Monatsthema
38 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2010
Stand und Entwicklung von F&E im Ausland
Die Schweizer Wirtschaft ist – gemessen an den Direktinvestitionen im Ausland – eine der am stärksten internationalisierten Volks
wirtschaften. Lange stand der Aufbau von Produktionsstätten und Distributionskanä
len im Vordergrund. Mittlerweile wird je
doch in grossem Umfang auch in F&E inves
tiert. Der Anteil der im Ausland investierten Mittel an den gesamten F&EAufwendungen der Schweizer Wirtschaft nahm seit Mitte der 1980erJahre bis 2008 von 38% auf 57%
zu – dies bei einer enormen Steigerung der gesamten F&EAusgaben (siehe Tabelle 1).
Aller dings entfällt ein grosser Teil dieser Aus
gaben auf die Branche Pharma/Chemie – im Jahr 2008 rund 70%.
Nimmt man als Mass der Internationali
sierung von F&E nicht das entsprechende In
vestitionsvolumen, sondern die Zahl der Fir
men mit ausländischen F&EAktivitäten, ist die Konzentration nach Branchen wesentlich geringer. So verzeichnen in der Industrie ne
ben Chemie/Pharma auch die anderen High
techBranchen (Elektronik, Elektrotechnik, Maschinenbau) einen hohen Anteil von Fir
men, die nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland F&E betreiben; dasselbe gilt für gewisse wissensintensive Dienstleistungs
branchen (z.B. EDVDienstleistungen). Zwi
schen 2000/02 und 2006/08 nahm auf ge
samtwirtschaftlicher Ebene der Anteil der Firmen mit AuslandsF&E an allen F&Etrei
benden Unternehmen merklich zu – und zwar von 10% auf 18%.
Firmengrösse und Zielregionen
Von den F&Etreibenden Unternehmen sind – wenig überraschend – die grösseren wesentlich häufiger im Ausland F&Eaktiv als die kleineren. Aber auch unter den KMU ist der Anteil derer, die im Ausland F&E be
treiben, in den 1990erJahren stark gestiegen.
2006/08 betrug dieser Anteil bereits 16% für die Firmen mit 5–49 Beschäftigten, für jene mit 50–249 Beschäftigten 19%.
Wichtigste Zielregion schweizerischer F&EAktivitäten ist der EURaum, sind dort doch fast alle im Ausland F&Eaktiven Unter
nehmen präsent (siehe Tabelle 2). Mit grossem
Abstand folgen Nordamerika und China/In
dien. Die geografische Reichweite der Aus
landspräsenz – ablesbar an der Spaltensum
me, die infolge von Mehrfachnennungen über 100% beträgt – ist mit 172% beträchtlich. Die geografische Reichweite kleiner Unternehmen ist wesentlich geringer als jene der Grossfir
men. Nordamerika ist – neben der EU – pri
mär für mittelgrosse und grosse Unternehmen eine bedeutende Zielregion, für China/Indien gilt dies nur für Grossfirmen. Angesichts der beschränkten Finanzkraft und Management
kapazität von KMU sind die geografische Dis
tanz und die «Komplexität» entfernter Stand
orte für ausländische F&EAktivitäten schwer überwindbare Hindernisse.
Strategien der Internationalisierung Als theoretische Basis zur Ermittlung der Determinanten und Strategien der Interna
tionalisierung von F&E sowie ihres Einflusses auf die Leistungsfähigkeit der Mutterfirmen dient das OLI-Paradigma von Dunning (2000).
Dieses integriert die meisten theo retischen Ansätze zur Erklärung von Aus lands inves ti
tionen in ein übergeordnetes Interpretations
schema, das drei Gruppen von Bestimmungs
faktoren unterscheidet:
− Ownerhip-specific Advantages (O): Vorteile der Unternehmung gegenüber Konkur
renten in der Zielregion aufgrund fir
menspezifischer, vorwiegend immateriel
ler Assets wie z.B. Innovationsfähigkeit, Patente, technologisches Potenzial, Ein
bindung in Wissensnetzwerke;
− Location-specific Disadvantages (L): Stand
ortnachteile gegenüber dem Ausland be
züglich F&Erelevanter Faktoren wie z.B.
