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Übergang eines Betriebes und Umwandlung des Rechtsträgers

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Academic year: 2022

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(1)

Übergang eines Betriebes und Umwandlung des

Rechtsträgers

Arbeitsrechtliche Vorlesung

WS 2021/2022 Uni Konstanz

(2)

Arten der Strukturänderungen

M&A = Transaktionen

Corporate restructuring = Outsourcing, Insourcing, Spin-offs oder Carve-outs.

Strategische und operative Kooperationen.

(3)

Transaktionen

• Ziel eines jeden Unternehmers ist es, eigene

Existenz zu sichern und Wachstum zu erreichen.

• Internes Wachstum durch Umsatzsteigerung ist nur sehr begrenzt möglich.

• Externes Wachstum durch Fusionen,

Unternehmenskäufe oder sonstige externe Transaktionen.

• Das vom Käufer („Investor“) zu erwerbende

Unternehmen (Zielunternehmen, englisch target) erhöht sofort durch den Zusammenschluss

signifikant den Umsatz, die Marktanteile, die

Betriebsgröße und damit die Marktmacht des

kaufwilligen Unternehmens.

(4)

Unternehmenstransaktionen

• Übernahme eines Unternehmens (Target)

• entweder durch freundliche Übernahme (friendly takeover) oder

• feindliche Übernahme (hostile takeover).

(5)

Mergers & Acquisitions (M&A)

•Merger = Fusionen,

•Acquisitions = Käufe.

(6)

Definition Mergers & Acquisitions

• „den Prozess und

• das Ergebnis des strategisch motivierten Kaufs bzw. Zusammenschlusses von

Unternehmen oder Unternehmensteilen und

• deren anschließender Integration oder Weiterveräußerung.“

• Bernd W. Wirtz, Mergers & Acquisitions,

(7)

Distressed M&A

• Distressed M&A ist die Königsdisziplin.

• Target weist eine hohes Illiquiditäts- bzw.

Überschuldungsrisiko auf.

• Ein Distressed M&A kann für den Akquisiteur dahingehend von Vorteil sein, dass die

Übernahme des Target zu einem

vergleichsweise geringen Kaufpreis erfolgen kann.

• Häufig insolvenzrechtliche Normen des Target,

so dass die Stellung eines Pflichtangebotes an

die Target-Aktionäre entfallen kann.

(8)

Ablauf

• M&A-Transaktionen beginnen mit der Suche nach geeigneten Zielen (englisch deal search).

• Es schließt sich die Evaluation ausgewählter Ziele (Due- Diligence-Prüfung) an.

• Verhandlungen mit den Gesellschaftern und/oder dem Management des Zielunternehmens (englisch deal

negotiation)

• Dieser werden in einem Term Sheet festgehalten werden.

• Ein Letter of Intent bekräftigt die Absicht der beiden Parteien, diese Transaktion erfolgreich durchführen zu wollen.

• Die beidseitige Vertragsgestaltung (englisch deal documentation) wird von Anwaltskanzleien,

(9)

Abwicklung

• Nach Kaufabwicklung folgt beim Investor das Beteiligungscontrolling (englisch deal

monitoring) mit einer permanenten

Überwachung der Entwicklung des Zieles, das gegebenenfalls später wieder verkauft wird

(englisch exit).

• Wenn es zum Abschluss der M&A-Transaktion (englisch signing) kommt und alle darin

aufgeführten Bedingungen erfüllt sind, werden

die Verträge beidseitig erfüllt (englisch closing).

(10)

Auktion

• Unternehmen werden häufig auch unter der

Federführung von Investmentbanken im Rahmen von Auktionsverfahren („controlled auction“) veräußert.

• Dabei werden nur bestimmte Investoren (Bieter) als Kaufinteressenten zugelassen.

• Mit jedem Bieter werden getrennte und jeweils vertrauliche Verhandlungen geführt.

• Das Unternehmen wird schließlich an den Investor verkauft, der (aus der Sicht des Verkäufers) die

günstigsten Vertragsbedingungen und den höchsten Kaufpreis bietet.

(11)

Asset Deal

Vermögensübertragung

(12)

Asset Deal

• Verkauft die Gesellschaft ihr Unternehmen so kann das durch einen Kaufvertrag erfolgen: Die Verkäuferin verpflichtet sich nach § 433 Abs.1 BGB, an den Käufer das bestimmte

Unternehmen gegen Zahlung des Kaufpreises zu übertragen.

• Der Erwerb des Unternehmens vollzieht sich dabei durch den Erwerb sämtlicher

Wirtschaftsgüter (engl. Assets) des

(13)

Eigentumsübergang beim Asset-Deal

• Wirtschaftsgüter eines Unternehmens werden im Rahmen der Einzelrechtsnachfolge

(Singularsukzession) durch Einigung und

Übergabe nach § 929 BGB einzeln übertragen.

• Jede Forderung muss nach §§ 398 ff, §413 BGB einzeln übertragen werden.

• Bei Grundstücken ist dazu noch notarielle

Auflassung und Eintragung jeden einzelnen

Grundstücks in das Grundbuch erforderlich.

(14)

Nachteil der Einzelrechtsnachfolge

• Die Haftung des Veräußerers für Betriebsrenten endet nicht auf Grund des rechtsgeschäftlichen Übergangs nach § 613a Abs. 2 BGB.

• Die in dieser Vorschrift enthaltene Enthaftung des Betriebsveräußerers gilt nur, soweit der

Betriebserwerber auf Grund des Betriebsübergangs

nach § 613a Abs. 1 BGB Verpflichtungen übernommen hat.

• Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt der Erwerber nur in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden

Arbeitsverhältnissen ein.

(15)

Nicht erfasst

• Vermögensgegenstände, die einem Gesellschafter gehören, aber von der Gesellschaft genutzt werden, z. B.

Immobilien, Grundstücke etc., gehen nicht

mit über.

(16)

Gesamtrechtsnachfolge

• Gesamtrechtsnachfolge

(Universalsukzession) hat für den

Rechtsnachfolger den Vorteil, dass er unmittelbar, ohne dass es der

Einzelübertragungen bedarf, in alle Rechte und Pflichten seines Vorgängers eintritt.

• Beispiel: Der Erbe ist nach § 1922 BGB der Gesamtrechtsnachfolger des

verstorbenen Erblassers.

(17)

Nicht erfasst

• Höchstpersönliche Rechte gehen mit der Gesamtrechtsnachfolge nicht über.

• Beispiel: Mitgliedschaft in einem Verein.

§ 38 BGB Mitgliedschaft

• Die Mitgliedschaft ist nicht übertragbar und nicht vererblich. Die Ausübung der

Mitgliedschaftsrechte kann nicht einem

anderen überlassen werden.

(18)

Arbeitsrechtliche Folge

• Das im Handelsregister eingetragene

Erlöschen einer Firma führt dazu, dass die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband zu Ende geht. Die Mitgliedschaft wird nicht von der Rechtsnachfolgerin fortgeführt.

• LAG Hamm 09.11.2007 -13 TaBV 48/07

(19)

Neue Tarifbindung

• Tarifbindung an durch Mitgliedschaft vermittelten Verbandstarifvertrag geht deshalb verloren,

wenn kein Neueintritt.

• Der Erwerb einer Vereinmitgliedschaft kommt nur dann in Betracht, wenn die Annahme des Aufnahmeantrags dem Bewerber mitgeteilt worden ist; eine Annahme ohne Erklärung an

den Antragenden (vgl. § 151 S. 1 BGB) scheidet nämlich beim Vereinsbeitritt den Umständen

nach aus.

