solche Momente in den Jahren zuvor schon erlebt. Babys entdecken auf eine ähnliche Weise ihren eigenen Kör- per, das hatte mich bei meinen eigenen Kindern fasziniert.

Doch das war kein Baby, es war ein Roboter an der Berliner Humboldt-Universität, der offensichtlich genau das Gleiche tat: Er lernte seinen Körper kennen. Ich tapp- te in eine Falle, in die wir Menschen gerne tappen. Ich vermenschlichte dieses Wesen. Schließlich schien sich der Kleine bei jeder Bewegung des Arms zu fra- gen: „Bin das ich? Mache ich das?“ Das Experiment von Verena Hafner, Inhaberin des Lehrstuhls für Adaptive Systeme an der Humboldt-Universität zu Berlin, sollte zeigen, wie Maschinen auch lernen können: nicht nur gewissermaßen abstrakt, mittels Daten und Algorithmen ohne Raum, gleichzeitig überall und nirgends, son- dern in einem ganz konkreten Körper. Denn ein Körper hilft, die Welt zu verstehen, so Hafners Idee: Der Roboter Nao lernte zunächst den eigenen Körper zu erfassen und dessen Grenzen, um überhaupt verstehen zu können, dass es ein „Ich“ und ein

„Du“ gibt. Er bewegte seine Gliedmaßen unermüdlich und anscheinend zufällig, er testete, welche Richtungen seine Gelenke zuließen.

Wie lernen Maschinen? Wie lernen Menschen? In beiden Fällen spielen Neuronen eine Rolle, die sich grob gesagt von Schicht zu Schicht bewegen, die Verbindungen zwischen diesen verschiedenen Bereichen verstärken. Diese Verbindungen können aber auch wieder gelockert werden, auf eine gewisse Art verloren gehen. Beim so- genannten Deep Learning handelt es sich um besonders viele Schichten, zwischen denen sich die Neuronen fortbewegen.

Sind das also die Gemeinsamkeiten von Mensch und Maschine? Lernen wir auf dieselbe Weise? Wo sind wir anders? Und was können wir dadurch übereinander lernen? Ich habe diese Fragen in den vergangenen Jahren in unzähligen Recherchen immer wieder gestellt, und ich kann zumindest eines vorwegnehmen: Sie sind nicht einfach zu beantworten. Doch diese Unterschiede zwischen menschlichem und maschinellem Lernen sind wichtig, um Künstliche Intelligenz zu verstehen – und auch um zu verstehen, was sie möglicherweise in Zukunft bringt, wenn Maschinen immer intelligenter werden. Aber können wir hier überhaupt von Intelligenz reden?

Wenn KI wie Menschen lernt, dann kann daraus Großes entstehen. Das ist aber noch weit weg. Zurzeit unter-

scheiden sich Lernprozesse bei KI und uns Menschen noch grundlegend.

Essay 9

Wie lernen Maschinen?

Wie lernen Menschen?

In beiden

Fällen spielen

Neuronen

eine Rolle.

(10)

Verena Hafner erklärte mir, auch wenn Nao natürlich kein Kind sei, lehne sie sich bewusst an die Entwicklungspsychologie an. Der Roboter solle sich das Lernen von den Menschen abschauen und auf diese Weise auch soziales Verhalten lernen.

Forscher:innen erhoffen sich, dass Maschinen aufgrund dieser Art zu lernen Hand- lungen von Menschen vorhersehen und sie unterstützen können, ohne dass jede Reaktion als feste Regel programmiert werden muss.

„Lernen braucht Verkörperung“, sagen Psycholog:innen und Pädagog:innen schon lange. Stimmt das auch für Maschinen? Sie brauchen Daten, um aus ihnen zu ler- nen. Hilft es, wenn sie einen physischen Körper haben, der durch die Interaktion mit seiner Umwelt selbst Daten erzeugt und sie auswertet? Nao lernt durch Aus- probieren: Er sieht durch seine Kameraaugen, welche der Dinge um ihn herum sich verändern, weil er aktiv wird – und welche Veränderungen von anderen Wesen be- wirkt werden. Im Hintergrund berechnen Künstliche-Intelligenz-Algorithmen aus diesen Daten, wie die Welt und vor allem wie die Menschen funktionieren.

Die japanische Forscherin Yukie Nagai geht in ihrem Labor an der Osaka University noch einen Schritt weiter – und der hilft uns, anhand der Roboteraktionen eventuell etwas über uns zu lernen. Dort beobachten humanoide Roboter erst, wie Men- schen immer wieder nach Dingen greifen. Sie lernen, was die Menschen tun. Und sie werden zu Hellsehern: In einem ihrer Experimente will ein Student nach einem roten Spielzeugauto greifen, aber es liegt zu weit entfernt. Der Roboter sitzt näher dran, er kommt ihm zuvor, greift das Auto und reicht es ihm.

Will der Roboter helfen? Das kann nicht sein! „Natürlich hat der Roboter nicht die intrinsische Motivation zu helfen“, erklärt mir die Robotik-Professorin, „er will nur den Vorhersagefehler reduzieren. Das ist die einzige Vorgabe für das neuronale Netz, das den Roboter steuert: ‚Versuche vorherzusagen, was geschieht. Teste durch Ausprobieren, ob du recht hattest. Wenn nicht, lerne daraus und treffe bes-

Künstliche Intelli-

genz lernt, indem

sie Muster in gro-

ßen Datenmengen

findet.

(11)

11 Magazin lernen

Essay

Da der Roboter den Menschen zuvor lange beobachtet hat, hat er ein Muster er- kannt: Wenn der Mensch seine Hand in die Richtung eines Gegenstands bewegt, greift er ihn schließlich. Nagai hat zusammen mit Psycholog:innen lange beob- achtet, wie Kinder lernen. In einem Experiment zeigten Eltern ihren Kleinkindern, wie sie Becher ineinanderstapeln, immer wieder – Nagais Roboter lernten es auf die gleiche Weise. Kinder ahmen ihre Eltern nach – Nagais Roboter ahmen die Doktoranden der Professorin nach. „Was ist überhaupt der Unterschied zwischen menschlichem und maschinellem Lernen?“, fragt sie provokativ. Der einzige sei aus ihrer Sicht bisher gewesen, dass Menschen nie aufhören zu lernen, während Ro- boter nach dem Programmieren oder nach dem Training irgendwann „fertig“ sind.

Dank der leistungsfähigsten Mustererkennungsverfahren im maschinellen Lernen können Roboter auf diese Weise menschliches Verhalten vorhersagen, um passend darauf zu reagieren.

Wenn es denn funktioniert. Denn bislang wurde immer wieder versucht, maschi- nellen Lernsystemen anhand unzähliger Daten die Welt ein Stück weit verständli- cher zu machen – in der Hoffnung, dass sie uns Entscheidungen abnehmen und da- bei idealerweise so ähnlich denken wie Menschen. Bislang fallen solche Systeme aber oft durch krude Missverständnisse auf. Künstliche Intelligenz lernt, indem sie Muster in großen Datenmengen findet. Aber nicht immer sind sie uns Menschen bewusst. Manchmal verstecken sich in den Daten Muster, die uns bislang gar nicht aufgefallen sind. So erkannte beispielsweise ein System, das auf die Identifizie- rung von Pferdebildern trainiert worden war, am Ende nicht etwa Pferde, sondern die Signatur der Bilder, die alle aus dem gleichen Forum stammten. Für Menschen wäre hingegen klar gewesen, dass es um die Tiere auf den Bildern geht.

