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rattus norvegicus: Bjarne Melgaard

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Academic year: 2022

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1 Dr. Gerd Mörsch

rattus norvegicus: Bjarne Melgaard

‚Yes, we have declared war. Dead died because the trend people have destroyed everything from the old black metal / death metal scene, today death metal is something normal, accepted and funny and we hate it.‘ (Øystein Aarseth alias Euronymous, in: Bad Faust Magazine 1992)

Die in Düren vis-á-vis von McCarthys wilder Lithografie auf einem weißen Sockel präsentierte Plastik Bjarne Melgaards könnte einem skandinavischen Krimi entstammen. Der klassisch anmutende, von Melgaard mit schwarzen Bemalungen und Statements wie ‚RUSSIAN STEROIDS‘ oder ‚WE DIE TO SLOW‘ verfremdete Gipsabguss wirkt wie das ungewöhnliche Artefakt am Tatort, das den Ermittlern den entscheidenden Hinweis auf das Milieu liefert: Die Death Metal-Szene. Letztere ist wie Punk längst im Sinne Marcuses Analyse als ‚Attitüde‘ ins Konsumsystem integriert worden. Ihre genuinen Inhalte wurden Anfang der 1990er Jahre erfolgreich kommerzialisiert und entfremdet, wie der einleitend zitierte Sänger Euronymous feststellte. Dass er unter umstrittenen Umständen verstarb, steigerte den kommerziellen Ausverkauf und den Kult-Status der norwegischen Black Metal-Band ‚Mayhem‘ nur noch.

Auch die aus drei Figuren bestehende Gipsplastik wurde durch Melgaards Übermalungen aus ihrem ursprünglichen Kontext gelöst. Die beiden, die mittlere Figur flankierenden Männer, wirken durch ihre Haltung und Attribute wie tatkräftige Handwerker oder Seemänner. Doch durch die vom Künstler

hinzugefügten schwarzen Augenringe und tattooartigen Spuren auf den Armen kippt die Stimmung. Die entschlossene Körperhaltung erscheint nun bedrohlich. Im Gegensatz zu diesen beiden, nur halb aus dem Sockel ragenden Assistenzfiguren, steht die zentrale Figur aufrecht und stützt ihre linke Hand auf einen langen Stab. Ihr Körper ist bis auf die Hände und das Gesicht vollständig von einem sakral anmutenden Gewand verhüllt und kann letztlich durch die Verfremdungen Melgaards – das schwarze Gesicht und der Totenkopf auf der Brust – nicht mehr eindeutig identifiziert werden. Ist es eine weibliche Heiligenfigur oder doch ein zwiespältiger Wächter oder Fährmann, wie durch den Stab angedeutet wird? Die Aufschrift ‚Just want to be the cause of my own death‘ auf dem Rücken der Figur legt den Verdacht nahe, dass es sich um einen gefallenen Engel oder eine satanische Sirene handelt.

Melgaard ist, wie bereits der als eine Hommage an ‚Mayhem‘ zu lesende Titel des Werks zeigt, eng mit der Black Metal-Szene verbunden. Auch sein Beitrag auf der documenta 12 war eine Hommage an einen Musiker: Roger Baptist alias Rummelsnuff. Er gilt als eine Ikone der deutschen Elektropunk- und Industrial- Szene, dessen beeindruckende Muskelmassen das Zentrum der in Kassel ausgestellten Malereien und Fotografien bildete.

Melgaards malerisches Werk umfasst Arbeiten von hoher künstlerisch-technischer Virtuosität neben an Art Brute erinnernde Kinderzeichnungen. Doch das Bindeglied aller Arbeiten und Medien des Künstlers – Skulptur, Fotografie, Zeichnung, Digitale Kunst, Installation, Environment und zahlreiche Cover für ihm nahestehende Bands – sind die psychischen und leiblichen Abgründe des Menschen, mit denen er den Betrachter in der Regel konfrontiert.

Ob Graffiti, satanistische Symbolik, Splatterfilm oder Clubhouse-Ästhetik: Angesichts von fiktiven Ritualmorden und dem Verbrennen der Exponate scheint vor allem der scheinbar diabolisch motivierte Tabubruch Programm zu sein. In diesem Sinne müssen Melgaards Ausstellungen daher stets auch als Performance gelesen werden. Die zur Vernissage oder im Ausstellungsbegleitprogramm auftretenden Bands sind ein integraler Bestandteil seines Konzeptes.

