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Archiv "Gesundheitspolitik 1985 — ohne Wende?" (29.05.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

88. DEUTSCHER ÄRZTETAG

Z

weieinhalb Jahre sind vergan- gen seit der politischen

„Wende" in Bonn am 1. Okto- ber 1982, die in den Bundestags- wahlen vom 6. März 1983 ihre überzeugende Bestätigung durch die Wähler fand. Die Frage nach einer Wende in der Gesundheits- politik ist jedoch zur „Halbzeit"

der Legislaturperiode weder mit Ja noch mit Nein eindeutig zu be- antworten. Für eine sachgerechte Beurteilung dürfen andere Berei- che der Politik dabei nicht aus den Augen verloren werden, auch wenn die Ärzteschaft immer wie- der die Eigenständigkeit der Ge- sundheitspolitik betont.

Vor allem zur Sozialpolitik, aber auch zur Finanz- und Wirtschafts- politik und nicht zuletzt zur Bil- dungspolitik bestehen vielfältige Wechselbeziehungen. Die für ei- ne vernünftige Gesundheitspolitik

— aber auch für die Sozialpolitik notwendigen wirtschaftlichen Voraussetzungen ergeben sich dort. Ebenso werden die für Ge- sundheit und soziale Sicherheit der Bürger zur Verfügung stehen- den Ressourcen mehr oder weni- ger stark von Entscheidungen über andere Staatsaufgaben be- einflußt. Fehlentscheidungen in anderen Bereichen zeigen — oft erst mit großer Verzögerung — tiefgreifende Folgen auch in der Gesundheits- und Sozialpolitik.

An den Folgen etlicher wirt- schafts- und bildungspolitischer Weichenstellungen der sozial-li- beralen Koalition der letzten zehn bis fünfzehn Jahre ist dies inzwi- schen ebenso eindeutig wie ein- drucksvoll zu belegen. Manche dieser Entscheidungen werden noch über viele Jahre hinaus ver-

Karsten Vilmar

heerende Folgen bewirken. Diese Ursachen verhängnisvoller Ent- wicklungen sind leider von vielen immer noch nicht erkannt. Viel- leicht kann oder will auch mancher nicht einsehen, daß die damals ausgelösten Fehlentwicklungen dringend korrekturbedürftig sind und daß selbst dann noch längere Zeit verstreichen wird, bis solche Korrekturen wirken können.

Schon in der Regierungserklä- rung vom 13. Oktober 1982 wurde eine Politik der Erneuerung zur Überwindung der wirtschaftlichen und „geistig politischen Krise" an die erste Stelle gesetzt.

In der Regierungserklärung vom 4. Mai 1983 umriß Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl „die neue Zuver- sicht" mit sieben Leitgedanken und führte unter anderem aus:

„Wir führen den Staat auf den Kern seiner Aufgaben zurück, da- mit er sie zuverlässig erfüllt. An- sprüche können nicht stärker wachsen als Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Bürger. Wer Rechte hat, hat auch Pflichten."

Ebenso wurden aber auch die Grenzen der Möglichkeiten für die Politik durch die Feststellung auf- gezeigt:

„Die Ansprüche an den Sozial- staat können nicht stärker befrie- digt werden, als es die Leistung der Wirtschaft zuläßt."

In der Wirtschaftspolitik sind seit- dem zweifellos beachtliche Erfol- ge zu verzeichnen. Die Neuver- schuldung konnte von 36 Milliar- den D-Mark im Jahre 1982 auf 26 Milliarden D-Mark im Jahre 1984 reduziert werden. Die Zunahme der Verbraucherpreise sank in dieser Zeit von 5,3 Prozent auf 2,4 Prozent — ein Wert, der zuletzt 1969 erreicht wurde.

Dennoch müssen jetzt und weiter- hin noch täglich 70 Millionen D- Mark allein für die Schulden der sozial-liberalen Koalition bezahlt werden, jährlich also 25,5 Milliar- den D-Mark, was der Neuverschul- dung von 1984 entspricht.

Steigende Soziallastquote hemmt die Volkswirtschaft Aus der wirtschaftlichen Entwick- lung ergeben sich Rückwirkun- gen auf die für die Sozial- und Ge- sundheitspolitik verfügbaren Mit- tel und umgekehrt. Die internatio- nale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft hängt in ho- hem Maße vom Lohnniveau in der Bundesrepublik Deutschland und damit von den Lohnnebenkosten, also der Sozial-Lastquote ab. Die-

Gesundheitspolitik 1985 ohne Wende?