Andere Systeme fanden rassistische oder sexistische Vorurteile in Daten und über- trugen diese Muster auf ihre künftigen Entscheidungen. So wählte ein System, das passende Bewerber:innen für Amazon vorschlagen sollte, beinahe nur Männer aus.

Ein anderes System, das Richter:innen in den USA unterstützen sollte, benachtei- ligte Schwarze systematisch. Die Liste solcher Vorfälle ist lang und wächst immer weiter. Allein aus Daten zu lernen, scheint für Künstliche Intelligenz nicht wirklich zu funktionieren.

Immer wieder wird maschinelle mit menschlicher Intelligenz verglichen, immer wieder werden Begriffe wie „Neuronen“ auch für Maschinen verwendet – doch offenbar lernen wir auf sehr verschiedene Art und Weise. Das Problem dabei ist nur, dass zentrales Wissen über das menschliche Lernen fehlt. Was machen wir denn so anders? Auf dieser Spurensuche habe ich Matthias Bethge an der Universität Tübingen besucht, der einmal genauer hingeschaut hat: Welche Infor- mationen nehmen denn künstliche neuronale Netze zur Bilderkennung überhaupt aus einem Bild auf? Er konnte zeigen, dass die KI-Systeme oft nur bruchstückhaf- te Informationen aus einem Bild nutzen – und offenbar ganz andere als wir. Man kann sich das so vorstellen, dass man ein Bild in viele kleine Puzzleteile zerlegt und sie durcheinanderwirft, sodass die richtige Anordnung der Teile keine Rolle mehr spielt. Für Menschen ist es dann kaum mehr möglich, den konkreten Bildin- halt zu erraten, wohingegen ein neuronales Netz anhand der zufällig angeordneten Puzzleteile sogar sehr gut verschiedene Hunderassen unterscheiden kann.

Bethge arbeitet mit Neurowissenschaftler:innen zusammen und versucht heraus- zufinden, welche Bildinformationen genau aus der Netzhaut im Auge extrahiert und an das Gehirn weitergeleitet werden. „Der wichtigste Unterschied zwischen Menschen und der bisherigen KI liegt im Generalisierungsverhalten“, sagte er mir.

Etwas wiederzuerkennen oder, allgemeiner, etwas aus Erfahrung zu lernen geht nur durch Abstraktion, also durch das Ignorieren von Details. Die entscheidende Frage ist allerdings: Woher wissen wir, welche Informationen ignoriert werden dürfen und welche wesentlich sind? Und wie kann das eine KI lernen?

Neuronale Netze werden nicht unbedingt besser, nur weil man sie am mensch- lichen Gehirn orientiert, warnt Bethge. „Manche Dinge können Maschinen auch

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besser“, sagt er. Beispielsweise Muster in großen Datenmengen erkennen – auch wenn das genau eines der Probleme verursacht, mit denen die Forscher:innen kämpfen, weil die derzeitigen Algorithmen Aufgaben ganz anders angehen, als es die Menschen tun. „Ihnen fehlt ein Modell der Welt und beispielsweise Ver- ständnis für Physik“, sagt Bethge.

Wie kann KI Physik lernen? Das habe ich einige Zeit später an einem schönen Spätsommertag mit dem KI-Experten Matthias Hein auf der Terrasse des Tübinger Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme diskutiert. Vielleicht war es der herbstliche Blick über die Schwäbische Alb, der uns auf Isaac Newtons Apfelbaum brachte. Und auf einen alten Traum Heins: eine Maschine, die Physik selbst lernen kann. Nicht, um die komplexen quantenphysischen Zusammenhänge zu verstehen, über die Menschen noch rätseln. „Ich wäre schon glücklich, wenn eine Maschine hier herumsitzt, selbst Experimente macht, mit der Umwelt interagiert und dabei die Physik versteht.“ Ähnlich wie Isaac Newton, der eines schönen Tages unter einem Apfelbaum gesessen und einen Apfel auf den Kopf bekommen haben soll – und dadurch begann, über die Gravitationsgesetze nachzudenken.

In einem Innenhof des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge steht übrigens ein kleiner Apfelbaum, der ein Nachkömmling von Newtons Exemplar sein soll. Wenige Meter davon entfernt durfte ich 2019 als Knight Science Journalism Fellow am MIT unter anderem im Kurs „The Human Brain“ der Neu- rowissenschaftlerin Nancy Kanwisher lernen, was die Hirnforschung über das menschliche Lernen weiß. Kanwisher arbeitet schon seit Jahrzehnten daran, die menschliche Kognition zu entschlüsseln. Ein ganzes Semester lang Zeugin dieser Bemühungen zu sein, das hat mich einerseits ernüchtert (Wie aufwendig diese Spurensuche im Gehirn ist! Wie schwer sich das Lernen im Gehirn beobachten lässt!), aber andererseits hat es mich auch seltsam beunruhigt: Denn bis heute wurde nichts im Gehirn gefunden, das sich nicht materiell nachbilden ließe.

Freilich sind bei Weitem nicht alle Prozesse bekannt, nicht alle Rätsel über die Informationsverarbeitung im Gehirn gelöst. Aber im Prinzip spricht nichts dage- gen, dass unser Gehirn eines Tages auf der Basis aller Informationen, die Hirn- und KI-Forschung derzeit zusammentragen, künstlich nachgebildet werden kann.

Wenn KI dann auf der gleichen Basis lernt wie Menschen, spricht auch nichts dagegen, dass sie ebenso schlau wird wie wir und eines Tages mit uns gleichbe- rechtigte Diskussionen führt.

Und auch im Philosophiekurs „Philosophy of Mind“, den ich parallel in Harvard be- legte, führten wir sehr viele materialistische Debatten – die beiden Kurse passten hervorragend zusammen, auch wenn sie vermutlich nie jemand gleichzeitig belegt.

Eine logische Folgerung aus der philosophischen Argumentation des Materialis- mus ist freilich, dass sich auch Bewusstsein materiell nachbilden lässt. Oder auch:

dass unser Gefühl, ein Bewusstsein zu haben, eine Illusion sein muss.

Wenn Maschi- nen eines Tages tatsächlich so schlau sind wie Menschen ...

dann könnten sie uns endlich ernsthaft eine Hilfe sein, ohne dass wir uns

wegen ihrer

Unzulänglich-

keiten sorgen

müssten.

(13)

13 Magazin lernen

Essay

Bis heute wurde nichts im Gehirn

gefunden, das sich nicht materiell

nachbilden ließe.

Ich wollte mich damit ungern abfinden. In einer der nächtlichen Diskussionen nach einem Wein in einer Bar am Harvard Square mit einem Fellowship-Kollegen, der sich ebenfalls viel mit diesem Thema beschäftigte, schien auf einmal alles glasklar:

Er warte nur darauf, dass die Illusion eines Tages einen winzigen Riss bekomme, eine kleine Ungereimtheit aufscheine, so der Kollege. Manche Menschen hätten dank bewusstseinserweiternder Drogen solche Einblicke bekommen. Das erschien mir besonders tragisch. Wenn die Bewusstseinserweiterung zur Erkenntnis führt, dass es kein Bewusstsein gibt – will ich sie dann wirklich haben?