• LAG Hamm 09.11.2007 -13 TaBV 48/07

(20)

Nachwirkung

• Entfällt die Tarifbindung aufgrund einer

Gesamtrechtsnachfolge und besteht keine anderweitige Vereinbarung, gilt in

entsprechender Anwendung des § 4 Abs 5 TVG der Inhalt des Tarifvertrages kraft

Nachwirkung für das Arbeitsverhältnis weiter.

• BAG 13.07.1994 - 4 AZR 555/93- AP Nr

14 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit

(21)

Betriebsübergangsrechtlicher

Arbeitgeberwechsel

(22)

Schuldnerwechsel

• Nach § 613 Satz 2 BGB ist für die Übertragung des Anspruchs auf Arbeitsleistung an einen Dritten die

Zustimmung des Schuldners (das ist der Arbeitnehmer) erforderlich.

• Jede Vertragspartei (auch der AN) soll wählen dürfen, mit wem er ein Vertragsverhältnis, dass ihn zur

Erbringung von Arbeit nach Weisung des anderen verpflichtet, eingeht.

• Wird der Betrieb oder Betriebsteil, dem der Arbeitnehmer zugeordnet ist, durch Rechtsgeschäft übertragen, z.B.

verkauft oder verpachtet, so greift die

(23)

Abweichung

von § 613 Satz 2 BGB

• Der neue Betriebsinhaber tritt kraft Gesetzes in die Rechte und Pflichten aus den

Arbeitsverhältnissen ein, die im Zeitpunkt des

Übergangs noch bestehen (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB).

• Für den Übergang bedarf es keiner Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers.

• Die Abweichung von § 613 Satz 2 BGB ist eine Abweichung zu Lasten der Vertragsfreiheit

des Arbeitnehmers.

(24)

Legitimation des § 613 a Abs.1 Satz 1 BGB

• Durch den in § 122 BetrVG 1972 in das deutsche Recht eingefügten Grundsatz sollte sichergestellt werden, dass Einheit von Arbeitsplatz/Betrieb/Arbeitsverhältnis/

erhalten bleibt.

• Dadurch kann AN zwar begünstigt aber

auch benachteiligt werden. Auch Risiko!

(25)

BÜ im Unionsrecht

• Die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der

Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von

Unternehmen, Betrieben oder

Unternehmens- oder Betriebsteilen

(26)

Neukodifikation

• Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12.

März 2001 zur Angleichung der

Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von

Unternehmen, Betrieben oder

Unternehmens- oder Betriebsteilen

(27)

Betriebsübergangsrichtlinie

Art 1. a) Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw.

Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch

vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar. b) …gilt als Übergang im Sinne dieser

Richtlinie der

Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit

• im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen

• zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit.

(28)

Rechtsgeschäftlicher Betriebsinhaberwechsel

• Ein Betriebsübergang im Sinne von

§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB liegt vor, wenn anstelle des bisherigen

Rechtsträgers

• ein anderer Rechtsträger

• dieselbe wirtschaftliche Einheit

• unter Wahrung ihrer Identität fortführt.

• BAG vom 21.08.2008 – 8 AZR 201/07 –

(29)

Arbeitnehmer-Rutsche § 613a BGB

Arbeitnehmer

Betrieb an Erwerber

Stopp durch Widerspruch

(30)

Widerspruch

(31)

Widerspruch

• Das BAG hat das Widerspruchsrecht 1975 erfunden.

• Richterrechtlicher Kompromiss zwischen Zustimmungserfordernis und einseitig vom Arbeitgeber bewirkten Wechsel des

Vertragspartners gegen den Willen des

Arbeitnehmers.

(32)

Widerspruchsrecht

• Der Gesetzgeber hat das Richterrecht

2002 in § 613a Abs. 6 BGB übernommen und ausgestaltet.

• Nur wenn der Arbeitnehmer nicht nach § 613a Abs. 6 BGB form- und fristgerecht widerspricht, tritt ein Wechsel des

Arbeitsgebers ein.

(33)

Kann ein Gericht dem EuGH Fragen zur Ausgestaltung des Widerspruchsrechts vorlegen?

Art. 267 AEUV

Der Gerichtshof der Europäischen Union entscheidet im Wege der Vorabentscheidung

a) über die Auslegung der Verträge,…

(34)

Widerspruchsrecht im Mehrebenensystem

• Das Widerspruchsrecht ist verfassungsrechtlich wegen Art. 12 GG geboten. BVerfG 25.1.2011 - 1 BvR 1741/09 - zu B I 2 a der Gründe, BVerfGE 128, 157; BAG 11.12.2014 - 8 AZR 943/13 - Rn.

32.

• Es ist nicht unionsrechtlich durch die Charta

oder eine Richtlinie geboten. EuGH 7.3.1996 -

C-171/94 - [Merckx] Rn. 33 ff.

(35)

Vorabentscheidungsersuchen unzulässig

• Die nähere Ausgestaltung des

Widerspruchsrechts unterliegt allein nationalem Recht.

• EuGH 16.12.1992 - C-132/91 - [Katsikas]

Rn. 35; BAG 24.8.2017 - 8 AZR 265/16 -

Rn. 17, BAGE 160, 70; BAG 22.7. 2021 –

2 AZR 6/21 – Rn. 18, NZA 2021, 1405 .

(36)

Was ist das

Widerspruchsrecht?

Ein auf Verhinderung oder Beseitigung der Rechtsfolge des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB gerichtetes

Gestaltungsrecht.

BAG 22.7. 2021 – 2 AZR 6/21 – Rn. 18, NZA 2021, 1405; BAG 28.2. 2019 - 8 AZR 201/18 - Rn. 42, BAGE 166, 54.

(37)

Form des Widerspruchs

• Schriftliche Erklärung nach § 126 BGB:

1. in Urkunde

2. eigenhändige Unterschrift (Kein Fax, keine Email, keine SMS)

• gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber

oder dem neuen Inhaber.

(38)

Frist des Widerspruchs

• Innerhalb eines Monats

• nach Zugang der ordnungsgemäßen

Unterrichtung über den Betriebsübergang

durch alten Arbeitgeber oder den neunen

Inhaber (§ 613 a Abs. 5 BGB).

(39)

Unterrichtungspflichtige

• Der bisherige Arbeitgeber

• oder der neue Inhaber.

(40)

Unterrichtungsform

• Schriftlich,

• auch Textform zulässig, § 613a Abs.5 BGB. Textform nach § 126 b BGB:

1. Erklärung in einer Urkunde oder 2. zur dauerhaften Wiedergabe in

Schriftzeichen geeignet und

3. Person des Erklärenden genannt sowie

(41)

Gegenstände der Unterrichtung

1. Zeitpunkt des Übergangs, 2. Grund für den Übergang,

3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und

sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und

4. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in

Aussicht genommenen Maßnahmen.

(42)

Zusätzlich: Person des Erwerbers

• Der Betriebserwerber ist identifizierbar mit

Firmenbezeichnung und Anschrift zu benennen.

• Offen, ob bereits die fehlerhafte Bezeichnung des Vornamens des Geschäftsführers der

übernehmenden Gesellschaft (Jochen statt

Joachim) einer ordnungsgemäßen Unterrichtung entgegen steht.

• BAG 13.07.2006 – 8 AZR 305/05 – NZA 2006,

1268

(43)

Allgemeine Anforderungen an Inhalt der Unterrichtung

• Es genügt nicht die reine Wiederholung des Gesetzeswortlauts.

• Die Unterrichtung dient dazu, dem betroffenen Arbeitnehmer eine ausreichende

Wissensgrundlage für die Ausübung des Widerspruchsrechts zu geben.

• Erforderlich ist deshalb eine konkrete

betriebsbezogene Darstellung in einer auch für juristische Laien möglichst verständlichen

Sprache.