Dr. med. Karsten Vilmar

Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages Referat bei der Eröffnungsveranstaltung am 14. Mai

1670 (22) Heft 22 vom 29. Mai 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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se jedoch ist infolge der politi- schen Entscheidungen der 70er Jahre stark gestiegen. War die durchschnittliche Beitragsquote zur Sozialversicherung noch von Anfang der 60er Jahre innerhalb von zehn Jahren nur um 2,5 Pro- zent also von 24 Prozent auf 26,5 Prozent angewachsen, so wird sie Mitte 1985 bereits mehr als 35 Prozent der beitragspflichtigen Entgelte betragen. Die hohe So- ziai-Lastquote mindert die inter- nationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft und ist eine der Ursachen für die weiterhin ho- he Zahl der Arbeitslosen. Die noch immer bedrückende Massenar- beitslosigkeit führt ebenso wie die gestiegene Zahl der Rentner - auch der Frührentner - nicht nur zu vermehrten Auszahlungen der Renten- und Arbeitslosenversi- cherung an die betroffenen Per- sonenkreise, sondern außerdem zu Beitragsausfällen - und damit zu weiteren Belastungen der Bei- tragszah I er.

Zusammen mit der Sozial-Last- quote hat vor allem die Steuerbe- lastung der Einkommen, die durch die immer mehr Normalver- diener erfassende Steuerpro- gression überproportional an- steigt, die Belastung durch- schnittlicher Einkommen in der Bundesrepublik inzwischen auf über 50 Prozent anwachsen las- sen.

lnfolge der Überlastung wankt das Sozialsystem

Diese im vergangenen Jahrzehnt eingeleiteten Entwicklungen ha- ben nicht nur die Wettbewerbsfä- higkeit der Wirtschaft, sondern vor allem die individuelle Lei- stungsbereitschaft sowie die Steuer- und Abgabenmoral unter- miniert Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft dagegen ge- fördert. Allzu großzügige und hin- sichtlich der Folgen oft unüber- legte Erweiterungen des sozialen Netzes haben so in Wirklichkeit nicht nur Entsolidarisierung be- wirkt, sondern die Fundamente

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

der sozialen Sicherung angegrif- fen und die Systeme durch Über- lastung ins Wanken gebracht.

Das Ausmaß der zu bewältigen- den Probleme wird von der Ärzte- schaft nicht verkannt. Es darf je- doch nicht lediglich weiter an Symptomen herumkuriert wer- den, politische Entscheidungen müssen endlich an den Ursachen der Fehlentwicklungen ansetzen.

Das erfordert Sachverstand, die Berücksichtigung menschlicher Verhaltensweisen, ebenso wie die Berücksichtigung der in der Re- gierungserklärung vom Bundes- kanzler verkündeten Absichten und natürlich derdurch Recht und Verfassung unseres Staates vor- gegebenen Normen.

Wie vorausgesagt: GOÄ dringend überholungsbedürftig Manche noch von der sozial-libe- ralen Koalition vorbereiteten und nach nur geringfügigen Verände- rungen von der neuen Koalition verabschiedeten Gesetze und Verordnungen genügen aller- dings diesen Kriterien ebensowe- nig wie eine Reihe späterer Hand- lungen und Absichtserklärungen, zum Beispiel die im Haushalts- begleitgesetz vom 20. Dezember· 1982 ei.;geführte Ausgrenzung bestimmter Arzneimittel durch ei- ne Negativ-Liste und die Zuzah- lung von 2 DM für jedes verordne- te Arzneimittel. Sie können eben- sowenig wirken, wie die mit dem Ziel der Verkürzung der Verweil- dauer eingeführte Zuzahlung von 5 DM pro Tag -ausgerechnet für die ersten 14 Tage eines Kranken- hausaufenthaltes. Wenn die sei- nerzeit zum Ausgleich des Bun"

deshaushaltes dringend erforder- liche Beschaffung zusätzlicher Fi- nanzmittel aus den Taschen der Mitglieder der gesetzlichen Kran- kenversicherung vielleicht noch einigermaßen erfolgreich war, so lassen diese Bestimmungen den- noch langfristig jede vernünftige Steuerungsfunktion vermissen;

im Gegenteil -es werden Anreize gesetzt, die in die falsche Rich-

Ärztetag: Vilmar

Schleswig-Holsteiner bei der Ärztetags- eröffnung: Kammerpräsidentin Dr. In- geborg Retzlaff, Ministerpräsident Dr.

