DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
B
undesarbeitsminister Dr.Norbert Blüm hat — was die Terminplanung be- trifft — Wort gehalten: Noch vor Weihnachten legte er den Entwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der kassenärzt- lichen (kassenzahnärztlichen) Bedarfsplanung" vor, den er den Kassen und der KBV zu- gesagt hatte: Nach dem Ent- wurf soll die Selbstverwal- tung von Kassenärzten und Krankenkassen ermächtigt werden, sowohl Kriterien zur Festsetzung einer bedarfsge- rechten „Arztdichte" als auch einer möglichst ausgewoge- nen Versorgungsstruktur auf- zustellen, um das unausgewo- gene Verhältnis zwischen all- gemeinärztlich (hausärztlich) und gebietsärztlich tätigen.
Ärzten wieder ins Lot zu brin- gen. Darüber hinaus soll die Selbstverwaltung Maßstäbe für ein erhebliches Über- und.
Unterschreiten dieses Versor- gungsgrades festsetzen.
Im wesentlichen geht es also darum, die bislang aus- schließlich auf den Unterver- sorgungstatbestand ausge- richtete Bedarfsplanung auch auf regionale oder gebietliche Überversorgung auszurich- ten. In der Tat steigen seit 1980 die Nettozugänge bei den Kassenärzten spürbar, was entsprechend der Alters- struktur weiter der Fall blei-
Jetzt im Wort
ben wird, da der Abgang älte- rer Ärzte abnimmt. So lagen die Nettozugänge 1980 bei 800, 1981 bei 1080 und 1984 bereits bei 2050 Kassenärz- ten. Der Gesetzentwurf, der sich auf die Festlegung eines gesetzlichen Rahmens für Maßnahmen der gemeinsa- men Selbstverwaltung und ei- ne Änderung der Zulassungs- ordnung beschränkt, richtet das stufenweise Vorgehen auf den Fall eines relativen Über- versorgung aus. Zugleich sol- len die nachrückenden Ärzte in das kassenärztliche Versor- gungssystem so weit wie möglich integriert werden.
Und um Mißverständnissen vorzubeugen, heißt es: Es könne nicht darum gehen,
„den jetzt tätigen Kassenärz- ten durch protektionistische Maßnahmen bestimmte Tä- tigkeitsfelder und Einkom- men abzusichern". Generelle wie bundesweite Zulassungs- sperren werden ebenso aus- geschlossen wie eine drasti- sche Einschränkung des Nie- derlassungsrechts. Die Maß- nahmen sollen sich an Ge- meinwohlprinzipien und an dem Grundsatz der Verhält-
nismäßigkeit orientieren. Die Niederlassungsberatung soll mit Hilfe von Anhaltszahlen effektiver werden. Um Härten zu vermeiden, soll es trotz möglicher Zulassungsbe- schränkungen Ausnahmen geben: Die Sperre soll nicht für Ärzte gelten, die mit ei- nem bereits niedergelassenen Kassenarzt eine Gemein- schaftspraxis betreiben wol- len. Außerdem sollen durch Tod, Verzicht oder Entzie- hung frei werdende Arztsitze neu besetzt werden können.
Darüber hinaus soll der frei- willige Verzicht auf die Kas- senarztzulassung mit Vollen- dung des 65. Lebensjahres aus KV-Mitteln finanziell ge- fördert werden dürfen.
So löblich der Vorstoß des Bundesarbeitsministeriums ist — Ausweichmöglichkeiten sollten vermieden werden, die das Vorhaben verwässern. Es bleibt dem Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen und den Landesausschüssen vorbehalten, das Rahmenge- setz durch Bedarfsplanungs- richtlinien (Kriterien und Maß- stäbe) auszufüllen. Die noch zu.
ergänzende Zulassungsord- nung muß widerspruchsfreire- geln, wie im Einzelfall vorzu- gehen ist und welche Frist und Ausnahmebedingungen fest- zusetzen sind. HC
F
olgender Satz findet sich in einer vom Statistischen Bundesamt, Wiesbaden, herausgegebenen Veröffent- lichung über „Frauen im öf- fentlichen Dienst": „Erhöhte Aktualität kommt im Zeichen einer schwierigen Arbeits- marktlage, von der neben an- deren Problemgruppen be- sonders Frauen betroffen sind, der Wahrung gleicher Zugangschancen bei Neuein- stellungen im öffentlichen Dienst zu."Nun weiß jedermann und be- sonders jeder Mann aus eige- ner Erfahrung, daß Frauen
Problemgruppen
Probleme sein können oder haben können. Es mag pro- blematisch sein, eine Frau zu haben. Noch problematischer kann es sein, zwei oder gar vier oder fünf zu haben, zum Beispiel: Töchter.
Und wenn ein Mann gar kei- ne Frau hat, kann das noch problematischer sein — sogar für Angehörige der Problem- gruppe selbst, soweit sie ein
Faible für Nuancen haben, kleine Unterschiede.
Aber da heißt es: „neben an- deren Problemgruppen". Da- mit wird statistisch nachweis- bar, daß die Mehrheit der Ge- sellschaft Problemgruppen angehört. Die Einteilung der Gesamtbevölkerung in „Pro- blemgruppen" kennzeichnet die Gesellschaft als Problem- gruppengesellschaft. Das weckt natürlich unser Pro- blembewußtsein. Soziolo- gisch. Aber das schafft auch Leidensdruck, unerhört und allgemein für jedermann und jede Frau. FM
Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 3 vom 15. Januar 1986 (1) 69