F&EKosten, Marktregulierung, Restrik
tionen für die Technologieentwicklung;
− Internalising Advantages (I): Vorteile, die darauf beruhen, dass eine Firma Transak
tionen auf häufig instabilen Technologie
märkten in die Firma integriert, so z.B.
durch die Akquisition eines Anbieters komplexer Zwischenprodukte zwecks Qualitätssicherung.
Motive für F&E-Investitionen im Ausland Die in Tabelle 3 aufgeführten Motive für F&EInvestitionen im Ausland haben einen engen Bezug zum OLIParadigma. So wider
Internationalisierung von Forschung und Entwicklung – Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft
Dr. Spyros Arvanitis Leiter des Forschungs- bereichs Innovations- ökonomik, KOF Konjunk- turforschungsstelle der ETH Zürich
Dr. Heinz Hollenstein Strategieberater und Koordinator, KOF Kon- junkturforschungsstelle der ETH Zürich
Die Internationalisierung von Forschung und Entwicklung (F&E) einheimischer Unternehmen hat in den letzten 20 Jahren stark zugenommen. In diesem Beitrag werden die grundlegenden Muster und Triebkräfte (Motive) von F&E-Investitionen an auslän- dischen Standorten aufgezeigt.
Untersucht werden zudem die Auswirkungen dieser Art von Auslandsaktivitäten auf die Leis- tungsfähigkeit (Innovation, Pro- duktivität) der Mutterfirmen und der Schweizer Wirtschaft insge- samt. Die Analyse erlaubt unter anderem eine Beurteilung der populären These, nach welcher vermehrte F&E-Investitionen im Ausland den Technologie- und Wirtschaftsstandort Schweiz schwächen.
Monatsthema
39 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2010
liale auf OVorteilen der Mutterfirma. Hinter dem Wissensmotiv stehen sowohl I als auch OVorteile. Der Zugang zu im Ausland vor
handenem Wissen lässt sich vor Ort häufig besser realisieren – und zwar durch Interna
lisierung von Beziehungen mit ausländischen Wissensanbietern (Forschungslabors, hoch innovative Firmen) mittels F&EKoopera
tionen oder Akquisitionen (IVorteile). Ähn
liches gilt für das Ressourcenmotiv, das auf den Zugang zu spezialisierten Wissensträ
gern abzielt. Wissens wie Ressourcenmotiv setzen voraus, dass die Firma als Kooperati
onspartner attraktiv ist, d.h. vor Ort – basie
rend auf ihren spezifischen OVorteilen – hochwertige F&E betreibt.
Gemäss Tabelle 3 steht das Marktmotiv bei F&EInvestitionen im Ausland an erster Stelle. Von grosser Bedeutung sind jedoch auch das Wissensmotiv – dabei vor allem die Nähe zu Netzwerken innovativer Firmen – und das Ressourcenmotiv. O und IVorteile stehen also im Vordergrund. Das Kostenmo
tiv – d.h. ein Gang ins Ausland infolge von LNachteilen der Schweiz – spielt eine ge
ringe Rolle. In den letzten Jahren ist das Wis
sensmotiv wichtiger geworden, während das Kostenmotiv an Bedeutung verloren hat. In jüngster Zeit hat auch die im Ausland bessere Verfügbarkeit von F&EPersonal an Relevanz gewonnen. Bei grossen Unternehmen, die in quantitativer Hinsicht die F&EInvestitionen im Ausland dominieren, ragt die Bedeutung des Marktmotivs deutlich hervor; auch das Ressourcenmotiv spielt für grosse Firmen ei
ne überdurchschnittliche Rolle. Demgegenü
ber fällt das Kostenmotiv vor allem bei klei
nen Unternehmen ins Gewicht. Das Wissensmotiv ist überraschenderweise bei grossen Firmen nicht bedeutsamer als bei kleinen.
Internationalisierungsstrategien
Häufig sind für Unternehmen mehrere Motive relevant. Anhand ihrer unterschied
lichen Gewichtung lassen sich mithilfe einer Clusteranalyse Gruppen von Firmen identi
fizieren, die durch eine ähnliche Kombina
tion von Motiven gekennzeichnet sind und bezüglich F&E eine ähnliche Internationali
sierungsstrategie verfolgen. Gemäss Hollen- stein (2009) lassen sich auf der Basis der Da
ten der KOFInnovationserhebung 2005 vier Strategietypen unterscheiden:
− Strategie 1: Firmen, die eine breit ange
legte Strategie verfolgen, für die also die meisten der sieben Motive relevant sind.
