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Archiv "To be or not to be... Weltärztebund: Neue Satzung, Wiedereintritt der Amerikaner" (14.12.1978)

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Mit fast mathematischer Exaktheit zeigte das Thermometer täglich 33 Grad, aber das supermoderne Kongreß-Centrum von Manila — zur gefährlichen Konkurrenz alt- eingeführter Kongreßplätze in Ost- asien und am Pazifik geworden — war moderat klimatisiert. Doch die Delegierten des Weltärztebundes, der seine 32. Generalversammlung vom 14. bis 17. November 1978 in der philippinischen Hauptstadt ab- hielt, erhitzten sich über der Fra- ge: Wird die Stadt mit dem schön- sten tropischen Sonnenuntergang auch Ort des Unterganges des Weltärztebundes sein? Oder wird sich die Mehrheit finden, die die Satzung so ändert, daß ein Überle- ben möglich, ein Neubeginn ange- kündigt werden kann?

Es war ja allmählich eine gespen- stische Situation entstanden. Da wird in aller Welt über das Ob und Wie klinischer Prüfungen von Arz- neimitteln gerungen, und es ist all- überall geradezu selbstverständ- lich, daß die „Deklaration von Hel- sinki" des Weltärztebundes unbe- strittene Grundlage aller Erörte- rungen ist. Oder: Da beraten UNO, WHO und der Verband Internatio- naler Medizinisch-Wissenschaftli- cher Organisationen CIOMS über das Problem, wie Ärzte sich ge- genüber unmenschlichen Prakti- ken in der Politik verhalten sollen;

und es ist völlig selbstverständlich, daß die „Deklaration von Tokio"

des Weltärztebundes Diskussions- grundlage ist, möglicherweise auch in eine UNO-Richtlinie ein- münden wird. Doch dieser so ver- dienstvolle Weltärztebund selbst — er ist seit Jahren in einer organisa- torischen und finanziellen Krise und kann sich keinen hauptamtli- chen Generalsekretär mehr lei- sten, gleicht seine Bilanzen nur dadurch aus, daß die Ärzteorgani- sationen, bei denen die General- versammlungen stattfinden, die

ganzen Kosten tragen (und daß der Deutsche Ärzte-Verlag das De- fizit des „World Medical Journal"

verkraftet).

Mitgliederschwund der letzten Jahre

Anlaß für die Krise: Aus mancher- lei, nicht zuletzt internen Gründen hatte die American Medical Asso- ciation die Vereinigung der Ärzte der Welt verlassen. Andere waren gefolgt, so die Kanadier, die Schweizer. Ostblockärzte waren ohnehin nicht vertreten — die Tat- sache, daß es dort keine rein ärztli- chen Organisationen gibt, die Mit- glieder werden könnten, sondern nur Gesundheitsgewerkschaften mit einer alle Berufsgruppen des Gesundheitswesens umfassenden Mitgliedschaft, verhinderten dies.

Japan, Großbritannien, Frank- reich, Deutschland, Brasilien — dies waren in der letzten Zeit die

„Großen" im Weltärztebund. Und ein paar Persönlichkeiten, die ihn zusammenhielten: Dr. Andrö Wy- nen (Belgien), der nebenamtlich und kostenlos in das Amt des Ge- neralsekretärs einsprang, als Not am Mann war; Prof. Sewering (und als seine satzungsgemäß mögli- che Höchstamtszeit abgelaufen war, Dr. Bourmer), der als Schatz- meister das bitter wenige Geld zu- sammenhielt.

Die Japaner, die Brasilianer, die Skandinavier — und Dr. Wynen, sie ergriffen die Initiativen, die aus der Klemme hinausführen sollten.

Nach 30 Jahren paßte der alte An- zug nicht mehr: In drei regionalen Arbeitsgruppen suchte man neue Formen, konkret: eine neue Sat- zung. Und Dr. Wynen reiste mehr- mals um die halbe Welt, um her- auszubekommen, wie man die Amerikaner und die anderen Aus- geschiedenen wieder hineinbe- kommen könnte. Das Ergebnis

Beim Beginn der Generalversammlung:

Noch waren die amerikanischen Ärzte

„nur" als Beobachter da ...

war ein Satzungsentwurf mit meh- reren Varianten. Eine davon war für die Amerikaner akzeptabel; ein paar Elemente allerdings paßten einigen Mitgliedern nicht so recht, vor allem den Skandinaviern. In Manila nun war die neue Satzung zu verabschieden und zu entschei- den, ob der „amerikanischen"

oder der „skandinavischen" Ver- sion der Vorzug zu geben sei. To be or not to be

UNO-Prinzip

oder repräsentative Vertretung?