Solange man nicht zu viel darüber nachdenkt, ist es eigentlich egal, ob wir in einer Illusion leben. Ich habe mich lange dagegen gewehrt, aber es ist gar nicht absurd, dass es eines Tages gelingen wird, das menschliche Gehirn so weit zu entschlüs- seln, dass wir Maschinen bauen, die genauso lernen wie Menschen. In der Konse- quenz entwickeln sie dann ebenso ein Bewusstsein – oder das Gefühl eines solchen.

Es wäre natürlich für sie ebenso eine Illusion.

Darüber könnten wir dann trefflich mit ihnen philosophieren. Noch besser aber wäre für uns eine andere Folge: Wenn Maschinen eines Tages tatsächlich so schlau sind wie Menschen, weil sie gelernt haben, Informationen zu verarbeiten wie Men- schen und weil sie Weltwissen intuitiv verstehen – sei es, weil sie lange unter einem Baum saßen und fallende Äpfel beobachtet haben, oder sei es, weil sie eine Abkür- zung gefunden haben, um sich dieses Wissen anzueignen –, dann könnten sie uns endlich ernsthaft eine Hilfe sein, ohne dass wir uns wegen ihrer Unzulänglichkeiten sorgen müssten.

Falls es so weit kommen sollte, ist das noch sehr, sehr weit weg. Und darin sind sich verrückterweise alle einig, KI- ebenso wie Hirnforscher:innen. Bis dahin kann sich der kleine Roboter Nao freilich trotzdem nützlich machen. Derzeit besucht er eine Schule in Höxter, habe ich in der Zeitung gelesen – nicht etwa, um selbst zu lernen, sondern um den Stoff für die Schüler:innen interessanter zu machen.

(14)

Studiensaal im SCHAUWERK

Bildungs-

angebot für Schulklassen

Schülerinnen vor einer Rauminstallation von Wolfgang Tillmans

(15)

15 Magazin lernen

S

eit den Anfängen gibt es ein umfangreiches Vermitt- lungsangebot, das in den letzten Jahren immer weiter ausgebaut werden konnte. Nachdem zur Eröffnung des Museums einige Plastiken des britischen Bildhauers Antony Gormley ausgestellt wurden, meldete sich 2013 ein Kunstlehrer eines nahe gelegenen Gymnasiums mit dem Anliegen bei uns:

„Wo sind die Arbeiten von Antony Gormley hingekommen? Der Künstler ist Teil des Kunstabiturs in Baden-Württemberg! Wir möchten die Originale gerne anschauen!“ Die Idee, einen Stu- diensaal für Abiturient:innen einzurichten, war geboren. Rea- lisiert wurde er im Jahr 2014 im Untergeschoss des Museums.

Er ermöglicht seither jungen Menschen einen direkten Zugang zu den Werken und die Betrachtung der Originale. Schulklas- sen aus der Region, aber auch aus ganz Baden-Württemberg kommen verstärkt ins SCHAUWERK. Das Museum als außer- schulischer Lernort ist im Bildungsplan der Schulen fest ver- ankert, wir leisten mit unseren Programmen einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Bildung.

Mit der Weiterentwicklung der Prüfungsthemen im Abitur wird auch der Studiensaal fortlaufend aktualisiert. Dies ist aufgrund der hochkarätigen Sammlung Schaufler aus den eigenen Beständen möglich. Die Exponate werden dabei ent- sprechend den Anforderungen des Themas ausgewählt. So konnten wir von 2014 bis 2020 mit der Präsentation mehrerer Werke des britischen Bildhauers Antony Gormley, der im Prü- fungsthema eine zentrale Rolle einnahm, eine große Zahl von Schüler:innen erreichen. Die Sammlung Schaufler umfasst mehr als 20 Arbeiten Gormleys, daher war es möglich, nachhaltig aus dem eigenen Fundus zu schöpfen. Zunächst waren Plastiken aus unterschiedlichen Werkphasen sowie eine Zeichnung zum Thema „Figur und Abstraktion“ zu sehen. Der menschliche Kör- per und seine Beziehung zum Raum ist das zentrale Thema in Gormleys Schaffen. Terrakotta, Blei, Eisen und Stahl – Mate- rialien, die der Künstler vorzugsweise verwendet – unterstrei- chen die Variationen seiner besonderen Körperauffassung.

Mit der Weiterentwicklung des Abiturthemas „Ver- körperungen – Plastik der griechischen Antike und Antony Gormley“ wurde der Studiensaal durch eine Leihgabe aus der Sammlung der Klassischen Archäologie im Museum der Uni- versität Tübingen (MUT) ergänzt: Ein Abguss des sogenannten Diadumenos, einer antiken Statue, zog bei uns im SCHAUWERK ein. Im Gegenzug erhielt das MUT zwei unserer Gormley-Ar- beiten als Leihgaben. Die Gegenüberstellung von Werken der griechischen Klassik und der zeitgenössischen Kunst ermög- lichte sinnvolle Querverweise und diente als ideales Anwen- dungs- und Lehrbeispiel für das vergleichende Sehen. Darüber hinaus warf es auch Fragen auf: Welche Veränderungen gab es im Medium Skulptur über die Zeitepochen hinweg? Welche Posen

Vorstellung

Text

Christine Klenk

Schulklassen aus der Region, aber auch aus ganz Baden-Württemberg kommen ins SCHAUWERK.

Mit der Eröffnung des SCHAUWERK im Jahr 2010 trat das Sammlerehe- paar Peter Schaufler und Christiane Schaufler-Münch mit seiner um- fangreichen Sammlung zeitgenössi- scher Kunst an die Öffentlichkeit.

Das Museum SCHAUWERK ist seit

vielen Jahren ein Begegnungsort

für kunstinteressierte Menschen, die

unabhängig von Alter und Bildungs-

stand die Ausstellungen besuchen.

(16)

waren für die Künstler interessant? Wie war das damalige Men- schenbild? Was sind die Unterschiede von damals und heute?

Ende 2020 gestalteten wir den Studiensaal dann pas- send zum neuen, auf die Malerei bezogenen Prüfungsthema

„Abbild und Idee in Stillleben und Landschaft“ erneut um. Aus- gehend von der Stilllebenmalerei des 17. Jahrhunderts sollen die Schüler:innen die Kunstgeschichte bis in die Gegenwart durch- schreiten und sich zusätzlich auch mit den fotografischen Wer- ken des Künstlers Wolfgang Tillmans befassen.

Im Zuge dessen haben wir aus unserer Sammlung Tillmans’ elfteilige fotografische Rauminstallation „Skala“ (2003) sowie zwei weitere Fotografien ausgewählt und mit den verblei- benden Plastiken Gormleys im Studiensaal ausgestellt. Das zen- trale Thema Tillmans’ ist die Abbildung seiner Wirklichkeit.

Dabei wirken seine Arbeiten zunächst wie Schnappschüsse, sind aber häufig inszenierte Aufnahmen. Ergänzend zu diesen Wer- ken sind Fotografien von Michael Wesely und Hans-Christian Schink, die das Sujet der Landschaft behandeln, zu sehen. Die ausgestellten Werke ermöglichen eine Auseinandersetzung mit den vielfältigen Erscheinungsformen von Stillleben und Land- schaft im Medium der Fotografie.