Dabei fällt das Wissensmotiv (vor allem die Kooperation mit Hochschulen), aber auch der Zugang zu hoch qualifiziertem F&EPersonal besonders ins Gewicht. Fir
men dieses Typs verfügen über ausge
Jahr F&E-Ausgaben insgesamt %-Anteil der Auslands-F&E
1975 3484 32
1980 4454 38
1983 5824 38
1986 7969 38
1989 11 480 46
1992 13 460 53
1996 15 120 53
2000 17 678 55
2004 19 262 50
2008 27 748 57
Tabelle 1
F&E-Ausgaben schweizerischer Unternehmen im Ausland 1975 bis 2008 (in Mio Fr.)
Tabelle 2
Zielregionen von F&E-Aktivitäten nach Grössenklassen
Anteil von Firmen in %, die in der jeweiligen Region präsent sind; Mehrfachantworten
Tabelle 3
Motive für F&E-Aktivitäten im Ausland nach Grössenklassen
Anteil von Firmen in %, die dem jeweiligen Motiv eine hohe Bedeutung beimessen
Quelle: BFS / Die Volkswirtschaft
Quelle: KOF-Innovationserhebung 2008 / Die Volkswirtschaft
Quelle: KOF-Innovationserhebung 2008 / Die Volkswirtschaft
Zielregion Unternehmensgrösse (Beschäftigte) Total
5–49 50–249 250 u. mehr
EU 90 90 86 89
Nordamerika 10 31 46 33
Japan 10 4 17 10
China, Indien 14 17 37 24
Andere Länder 24 17 14 17
Spaltensumme 148 159 200 172
Unternehmensgrösse (Beschäftigte) Total
5–49 50–249 250 u. mehr
Einzelmotive
Unterstützung von Fertigung und Absatz 18 30 64 40
Nähe zu führenden Hochschulen 21 29 29 27
Nähe zu innovativen Firmen(netzwerken) 40 41 38 40
Wissenstransfer in die Schweiz 21 21 18 20
Gute Verfügbarkeit von F&E-Personal 21 29 35 29
Tiefere F&E-Kosten 29 16 22 21
Stärkere F&E-Förderung (inkl. Steueranreize) 18 7 14 12
Motivgruppena
Marktmotiv 18 30 64 40
Wissensmotiv 27 30 28 29
Ressourcenmotiv 21 29 35 29
Kostenmotiv 24 11 18 16
Durchschnitt aller Einzelmotive 24 25 31 27
a Marktmotiv = Motiv 1; Wissensmotiv = Durchschnitt der Motive 2 bis 4; Ressourcenmotiv = Motiv 5; Kostenmotiv = Durchschnitt der Motive 6 und 7.
spiegelt das Kostenmotiv LNachteile des Standorts Schweiz, die für Firmen den Anreiz für Auslandsengagements erhöhen. Bei Un
ternehmen, für die das Marktmotiv im Vor
dergrund steht, dient die Auslandspräsenz mit F&E dazu, Produkte, die im Wesentlichen am Hauptsitz entwickelt wurden, an die in der Zielregion herrschenden Präferenzen und Marktverhältnisse anzupassen, um so die lokalen Märkte besser bearbeiten zu kön
nen. In diesem Fall beruht die Arbeitsteilung bei F&E zwischen Hauptsitz und Auslandsfi
Monatsthema
40 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2010
gische Potenzial eher begrenzt erscheint.
LNachteile sind vorhanden, fallen aber nicht allzu sehr ins Gewicht. Bei diesem Strategietyp dominieren grosse, gut eta
blierte (alte) Industriefirmen mit äusserst starker Exportorientierung.
− Strategie 4: Firmen mit einer relativ eng ausgelegten, hauptsächlich kostenorien
tierten Strategie, wobei im Zielland ausser den tieferen F&EKosten auch das grös
sere Angebot an Fachkräften genutzt wird.