Kernpunkt der Auseinanderset- zung war die Frage, wie jedes Mit- gliedsland denn in der Generalver- sammlung und im Vorstand vertre- ten sein sollte: nach UNO-Prinzip oder repräsentativ? Bisher gab es für kleinere Mitgliedsverbände zwei, für mittlere drei und für gro- ße vier Stimmen, also eine Rege- lung, die nahe am UNO-Prinzip liegt: ein Land — eine Stimme, gleichgültig, ob 20 000 oder 200 Millionen Einwohner. Die AMA war

— wohl mit Recht! — der Meinung, daß dieses Prinzip sich schon in der UNO nicht bewährt, obwohl es dort wenigstens noch einen Aus- gleich durch das Vetorecht der Großmächte im Sicherheitsrat gibt. Sie wünschte eine repräsen- tative Vertretung: Der Satzungs- entwurf sieht deshalb vor, daß für jeweils 5000 Mitglieder (ein- schließlich „angefangener" 5000) einer Ärzteorganisation ein Dele- gierter in die Generalversammlung

To be or not to be

Weltärztebund: Neue Satzung, Wiedereintritt der Amerikaner

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entsandt werden kann. Den „Gro- ßen" war es recht. Aber einige

„Kleine" fochten vehement dage- gen, allen voran die Skandinavier und die Holländer. Vergebens wurde versucht, ihnen klarzuma- chen, daß auch „angefangene 5000" eine Stimme bringen, so die 14 Mitglieder des Ärzteverbandes von Lesotho oder von Liechten- stein, daß beispielsweise fünf skandinavische Mitgliedsverbände so viele Stimmen haben wie das

„große" Japan allein. Da das „Ein- Land-eine-Stimme"-System ohne- hin nicht mehr durchsetzbar er- schien, machten sie einen Gegen- vorschlag mit der Grundzahl von 25 000 für zwei Grunddelegierte — dann hätten die Skandinavier neun, die Japaner nur vier Stim- men bekommen — und die Ameri- kaner statt 34 nur sieben.

Drohungen ...

Problematisch war bei dieser Dis- kussion die Tatsache, daß die Mit- gliedsverbände aus den skandina- vischen Ländern sowie die Hollän- der bereits vorsorglich ihre Aus- trittserklärungen zum Jahresende beim Generalsekretär deponiert hatten — und ebenso vorsorglich lag der (Wieder-)Aufnahmeantrag der American Medical Association vor. So kam es, daß die Delegier- ten mit der Entscheidung zwi-

schen dem Vorstandsvorschlag und dem skandinavischen Abän- derungsantrag zur Satzung gleichzeitig eine Wahl zwischen Amerika und Skandinavien zu tref- fen hatten, auch wenn beinahe je- der Sprecher es vermied, dieses Dilemma anzuführen. Nur Prof.

Sewering, in diesem Augenblick schlichter Delegierter ohne Amt, sprach es unverblümt aus: Ohne die Amerikaner können wir unsere Arbeit nicht weiterführen. Und die- jenigen, die des öfteren mit der American Medical Association zu tun haben, berichteten aus Erfah- rung: In den USA gibt es große und kleine Landesverbände — von New York bis Rhode Island; aber noch nie hätte man davon gehört, daß Rhode Island von New York majorisiert und „untergebuttert"

worden wäre: Man dürfe auf ame- rikanisches Gespür für Fairplay vertrauen!