• BAG 14.12.2006 - 8 AZR 763/05- DB 2007, 975

(44)

Nr.2: Grund des Betriebsübergangs

• Der formale Rechtsgrund des Übergangs muss benannt werden, z.B. Kaufvertrag, Pachtvertrag etc.

• Zusätzlich müssen die unternehmerischen Gründe zumindest schlagwortartig mitgeteilt werden.

• Ausreichend: Aus wirtschaftlichen Gründen wolle man den Betrieb der Fachklinik nicht mehr weiterführen und deshalb an die H GmbH verpachten.

• Die als Pflegerin in der Fachklinik Beschäftigte hat hierdurch gewusst, dass im Falle ihres Widerspruchs kein Arbeitsplatz mehr für sie vorhanden sein würde.

• BAG 13.07.2006 – 8 AZR 305/05 – NZA 2006, 1268

(45)

Nr.3: Rechtliche Folgen für Arbeitnehmer

• Die rechtliche Folgen des

Betriebsübergangs müssen präzise dargestellt sein.

• Es genügt nicht, wenn die Unterrichtung

lediglich „im Kern“ richtig ist.

(46)

Beispiel für Präzision der Rechtsfolgendarstellung

• Die Information „die H GmbH hat sich verpflichtet, alle vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten zu übernehmen“,

• ist fehlerhaft; denn der Eintritt des Erwerbers in den Vertrag ist eine sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebende Rechtsfolge des

Betriebsübergangs und steht nicht im Belieben des Erwerbers.

• BAG 13.7.2006 – 8 AZR 305/05 – NZA

(47)

BAG 24.8.2017 – 8 AZR 265/16 – Rn. 12, BAGE 160, 70

• Das Unterrichtungsschreiben hat das

Haftungssystem nach § 613a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB zutreffend wiederzugeben.

• Daran mangelt es, wenn jeglicher Hinweis auf die Begrenzung der Haftung der früheren

Betriebsinhaberin nach § 613a Abs. 2 Satz 1

und Satz 2 BGB fehlt und die Unterrichtung nicht auf die Tatsache einer gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten und der neuen Inhaberin hinweist

• So schon BAG 26.5.2011 - 8 AZR 18/10 - Rn. 23

(48)

Belehrung über das Widerspruchsrecht

• Zu den rechtlichen Folgen, über die nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB die vom Betriebsübergang betroffenen

Arbeitnehmer zu unterrichten sind, gehören zunächst die sich unmittelbar aus dem Betriebsübergang als solchem ergebenden Rechtsfolgen.

• Schließlich wurde die Klägerin auch nicht in

ausreichender Weise über ihr Widerspruchsrecht nach

§ 613a Abs. 6 BGB unterrichtet, weil ein Hinweis auf die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform (§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB) fehlt.

• BAG 22.6.2011 – 8 AZR 752/09 – Rn. 26, NZA-

(49)

Nr.4: Die in Aussicht genommenen Maßnahmen

• Nr.4 umfasst insbesondere etwaige

Ansprüche aus einem Interessenausgleich oder einem Sozialplan.

• Denn ob im Falle des Widerspruchs eine Kündigung droht und ob ihm ggf.

Sozialplanansprüche zustehen können, ist für die Willensbildung des

Arbeitnehmers von erheblicher

Bedeutung.

(50)

Nachträgliche Information über späteren Sozialplan?

• Unterrichtungspflicht besteht jedoch, wenn es im Zeitpunkt der Unterrichtung bereits

Planungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan gibt.

• Keine Pflicht zur späteren Ergänzung; denn ordnungsgemäße Unterrichtung hat bereits Unterrichtungsanspruch des Arbeitnehmers erfüllt.

• BAG 14.12.2006 - 8 AZR 763/05- DB 2007, 975

(51)

Darlegungs- und Beweislast

• Genügt eine Unterrichtung formal den

Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB und ist sie nicht offensichtlich fehlerhaft, ist es Sache des Arbeitnehmers, einen behaupteten Mangel näher darzulegen. Dem Unterrichtenden

obliegt dann die Darlegungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Erfüllung der

Unterrichtungspflicht.

• BAG vom 31.01.2008 – 8 AZR 1116/06 –, AP

Nr. 2 zu § 613a BGB Unterrichtung

(52)

Fallstudie Siemens

(53)

Übergang der Handyproduktion

von Siemens auf BenQ Corperation

• Siemens AG verkaufte 1.10.2005 ihren Betrieb

„Mobiltelefon“auf der Grundlage eines „Master Sale und Purchase Agreement“ (MSPA) mit B.C.

• Danach wurde der Betrieb im Wege der

Einzelrechtsübertragung („Asset Deal“) auf die von B. C. gegründete Fa. B. GmbH & Co. oHG (Stammkapital von 50.000 €) übertragen.

• Siemens AG zahlte als negativen Kaufpreis an

die B. C. 413 Millionen Euro.

(54)

Widerspruch bei späterer Insolvenz

• Über das Vermögen der Betriebsübernehmerin Fa. B. GmbH & Co. oHG wurde auf eigenen

Antrag (29.09.2006) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Betrieb mit über 10.000

Arbeitnehmer eingestellt.

• Ein Angestellter widersprach dem Übergang

seines Arbeitsverhältnisses auf die Fa. B. GmbH

& Co. oHG, weil Unterrichtung unzureichend

gewesen sei.

(55)

Prüfung Person der

Identifizierbarkeit des Erwerbers

„Mit diesem Betriebsübergang wird B. Ihr neuer Arbeitgeber, der in alle Rechte und Pflichten Ihres Arbeitsverhältnisses mit der S. AG eintritt…..“

Nach dem Urteil des LAG München fehlt es schon an der erforderlichen Angabe der Anschrift des Betriebserwerbers.

LAG München 21.05.2008 -4 Sa 1181/07

(56)

Prüfung Unterrichtung „Nr.2 Grund“

„Die Übertragung des Geschäftsgebietes

erfolgt auf Grund eines Kaufvertrags im

Wege der Einzelrechtsnachfolge (Asset

Deal)auf B..“

(57)

Antwort des Bayerischen LAG

• Als formales Rechtsgeschäft für den Übergang ist ein Kaufvertrag „im Wege der

Einzelrechtsnachfolge“ (Asset Deal)“ genannt.

• Das reicht nicht. Wirtschaftliche Informationen waren erforderlich wegen (Gefährdung der

Arbeitsplätze?):

1. „negativer Kaufpreis“ von 413 Millionen Euro

2. Verkauf ist nicht unmittelbar an B. C. in Taiwan, erfolgt, sondern an deren neu gegründete

deutsche Tochtergesellschaft B. GmbH & Co.

oHG, die nur mit einem Stammkapital 50.000,--

€ ausgestattet war.

(58)

Antwort des BAG

• Das Unterrichtungsschreiben hat nicht die nötige Angabe des Firmensitzes enthalten, um in das

zuständige Handelsregister einsehen zu können. Es fehlte auch die erforderliche Angabe einer

Geschäftsadresse, an die gegebenenfalls ein Widerspruch hätte gerichtet werden können.

• Es hätte gegenüber den Arbeitnehmern auch der Offenlegung der Gründungsphase bedurft. Wenn Einzelheiten zur Betriebsübernehmerin nicht mitgeteilt werden können, weil diese erst noch gegründet werden muss, so bedarf das einer Unterrichtung.

• BAG vom 23.07. 2009 - 8 AZR 357/08- 8 AZR 538/08 - - 8 AZR 539/08 -, - 8 AZR 540/08 -, - 8 AZR 541/08 - und -

(59)

Täuschung!