‚Dead died – but never surrender‘ scheint die an Punk erinnernde Botschaft der Performances und Werke Melgaards trotz bzw. angesichts der von Marcuse als repressive Entsublimierung beschriebenen

Kommerzialisierungstendenzen zu sein.

Originalveröffentlichung in:Rattus norvegicus : Sammlung Dahlmann [Katalog zur Ausstellung 18.6. - 13.8.2006 Leopold-Hoesch-Museum Düren], herausgegeben vom Leopold-Hoesch-Museum. Düren 2009, S. 40-41 (hier Text des Katalogbeitrags ohne Abbildungen)

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2 BJARNE MELGAARD

*1967 in Sydney, Australien

1989-90 Kunstakademie, Warschau 1990-91 Statens Kunstakademi, Oslo

1991-92 Jan van Eyck Academie, Maastricht

1992-93 Rijksacademie van Beeldende Kunsten, Amsterdam

AUSSTELLUNGEN (AUSWAHL)

2009 Twilight Zone - Art Hits Design, Kunstraum Niederösterreich, Wien Loss of Control, MARTa, Herford

2008 Chickenhawk, Galerie Krinzinger, Wien

A Kidwhore in Manhattan - A Novel, Galerie Guido W. Baudach, Berlin Euro-Centric - Part 1, Rubell Family Collection, Miami

Oh My God!, Kunstlaboratorium, Vestfossen

2007 Aggression of Beauty II, Galerie Arndt & Partner, Berlin

Mommy`s Boy & Daddy`s Girl, Patricia Low Contemporary, Gstaad You Always Move in Reverse, Leo Koenig, New York

Daydreams and Nightmares, Stenersen Museum, Oslo 2006 Minipigs in Space, Galerie Krinzinger, Wien

Die Jugend von heute, Schirn Kunsthalle, Frankfurt

Goethe abwärts - deutsche Jungs, Mönchehaus-Museum, Goslar rattus norvegicus, Leopold-Hoesch-Museum, Düren

Antisocial, Frac Auvergne, Clermont Ferrand

2005 With us against reality, or against us!, Galleri S.E., Bergen Hallo Maybe, Haugar Museum of Art, Oslo

Cut Off - Collage als Dekonstruktion, Malkasten, Düsseldorf Life is a Lonely Buffalo, Niels Borch Jensen Gallery, Berlin Not a Painting Show, Stella Lohaus Gallery, Antwerpen 2004 Secrets of the 90s, Museum voor Moderne Kunst, Arnheim

Norwegian Art of the Last Decade, Zacheta National Gallery of Art, Warschau Central Station - Harald Falckenberg collection, Maison Rouge, Paris

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3 Playlist, Palais de Tokyo, Paris

2003 The End of the Professional Teenager, Pollock Fine Art, London Phantom der Lust, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz Tattoo, Galerie Roger Pailhas, Marseille

The Painting never dries..., Astrup Fearnley Museum of Modern Art, Oslo 2002 Black Low, MARTA, Herford

Interface to God, Kunsthalle, Kiel

Hommage an Rudolf Schwazkogler, Galerie Krinzinger, Wien Nothing Special, Galerie Faurschou, Kopenhagen

2001 New Heimat, Kunstverein Frankfurt

Bjarne Melgaard, Galerie Krinzinger, Wien

2000 Civil disobedience - Sammlung Falckenberg, Kestner Gesellschaft, Hannover

The myth of a young washing machine, Museum of Contemporary Art Galleri Riis, Oslo Rückblick und Ausblick, Kunstmuseum, Bonn

Organising Freedom - Nordic art in the 90s, Charlottenborg udstillingsbygning, Kopenhagen

LITERATUR (AUSWAHL)

2008 Afterall, A Journal of Art, Context and Enquiry (17/2008), London 2005 Hallo Maybe - Bjarne Melgaard, Haugar Vestfold Kunstmuseum 2002 Interface to God, Kunsthalle, Kiel

1997 Free from content, Stedelik Museum, Amsterdam

Der Text ist Teil des rattus norvergicus genannten Ausstellungskataloges (S. 40 - 41), herausgegeben vom Leopold-Hoesch-Museum, Düren 2009, ISBN 978-3-925955-01-3.

Referenzen

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