Firmen dieses Typs verfügen nur über ge
ringe OVorteile (inkrementelle, auf Kon
struktion beruhende Neuerungen; Nut
zung externen Wissens von Firmen der gleichen Wertschöpfungskette). Nachfra
geseitig wird F&E nicht begünstigt, da die relevanten Märkte nur wenig wachsen und sehr preissensitiv sind. Überraschen
derweise spielen LNachteile der Schweiz bei dieser Strategie keine wesentliche Rol
le. Strategie 4 wird vor allem von kleineren, meist alten Firmen mit keiner ausge
prägten Exportorientierung verfolgt.
Eine erste Analyse mit den neuesten Da
ten (Innovationserhebung 2008) deutet da
rauf hin, dass sich die ersten beiden Strate
gietypen einander angenähert haben. Klar unterscheiden lassen sich nurmehr drei Stra- tegien: eine erste, breit angelegte Strategie, bei der das Wissensmotiv die prominenteste Rolle spielt; eine zweite, fast ausschliesslich auf das Marktmotiv fokussierte Strategie;
und eine dritte, bei der zwar das Kostenmo
tiv im Vordergrund steht, die aber im Ver
gleich zur viergliedrigen Gruppierung dem Ressourcenmotiv (Nutzung des reichlicher vorhandenen Humankapitals) eine grössere Bedeutung beimisst.
prägte OVorteile (äusserst innovativ;
intensive Nutzung von wissenschafts
orientiertem externem Knowhow; hohes technologisches Potenzial usw.). Auffal
lend sind jedoch auch LNachteile des Standorts Schweiz, insbesondere restrik
tive Marktregulierungen und ein Mangel an hoch qualifiziertem Personal, welche die F&EInvestoren «ins Ausland treiben».
Bei diesem Strategietyp sind exportorien
tierte, mittelgrosse, aber auch junge Fir
men besonders häufig vertreten.
− Strategie 2: Firmen, bei denen eindeutig das Wissensmotiv im Vordergrund steht, und zwar in Form der Beteiligung an Netzwerken innovativer Firmen, kombi
niert mit einem substanziellen Wissen
stransfer zur Mutterfirma. Firmen dieses Typs sind durch ausgeprägte O und IVorteile gekennzeichnet. Sie sind stark forschungsorientiert und profitieren von sehr guten Marktperspektiven. LNach
teile der Schweiz spielen keine Rolle. Of
fenbar werden diese Firmen nicht durch ungünstige Heimbedingungen ins Aus
land getrieben, sondern wählen auslän
dische Standorte mit dem Ziel, ihre eigene Wissensbasis zu erweitern. Bei diesem Strategietyp finden sich viele kleine, häu
fig junge Firmen, anderseits aber auch ei
nige grosse PharmaMultis.
− Strategie 3: Firmen mit stark fokussierter F&EStrategie, die fast nur der besseren Markterschliessung in der Zielregion dient. Die OVorteile dieser Unternehmen beruhen primär auf Entwicklungsakti
vitäten; entsprechend sind grundlegende Neuerungen eher selten. Der stärkste Treiber sind die ausgezeichneten Nach
frageperspektiven, während das technolo
Tabelle 4
Einfluss von spezifischen Motiven für Auslands-F&E auf die Unternehmensleistung
Quelle: Arvanitis und Hollenstein (2010) / Die Volkswirtschaft Legende: Die Symbole +, ++ und +++ stehen für einen
signifikant positiven Einfluss bei einer Irrtumswahrschein- lichkeit von 10% bzw. 5% bzw. 1%, während nicht signifi- kante Variablen mit n.s. bezeichnet werden. Ein Schräg- strich bedeutet, dass die entsprechenden Variablen für die Erklärung nicht herangezogen wurden. Das positive Vor zeichen für 6–15 Hauptkonkurrenten impliziert, dass die Innovationsleistung auf stark konzentrierten Märkten besonders hoch ist.