• Zur Überzeugung des BAG ist im Informationsschreiben getäuscht worden, weil der Eindruck erweckt wird, bei der angesprochenen BenQ Mobile handele es sich um ein bereits existierendes, handlungsfähiges und mit Perspektiven ausgestattetes Unternehmen, das den Betrieb übernehme.

• Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte oder die

Betriebsübernehmerin später diesen Fehler korrigiert und das Unterrichtungsschreiben vervollständigt hätten - mit der Folge einer dann anlaufenden Widerspruchsfrist hat der Achte Senat nicht entdeckt.

(60)

Verhältnis im Konzern

• Das BAG verlangt klarzustellen, wie sich

innerhalb der künftigen Konzernverflechtungen der übergehende Betrieb im erwerbenden Konzern positioniert.

• Das ist die relevante Information für die

Entscheidung über das Widerspruchsrecht.

Schlagwortartige Hinweise auf den

gegenwärtigen oder künftigen Auftritt einer

Marke „BenQ“ im Weltmarkt müssen dagegen

bei der Darstellung einer Betriebserwerberin

(61)

Ergebnis

• Der Achte Senat hat deshalb die

tatsachenrichterliche Würdigung der

Vorinstanzen, es sei der irrtümliche Eindruck

hervorgerufen worden, die Arbeitsverhältnisse in Deutschland sollten von einer weltweit als

Konzernobergesellschaft handelnden „Siemens AG“ auf die „BenQ“ als weltweit führendem

Anbieter von Verbraucherelektronik übergehen,

revisionsrechtlich nicht beanstandet.

(62)

Unterrichtung über

„grundlegende Informationen“

• Im Rahmen einer Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB ist über

• den mit dem letzten und dem vorangegangenen

Betriebsübergang verbundenen jeweiligen Übergang seines Arbeitsverhältnisses

• unter Mitteilung des Zeitpunktes oder des geplanten Zeitpunktes

• sowie des Gegenstandes des Betriebsübergangs und des Betriebsübernehmers

• (im Folgenden „grundlegende Informationen“) in Textform in Kenntnis zu setzen.

• BAG 19.11.2015 – 8 AZR 773/14 – Rn. 15, BAGE 153,

(63)

Wechsel in der

Geschäftsverteilung des BAG

Seit GVP 2021

Dem Z w e i t e n S e n a t sind zugewiesen:…

2.1.4 Übergang eines Arbeits- und Berufsausbildungsverhältnisses,…

(64)

BAG 22.7. 2021 – 2 AZR 6/21 – Rn. 22, NZA 2021, 1405

• Der erkennende (Zweite Senat) muss nicht darüber

befinden, ob an den durch die bisherige Rechtsprechung aufgestellten inhaltlichen Anforderungen an das

Unterrichtungsschreiben und den Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerspruchsfrist (vgl. BAG 13.7.

2006 - 8 AZR 303/05 - Rn. 22 ff., BAGE 119, 81; 13.7.

2006 - 8 AZR 305/05 - Rn. 17 ff., BAGE 119, 91; BAG 26.5.2011 - 8 AZR 18/10 - Rn. 20 ff.; 23.7.2009 - 8 AZR 538/08 - Rn. 31, BAGE 131, 258; 22.1.2009 - 8 AZR

808/07 - Rn. 26) uneingeschränkt festzuhalten ist,

• oder ob jedenfalls bei Fehlern, die regelmäßig für den Willensbildungsprozess der Arbeitnehmer ohne Belang sind, eine differenzierte Betrachtungsweise

(65)

Rechtsfolgen Widerspruch

(66)

Verletzung der

Unterrichtungspflicht

• Wird der Arbeitnehmer über einen

Betriebsübergang nicht ordnungsgemäß nach § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet,

• so läuft die einmonatige Widerspruchsfrist gem. § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht.

• BAG 24. Mai 2005 - 8 AZR 398/04

(67)

Widerspruchsfrist noch nach Jahren?

• Weder durch eine unterbliebene noch durch

eine nicht ordnungsgemäße Unterrichtung wird die Widerspruchsfrist ausgelöst.

• Deshalb kann auch noch lange Zeit nach dem Betriebsübergang dem Arbeitgeberwechsel widersprochen werden.

• BAG 14.12.2006 - 8 AZR 763/05- DB 2007, 975

(68)

Fortsetzung nach Widerspruch

• Wird widersprochen, besteht das

Arbeitsverhältnis mit dem vertraglichen Arbeitgeber fort.

• Der Widerspruch wirkt auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurück.

• BAG 27.11.2008 - 8 AZR 1021/06, ZInsO

2009, S.1715

(69)

Annahmeverzug

• Gefestigte Rechtsprechung: Der

Widerspruch des Arbeitnehmers wirkt zurück (ex-tunc-Wirkung).

• Die Frage, ob der alte Arbeitgeber für den Zeitraum zwischen dem Stichtag der

Betriebsübernahme und dem Zugang des rückwirkenden Widerspruchs in

Annahmeverzug geraten kann, war

umstritten.

(70)

„Rückwirkender“ Annahmeverzug?

• LAG Düsseldorf 18. August 2008 - 17 Sa 1546/07: Kein „rückwirkender“

Annahmeverzug. Ausnahme: § 162 BGB, weil alter Arbeitgeber durch bewusst

falsche Unterrichtung vom Widerspruch abgehalten hat.

• Revision BAG 27.11.2008 - 8 AZR 762/08:

Aufhebung des LAG Urteils wegen

Rechtsfehler!

(71)

Allgemeine Regel

• Der Arbeitgeber gerät bei einer

unwirksamen Arbeitgeberkündigung mit Beginn des Tages in Annahmeverzug, an dem das Arbeitsverhältnis nach dem Inhalt der Kündigung enden soll,

• soweit der Arbeitnehmer leistungsfähig

und leistungsbereit ist.

(72)

Konstruktion des Annahmeverzugs

• So wie ein Arbeitgeber bei einer erklärten Kündigung mit dem Tag in Annahmeverzug gerät, an dem das

Arbeitsverhältnis enden soll und er den Arbeitnehmer nicht mehr weiterbeschäftigt, so gerät der

Betriebsveräußerer mit dem Tag des Betriebsübergangs in Annahmeverzug,

• weil er dem Arbeitnehmer vor dem Betriebsübergang erklärt, dass eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei ihm, dem Betriebsveräußerer, nach Betriebsübergang wegen des Wegfalls des Arbeitsplatzes nicht mehr

gegeben ist.

(73)

Schuldrechtsdogmatik

• Der AG kommt der ihm nach §§ 615, 293, 296 BGB obliegenden und nach dem Kalender

bestimmten Mitwirkungshandlung nicht nach;

• denn er weist ab Tag des Betriebsübergangs keinen Arbeitsplatz mehr zu.

• BAG 09.08.1984 - 2 AZR 374/83 - BAGE 46, 234; 27.11.2008 - 8 AZR 1021/06; BAG

20.05.2010 - 8 AZR 734/08.

(74)

Übertragung auf BÜ

BAG 27.11.2008 - 8 AZR 1021/06

• Erklärt der Arbeitgeber vor dem

Betriebsübergang, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei nicht möglich, da sein Arbeitsplatz weggefallen sei und auch ein

gleichwertiger Arbeitsplatz nicht zur Verfügung stehe, so macht er damit deutlich, der ihm

obliegenden Mitwirkungshandlung nicht nachkommen zu wollen.

• Er gerät damit in Annahmeverzug, ohne dass es

noch eines Angebotes der Arbeitsleistung von

(75)

Anrechnung anderweitigen Erwerbs

• Gem. § 615 Satz 2 1. Alt. BGB hat sich der Kläger den Wert desjenigen anrechnen zu

lassen, was er durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erworben hat.