Wesentliche Bestandteile der Führungen und Work- shops im Studiensaal sind der direkte Vergleich unterschiedli- cher Werke und das vergleichende Sehen. Hervorzuheben ist auch der dialogorientierte und intensive Austausch der Abitu- rient:innen über die Werke: Es wird gesprochen, diskutiert, aber auch gezeichnet und es werden Posen mit dem eigenen Körper nachgestellt. Dieser dialogische und praktische Teil, der inmit- ten der Originale stattfindet, steht im Fokus des Angebots. Auf diese Weise eignen sich die Schüler:innen Wissen über das ei- gene Sehen und Erkennen und die verbale Auseinandersetzung direkt vor Ort an. Häufige Reaktionen der Schüler:innen waren beispielsweise folgende: „Erst als ich hier im Museum im Studi- ensaal war und auch eine Führung bekommen habe und mir al- les genauer anschauen konnte, habe ich gemerkt, dass da tat- sächlich ein Mensch abgebildet ist, dass das wirklich was darstellt und nicht nur irgendwelche Linien sind.“ „Im Museum sich die Originale anzuschauen ergibt Sinn, dann kann man sich das einfach viel besser vorstellen und hat auch eine bessere Erinne- rung an die Kunst, da im Museum eine ganz andere Atmosphä- re ist als in der Schule.“

Seit seinen Anfängen im Jahr 2014 wird das Vermitt- lungsprogramm im Studiensaal sehr gut angenommen: 223 Führungen und Workshops mit etwa 2.810 Schüler:innen fan- den bis zum Jahr 2019 statt. Aufgrund der Corona-Pandemie sind die Angaben für das Jahr 2020 leider nicht aussagekräf- tig und wurden daher nicht abgebildet. Erfreulicherweise kommen viele Lehrer:innen mit ihren Folgejahrgängen wieder ins SCHAUWERK, um sich im Studiensaal auf die Abiturprü- fung vorzubereiten. In einem Brief beschrieb eine Lehrerin die Besonderheit dieses außergewöhnlichen Lernorts sehr treffend:

„Es ist für die Schüler:innen ein besonderes Erlebnis, das im Unterricht Besprochene in der Realität zu sehen, Größenver- hältnisse abzuschätzen, sich neben den Werken aufzustellen und das gelernte Wissen anwenden zu können. Der Studiensaal bleibt den Schüler:innen immer gut in Erinnerung und ist für mich als Lehrerin eine super Ergänzung zum klassischen Unterricht.“

Es ist für die

Schüler:innen ein besonderes

Erlebnis, das im Unterricht Be- sprochene in der Realität zu sehen, Größenver-

hältnisse abzu- schätzen, sich

neben den Werken aufzustellen und das gelernte

Wissen anwenden

zu können.

(17)

17 Magazin lernen

Vorstellung

Jugendliche im Studien- saal zwischen Werken von Antony Gormley und dem Abguss des Diadumenos.

(18)

Forschen

im Lab:

(19)

19 Magazin lernen

Zwischen Wissen-

schaft und Kunst

Bilder

Büro Schramm für Gestaltung

Projekt

Mit dem SCHAUFLER LAB@TU DRESDEN wurde ein Ort geschaffen, an dem sich

Künstler:innen und junge Wissenschaft-

ler:innen unterschiedlicher Disziplinen aus-

tauschen und voneinander lernen können.

(20)

I

m SCHAUFLER LAB@TU DRESDEN forschen Kollegiat:innen aus unterschiedlichen geis- tes- und sozialwissenschaftlichen Fach- richtungen und Künstler:innen gemeinsam zu Fragestellungen aus dem Themenfeld Kultur und technologischer Wandel. Initiiert und ge- fördert wird das aus wissenschaftlichem Pro- motionskolleg und künstlerischem Artist-in-Resi- dence-Programm bestehende Projekt, von THE SCHAUFLER FOUNDATION und der Technischen

Die Stipendiat:innen Susanne Rentsch (oben) und Michael Klipphahn (rechts) schätzen das Lab als Ort zum Arbeiten und Vernetzen.

Ein typischer 1950er-Jahre-Hochschul- bau, im Herzen des Campus der Technischen Uni- versität Dresden (TUD), direkt neben der Sächsi- schen Landes- und Hochschulbibliothek: Hier wurden vier Räume eingerichtet, die die Basis des SCHAUFLER LAB@TU DRESDEN bilden. Die Büros der Kollegiat:innen sowie die Koordination und Öffentlichkeitsarbeit des Lab sind hier verortet, außerdem gibt es einen Seminarraum, in dem sich die Stipendiat:innen zum Austausch treffen können.

Eigentlich – denn in Zeiten der Corona-Pandemie ist alles anders, fast alle Veranstaltungen und Ge- spräche finden online statt. Für ein Projekt, des- sen Kernidee das Vernetzen und der Transfer ist, sind dies schwierige Bedingungen. Die virtuelle Kommunikation ermöglicht dennoch einen regen Austausch, sowohl zwischen den Forscher:innen untereinander als auch mit den involvierten For- schungseinrichtungen aus den naturwissenschaft- lichen Fachbereichen der TUD oder mit den ex- ternen Partnern wie der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) Dresden.

Die Verbindung von Wissenschaft, For- schung und Kunst ist der Stiftungszweck von THE SCHAUFLER FOUNDATION. Im SCHAUFLER LAB@

TU DRESDEN wird dieser Gedanke in perfekter Weise umgesetzt: Ein technologisches Thema wird von neun Nachwuchswissenschaftler:innen (plus drei assoziierten Kollegiat:innen) aus den Geistes- und Sozialwissenschaften im Rahmen von Pro- motionsarbeiten behandelt. Sie untersuchen das Wechselspiel zwischen technischer Innovation und Veränderung von Gesellschaft und Kultur. In den ers- ten drei Jahren des Projekts steht das Thema „Künst- liche Intelligenz (KI) und gesellschaftlicher Wandel“

im Fokus ihrer Forschungen. TSF fördert gemeinsam mit der TUD über Stipendien die Promotionsvorhaben und kofinanziert den organisatorischen Rahmen des SCHAUFLER LAB@TU DRESDEN. Der Förderzeitraum wurde erfreulicherweise wegen der Corona-Pan- demie um ein Jahr verlängert. An der TUD – einer der Exzellenzuniversitäten Deutschlands – haben die Promotionsstudent:innen Zugang zu einer einzigartigen Vielfalt wissenschaftlicher Ein- richtungen von hohem internationalem Rang. Vor allem mit ihrer Profilierung in den technisch-na- turwissenschaftlichen Disziplinen zählt die TUD zu den führenden Universitäten des Landes. Das Promotionsprogramm bietet die Möglichkeit, sich in den entsprechenden Clustern der Univer- sität theoretisch und praktisch weiterzubilden, wie etwa im Zentrum für Taktiles Internet mit Mensch-Maschine-Interaktion (CeTI) oder im Center for Scalable Data Analytics and Artificial Intelligence Dresden/Leipzig (ScaDS.AI), einem von sechs von der Bundesregierung geförderten

(21)

21 Magazin lernen

Projekt

In regelmäßigen Treffen und Kolloquien geben sich die Promotionsstudent:innen Anregun- gen und Denkanstöße und profitieren vom interdis- ziplinären Dialog über den Einfluss der KI auf unser Leben.

Mittels KI-basierter Systeme wird be- reits heute unser Konsumverhalten analysiert, um uns mit individualisierter Werbung zielgerichtet anzusprechen. In sozialen Netzwerken stellen uns künstliche Intelligenzen primär die Nachrichten zur Verfügung, die unserem Nutzerprofil entsprechen, und erzeugen so sehr selektive Informationsblasen.