Zweidrittelmehrheit für die Satzungsänderung Um das Ergebnis vorwegzuneh- men: Die Mehrheit der Delegierten lehnte es ab, über die skandinavi- schen Änderungsvorschläge zum Vorstandsvorschlag überhaupt abzustimmen. Eine Satzung sei ohnehin etwas, das dauernd geän- dert werden müsse; alle Ände- rungsvorschläge sollen dem Vor-

stand als Material für die Zukunft dienen. In der Diskussion war es zunächst durchaus zweifelhaft, ob die erforderliche Zweidrittelmehr- heit zustande kommen würde, was die skandinavischen Delegationen dazu veranlaßte, geheime Abstim- mung zu beantragen. Dies erwies sich dann als eine Fehlspekula- tion: Mit 61 gegen 22 Stimmen bei 3 Enthaltungen wurde der Vor- standsvorschlag angenommen;

einige Delegierte bekannten hin- terher, daß die geheime Wahl ih- nen die Zustimmung eigentlich er- möglicht habe. Die Zweidrittel- mehrheit hätte mindestens 58 be- tragen müssen; die Gefahr hatte darin gelegen, daß zu viele Stimmenthaltung geübt hätten.

„Automatische" Vorstandssitze Aus dem umfangreichen Ände- rungspaket, das die neu formulier- te Satzung enthält, seien noch zwei wesentliche Punkte genannt:

Zum einen soll — vom nächsten Jahr ab — die Generalversammlung normalerweise nur noch alle zwei Jahre stattfinden; dazwischen können Regionalkonferenzen ab- gehalten werden, und die Regio- nen können auch auf eigene Ko- sten Regionalsekretariate einrich- ten (die Regionen sind Afrika, Asien, Europa, Lateinamerika, Nordamerika und Pazifik).

Bilder von der Eröffnungsveranstaltung: Dr. Alberto Z. Romualdez, Präsident des Weltärztebundes, begrüßte die Delegierten in vier Sprachen (links); als Staatspräsident Marcos sprach, wurde das philippinische Staatswappen ans Rednerpult gehängt (Mitte); Dr. Walpole Lewin (rechts) und Dr. Horst Bourmer geleiteten Frau Imelda Romualdez Marcos in den Plenarsaal des supermodernen Kongreßzentrums an der Bucht von Manila

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Mitglieder der deutschen Delegation (v. I. n. r.): Dr. Micka, Prof. Kreienberg, Dr. Fiedler, Dr. Muschallik, Dr. Vilmar, Prof.

Sewering, Dr. Brauer; rechtes Bild: Bei einer Abstimmung interessiert sich Dr. Muschallik dafür, wie die hinter den Deutschen sitzenden Delegationen votieren — in der nächsten Reihe saßen Holländer und Skandinavier

Zum anderen wurden die Zusam- mensetzung und der Wahlmodus für den Vorstand („Council") völlig neu geordnet: Jede Region ent- sendet auf 50 000 Ärzte in den Mit- gliedsverbänden ein Vorstands- mitglied, wobei die Organisatio- nen derjenigen Länder, die allein 50 000 oder mehr Ärzte haben, au- tomatisch einen Vorstandssitz pro 50 000 Mitglieder bekommen. Das bedeutet, daß zum Beispiel ein Deutscher, ein Japaner und — nach ihrem Beitritt — vier Amerikaner automatisch im Vorstand sind. Ge- wählt wird von den Regionen, und gewählt wird nicht eine Person, sondern ein Land; dessen Mit- gliedsverband benennt dann in ei- gener Verantwortung die Person, die den Vorstandssitz einnimmt.

Der neue Vorstand

Die Vorstandswahlen fanden dann auch nach der neuen Satzung am letzten Tage statt — und fielen aus, denn die Regionen hatten sich be- reits zuvor ausnahmslos in einer Weise geeinigt, daß keine Wahl mehr erforderlich war. Hier die neue Vorstandsliste — zuerst das Land, dann die vom betroffenen Land genannte Person:

Afrika:

Liberia — Dr. Joseph N. Togba Asien:

Indien — Dr. Daya S. Mehra

Europa:

Deutschland — Prof. Dr. Hans Joachim Sewering

Belgien — Dr. Joseph Farber Großbritannien — Dr. Walpole Lewin

Irland — Dr. Noel Reilly Lateinamerika:

Brasilien — Dr. A. Moniz de Aragäo Pazifik:

Japan — Dr. Taro Takemi Australien — Dr. Lionel Wilson Die American Medical Association wird, wenn ihr Beitritt am Jahres- anfang 1979 wirksam geworden und der Beitrag gezahlt sein wird, weitere vier Vorstandsmitglieder benennen.

