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A1608 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 23½½½½7. Juni 2002
Naturwissenschaften
Erstaunliche Dimension
Hans Melderis: Der biologische Urknall. Hamburg, 1999, 289 Seiten, gebunden, 21,50A; Hans Melderis: Raum-Zeit-Mythos. Ri- chard Wagner und die moder- nen Naturwissenschaften, Ham- burg, 2001, 229 Seiten, gebunden, 21,50A; Hans Melderis: Geheim- nis der Gene. Die Geschichte ih- rer Entschlüsselung, alle Europäi- sche Verlagsanstalt/Rotbuch Ver- lag, Hamburg, 2001, 193 Seiten, ge- bunden, 19,50 A
Die drei Bücher eines nieder- gelassenen Arztes beschrei- ben voneinander zunächst unabhängige Themen, deren Zusammenhang aber sofort nach Kenntnis der inhaltli- chen Übersicht wahrzuneh- men ist. Es wird ein Bogen ge-
spannt zwischen Entstehung der Welt und den daraus re- sultierenden physikalischen Grundgegebenheiten über die erste Entwicklung organi- scher Strukturen bis hin zur aktuellen Genetik.
Dabei wird allerdings nicht nur berichtet und gedanklich verknüpft, auch eigene Kon- zepte werden vorgestellt. Es wird darüber spekuliert, auf welchen Wegen Leben ent- standen sein könnte und was es speziell auszeichnet. Dabei wird darauf hingewiesen, dass ein wesentliches Merkmal biologischer Vorgänge darin besteht, Bewegungsvorgänge
„gegen physikalische Wider- stände“ zu vollziehen – also, Energie zu speichern und zu einem individuell vorteilhaf- ten Zeitpunkt zum eigenen Nutzen freizusetzen. Hinter- gründe zu Funktion und Er-
forschung der dazu notwendi- gen Gene werden in einem ei- genen Band abgehandelt und runden die Darstellung ab.
Ein besonderer Höhe- punkt ist eine bisher so nicht vollzogene Kombination von Gedankengängen astrophysi- kalischer Forschung mit gei- steswissenschaftlich-musika- lischem Schaffen. Am Werk Richard Wagners wird ge- zeigt, dass sich interessante Verbindungen aufzeigen las- sen, welche zu einem ganz- heitlichen Weltbild beizutra- gen in der Lage sind. So wer- den nicht nur Freunde der Naturwissenschaft, sondern auch der Musik auf neue Wei- se angesprochen.
Alle drei Bücher zeugen von einem über Jahrzehnte aufgebauten natur- und gei- steswissenschaftlichen Fundus erstaunlicher Dimension.
„Vivant sequentes!“ möch- te man sagen – vielleicht wird der Bogen der drei Publika- tionen geschlossen durch ei- nen weiteren Beitrag zu „Na- turwissenschaft, Geisteswis- senschaft und Epistemologie des Bewusstseins“ als der letztlich höchsten Stufe phy- sikalischer und biologischer Entwicklung im Universum.
Im Sinne des Autors ist zu sagen: Vier Bücher zeugen von mehr Symmetrie als drei, insoweit entspricht die Forderung nach einem sol- chen weiteren Baustein ei- nem „grundsätzlich-natur- wissenschaftlichen“ Gedan-
ken. Gerd Hörster
Schach
Nur der Papst irrt nie
Helmut Pfleger: Schachpuzzle- Buch – Amüsante Aufgaben – überraschende Lösungen aus der ZEIT. PraxisSchach, Band 50, Edition Olms, Zürich, 2002, 128 Seiten, kartoniert, 15 A
Der schachinteressierte Leser wird den neuen „Pfleger“
genießen. „Der bekannteste
Schach spielende Mediziner der Welt“ (Schach Magazin 64, Heft 8/2002) legt eine chro- nologisch geordnete Auswahl seiner Beiträge aus der ZEIT von 1997 bis 2001 vor. Der Buchtitel wird dem Inhalt nicht ganz gerecht, unter- schlägt er doch die mit viel Wortwitz erzählten Textbei- träge. Der Internationale Großmeister spricht breite Leserschichten an; er deckt mit seinen Beiträgen nahezu den gesamten Literaturbe- reich ab. Beispiele gefällig?
„Ein Killer geht Frankfurt-
West“ für den Krimifreund;
„Züchtige Bettspiele auf Is- land“ für die auf leichtere Kost eingestellte Damenwelt; „Karl Marx haut alle in die Pfanne“
für den politisch Interes- sierten; „Gebratene Tauben in Monaco“ für den Gourmet;
„Nur der Papst irrt nie“ und
„Unsterblich“ für den Theo- logiestudenten. Dies sind sechs Titel aus 100 Beiträgen aus der Feder des Medien- profis, die höchsten Unter- haltungswert besitzen, nicht nur, aber selbstverständlich
„Schachliches“ vermitteln, vor allem aber glänzend erzählt sind – Schmunzelgeschichten zum Schmökern, gewürzt mit sehr viel Wissen aus der na- tionalen und internationalen Schachszene, die erkennen lassen, dass hier ein Insider aus dem Nähkästchen plaudert.
Die in sich abgeschlosse- nen Beiträge sind übersicht- lich auf jeweils einer Seite an- geordnet, kombiniert mit ei- ner zum Kontext passenden Schachaufgabe, die das Kom- binationsvermögen des Le- sers herausfordert. Die aus- führlich kommentierten, viel- fach überraschenden Lösun- gen der Aufgaben können am Ende des Buches nachge- schlagen werden. Titel und Ti- telbildgestaltung sind Ge- schmackssache, die inhaltli- che Aufbereitung der Beiträ- ge (Schriftbild, Gestaltung, Notationen) ist – wie bei Olms üblich – hervorragend und optimiert das Lesever- gnügen. Helmut Werner
Religion
Hohe Aktualität
Eugen Drewermann: Krieg ist Krankheit – keine Lösung. Eine neue Basis für den Frieden. Im Gespräch mit Jürgen Hoeren,Ver- lag Herder, Freiburg u. a., 2002, 170 Seiten, gebunden, 19,90 A
Das neue Buch von Drewer- mann findet seine volle Be- stätigung im „Gipfeltreffen der Religionen“ auf Einla- dung von Papst Johannes Paul II. in Assisi. Die Teilneh- mer aller Religionen waren sich darin einig, dass Ver-
schiedenheit von Religionen niemals Vorwand für einen Krieg, gar für einen „Heiligen Krieg“ sein darf.
Zeitzeugen und historisch Interessierten ist der ver- hängnisvolle Spruch von Poli- tikern und Staatsmännern noch in Erinnerung: „Krieg ist die Fortsetzung von Poli- tik mit anderen Mitteln.“
Dieser Meinung widerspricht Drewermann mit aller Deut- lichkeit. Ihm zufolge ist der Krieg eine Wunde in der Seele der Menschen, deren Schmerz nach immer grausa- meren Taten ruft. Und kein
Krieg hat je die Wunde ge- schlossen.
Wir erfahren in 24 Kapi- teln unter anderem von
„Wurzeln von Krieg und Ter- ror“, „Pazifismus eine Uto- pie?“, „Islam eine versöhnen- de Religion?“, die „Berg- predigt ist lebbar“, „Weltfrie- den durch Weltreligionen?“,
„Gerechter Krieg und Hei- liger Krieg“ und von ei- ner neuen „Weltfriedensord- nung“ – alles Themen von ho- her Aktualität. Das Buch gehört in die Hände aller ver- antwortlichen Politiker und Erzieher.Hannes Sauter-Servaes