Ein anderer Bereich, der von KI profitiert, ist das Gesundheitswesen: Mit dem Einsatz von KI können Diagnosen – beispielsweise in der Tumorerkennung – schneller gestellt werden. KI hält über vernetzte Datenanalysen auch Einzug in die Bewertungen unserer Kreditwürdigkeit, in Personalauswahlpro- zesse, in die Rechtsprechung (etwa bei Berech- nungen der Rückfallwahrscheinlichkeit) und in politische Entscheidungsprozesse. Anhand dieser Beispiele wird deutlich, wie wichtig gerade die sozi- alen, ethischen und gesellschaftlichen Aspekte der KI-Nutzung sind, mit denen sich besonders Geis- teswissenschaftler:innen und Künstler:innen inten- siv und kritisch auseinandersetzen.

Im SCHAUFLER KOLLEG@TU DRESDEN entstehen Forschungsarbeiten in unterschiedlichen Fachrichtungen wie Soziologie, Kommunikations- wissenschaften, Theologie, Geschichte und Poli- tikwissenschaften. So wirft etwa die Kollegiatin Rebekka Roschy in ihrer Dissertation „Die vergan- genen Zukünfte der Künstlichen Intelligenz“ einen technikhistorischen Blick auf KI. Die Arbeitswissen- schaftlerin Gina Glock analysiert mögliche Auswir- kungen von KI auf die Autonomie von Beschäftigten aus arbeitssoziologischer Perspektive, während Philipp Preußger autonome Waffensysteme aus dem Blickwinkel theologischer Ethik betrachtet.

D ie z weite S äule de s L ab is t die SCHAUFLER RESIDENCY@TU DRESDEN: ein je- weils halbjähriges Künstler:innenstipendium. Es gibt internationalen Künstler:innen die Möglichkeit zu künstlerischer Forschung als Teil der Wissen- schafts-Community an der TUD. Ihre Projekte stehen in enger Verbindung mit den Themen des SCHAUFLER KOLLEG@TU DRESDEN, beide beför- dern sich gegenseitig. Der erste Stipendiat Christian

Das Wichtigste am

SCHAUFLER KOLLEG@

TU DRESDEN ist aber

der enge Austausch.

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Die Stipendiat:innen Niklas Lange und Sandra Moos- hammer freuen sich über den Dialog unterschiedli- cher Fachrichtungen, die das Lab zusammenführt.

Kosmas Mayer – Preisträger des Outstanding Ar- tist Award der Republik Österreich 2020 – themati- siert in seinen künstlerischen Untersuchungen den menschlichen Wunsch nach Unsterblichkeit und be- zieht sich dabei auf neueste Technologien aus den Bereichen der Künstlichen Intelligenz, der Biologie und der Kryonik (siehe Im Gespräch, ab S. 24).

Seit Januar 2021 ist der in New York ansäs- sige Künstler Anton Ginzburg Gast der SCHAUFLER RESIDENCY@TU DRESDEN. Er hinterfragt in seinen Arbeiten Konzepte der Kreativität und der kulturel- len Arbeit im historischen und globalen Kontext.

Davon ausgehend reflektiert Ginzburg heutige Stra- tegien der technologischen Mechanisierung von Arbeit, wie etwa Maschinelles Lernen, und ihren Einfluss auf gegenwärtige künstlerische Praktiken.

Verortet ist die Residency in unmittel- barer Nachbarschaft zum Kolleg in zwei Glascon- tainern, die als Open Studio auf dem Campus der Uni fungieren. Das Open Studio dient zugleich als räum- liche Schnittstelle zwischen Kolleg und künstlerisch- wissenschaftlicher Forschung. Es soll außerdem ein Forum für die Begegnung von Universität und Öf- fentlichkeit sein, in dem Workshops, Lectures und Präsentationen stattfinden. Coronabedingt konnte das Programm 2020 bislang nur eingeschränkt stattfinden, die Veranstaltungen und Talks wurden teilweise digital oder hybrid mit nur wenigen Teil- nehmer:innen vor Ort durchgeführt.

Die Residency ist an die Kustodie der TUD angebunden, die unter anderem deren viel- fältige naturwissenschaftliche und künstlerische Sammlungen betreut. Seit vielen Jahren initiiert und begleitet die Kustodie auch künstlerische Forschungsvorhaben an der Universität. Die Ab- schlussausstellungen der Residency werden in der Altana Galerie der Kustodie im Görges-Bau präsentiert: Im Herbst dieses Jahres zeigen die beiden Residency-Künstler Christian Kosmas Mayer (Stipendiat 2020) und Anton Ginzburg (2021) pandemiebedingt gemeinsam ihre wäh- rend des Aufenthalts in Dresden entstandenen Werke und lassen die Besucher:innen am Prozess ihrer Forschungsarbeit teilhaben. Je eine Arbeit der Stipendiat:innen soll für den Kunstbesitz der Kustodie angekauft werden. Am Ende der ersten Förderphase wird für die drei Residency-Künst- ler:innen des SCHAUFLER LAB@TU DRESDEN im SCHAUWERK Sindelfingen eine gemeinsame Abschlussausstellung ausgerichtet.

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23 Magazin lernen

Projekt

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Forschungsprojekt: Transparenz als Vorausset- zung für vertrauenswürdige KI: Rechtliche Rah-

Franz Lehr

Forschungsprojekt: Fähigkeiten und journalis- tische Qualität des Kommunikators Automated Journalism

Fachgebiet: Kommunikationswissenschaft

Sandra

Mooshammer

Forschungsprojekt: Deep Learning als soziale Situation. Intelligente Infrastrukturen, informati- onelle Emergenz und Kommunikation

Fachgebiet: Soziologie

Richard Groß

Die Kollegiat:innen der ersten Projektphase des SCHAUFLER KOLLEG@TU DRESDEN forschen gemeinsam mit den jeweiligen Künstler:innen der SCHAUFLER RESIDENCY@

TU DRESDEN zum Thema Künstliche Intelligenz als Faktor und Folge gesellschaft- lichen und kulturellen Wandels. Sie arbeiten seit 2020 für insgesamt vier Jahre an ihrer Dissertation zu KI und präsentieren ihre Forschungsergebnisse regelmäßig in verschiedenen Formaten öffentlich.