• Hierdurch werden Doppelansprüche des Klägers gegen den Betriebsveräußerer und den

Betriebserwerber, für den er vorübergehend

gearbeitet hat, ausgeschlossen.

(76)

Gesamtanrechnung

• Die Rechtsprechung des BAG ist der vom Reichsgericht aufgestellten Theorie der Gesamtanrechnung gefolgt.

• Das RG hat in dem Fall eines Bühnenkünstlers entschieden, Annahmeverzugslohn und

anderweitigen Verdienst seien nicht

zeitabschnittsweise gegenüberzustellen,

sondern am Ende des Annahmeverzugs sei eine Gesamtabrechnung vorzunehmen.

BAG vom 29.07.1993 – 2 AZR 110/93 –, AP

(77)

Böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs

• Ein alter Arbeitgeber veräußerte den Betrieb. Für die dem Übergang widersprechende Angestellte, der er betriebsbedingt kündigte, hatte er mangels Betrieb keine Beschäftigungsmöglichkeit. Er verwies die

Angestellte auf die Beschäftigungsmöglichkeit beim Übernehmer.

• Das BAG sah in dem Ausschlagen dieser Tätigkeit ein böswilliges Unterlassen des anderweitigen Erwerbs im Sinne des § 615 Satz 2 3. Alt. BGB.

• BAG 19.03.1998 – 8 AZR 139/97 –, AP Nr. 177 zu

§ 613a BGB- Apothekerfall

(78)

Verzicht, Ausschluss und Verwirkung

Ist das Widerspruchsrecht

dispositiv?

(79)

Fall

Vordruck: „Nachdem ich am 05.08.2015 über den Betriebsübergang unterrichtet wurde,

erkläre ich hiermit mein Einverständnis für die Übertragung meines Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen ab 01.09.2015 an die Firma C GmbH, B.“

Im November 2016 macht ANin geltend

Unterrichtung sei fehlerhaft und sie habe nicht

auf Widerspruch verzichtet.

(80)

Verzicht

• Bei der Auslegung ist die hohe Bedeutung des Widerspruchsrechts für den

Arbeitnehmer zu beachten.

• Ein Verzicht muss daher eindeutig und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht

werden.

BAG 28.2.2019 – 8 AZR 201/18, NZA

2019, 1279

(81)

BAG 28.2.2019 – 8 AZR 201/18, NZA 2019, 1279

• Die Auslegung der Erklärung ergibt, dass die ANin höchstens für die Zeit bis kurz vor Ablauf der vom AG angeführten Monatsfrist nach Zugang des Unterrichtungsschreibens,

• jedoch nicht auf ihr Widerspruchsrecht als

solches verzichtet hat.

(82)

Die Auslegung des BAG

• Dies folgt nicht bereits daraus, dass der Begriff „Verzicht“ nicht vorkommt.

• Aber: Einverständnis „für die Übertragung“

steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Unterrichtungsschreiben: „… An den

Rechten und Pflichten aus dem

Arbeitsverhältnis ändert sich nichts. Wir

bitten Sie daher, Ihre Tätigkeit wie auch in

(83)

Verwirkung

• Das Widerspruchsrecht des

Arbeitnehmers kann verwirkt werden.

• BAG 24.07.2008 – 8 AZR 175/07 – AP

Nr. 347 zu § 613a BGB

(84)

Zeitmoment

• Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine feststehende

Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abgestellt werden.

BAG vom 15.02.2007 – 8 AZR 431/06 –, AP Nr. 320 zu

§ 613a BGB

• Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei bzw.

sechs Monaten nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist deshalb auf die konkreten Umstände des Einzelfalles.

• 3 Monate: BR-Drucks. 831/1/01 S. 2

(85)

Verwirkung ?

• Denkbar ist eine Verwirkung als Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung.

• Mit der Verwirkung wird jedoch nur die illoyal und verspätete Geltendmachung von

Rechten ausgeschlossen.

• Das Vertrauen des nicht ordnungsgemäß Unterrichtenden ist regelmäßig nicht

schutzbedürftig.

• BAG 14.12.2006 - 8 AZR 763/05- DB 2007, 975

(86)

Weiterarbeit

• Wer ohne Widerspruch bei dem Erwerber

weiterarbeitet, verwirkt noch nicht sein Recht, wenn er erkennt, dass die Unterrichtung nicht ordnungsgemäß war, dem Übergang des

Arbeitsverhältnisses zu widersprechen.

• BAG 20.03.2008 – 8 AZR 1016/06 –, NZA 2008, 1354; BAG 27.11.2008 – 8 AZR 174/07 –, NZA 2009, 552

(87)

Umstandsmoment

• Das Umstandsmoment wird allein durch die widerspruchslose Fortsetzung des

Arbeitsverhältnisses und die damit verbundene arbeitsvertragliche Aufgabenerfüllung bei dem Betriebserwerber nicht begründet.

• Anderenfalls würde das Ziel, falsch unterrichteten Arbeitnehmern das

Widerspruchsrecht zu erhalten, unterlaufen.

• BAG 20.05.2010 - 8 AZR 734/08

(88)

Vertrauensschutz des fehlerhaft Unterrichtenden

• Die Verwirkung des Widerspruchsrechts setzt voraus, dass der Verpflichtete ausnahmsweise darauf vertrauen durfte, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr ausüben.

• Das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten muss dabei das

Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass dem Verpflichteten die Erfüllung des

Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

• BAG 27.11.2008 – 8 AZR 1021/06 –, ZInsO

(89)

Inanspruchnahme als Haftender für Abfindung

• AN-Anwalt schrieb an Veräußerer: “… Im Rahmen der Gesamtschuldnerhaftung

gemäß § 613a II 1 BGB nimmt Sie unsere Mandantschaft wegen der

Sozialplanabfindung in Anspruch.” und

“Der Betriebsübergang war am 1.11.2004,

so dass sämtliche Voraussetzungen des §

613a II 1 BGB vorliegen.”

(90)

Schlussfolgerung des BAG, AN gehe davon aus

• dass im Wege eines Betriebsüberganges sein

Arbeitsverhältnis auf die A GmbH übergegangen und der Betriebsveräußerer werde nur im Wege der Nachhaftung gemäß § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB und nicht als

Arbeitgeber angesehen.

• Eindruck noch dadurch verstärkt, weil von einem beauftragten Rechtsanwalt gefertigtes Schreiben.

• Der Veräußerer durfte davon ausgehen, dass der AN auf Grund fundierter Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht von einem Übergang seines

Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH im Wege eines Betriebsüberganges nach § 613a BGB ausgehe.

• BAG 24.07.2008 - 8 AZR 205/07 - NZA 2008, 1294.

(91)

Beispiel: Aufhebungsvertrag

• Das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment ist verwirklicht,

• wenn der Arbeitnehmer, der sich auf eine

fehlerhafte Unterrichtung beruft, zunächst eine selbst gesetzte Frist zur Entscheidung über sein Widerspruchsrecht verstreichen lässt, danach mit dem Betriebserwerber einen

Aufhebungsvertrag und schließlich mit einem

dritten Unternehmen einen neuen Arbeitsvertrag abschließt.

• BAG 02.04.2009 – 8 AZR 262/07 –, NZA 2009,

1149

(92)

Kündigungsschutzklage gegen Erwerberkündigung

• Das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment wird nicht schon dadurch verwirklicht, dass sich der

Arbeitnehmer gegen eine Kündigung des

Betriebserwerbers nach Betriebsübergang mit einer Kündigungsschutzklage wehrt.

• Durch sie wahrt der Arbeitnehmer zunächst nur sein Interesse, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf die Regelung des § 7 KSchG geltend zu machen. Er begründet damit aber kein berechtigtes

Vertrauen, er werde sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben, sondern akzeptiere den Betriebserwerber als neuen Arbeitgeber.