Ohne Stimmrecht kommen dazu der Präsident des Weltärztebun- des vom letzten Jahr, Dr. Peter Fa- relly (Irland), der gegenwärtige Präsident, Dr. Alberto Z. Romual- dez (Philippinen), und der Presi- dent Elect für das nächste Jahr, Dr. Rosendo Castellanos (Vene- zuela). Die nächste Generalver- sammlung soll in der Nähe der ve- nezolanischen Hauptstadt Cara- cas stattfinden.

Schatzmeister

wieder Prof. Sewering

Der Vorstand traf sich am Tag nach der Generalversammlung und nahm seine internen Wahlen vor. Vorstandsvorsitzender wurde wieder Dr. Walpole Lewin, zum Vi- zevorsitzenden wurde Dr. Takemi aus Japan bestimmt, und Prof. Se- wering übernahm das Amt des Schatzmeisters. Die Vorstandssit- zungen sind übrigens nach der neuen Satzung „offen": Jeder Mit- gliedsverband kann Beobachter benennen, die den Vorstandssit- zungen beiwohnen.

Öffnung nach Osten

Übrigens enthält die Satzung noch einige Feinheiten, die von großer Bedeutung sein können. Zum ei- nen gab es bisher immer große Schwierigkeiten, wenn vor allem Entwicklungsländer Probleme mit der Zahlung ihres Beitrages hat- ten. Der Vorstand konnte dann Beiträge erlassen und darüber be- stimmen, daß dieser Beitragserlaß dann auch Auswirkungen auf den Umfang des Stimmrechtes hatte.

Diese Verantwortung ist nun dem Vorstand abgenommen und den Mitgliedsverbänden zugeschoben worden. Denn sie werden in der Generalversammlung gerade so viele Stimmen bekommen, wie sie Mitgliedsbeiträge bezahlen. Im üb- rigen hat der Vorstand die Mög-

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lichkeit, auch Sonderregelungen für den Beitritt von besonderen Mitgliederkategorien zu treffen.

Diese etwas kryptische Formulie- rung eröffnet die Möglichkeit, auch Verbände zuzulassen, denen zu Hause nicht nur Ärzte angehö- ren, wobei dann unterstellt wird, daß sie nur für die in ihnen organi- sieden Ärzte beitreten und spre- chen. Damit ist eine Öffnung gege- ben, in die auch Organisationen aus dem Ostblock zum Weltärzte- bund stoßen können — und gerade dies war eines der wesentlichen Anliegen der skandinavischen

Länder.

In mehreren Entschließungen und in zahlreichen Diskussionsbeiträ- gen wurde den Skandinaviern na- hegelegt, ihre „Rücktrittsdro- hung" nicht wahrzumachen. Da- bei spielte es besonders eine Rol- le, daß das sehr wichtige ethische Komitee, aus dem gerade die be- deutsamen Deklarationen des Weltärztebundes gekommen wa- ren, in den letzten Jahren unter der überaus aktiven Leitung eines Skandinaviers, des Dänen Dr. Dau- gaard, stand. Es besteht zumin- dest die Hoffnung, daß ein eventu- eller Austritt der Skandinavier nur vorübergehend sein wird.

Umfangreiche Vorhaben zur ärztlichen Ethik

Der Zufall wollte es, daß einer der ersten Ausschußberichterstatter,

der nach der Satzungsabstim- mung zu Worte kam, ein Skandi- navier war, eben der Däne Dr. Dau- gaard. Sein Bericht stellte das zu- künftige Arbeitsprogramm des Ausschusses für ärztliche Ethik dar: Der Weltärztebund wird die

„Deklaration von Helsinki" über die biomedizinische Forschung am Menschen, zuletzt 1975 in To- kio revidiert, demnächst erneut an die neu auftauchenden Fragen und Probleme anpassen müssen.

