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Archiv "Nichtraucherschutzgesetz: Auf dem Weg durch die Instanzen" (09.05.1997)

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Die größte öffentliche und politi- sche Aufmerksamkeit findet aber das zahlenmäßig kleinere Problem der Drogenabhängigkeit, mit großem Ab- stand gefolgt vom Alkoholproblem.

Die Problematik des Tabakrauchens findet in Deutschland kaum politische und öffentliche Aufmerksamkeit. Die- se verhält sich also umgekehrt propor- tional zur Gefährdung. Es sterben zum Beispiel in den USA jährlich durch Ta- bak 400 000 Menschen, durch Alkohol 100 000, durch Drogen 20 000.

Für die Bundesrepublik liegen be- zeichnenderweise derart bestimmte Zahlen nicht vor. Gezählt werden nur sehr sorgfältig die Drogentoten (für 1996 sind zirka 1 500 zu erwarten), nicht aber die anderen. Hinzu kommen die Schädigungen anderer Menschen.

Bei alkoholbedingten Verkehrsunfäl- len verlieren in Deutschland jährlich zirka 5 000 Menschen das Leben, unter ihnen zahlreiche nicht alkoholisierte Verkehrsteilnehmer. Durch Tabak, nämlich durch Passivrauchen, entste- hen bei Nicht-Konsumenten wahr- scheinlich noch größere Schäden.

Gesellschaftliche Aspekte

Zwar ist das Zigarettenrauchen wissenschaftlich sehr gut erforscht, et- wa so wie der Alkoholismus, aber in Deutschland ist das Forschungsinter- esse außerordentlich gering. In einer deutschen Zeitschrift für Suchtpro- bleme zählten wir im Laufe von fünf Jahren unter 190 Originalbeiträgen nur zwei Arbeiten über die Tabakpro- blematik.

Entsprechendes gilt für das Me- dieninteresse: Von Drogen ist ständig die Rede, von Alkohol weit weniger, von Tabak am wenigsten. Dement- sprechend richtet sich die öffentliche Kritik am meisten gegen Drogen, am wenigsten gegen Tabakrauchen. Das gilt auch für die politischen Aktivitä- ten. Am 26. August 1996 kündigte der amerikanische Präsident Clinton wei- tere einschneidende Maßnahmen ge- gen das Rauchen insbesondere von Jugendlichen an, zum Beispiel Ver- kaufsverbote. Am gleichen Tage mel- deten in Deutschland die Medien, wie sich der Bundesfinanzminister über Steuerausfälle infolge Zigaretten- schmuggels beklagt.

In den USA verklagten 22 Bun- desstaaten zugleich einen Zigaretten- produzenten wegen der (bis dahin im- mer noch von der Zigarettenindustrie geleugneten) Gesundheitsschäden, die der öffentlichen Hand zur Last fielen.

Es kam zu einem Vergleich mit dem Unternehmen (Ligeet), das sich ver- pflichtete, einen wesentlichenTeil des Gewinns erkrankten Rauchern und den Anti-Smoking-Kampagnen zu- kommen zu lassen. Vizepräsident Gore sieht hierin einen historischen Sieg für das amerikanische Volk. Eine solche Äußerung eines hochrangigen Politi- kers ist hierzulande kaum vorstellbar.

Als in den USA kürzlich die Ab- sprachen der vier größten Zigaretten- produzenten, ihre Werbung auf die noch nicht rauchenden Jugendli- chen zu konzentrieren, bekannt wurde, kam es zu großer öffentlicher Empö- rung. In Deutschland läuft eine ent- sprechende Werbung ab – ohne daß kritische Äußerungen laut werden.

Seit Jahren klagten hier die Ziga- rettenproduzenten gegen die Bundes- republik wegen der Warnhinweise auf Zigarettenpackungen, sie klagten bis zum Bundesverfassungsgericht. Von diesem mußte sie sich kürzlich beleh- ren lassen: „Das Rauchen tötet mehr Menschen als Verkehrsunfälle, AIDS,

Alkohol, illegale Drogen, Mord und Selbstmorde zusammen. Zigaretten- rauchen ist in den Industrieländern die häufigste und wissenschaftlich am deutlichsten belegte Einzelursache für den Krebstod.“ Dieses Urteil fand in den Medien wenig Beachtung (vergleiche dazu aber DÄ, Heft 10, 1997, Seite eins: Am Totenkopf vor- beigeschrammt), geschweige denn Konsequenzen in der Politik.

Vielmehr wurde Ende 1996 eine Initiative von Bundestagsabgeordne- ten aus allen Fraktionen mit dem Ziel, das Rauchen, auch das Passiv-Rau- chen, einzuschränken, mit zum Teil aggressiven Formulierungen diffa- miert. Das Schicksal des Gesetzent- wurfes ist ungewiß (vergleiche Kasten auf dieser Seite).Das alles wirkt para- dox und ist es auch.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1997; 94: A-1263–1267 [Heft 19]

Anschrift des Verfassers Prof. Dr. med. Rainer Tölle Klinik für Psychiatrie der

Westfälischen Wilhelms-Universität Albert-Schweitzer-Straße 11 48149 Münster

A-1267 Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 19, 9. Mai 1997 (43)

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE

Nichtraucherschutzgesetz

Auf dem Weg durch die Instanzen

Am 13. November 1996 wurde ein interfraktioneller Entwurf mit 136 Stimmen für ein „Nichtraucherschutzgesetz“ in den Bundestag eingebracht.

Danach ist das Rauchen in öffentlichen Räumen und an Arbeitsplätzen einschließlich der öffentlichen Verkehrsmittel verboten (siehe auch DÄ, Heft 40, 1996, Seite eins: Zweiter Versuch). Im Anschluß an die erste Lesung am 20. Februar 1997 beschäftigen sich neun Ausschüsse mit dem Entwurf.

Als erster meldete sich der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu Wort: Er lehnte den Entwurf ab. Die Begründung sei nach Aussage verschiedener Ausschußmitglieder wohl eher allgemeiner Natur und kaum auf agrarwirtschaftlichen Grundlagen „gewachsen“. Insgesamt spiele die Entscheidung des Agrarausschusses bei dieser Gesetzesvorlage ohnehin eine eher untergeordnete Rolle.

Wesentlich stärker fällt hingegen die Stellungnahme des Gesundheits- ausschusses ins Gewicht, der zur Zeit aber noch keinen Termin für die Be- ratung zu diesem Thema festgelegt hat. Erst wenn von diesem Gremium ei- ne Stellungnahme erfolgt ist, kann sich die zweite und dritte Lesung im Bun- destag anschließen. Eine Entscheidung ist zwar theoretisch noch vor der Sommerpause möglich, wird aber wahrscheinlich nicht vor Ende des Jahres

zu erwarten sein. MS

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