Illustration Uli Knörzer

SCHAUFLER KOLLEG@TU DRESDEN

Stipendiat:in-

nen am

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25 Magazin lernen

Forschungsprojekt: Algorithmische Diskriminie- rung und die Möglichkeiten ihrer Regulierung Fachgebiet: Politikwissenschaft

Niklas Lange

Forschungsprojekt: Die vergangenen Zukünfte der Künstlichen Intelligenz

Fachgebiet: Geschichte

Rebekka Roschy

Forschungsprojekt: Mensch – Militär – Maschi- ne: Perspektiven theologischer Ethik auf auto- nome Militärtechnik

Fachgebiet: Evangelische Theologie

Philipp

Preußger

Forschungsprojekt: Der demokratische Ho- rizont Künstlicher Intelligenz – Die Rolle von Kontingenz und Befragung

Fachgebiet: Politikwissenschaft

Ann-Kathrin Koster

Forschungsprojekt: Work in Times of Disruptive Technologies: Effects of Artificial Intelligence (AI) on Work Autonomy in Germany

Fachgebiet: Soziologie

Gina Glock

Forschungsprojekt: Magic Matters – Neue Materialismen zwischen Magie und KI in der Kunst des frühen 21. Jahrhunderts

Fachgebiet: Kunstgeschichte

Michael Klipphahn

Forschungsprojekt: Maschinen als Subjekte politischer Bildung

Fachgebiet: Didaktik politischer Bildung

Susanne Rentsch

SCHAUFLER KOLLEG@TU DRESDEN

Projekt

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Barbara

Bergmann

Barbara Bergmann:

Direktorin des SCHAUWERK Sindelfingen, im Vorstand von THE SCHAUFLER FOUNDATION und Jurymit- glied des Artist-in-Residence- Programms

spricht mit

Kunst und Künst- liche Intelligenz:

eine aussichts-

reiche Verbindung für eine Gesell-

schaft von morgen

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27 Magazin lernen

Im Gespräch

Christian Kosmas

Mayer

Kirsten Vincenz

Christian Kosmas Mayer:

Artist-in-Residence am SCHAUFLER LAB@TU DRESDEN (erster Jahrgang 2020) Kirsten Vincenz:

Sprecherin des

SCHAUFLER LAB@TU DRESDEN und Direktorin der Kustodie der TU Dresden

&

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Barbara Bergmann: Herr Mayer, wir freuen uns sehr, dass Sie der erste Künstler des Artist- in-Residence-Programms des SCHAUFLER LAB@

TU DRESDEN sind. Wenn man sich ein wenig mit Ihrer Vita und Ihrer Arbeitsweise beschäf- tigt, dann könnte es kaum passender sein. Warum haben Sie sich für das Stipendium beworben?

Womit möchten Sie sich beschäftigen?

Christian Kosmas Mayer: Die Möglichkeit, aus künstlerischer Perspektive transdisziplinär und im Dialog mit den Kollegiat:innen des SCHAUFLER LAB@TU DRESDEN forschen zu können, bietet mir gute Bedingungen, um mich tiefergehend mit dem Thema Unsterblichkeit zu beschäftigen. Aus- gehend von alten Unsterblichkeitsmythen will ich mich mit den gegenwärtigen technologischen Mani- festationen dieses menschlichen Begehrens ausein- andersetzen. Dies führt mich in ein Spannungsfeld zwischen Künstlicher Intelligenz, Biotechnologie, Philosophie und Poesie.

BB: Für THE SCHAUFLER FOUNDATION ist das Gemeinschaftsprojekt SCHAUFLER LAB@

TU DRESDEN Neuland und ein wichtiger Schritt in Richtung einer Verknüpfung von Kunst und Wissenschaft, die in der Satzung der Stiftung angelegt ist. Was sind für Sie die Unterschiede zwischen der künstlerischen und der wissen- schaftlichen Herangehensweise an Forschung?

CKM: Wissenschaftliche Forschung sollte sich im- mer so weit wie möglich an objektiv verifizierbaren Ergebnissen messen lassen. Sie bezieht sich dabei auf bestimmte Systeme und Begrifflichkeiten, die sich über lange Zeit hinweg gebildet und verdichtet haben. Die Kunst wiederum ist ein eigenständiges System, das sich aus dem heraus deuten lässt, was wir Kunstgeschichte nennen. Begriffe wie Objekti- vität, Wahrheit oder Beweis sind in der Kunst zwar nicht ausgeschlossen, sie kommen aber immer in Berührung mit subjektiven, unbewussten, poeti- schen oder auch spekulativen Formen der Welter- schließung. Das stellt in der Kunst, im Gegensatz zur Wissenschaft, kein Problem dar, sondern macht im Gegenteil ihre große Stärke aus.

BB: Frau Vincenz, werden die Arbeiten und Ideen der Residency-Künstler:innen auch in die Sammlung der Kustodie „zurückwirken“

oder sogar darüber hinaus?

Kirsten Vincenz: Ja, das ist in jedem Fall so, und ich denke, auch auf vielfältige Weise. Zum ei- nen soll jeweils ein Kunstwerk, das während der Residency entstanden ist, für den Kunstbesitz der TU Dresden erworben werden. Zum anderen tre- ten die Künstler:innen im Verlauf ihres Aufenthalts bei uns mit den Kollegiat:innen, vielen Wissen-

öffentlichen Formate auch mit anderen Menschen in einen Dialog. Ich bin fest von der Notwendigkeit dieser Kommunikation überzeugt und davon, dass diese Begegnungen nicht nur uns beeindrucken und bewegen, sondern gleichermaßen in die Insti- tution hineinwirken. Wenn dies gelingt, kann der Blick aller Beteiligten auf Künstliche Intelligenz als Zukunftstechnologie erweitert und möglicherweise sogar verändert werden.

BB: Frau Vincenz, wie wichtig ist Ihnen der ge- sellschaftliche Austausch neben den Diskursen der Wissenschaftsdisziplinen?

KV: Ich halte diesen Austausch für enorm wichtig, nicht nur für uns als Kustodie, sondern im Rahmen einer erweiterten Transferstrategie der Universität selbst. Dabei geht es nicht nur um gesellschaftliche Akzeptanz neuer technologischer Entwicklungen, sondern um einen Diskurs mit der Gesellschaft, die wir als Wissensinstitution letztendlich mitge- stalten. Auch das eigene Tun sollte hinterfragt und Raum für Fragen anderer geschaffen werden. Die Probleme, denen wir uns als Gesellschaft gegen- übersehen, sind immens und können nur disziplin- und fächerübergreifend angegangen werden.

B B : We l c h e Fr a g e n s t e l l e n s i c h I h n e n a l s for schender Küns t ler im Hinblick auf den gesellschaftlichen Wandel durch künstliche Intelligenz?

CKM: Die radikalen Innovationen in den Bereichen der Biotechnologie und der Informationstechno- logie werden unsere Gesellschaften tiefgreifend verändern. Das Wissen über biologische Prozesse wächst rasant und damit die Möglichkeit, in diese Prozesse steuernd einzugreifen und beispielsweise Leben im Labor zu schaffen. Dies geht einher mit dem ebenfalls exponentiell wachsenden Potenzial auf dem Gebiet der digitalen Datenverarbeitung, was wir gemeinhin als KI bezeichnen. Aus der Ver- schmelzung dieser beiden Bereiche, aus Biologie und Daten, ergeben sich Möglichkeiten, die für die Menschheit sowohl Segen als auch Fluch sein kön- nen. Im Grunde sind wir mittels Erschließung digi- taler Welten auf dem Weg, in Räume vorzustoßen, die man in früheren Zeiten Gottheiten zugespro- chen hatte. Als Gesellschaft müssen wir dringend einen Diskurs beginnen, wie weit wir hier gehen wollen und welche Möglichkeiten, auch der politi- schen Steuerung, wir hier einbauen wollen.

BB: Welchen Ansatz verfolgen Sie mit Ihrem künstlerischen Schaffen? Erzählen Sie bitte et- was über Ihr medienübergreifendes Arbeiten und Ihre Forschungen.

CKM: Meine Arbeiten basieren zumeist auf ein-

Artist-in-Residence Christian Kosmas Mayer führt in seiner künstlerischen For- schung Erfahrungen aus Wissenschaft und Kunst zusammen.