Innovationsgleichung Produktivitätsgleichung
Erklärende Variablen Umsatzanteil innovativer Produkte Arbeitsproduktivität
(1) (2) (3) (4) (5) (6)
Motive (hohe Bedeutung)
Wissensmotiv + / / n.s. / /
Marktmotiv / n.s. / / + /
Kosten-/Ressourcenmotiv / / n.s. / / +++
Ressourcen
Sachkapital + + ++ +++ +++ +++
Humankapital +++ +++ +++ +++ +++ +++
F&E-Intensität / / / +++ +++ +++
Marktumfeld
Anzahl Hauptkonkurrenten + (6–15 Konk.) + (6–15 Konk.) + (6–15 Konk.) / / /
Preiskonkurrenz n.s. n.s. n.s. / / /
Nichtpreisliche Konkurrenz ++ +++ +++ / / /
Kontrollvariablen
Unternehmensgrösse ++ ++ ++ +++ +++ +++
Firmenalter n.s. n.s. n.s. / / /
Firma im Auslandbesitz n.s. n.s. n.s. +++ +++ +++
Monatsthema
41 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2010
schaftlicher) Beschäftigter, denen für die Aufnahme externen Wissens eine Schlüssel
rolle zukommt, gemäss OECDDaten sehr hoch. Was die Embeddedness der im Ausland in F&E investierenden Firmen betrifft, dürfte die Schweiz ebenfalls gut dastehen. Denn das schweizerische Innovationssystem zeichnet sich durch ein im internationalen Vergleich dicht geknüpftes Wissensnetzwerk aus; auch der Wissenstransfer zwischen Hochschulen und Privatwirtschaft funktioniert gut.3
Vor diesem Hintergrund lässt sich der Schluss ziehen, dass auch die indirekten Ef
fekte der Internationalisierung von F&E im Fall der Schweiz positiv sind. Hinweise für die Richtigkeit dieser Einschätzung finden sich bei Ben Hamida und Piscitello (2008).
Zusammenfassung
Die Bedeutung von F&EAktivitäten der Schweizer Wirtschaft an ausländischen Standorten hat in den letzten 20 Jahren stark zugenommen, und zwar sowohl hinsichtlich der Zahl involvierter Firmen als auch der eingesetzten Mittel. Dabei sind zunehmend auch KMU aktiv geworden. Wirtschaftlich hoch entwickelte, durch eine starke Wissens
basis und grosse Märkte gekennzeichnete Zielregionen (EU, Nordamerika) stehen im Vordergrund, wobei für Grossfirmen mitt
lerweile auch China und Indien ins Gewicht fallen. Trotz der wachsenden Internationali
sierung verfolgt die überwiegende Mehrheit der F&Eaktiven Firmen nach wie vor eine rein inlandorientierte Strategie.
Die im Ausland F&Eaktiven Unterneh
men wählen Strategien, die in der Gewich
tung der treibenden Motive voneinander abweichen. Zudem wirken sie sich unter
schiedlich – aber durchwegs positiv – auf die Peformance der Mutterfirma aus. Relativ breit angelegt sind wissens orientierte Strate
gien, welche die Innova tions leistung der Mut
terfirma erhöhen, nicht aber deren Produk
tivität. Die am stärksten verbreitete marktorientierte Strategie ist stark fokussiert, was in geringerem Mass auch für die kosten
orientierte Strategie gilt. Diese beiden Strate
gien wirken produktivitätssteigernd, verbes
sern jedoch nicht die Innova tionsleistung der Mutterfirma. Die positiven Auswirkungen der Internationalisierung von F&E auf die Mutterfirmen (direkte Effekte) werden noch verstärkt durch Technologie und Produkti
vitätsSpillovers zu anderen Unternehmen (indirekte Effekte). Die Resultate widerlegen die These, wonach eine Zunahme von F&E
Investitionen zulasten des Wirtschaftsstand
orts Schweiz geht (Substitutionsthese). Viel
mehr sind in und ausländische F&E
Aktivitäten komplementär. m
Auswirkungen auf die Schweiz:
Direkte Effekte…
Die direkten Effekte beziehen sich auf die Auswirkungen von F&EInvestitionen im Ausland auf die Leistungsfähigkeit der inlän
dischen Mutterfirma. Tabelle 4 zeigt die Re
sultate von ökonometrischen Schätzungen für ein Unternehmenspanel mit Daten von vier im Zeitraum 1996–2008 durchgeführten Innovationsumfragen.1 Ausgewiesen wird für die erklärenden Variablen nur die Richtung ihres Einflusses (Vorzeichen), nicht aber des
sen Intensität. Von Interesse sind primär die Effekte der MotivVariablen auf die Innova
tionsleistung (Markterfolg von Produktinno
vationen) und die Arbeitsproduktivität der Firmen. Die übrigen Variablen dienen zur Vervollständigung des Modells bzw. zur Kon
trolle nicht spezifizierter Effekte. Aus schätz
technischen Gründen können die drei Motivgruppen (das Kosten und das Res
sourcenmotiv werden zusammengefasst), die näherungsweise die drei Internationalisie
rungsstrategien repräsentieren, nur einzeln in die beiden Performancegleichungen ein
gesetzt werden (Gleichungen 1–3 bzw. 4–6).