(93)

Ob das Widerspruchsrecht verwirkt ist, zeigt eine Gesamtbetrachtung

• Zu berücksichtigen Zeit- und das Umstandsmoment:

• Die Länge des Zeitablaufes ist in Wechselwirkung zu dem Umstandsmoment zu setzen (BAG 27.11.2008 - 8 AZR 174/07 - NZA 2009, 552).

• Der Verwirklichung des Umstandsmoments kommt zentrale Bedeutung bei. Die widerspruchslose

Fortführung des Arbeitsverhältnisses und die damit

verbundene arbeitsvertragliche Aufgabenerfüllung beim Betriebserwerber wird nicht ausreichend für die

Verwirklichung des Umstandsmoments angesehen (BAG 20.03.2008 - 8 AZR 1016/06 - NZA 2008, 1354; BAG

27.11.2008 - 8 AZR 1021/06).

(94)

Erwartung weckende Disposition des AN

• Die Änderung einzelner Arbeitsbedingungen (z.B. Art und Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung oder Höhe der Arbeitsvergütung) oder die Erteilung einer

Vollmacht begründen das Umstandsmoment noch nicht.

• Erforderlich ist eine Disposition des Arbeitnehmers über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses.

• Diese Disposition muss zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen, oder es muss eine

Regelung getroffen werden, die das Arbeitsverhältnis auf eine völlig neue rechtliche Grundlage stellt.

(95)

15 Monate

• Widerspricht der AN erst 15 Monate nach der (fehlerhaften) Unterrichtung und

• hat er schon selbst über den Bestand

seines Arbeitsverhältnisses disponiert, so rechtfertigt dies grundsätzlich das

Vertrauen des früheren Arbeitgebers in die Nichtausübung des Widerspruchsrechts

nach § 613a Abs. 6 BGB.

• BAG 27.11.2008 – 8 AZR 174/07 –, NZA

(96)

Motive des AN

• Bei der Prüfung einer Verwirkung des Widerspruchsrechts gegen einen

Betriebs(teil-)übergang dürfen etwaige Motive des Arbeitnehmers keine

Berücksichtigung finden. Diese können kein Umstandsmoment begründen, das zur Verwirkung führen kann.

• BAG 28.2.2019 – 8 AZR 201/18, Rn. 78,

(97)

Das später geheilte

Unterrichtungsschreiben

• Der 8. Senat des BAG hat seine

Rechtsprechung zur Begrenzung des Widerspruchsrechts nach fehlerhafter Unterrichtung fortentwickelt.

Annuß, Das richtig gewordene

Unterrichtungsschreiben, NZA 2017, 976.

(98)

BAG 15.12.2016 – 8 AZR 612/15 – NZA 2017, 783

Wird ein wegen unzutreffender

Beschreibung der Rechtslage ursprünglich fehlerhaftes Unterrichtungsschreiben richtig, sobald die rechtlichen

Rahmenbedingungen sich in einer Weise ändern, dass sie den Angaben im

Unterrichtungsschreiben entsprechen.

• so beginnt in diesem Augenblick, eine

(99)

Was ist neu?

• Die fehlende Information über die

Sozialplanprivilegierung nach § 112a Abs. 2 Satz 1 BetrVG führt dazu, dass die Widerspruchsfrist nicht lief.

• Aber nach vier Jahren seit der Gründung des neuen Inhabers ist Fehler in der Unterrichtung kraft Gesetzes geheilt.

• Von diesem Zeitpunkt an beginne im Hinblick auf diesen Unterrichtungsfehler entsprechend § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB eine Widerspruchsfrist von einem Monat zu laufen.

Danach hat die Sozialplanprivilegierung bis2012 gedauert. Der Widerspruch von 2013 war verfristet.

(100)

Widerspruch rechtzeitig?

• Der Betrieb der V. ging auf die NSNS GmbH & Co. KG (NSNS) über. Die V. und die NSNS hatten X 2007 über den beabsichtigten Betriebsübergang unterrichtet, ohne Hinweis auf eine etwaige

Sozialplanprivilegierung der NSNS oder zu den Modalitäten des Unternehmenskaufvertrages.

Nach dem Betriebsübergang stellte V. ihr operatives Geschäft vollständig ein und wurde auf Y und schließlich am 10.09.2012 im Handelsregister gelöscht.

• X arbeitete seit dem 01.01.2008 bei der NSNS weiter. Diese informierte im Frühjahr 2013 ihre Arbeitnehmer über ihren

Entschluss, den Geschäftsbetrieb zum 31.12.2013 einzustellen.

Daraufhin widersprach der Kläger gegenüber der Beklagten Y als Rechtsnachfolgerin der V. am 14.03.2013 wegen fehlenden Hinweis

(101)

BAG 15.12.2016 – 8 AZR 612/15 –, NZA 2017, 783

• Aufgrund des Dreiseitigen Vertrages sei das AV mit Ablauf des 31.03.2005 beendet und ab dem 01.04.2005 ein neues AV mit der V. begründet worden. Zwar sei die Y Rechtsnachfolgerin der auf sie verschmolzenen V. geworden,

• jedoch habe X im März/April 2013 dem

Übergang seines AV von der V. auf die NSNS nicht mehr wirksam widersprechen können, da sein diesbezügliches Widerspruchsrecht zu

diesem Zeitpunkt bereits erloschen war.

(102)

7 Jahre: BAG 24.8.2017 – 8 AZR 265/16- NZA 2018, 168

• Wurde AN zwar nicht ordnungsgemäß iSv. § 613a Abs.

5 BGB unterrichtet, aber im Rahmen einer Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB über den mit dem

Betriebsübergang verbundenen Übergang seines

Arbeitsverhältnisses unter Mitteilung des Zeitpunkts oder des geplanten Zeitpunkts sowie des Gegenstands des Betriebsübergangs und des Betriebsübernehmers mit grundlegenden Informationen in Textform in Kenntnis gesetzt und über sein Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB belehrt,

• führt eine widerspruchslose Weiterarbeit bei dem

(103)

Jetzt auch der 2.Senat

• Der widerspruchslosen Weiterarbeit des AN bei dem Dritten nach Unterrichtung über die "grundlegenden

Informationen" eines Betriebsübergangs kommt zwar als Umstandsmoment nur ein geringes Gewicht zu,

• Dieses kann jedoch durch das besonders starke

Zeitmoment - der Widerspruch wurde erst acht Jahre nach Betriebsübergang erklärt - ausgeglichen werden.

• Dementsprechend hat der Vertrauensschutz des

Beklagten an einer Nichtausübung das Interesse des Klägers an einer Ausübung des Widerspruchsrechts überwogen.

• BAG 22.07.2021 - 2 AZR 6/21- NZA 2021, 1405

(104)

Wann beginnt die 7 Jahresfrist?

• Der für die Verwirkung maßgebliche Zeitraum der widerspruchslosen

Weiterarbeit bei dem neuen Inhaber beginnt frühestens mit dem

Betriebsübergang.

• Läuft die Monatsfrist des § 613a Abs. 6

BGB erst nach dem Betriebsübergang ab,

so ist der Zeitpunkt des Ablaufs dieser Frist

(105)

Berücksichtigung des Widerspruchsgrundes

• Die bei einem Betriebsteilübergang dem

Arbeitgeberwechsel widersprechenden Arbeitnehmer sollten zwar in die Sozialauswahl nach der

Rechtsprechung im Rahmen der Auswahlentscheidung die Unterschiede in der sozialen Schutzbedürftigkeit

nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG einbezogen werden.