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29 Magazin lernen

Im Gespräch

Christian Kosmas Mayer

Die radikalen Innovationen in den Bereichen der Bio-

technologie und der Infor-

mationstechnologie werden

unsere Gesellschaften tief-

greifend verändern.

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Christian Kosmas Mayer

Als Gesellschaft müssen wir drin-

gend einen Diskurs beginnen, wie weit wir hier gehen

wollen und wel-

che Möglichkeiten, auch der politi-

schen Steuerung,

wir einbauen wollen.

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31 Magazin lernen

Im Gespräch

Pandemiebedingt fand dieses Gespräch im virtuellen Raum statt.

Recherchen. Sie dienen einer kritischen Neube- wertung von Geschichte und Gegenwart, indem sie Evolutionäres und Naturhaftes in einen kultur- geschichtlichen und wissenschaftlichen Bezugs- rahmen stellen. Zentrale Bedeutung besitzt dabei die Auseinandersetzung mit Fragen des Archivie- rens und Konservierens als geschichtsbewusstem Handeln. So habe ich beispielsweise mit Pflanzen gearbeitet, die aus 32.000 Jahre alten und im Per- mafrostboden gefundenen Samen wiederbelebt wurden, und in Los Angeles neben der ältesten Palme der Stadt eine künstlerische Zeitkapsel ver- graben, die in 100 Jahren wieder ausgegraben und geöffnet werden soll.

BB: Spannend – das Datum müssen sich also die Generationen nach uns merken. Benöti- gen die Betrachter:innen Ihrer Arbeiten zum Verständnis auch Hintergrundwissen zu Ihren komplexen Recherchen?

CKM: Wenn meine Arbeiten dazu anregen, mehr erfahren zu wollen, dann ist mir das recht. Aber ich würde das nicht von den Besucher:innen erwarten.

Ich denke dabei immer an das Trojanische Pferd:

Als formales Objekt ist es anziehend, und gleich- zeitig hat es diesen verborgenen Inhalt, der sich in einem bestimmten Moment öffnen kann und einen Kontext liefert, der die Form ergänzt. Beides hat sei- ne Berechtigung, beides ist gleichermaßen wichtig.

BB: Könnten Sie sich vorstellen, auch Elemente der Kältetechnik in Ihre Werke zu integrieren?

CKM: Da Kälte bei der Konservierung von Lebewe- sen eine wichtige Rolle spielt, kann ich mir gut vor- stellen, mit Kältetechnik zu arbeiten und dabei auch vom Know-how der Firma BITZER zu profitieren.

BB: Wird es in der Altana Galerie, dem Aus- stellungshaus der Kustodie an der TU Dresden, eine Schau zum Thema des SCHAUFLER LAB@

TU DRESDEN geben?

KV: Ja, Ausstellungen mit Begleitpublikation sind für alle Artist-in-Residence in der Universitätsgale- rie vorgesehen, und sie sind für uns, aber natürlich auch für die Künstlerinnen und Künstler sehr wich- tig. Aufgrund pandemiebedingter Änderungen in der Ausstellungsplanung werden allerdings in die- sem Jahr die Ausstellungen von Christian Kosmas Mayer und Anton Ginzburg zusammen stattfinden.

Die Verankerung der künstlerischen Prozesse in ei- ner Schau auf dem Campus ist dann für alle betei- ligten Kollegiat:innen, Wissenschaftler:innen und für uns ein wichtiger Erfolg.

BB: Ja, darauf können wir uns jetzt schon freu- en. Vielen Dank Ihnen beiden für die anregen- den Einblicke.

(32)

Werkschau Baustelle &

Kunst

J e s s i c a S t o c k h o l d e r Ohne Titel [#289], 1997 Installation, Öl- und Acryl- farbe, Metall, Wolle, Kunst- stoff, Eisen, Wasserschläu- che, Fußhocker, Gips, Stoff, Lichtröhren, Kabel, Linoleum, mehrteilig, 127 × 226 × 193 cm

(33)

33 Magazin lernen

B I T Z E R S i n d e l f i n g e n , Abriss Headquarter

Werkschau

Kabelsalat: Linien, verschlungen zu eigenwilligen Gebilden mit leitender und vernetzender Funktion – zufällig und geplant

Mit dem Abriss der Firmenzentrale von BITZER in Sindelfingen wurde im Jahr 2020

begonnen. Anstelle des alten Haupt- gebäudes wird dort ein Kunstdepot mit Workshopräumen für die Kunstver- mittlung und einem Café entstehen.

Der Neubau wird

voraussichtlich 2022

fertiggestellt sein.

(34)

Von Licht bestrahlte,

wahllose und gewollte

Formen aus

unterschiedli-

chem Material

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35 Magazin lernen

Werkschau

M i c h a e l S a i l s t o r f e r

Cast of the Surface of the Dark Side of the Moon, 2005

Epoxidharz auf Fiberglas, 3 Scheinwerfer,

mehrteilig, ca. 85 × 410 × 410 cm

B I T Z E R S i n d e l f i n g e n , Abriss Headquarter

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(37)

37 Magazin lernen

Wiederaufbau nach der

Zerstörung

Werkschau

B I T Z E R S i n d e l f i n g e n , Abriss Headquarter

A n s e l m K i e f e r

Frauen der Antike (Phryne), 1995/1998, Kunstharz, Metall, Glas, Stahl, Stoff, Gips, Ziegelsteine, 216 × 130 × 130 cm

(38)

B I T Z E R S i n d e l f i n g e n , Abriss Headquarter

G e r w a l d R o c ke n s c h a u b 2 Acrylglasplatten, rotes Klebeband,

3 Stahlständer, 1998, 2-teilig, je 202 × 311 × 311 cm

(39)

39 Magazin lernen

Die Bedeutung einer roten Linie

Werkschau

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Kurz &

knapp zum Thema lernen

Illustration Uli Knörzer

„Lernen ist für mich etwas, das im Alltag absolut wichtig ist, sowohl auf persönlicher als auch auf beruflicher Ebene. Lernen begleitet uns durch unser ganzes Leben und bedeutet, aus allem, was wir hören und sehen, einen Nut- zen zu ziehen. Es ist ein Prozess, der Rück- schlüsse zulässt, der uns hilft, prakti- sche Abläufe zu verbessern, um unser persönliches und berufliches Leben einfacher, effizienter und vielleicht sogar profitabler zu gestalten – nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere Arbeitgeber und unsere Mitmenschen.

Lernen ermöglicht es uns, im Team zu arbeiten, hilft uns zuzuhören. Das sind kleine Dinge, die uns allen im Alltag

Hélder Veiga 45 Jahre Schlosser

BITZER, Portugal

Lernen ist ein

ständiger Prozess,

der uns Menschen

wachsen lässt.

(41)

41 Magazin lernen

„Lernen ist eine Quelle des Glücks.

Manche Menschen studieren nicht gerne und hören nach ihrem Abschluss mit dem Lernen auf. Lernen und studieren sind jedoch unterschiedlich. Lernen bedeutet, sich Wissen anzueignen und den Umgang mit etwas zu beherrschen.

Nicht alle Menschen wählen ihre Arbeit nach dem aus, was sie mögen.