Die Tabelle zeigt, dass sich F&EInvesti
tionen im Ausland je nach Motivgruppe un
terschiedlich auf die Mutterfirma auswirken.
Wissensorientierte AuslandsF&E steigern die Innovationsleistung der Mutterfirma, ha
ben jedoch keinen Einfluss auf die Arbeits
produktivität. Gerade umgekehrt ist es bei markt und kostenorientierten F&EStrate
gien, welche die Produktivität der Mutterfir
ma erhöhen, nicht aber deren Innovations
performance. Insgesamt deuten die Resultate auf positive direkte Effekte hin.
…und indirekte Effekte
Die positiven direkten Effekte werden möglicherweise durch Wissens und/oder ProduktivitätsSpillovers von den Mutter
firmen auf die übrigen Unternehmen der Schweizer Wirtschaft verstärkt. Gemäss Blomström und Kokko (1998) sind die indi
rekten Effekte dann positiv und besonders stark, wenn die potenziellen Wissensempfän
ger über eine hohe Fähigkeit zur Aufnahme firmenexternen Wissens verfügen (Absorp
tive Capacity) und wenn die im Ausland in F&E investierenden Unternehmen gut ins einheimische Innovationssystem eingebettet sind (Embeddedness).
Die Absorptive Capacity der schweize
rischen Firmen ist im internationalen Ver
gleich sehr hoch. Einerseits ist die Wissens
basis dank eines hohen Anteils innovativer KMU breit verteilt;2 anderseits ist der Anteil gut qualifizierter (technischnaturwissen
1 Vgl. Arvanitis und Hollenstein (2010).
2 Vgl. Arvanitis u.a. (2010).
3 Vgl. Arvanitis u.a. (2006).
Kasten 1
Literatur
− Arvanitis, S., Bolli, T., Hollenstein, H., Ley, M. und M. Wörter (2010): Innovationsakti- vitäten in der Schweizer Wirtschaft. Eine Analyse der Ergebnisse der Innovations- erhebung 2008, Reihe Strukturberichter- stattung Nr. 46, Bern: Staatsekretariat für Wirtschaft (Seco).
− Arvanitis, S. und H. Hollenstein (2010):
How Do Different Motives for R&D Invest- ment in Foreign Locations Affect Domestic Firm Performance? An Analysis Based on Swiss Micro Data, KOF Swiss Economic Insti- tute, Working Papers Nr. 258, Zürich.
− Arvanitis, S., Kubli, U., Sydow, N. und M. Wörter (2006): Knowledge and Techno- logy Transfer between Universities and Private Enterprises in Switzerland – an Analysis Based on Firm and Institutional Data, Konjunktur, 69(9), A1-A32.
− Ben Hamida, L. und L. Piscitello (2008):
The Relationship Between Overseas and Domestic R&D Activities: Evidence for Switzerland, Paper Presented at the 33th Annual Conference of the European Inter- national Business Academy (EIBA), Tallin.
− Blomström, M. und A. Kokko (1998): Multi- national Corporations and Spillovers, Jour- nal of Economic Surveys, 12, S. 247–277.
− Dunning, J.H. (2000): The Eclectic Para- digm as an Envelope for Economic and Busi- ness Theories of MNE Activity, International Business Review, 9, S. 163–190.
− Hollenstein, H. (2009): Characteristics of Foreign R&D Strategies of Swiss Firms:
Implications for Policy, in: D. Foray (ed.), The New Economics of Technology Policy, Cheltenham: Edward Elgar, S. 248–271.