• Je geringer die Unterschiede in der sozialen

Schutzbedürftigkeit seien, desto gewichtiger müssten die Widerspruchsgründe sein, um einen Kollegen aus dem verbliebenen Restbetrieb verdrängen zu können.

• BAG 18.03.1999 – 8 AZR 290/98 – und 22. 04. 2004 - 2 AZR 244/03.

(106)

Änderung der Rspr. zu BÜ und Sozialauswahl

• „Die Gründe für den Widerspruch des

Arbeitnehmers gegen den Übergang seines

Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber sind seit 01.01.2004 bei der Abwägung der

sozialen Auswahlkriterien nicht mehr zu berücksichtigen, da die Auswahlkriterien (Betriebszugehörigkeit, Alter,

Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) vom Gesetzgeber nunmehr abschließend benannt worden sind.“

• BAG 31.05.2007 - 2 AZR 276/06- Boemke,

(107)

Kettenartige

Betriebsübergänge

Kann noch Widerspruch beim ehemaligen Arbeitgeber eingelegt

werden?

(108)

Fall

• Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers ging am 1. September 2007 von der B auf die „V GmbH“

(V) über. Davon war der Kläger durch ein Unterrichtungsschreiben der V vom 26. Juli 2007 informiert erhob er keinen Widerspruch.

• Im Oktober 2008 wurde der Kläger von der V und einer T G GmbH (T) über einen weiteren Betriebsübergang von der V auf die T

unterrichtet, der am 1. Dezember 2008 stattfand und dem der Kläger nicht widersprach.

• Als sich 2010 herausstellte, dass Unterrichtung

von 2007 mangelhaft, widersprach der Kläger

(109)

BAG 24.04.2014 - 8 AZR 369/13

• Der Widerspruch gegenüber einem ehemaligen Arbeitgeber ist nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht möglich.

• § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB verlangt

Widerspruch gegenüber dem „bisherigen“

oder dem „neuen“ Arbeitgeber.

(110)

Bestätigung

• BAG 24.04.2014, 8 AZR 369/13 Rn.

17;BAG 21.08.2014, 8 AZR 629/13 Rn. 16;

BAG 21.08.2014, 8 AZR 619/14 Rn. 22,

BAG16.10.2014, 8 AZR 670/13 und 8 AZR 697/13, jeweils Rn. 15:

• Weder der Wortlaut, noch die

Gesetzesbegründung, noch systematische

Überlegungen lassen einen Widerspruch

(111)

Begründung 1

• Kein AN muss gegen seinen Willen seinen Vertragspartner und damit den

Arbeitgeber wechseln.

• Deshalb Möglichkeit des Widerspruchs

gegen den Betriebsübergang eröffnet (BT-

Drucksache 14/7760 S. 20).

(112)

Begründung 2

• Damit geht einher, dass der AN mit

seinem Widerspruch erklärt, dass er das Arbeitsverhältnis und den Arbeitgeber

nicht wechseln möchte.

• Eine solche Gestaltung ist nur bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis und

nicht bei einem bereits beendeten

früheren Arbeitsverhältnis möglich.

(113)

Wegfall der Stellung „bisheriger“

• Kommt es nach einem Betriebsübergang zu einem weiteren Betriebsübergang und hat der Arbeitnehmer bis dahin dem mit dem vorangegangenen Betriebsübergang verbundenen Übergang seines

Arbeitsverhältnisses nicht widersprochen,

verliert der vormalige Arbeitgeber seine Eigenschaft als "bisheriger"

Arbeitgeber iSv. § 613a Abs. 6 Satz 2

BGB an den Zwischenerwerber.

(114)

BAG19.11.2015 – 8 AZR 773/14 – NZA 2016, 647

• Will der AN in einem Kettenübergangsfall mit einem Widerspruch einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem

bisgerigen Arbeitgeber bewirken,

• muss er deshalb zunächst erfolgreich dem an den weiteren BÜ geknüpften

Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf

den neuen Inhaber widersprechen.

(115)

Begriff BÜ

(116)

Betrieb iSd Betriebsübergangs-RL

Wirtschaftliche Einheit mit eigener Identität (schließt arbeitsrechtliche Leitung ein).

BÜ, wenn wirtschaftliche Einheit unter Wahrung der Identität von Drittem fortgeführt wird.

• Ob eine identitätswahrende (im Wesentlichen

unveränderte) Fortführung vorliegt, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falles.

• BAG 21.08.2008 – 8 AZR 201/07, AP Nr. 353 zu

§ 613a BGB

(117)

Wirtschaftliche Einheit

• Ein Betriebs(teil)übergang i.S.v. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB und der Richtlinie 2001/23/EG muss eine ihre Identität bewahrende – auf Dauer angelegte –

wirtschaftliche Einheit betreffen.

• Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder Gesamtheit von Personen und Sachen

1. zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck, wenn

2. hinreichend strukturiert und selbstständig.

• BAG 27.4.2017 - 8 AZR 859/15 Rn. 30; EuGH

06.03.2014 - C-458/12 Rn. 31 - NZA 2014, 423 „Amatori“

(118)

Betrieb iSd Massentlassungs-RL

• Der Betriebsbegriff in § 17 KSchG bezieht sich auf eine Einheit, der die von der Entlassung betroffenen

Arbeitnehmer zur Erfüllung ihrer Aufgabe angehören.

• Diese Einheit muss von einer gewissen

Dauerhaftigkeit und Stabilität und zur Erledigung einer oder mehrerer bestimmter Aufgaben bestimmt sein und über eine Gesamtheit von Arbeitnehmern sowie über technische Mittel und eine organisatorische Struktur zur Erfüllung dieser Aufgaben verfügen.

• Dieser Betrieb muss keine arbeitsrechtliche Leitung haben, die selbständig Massenentlassungen vornehmen kann. Deshalb kann die Station einer Fluggesellschaft auf einem Flughafen ein Betrieb iSv §17 KSchG sein.

(119)

Christel Schmidt

• Überträgt ein Unternehmer durch Vertrag einem anderen

Unternehmer die Verantwortung für die Erledigung der früher von ihm selbst wahrgenommenen Reinigungsaufgaben, so unterliegt das auch dann dem Anwendungsbereich der BÜ Richtlinie, wenn diese Aufgaben vor der Übertragung von einer einzigen

Arbeitnehmerin erledigt wurden.

• Mit der Übertragung brauchen keine Vermögensgegenstände überzugehen, noch kann die geringe Zahl der betroffenen

Arbeitnehmer zum Ausschluss führen.

• Entscheidendes Kriterium ist die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist, die sich u. a. daraus ergibt, dass dieselbe oder eine gleichartige Geschäftstätigkeit vom neuen

Inhaber tatsächlich weitergeführt oder wieder aufgenommen wird.

EuGH 14. April 1994 C-392/92-AP Nr 106 zu § 613a BGB

(120)

Ayse Süzen

Übergang ist, wenn:

• eine wirtschaftliche Einheit - dh eine organisierte

Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung - ihre Identität über den betreffenden Vorgang hinaus

wahrt,

• in Branchen, in denen es im wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt und die ohne

relevante Betriebsmittel sind, diese Gesamtheit durch

die Übernahme eines wesentlichen Teils ihres Personals durch den neuen Auftragnehmer fortbesteht.

EuGH11. März 1997- C-13/95-AP Nr 14 zu EWG- Richtlinie Nr 77/187

(121)

Carlito Abler

BÜ auch dann,

• wenn der zweite Unternehmer zuvor von dem ersten Unternehmer benutzte und beiden nacheinander vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte wesentliche materielle Betriebsmittel benutzt.

• wenn der zweite Unternehmer zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Arbeitnehmer des

ersten Unternehmen nicht übernehmen will.