Jedoch kann lernen dazu führen, Fähigkeiten zu beherrschen. Obwohl es schwierig ist, kann lernen, also der Erwerb eines detaillierten Wissens, dazu beitragen, dass Menschen ihre Arbeit mögen. Wir nehmen oft an, dass Men- schen, die ihren Job mögen, glückli- cher sind. Aber ist das wahr? Selbst wenn unsere Träume platzen, hört das Leben nie auf. Wir können weiter- machen und neu anfangen, indem wir andere Dinge tun. Dabei kann lernen unser Leben bereichern.“

Kurz & knapp

Zahra Soltani 37 Jahre Doktorandin BITZER, Dänemark

Hiroko Kubo HR/Administration BITZER, Japan

Lernen bedarf Ge- duld, braucht Zeit und ist harte Arbeit.

Endlose Suche nach dem Glück, egal wie alt wir werden.

„Wenn ich den Begriff ‚lernen‘ höre, gehen mir drei Worte durch den Kopf:

Mut, Geduld und Konzentration. Ich

glaube, dass jeder alles lernen kann. Zu-

erst braucht man genug Mut, um an-

zufangen. Zweitens braucht man Geduld,

denn lernen braucht Zeit und ist harte

Arbeit. Drittens erfordert der Lern-

prozess Konzentration. Für mich kann

der Lernprozess nicht abgeschlossen

werden, wenn eine dieser drei Voraus-

setzungen nicht erfüllt ist. Ich glaube,

dass ich alles lernen kann, wenn ich

genug Mut habe. Manchmal aber denke

ich: ‚Nein, das übersteigt meine Fähig-

keiten.‘ Dann schiebe ich es hinaus,

bis ich glaube, dass es jetzt an der Zeit

ist, es zu lernen. Also bin ich dann

schon auf halbem Weg zum Erfolg.“

(42)

Mit ihren von Indie Rock und amerikanischer Roots- musik beeinflussten Songs hat Sängerin und Gitarris- tin Sally Grayson auch in Zeiten von Pandemie und politischen Spannungen Mut gemacht. Im eigens für SCHAUWERK trifft ...

formierten Duo mit Schlag- zeuger Stephan Kappler wurden Songs verschiede- ner musikalischer Projekte Graysons (Black Swift, Sonic Fever) vorgeführt.

Programm

SCHAUWERK

trotz Corona

(43)

43 Magazin lernen

I

m SCHAUWERK Sindelfingen mussten, wie überall, zahlreiche Veranstaltungen, Führungen und andere Angebote aufgrund von Corona abgesagt werden. Im Laufe der Pandemie sind dafür neue spannende Projekte angestoßen und initiiert worden. Daher war es dem Team ein Anliegen – unter Berücksichtigung der gebotenen Vorsichtsmaß- nahmen – dennoch und gerade in diesen schwierigen Zeiten ein kulturelles Angebot zu schaffen. So startete bereits Ende Juni 2020 das Kunstvermitt- lungsprogramm ALLES AUF ABSTAND. Mithilfe einer Kurzpräsentation führten Kunstvermittle- rinnen in die Ausstellung TOM SACHS. Timeline ein. Die fest zugewiesenen Sitzplätze im Forum des Museums sorgten für einen ausreichend großen Ab- stand zwischen den Besucher:innen und für eine Limitierung der Teilnehmerzahl.

Mit Schließung der Museen im Oktober 2020 wurde das Vermittlungsprogramm unter dem Namen ALLES AUF ABSTAND – DIGITAL erfolg- reich in den nunmehr virtuellen Raum überführt.

Per Videokonferenz konnten Interessierte in den Ge- nuss von Hintergrundinformationen zu allen aktu- ellen Ausstellungen kommen: Die kostenfreien On- line-Veranstaltungen fanden live statt und enthielten zahlreiche eigens dafür angefertigte Präsentations- folien mit Fakten, Bildern und Videos. Im Anschluss ließ das 45-minütige Format Zeit und Raum für ei- nen informellen Austausch zwischen den Teilneh- mer:innen und der jeweiligen Kunstvermittlerin.

So konnten Interessierte sich zumindest ein kleines Stück SCHAUWERK nach Hause holen.

Für junge Kunstfans wurden auch Kre- ativ-Workshops angeboten. Ausgestattet mit den richtigen Workshop-Materialien, die per Post nach Hause kamen, konnten die Künstler:innen von mor- gen trotz physischer Distanz gemeinsam kreativ sein und sich an ihren vielfältigen und farbenfrohen Er- gebnissen erfreuen.

Von Oktober 2020 bis Februar 2021 fand unter dem Titel SCHAUWERK trifft … ein Rahmen- programm zu den aktuellen Ausstellungen statt.

Künstler:innen aus verschiedensten Sparten, deren Auftrittsmöglichkeiten in der Pandemie stark ein- geschränkt waren, wurden ins Museum eingela- den. So wurde es zu einem Raum für Konzerte, Le- sungen oder Performances. Die Veranstaltungsreihe wurde auf den digitalen Kanälen des SCHAUWERK übertragen und für alle zugänglich gemacht.

Material für den Handlet- tering-Workshop

Programm

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Zu Besuch

bei Not Vital

(45)

45 Magazin lernen

F

ür Christiane Schaufler-Münch ist es nicht der erste Besuch in Sent. Mit ihrem Mann Peter Schaufler reiste sie oft ins Engadin, auch wenn nicht jeder Besuch dem langjährigen Freund und geschätzten Künstler Not Vital galt. Seit fast einem Jahr freuen wir uns auf diese kleine Ex- kursion, auf den Besuch des Parks und darauf, einen Blick in das 2016 von Not Vital erworbene Schloss Tarasp zu werfen. Beinahe hätte die Corona-Pande- mie die Reise vereitelt, aber wir hatten Glück.

Not Vital, der hier tief verwurzelt ist, lebt und arbeitet in vielen Ländern. Kurz nach dem Schulabschluss zog es ihn hinaus in die Welt: Paris, Rom, New York, Agadez, Peking, Rio de Janeiro sind nur einige seiner Stationen. Bis heute gehören ande- re Länder, Kontinente und Kulturen ganz selbstver- ständlich zu seinem Leben. Diese Erfahrungen und Begegnungen haben sich nicht nur in seiner Kunst niedergeschlagen, sie haben ihn auch als Menschen und seine Haltung zum Leben geformt. Die Verbun- denheit mit dem Tal, in dem er aufgewachsen ist, mit seiner rätoromanischen Muttersprache und der Ge- schichte seiner Familie haben diese Impulse von au- ßen allerdings eher noch vertieft.

Aber zurück zu unserer Reise. Eben an- gekommen und im Hotel eingecheckt, machen wir uns auf den Weg zu einem Rundgang durch das Dorf.

Als routinierte Reisende weiß Frau Schaufler einiges zu erzählen über die Geschichte der „randulins“ (dt.

Schwalben), Engadiner Geschäftsleute und Zucker- bäcker, die ins benachbarte Italien auswanderten, aber immer wieder nach Sent zurückkehrten. Hier bauten sie als Ferienhäuser oder Ruhesitze stattliche

Zu Besuch bei ...

Text

Barbara Bergmann

Bilder

Eric Gregory Powell Tobias Bechstein

Christiane Schaufler- Münch und den Künstler Not Vital verbindet eine langjäh- rige Freundschaft.

Es ist ein sonniger Tag im

Unterengadin, als Christiane Schaufler-Münch und ich am frühen Nachmittag des

1. September 2020 in Sent

eintreffen. Das schöne Berg- dorf im Schweizer Kanton

Graubünden ist die Heimat

des Bildhauers Not Vital.

Referenzen

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