So muß über Versuche mit Kin- dern gesprochen werden, die vor allem bei der Prüfung von Impf- stoffen erforderlich sind; es taucht die Frage auf, wie „Ethik-Kommis- sionen", die über die ethische Zu- lässigkeit von Versuchen wachen, zusammengesetzt sein sollen — dürfen ihnen nur Ärzte angehören, oder soll man auch medizinische Laien hineinholen? Kann man die Publikation wissenschaftlicher Ar- beiten, deren Ergebnisse unter Verstoß gegen ethische Grundsät- ze zustande gekommen sind, all- überall wirksam verhindern? Wie ist die Forschung auf dem Gebiet der Heilung von Unfallverletzun- gen zu gestalten? Muß nicht eine Haftung der Gesellschaft — also:

der Staaten — da eintreten, wo Schäden durch Experimente ent- stehen, die im Interesse der Ge- meinschaft vorgenommen wer- den? Daugaard meinte, daß dank der Arbeiten des Weltärztebundes Teilnehmer an einem wissen- schaftlich-biomedizinischen Ex-

periment heute weitaus größere Sicherheit hätten, als wenn sie im Auto zur Klinik fahren. Ganz neue Aufgaben habe der Weltärztebund im Hinblick auf die genetische Forschung; gewünscht wird auch

— von finnischen Ärzten angeregt—

eine Deklaration über die Sport- medizin, ebenso eine Deklaration über die Sterbehilfe. Der Ethik- Ausschuß müsse seine Arbeit er- heblich intensivieren, forderte Daugaard — „sonst machen andere unsere Ethik".

Unterstützung für Maltas Ärzte Ein ganzer Vormittag galt der Dis- kussion von Entschließungsanträ- gen, wobei am ausführlichsten über die Situation auf der Insel Malta gesprochen wurde. Dort hat vor mehr als einem Jahr eine links- sozialistische Regierung den Ärz- ten jegliche freie Berufstätigkeit unterbunden, sie hat versucht, den Widerstand durch den Einsatz von ausländischen Ärzten zu brechen, und sie versucht, das Hochschul- wesen in einer Weise zu reorgani- sieren, wie sie von den Chinesen nach Mao schon wieder verlassen worden ist (was zum Rücktritt von Prof. Ralf Dahrendorf als Erzie- hungsberater der maltesischen Regierung geführt hat). Mehrmals hat eine Vorstandsdelegation des Weltärztebundes versucht, in Mal- ta zwischen Regierung und Ärzte- schaft einen Kompromiß herbeizu- führen — bisher war dies vergeb-

Dr. Vilmar und Prof. Sewering als Diskussionsredner während der Debatte um die Neufassung der Satzung

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lich. In mehreren Fällen konnten Mitgliedsverbände des Weltärzte- bundes bei ihren eigenen Regie- rungen erreichen, daß Anwerbe- versuche der maltesischen Regie- rung für „Streikbrecher" in ihrem jeweiligen Land vergeblich waren.

In einer Entschließung versichert der Weltärztebund den maltesi- schen Ärzten seine volle Unter- stützung, verurteilt prinzipiell den Einsatz ausländischer Ärzte im Zu- sammenhang mit inneren Dispu- ten in einem Land und fordert alle Mitgliedsverbände auf, bei ihren Regierungen auf die Hilfe zu ei- nem ehrenhaften Abschluß der Auseinandersetzung in Malta zu drängen (das DEUTSCHE ÄRZTE- BLATT hofft, in absehbarer Zeit ei- nen authentischen Bericht über das maltesische Problem veröf- fentlichen zu können).

Von großer praktischer Bedeutung ist ein Beschluß über die Umstel- lung der Maßsysteme auf die neu- en SI-Einheiten. Er bezieht sich al- lerdings speziell auf den Blut- druck: Die Gefahr großer interna- tionaler Konfusion besteht, so heißt es in dem Beschluß, ganz allgemein — nicht zuletzt deswe- gen, weil die USA bisher nicht mit- machen, speziell aber deswegen, weil die Europäische Gemein- schaft den Übergang von mm/Hg auf Pascal verordnet habe. Des- halb äußert der Weltärztebund die Meinung, daß die Umstellung den Patienten keinerlei Vorteile bringe.