EuGH 20. November 2003 -C-340/01 -AP Nr 34 zu

EWG-Richtlinie Nr 77/187

(122)

eigenwirtschaftlicher Nutzung Güney-Görres

Im Rahmen der Gesamtbetrachtung, ob ein BÜ vorliegt, ist die Feststellung einer Überlassung der Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen

Nutzung keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung eines Übergangs dieser Mittel vom ursprünglichen Auftraggeber auf den neuen Auftragnehmer.

EuGH15. Dezember 2005 -C-232/04 und C-233/04

AP Nr 1 zu Richtlinie 2001/23/EG

(123)

Klarenberg

• Auf das Vorabentscheidungsersuchen des LAG Düsseldorf vom 10.08.2007 – 9 Sa 303/07 hat der EuGH nach Art. 234 EGV entschieden, dass eine Auffassung, nach der der Wegfall der

organisatorischen Einheit beim Betriebserwerber von vornherein einem Betriebsübergang in

diesem Sinne entgegen steht (so BAG vom

06.04.2006 – 8 AZR 249/04 –, AP Nr. 303 zu § 613a BGB) mit der BÜ –RL nicht vereinbar ist.

• EuGH vom 12.02.2009 – C-466/07

(124)

Funktionelle Verknüpfung genügt

• Der Begriff der Übertragung verlangt nicht, die konkrete Organisation der verschiedenen übertragenen

Produktionsfaktoren durch den Unternehmer beizubehalten,

• Erforderlich ist nur die Beibehaltung der funktionellen Verknüpfung der

Wechselbeziehung und gegenseitigen

Ergänzung zwischen diesen Faktoren.

(125)

Zurück zu Christel Schmidt

• Die Beibehaltung einer funktionellen

Verknüpfung zwischen den übertragenen

Faktoren (Betriebsmittel und Personen) erlaubt es dem Erwerber, diese zu nutzen, um

derselben oder einer gleichartigen

wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen.

• Unerheblich ist wenn nach der Übertragung eine Eingliederung in eine neue, andere

Organisationsstruktur statt findet.

• So bereits EuGH vom 14.04.1994 – C-392/92 –

Christel Schmidt

(126)

Übernahme der Klarenberg Rechtsprechung

• Der Achte Senat des BAG hat klar gestellt, dass er es nicht anders sehe.

• Ein Betriebsübergang erfordere nicht die

Beibehaltung der konkreten Organisation des

Betriebsveräußerers beim Erwerber, sondern es reiche die Beibehaltung der funktionellen

Verknüpfung der Wechselbeziehung und

gegenseitigen Ergänzung der verschiedenen übertragenen Produktionsfaktoren aus.

• BAG 17.12.2009 – 8 AZR 1010908- Juris Rn.

(127)

EuGH 06.03.2014 – C-458/12 –

„Amatori“

• Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie

2001/23/EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die bei einem Übergang eines Unternehmensteils den Eintritt des Erwerbers in die

Arbeitsverhältnisse des Veräußerers in einem Fall gestattet,

• in dem dieser Unternehmensteil keine

funktionell selbständige wirtschaftliche Einheit darstellt, die schon vor seinem

Übergang bestand.

(128)

Was heißt das?

1. Der Anwendungsbereich der RL 23/2001/EG verlangt, dass ein selbstständiger Betriebsteil besteht, der übertragen werden kann.

2. Die Mitgliedstaaten können gem. Art. 8 der Richtlinie gleichwohl das Schutzniveau auf Sachverhalte ausdehnen, in denen eine selbstständige Einheit erst beim Erwerber geschaffen wird.

3. Die Übertragung vom Mutter- auf ein Tochterunternehmen fällt in den

Anwendungsbereich der Richtlinie.

• Esch, jurisPR-ArbR 21/2014 Anm. 2

(129)

Organisatorisch strukturierte Wirtschaftseinheit

• Auf der Veräußererseite muss eine

wirtschaftliche Einheit betroffen sein, die

organisatorisch hinreichend strukturiert und selbständig ist.

• Die Ansicht des BAG wird durch die

Entscheidung des EuGH in der Sache Amatori (vgl EuGH, 06.03.2014, C-458/12) bestätigt.

• BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.01.

2015 – 1 BvR 499/12 –ZIP 2015, 542

(130)

7 Prüfkriterien BÜ

• die Art des betreffenden Betriebs,

• der Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter sowie deren Wert und Bedeutung,

• die Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation,

• der Grad der Ähnlichkeit mit der Betriebstätigkeit des bisherigen Inhabers,

• in betriebsmittelarmen Betrieben die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft, der Übergang von Kundschaft und

Lieferantenbeziehungen

• sowie die Dauer einer eventuellen Unterbrechung der Betriebstätigkeit

• Gesamtschau ob Identität der wirtschaftlichen Einheit

(131)

Identität

• Identität der wirtschaftlichen Einheit wird nicht allein durch die übergegangene Tätigkeit

gekennzeichnet. Sie ergibt sich auch aus:

• ihrem Personal,

• ihren Führungskräften,

• ihrer Arbeitsorganisation,

• ihren Betriebsmethoden und

• den ihr zur Verfügung stehenden

Betriebsmitteln.

(132)

Alles neu ?

• "7-Punkte-Katalog", wird auch nach Klarenberg vom EuGH

zugrunde gelegt.

• EuGH 29.07.2010 - C 151/09

UGT-FSP - Rn. 27 [36]

(133)

„Backsourcing" von Aufgaben im Fall CLECE

• ANin Valor war als Reinigungskraft bei CLECE

beschäftigt, das die Räume der Gemeinde Cobisa reinigte. Die Gemeinde kündigte den

Dienstleistungsvertrag zum 31. Dezember 2007. Ende 2008 teilte CLECE Valor mit, dass sie ab dem 1.

Januar 2008 zur Belegschaft des Ayuntamiento de Cobisa gehöre, da dieses nunmehr die Reinigung der betreffenden Räumlichkeiten selbst besorge.

• Die Gemeinde nahm jedoch die Dienste der Frau Valor nicht an, sondern stellte über eine

Arbeitskräftevermittlung fünf Arbeitnehmerinnen für die Reinigung seiner Räumlichkeiten ein.

• Ist Valor im Rahmen eines BÜ übergegangen?

(134)

EuGH 20.01.2011 - C-463/09 – CLECE, NZA 2011, 148

• Der bloße Umstand, dass die von CLECE und die vom

Ayuntamiento de Cobisa durchgeführten Tätigkeiten einander ähnlich oder sogar identisch sei, lasse noch nicht auf die

Wahrung der Identität einer wirtschaftlichen Einheit schließen.

• Eine Einheit darf nämlich nicht als bloße Tätigkeit

verstanden werden. Ihre Identität ergibt sich aus mehreren untrennbar zusammenhängenden Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln.

• Eine wirtschaftliche Einheit, die als Reinigungsdienst im

Wesentlichen durch die menschliche Arbeitskraft konstituiert

(135)

Besondere Übertragung der Leitungsmacht ?

• Der Betriebsübergang tritt mit dem

Wechsel in der Person des Inhabers ein.

• Der bisherige Inhaber muss seine

wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb oder Betriebsteil einstellen.

• Einer besonderen Übertragung einer

irgendwie gearteten Leitungsmacht

bedarf es dann nicht.

(136)

1. Prüfschritt

• Ist eine betriebsmittelarme Funktion betroffen, so ist eine bloße Tätigkeitsnachfolge nicht als Betriebsübergang zu qualifizieren, sofern nicht andere Indizien für einen Betriebsübergang

sprechen (z.B. Übernahme der Hauptbelegschaft).

BAG vom 04.05.2006 - 8 AZR 299/05-NZA

2006, 1096.

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