Wenn aber eine Änderung nicht zu vermeiden sein sollte, dann müß- ten für eine Übergangszeit die Blutdruckmeßgeräte mit Doppel- skalen ausgerüstet werden, und die Übergangszeit, die auf jeden Fall gewährt werden müsse, solle nicht kürzer sein als die Ausbildungszeit eines Arztes, also sechs Jahre.

Politischer Mißbrauch

Mit einer einstimmig angenomme- nen Entschließung stellte sich der Weltärztebund hinter den Welt- psychiaterverband und dessen

„Erklärung von Hawaii". Die Ent- schließung lautet kurz und knapp wörtlich: _Die 32. Generalver-

Dr. Enrico Huertas dankt den Delegier- ten für die Aufnahme der Vereinigung der kubanischen Ärzte im Exil in den Weltärztebund — damit sind seit der Ber- liner Generalversammlung im Jahre 1960 erstmalig wieder Kubaner im Welt- ärztebund vertreten

sammlung verurteilt die Anwen- dung psychiatrischer Methoden als Mittel der Kontrolle politisch Andersdenkender" — der engli- sche Text: „The 32nd World Medi- cal Assembly condemns the use of psychiatry as means of controlling political dissidents". Nicht ganz unwichtig einige Bemerkungen aus der Diskussion: Ganz bewußt heißt es nicht „abuse", Mißbrauch der Psychiatrie, sondern „use", al- so Anwendung psychiatrischer Methoden; aber: in Fällen, wo ihre Anwendung nicht medizinisch in- diziert, sondern als Unterdrük- kungsmittel erfolgt. Und: Das Wort

„psychiatry" umfaßt auch verhal- tens-„therapeutische", im Miß- brauch also verhaltens-modifizie- rende Methoden. In der Diskus- sion wurde betont, daß diese Ent- schließung nicht einseitig gegen die Sowjetunion gerichtet sei, son- dern gegen jeden derartigen Miß- brauch, gleichgültig, unter wel- chem politischen Regime er erfol- ge. Eine sowjetische Delegation unter Leitung der Vorsitzenden der Gesundheitsgewerkschaft der UdSSR, Dr. Lydia Nowak, war al- lerdings am Abend zuvor in Manila eingetroffen . . .

Noch einmal äußerte sich der Weltärztebund zu möglichen Im- plikationen von Ärzten in der Poli- tik: In einer Entschließung stellte er fest, daß auch politisch Verfolg- te Anspruch auf ärztliche Behand- lung haben und daß deshalb jede Beeinträchtigung oder gar Bestra-

fung von Ärzten abzulehnen und zu verurteilen ist, die politisch Ver- folgte oder den Opfern von Verfol- gungs-, Untersuchungs- oder Strafmaßnahmen ärztliche Hilfe angedeihen lassen.

Neues Mitglied

Noch ein Beschluß, allerdings nur mit knapper Mehrheit gefaßt: Auf- genommen wurde in den Weltärz- tebund die Vereinigung kubani- scher Ärzte im Exil, die in Florida beheimatet ist.

Philippinische Probleme

Wie üblich, so wurde auch diese 32. Generalversammlung mit einer zeremoniellen Sitzung eröffnet, in der der bisherige dem neuen Prä- sidenten sein Amt feierlich über- gab. Und wie üblich, wohnte die- ser Zeremonie auch die Promi- nenz bei — diesmal Staatspräsident Marcos und seine Gattin Imelda Romualdez Marcos. Der mittlere Name der „First Lady" ist kein Zu- fall — sie ist Cousine des Präsiden- ten des Weltärztebundes Dr. Al- berto Z. Romualdez, und weder sie noch der Präsident bemühten sich, solche verwandtschaftliche Beziehung etwa zu verbergen.

Und da Frau Romualdez Marcos nicht nur Präsidentengattin ist, sondern auch Gouverneur von Groß-Manila und Minister für Wohnungsbau (Human Settle- ment), gab es zwei Prominenten- reden. Die First Lady zuerst: Sie berichtete, wie der philippinische Staat sich bemühe, allmählich ein System von sich vervollkommnen- den und spezialisierenden Kran- kenpflegeeinrichtungen aufzu- bauen — begonnen habe man in der Spezialisierung mit einem Herzzentrum; ein vorbildliches Sy- stem der Kinderkrankenpflege soll folgen, dann spezialisierte Einrich- tungen für Lungen-, Blut-, Nieren- krankheiten, Neurologie und Trau- matologie. Damit war offenbar auch die Bedeutung der verschie- denen Krankheitsbilder in diesem Lande gekennzeichnet. An der Spitze aber steht das Problem der Versorgung der ländlichen Bevöl-

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WEIHNACIATLACH Cpri) PRESSIONEN:

D

All ALS

kerung: Frau Marcos berichtete, daß die Universität der Philippinen außerhalb der Hauptstadt ein Insti- tut eingerichtet hat, in dem ein Drei-Jahres-Kurs zum Grad des

„Bachelor of Science" in ländli- cher Medizin führt. Diese BSc's dürfen eine begrenzte ärztliche Tätigkeit in der Behandlung der häufigsten Krankheiten ausführen, die in den ländlichen Gebieten vorkommen — sie sind also so et- was wie akademische Barfußärzte.

Über dieses Programm wurde üb- rigens später in der wissenschaft- lichen Sitzung der Generalver- sammlung ausführlich gespro- chen.

Präsident Marcos nahm den Fa- den auf: Hauptproblem des Ge- sundheitswesens in einem Ent- wicklungsland sei die Personalfra- ge in den ländlichen Gebieten, und es sei grotesk, daß Länder wie die Philippinen große Zahlen von Ärzten und Pflegekräften ausbil- den, die dann in hochentwickelten Industrieländern arbeiten (ein Vor- wurf, der Amerikaner wie Deut- sche gleichermaßen zusammen- zucken ließ). Und in der Tat: Wäh- rend wir von der „Ärzteschwem- me" reden, sagt der Staatspräsi- dent eines Entwicklungslandes wörtlich: „Wenn wir das Problem des Gesundheitspersonals in den ländlichen Gebieten erwähnen, dann berühren wir den entschei- denden Punkt bei all den Proble-

Dr. Brauer, Leiter des Auslandsdienstes der Bundesärztekammer, nahm die In- teressen der Liechtensteinischen Ärz- tegesellschaft wahr, die der deutschen Delegation ihr Stimmrecht übertragen hatte Alle Fotos: Walter Neusch men der gesundheitlichen Versor- gung: den furchtbaren Mangel an Ärzten und Pflegekräften in der Dritten Welt . ". Allerdings: Mar- cos bekannte auch, daß es einer ganz allgemeinen wirtschaftlichen und technischen Entwicklung der Landgebiete als Voraussetzung dafür bedürfe, daß dort das Ge- sundheitswesen auch personell aufgebaut werden kann, und daß ein solches Gesundheitswesen Geld kostet, darüber ist er sich

ebenfalls klar. Die Länder der Drit- ten Welt aber seien im Begriff zu lernen, daß man nicht mit kurativer Medizin anfangen kann, sondern zuerst die Sozial- und Umweltbe- dingungen für ein gesunderes Le- ben schaffen muß: „Gesundheit hat als Voraussetzung Frieden und Stabilität, ein Volk, das an die Zu- kunft glaubt, eine Regierung, die regieren kann".

Man hört vielerlei Widersprüchli- ches von den Philippinen. Manila ist eine lebhafte, relativ reiche, in- zwischen recht sicher gewordene Großstadt; im Süden des Archipels gibt es bewaffnete Auseinander- setzungen mit einer mohammeda- nischen Minderheit. War es ein Zu- fall, daß gerade in einem Augen- blick, in dem nicht nur der Welt- ärztebund in Manila tagte, son- dern auch noch einige andere in- ternationale Veranstaltungen und Kongresse teils zu Ende gingen, teils begannen, die Zeitungen voll waren von Berichten über die schonungslose Aufdeckung von Korruptionsfällen und die Verhaf- tung von korrumpierten Staatsan- gestellten?

Von all diesem ganz abgesehen:

Die strahlende Freundlichkeit und Fröhlichkeit der Philippinos — vom Referenten ganz speziell und per- sönlich auch in einem Universi- tätsseminar erlebt — relativiert die Vorurteile . . Walter Burkart

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