Dr. Uwe Barsche! und Dr. Rudolf Gahr- mann, Ehrenpräsident dieses 88. Ärzte- tages Fotos: Bohnert-Neusch (26), Argus/Eisermann (4)

tung wirken. Zunehmende Nach- frage nach teureren Arzneimitteln - möglichst in Großpackungen - muß zum Beispiel die Ausgaben für Arzneimittel in die Höhe trei- ben -was beweisbar ist.

Für die amtliche Gebührenord- nung für Ärzte (GOÄ) vom 20. No- vember 1982 gilt ähnliches. So wurden trotz erheblicher Einwän- de der Ärzteschaft beschlossen:

~ die weitgehende Beseitigung der Vertragsfreiheit beim Ab- schluß von Honorarvereinbarun- gen,

~ die Nivellierung des Gebüh- renrahmens für die ärztliche Ver- gütung, besonders in Verbindung mit der nur als willkürlich zu be- zeichnenden Zuordnung ärzt- licher Leistungen in den soge- nannten "kleinen Gebührenrah- men",

~ das Übermaß an Bürokratie bei der Erstellung der Arztliquidation, Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 22 vom 29. Mai 1985 (23) 1671

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~ die Einführung von besonde- ren Begründungsschwellen,

~ die Übernahme des einheit- lichen Bewertungsmaßstabes für kassenärztliche Leistungen und von Abrechnungsbestimmungen aus Vertragsgebührenordnungen in die amtliche Gebührenord- nung.

Krasse Unterbewertungen ärzt- licher Leistungen und vollständi- ges Fehlen vieler Leistungsposi- tionen in ärztlichen Spezialgebie- ten haben zu den von der Ärzte- schaft schon in der Beratungspha- se vorausgesagten Folgen ge- führt. Sie erfordern dringend eine gründliche Überarbeitung. Auch die beiden Verordnungen zur Än- derung der amtlichen Gebühren- ordnung vom Dezember 1983 und Dezember 1984 konnten nicht die Überzeugung festigen, daß gesi- cherte, langfristige Konzeptionen zu diesen Entscheidungen ge- führt hätten -eher hat sich die Re- gierung dadurch nur selbst in . Zugzwang und Zeitnot gebracht.

Nachdem das Bundesverfas- sungsgericht in seinem Beschluß vom 12. Dezember 1984 die Zu- ständigkeit des Bundesgesetzge- bers bejaht hat, eine Bundesge- bührenordnung zu erlassen, ist zu wünschen, daß der Bundesmini- ster für Arbeit und Sozialordnung in seinem bis Jahresende 1985 vorzulegenden Bericht über die Auswirkungen der neuen Gebüh- renordnung für Ärzte die Gele- genheit nutzt, endlich auf diesem Sektor eine Wende in der Gesund- heitspolitiksichtbar zu machen.

Der Bundesrat

hat Wendeversuche erschwert Auch der Bundesrat hat eine Wen- de in der Gesundheitspolitik bis- lang nicht erkennbar machen kön- nen, eher sogar Wendeversuche erschwert. Die Bemühungen des Bundesarbeitsministers zur Neu- ordnung der Krankenhausfinan- zierung und zur Verbesserung von Leistungsfähigkeit und Wirt-

schaftlichkeit in diesem - auch wegen des Kostenvolumens von über 30 Milliarden D-Mark wichti- gen Bereich unseres Gesund- heitswesens haben ein anschau- liches Beispiel dafür geliefert, daß sogar bei gleichgerichteten politi- schen Mehrheiten in Bund und Ländern höchst unterschiedliche Interessen die Entscheidungen nachhaltig beeinflussen können- oftmals so stark, daß für manchen Außenstehenden kaum noch klar zu erkennen ist, wo eigentlich die Grenzen zwischen den die Regie- rungskoalition tragenden Parteien und denen der Opposition auf Bundesebene verlaufen. Unbe- stritten ist der Föderalismus ein Grundprinzip unserer staatlichen Ordnung. Er ist notwendig, um so- wohl der Vielfalt und Individualität in den einzelnen Bundesländern als auch dem Gefühl der Zusam- mengehörigkeit gerecht zu wer- den. Da nach dem Ausgang der Wahlen in Berlin, aber auch im Saarland und in Nordrhein-West- falen, die politischen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat un-

1672 (24) Heft 22 vom 29. Mai 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

rat unverändert für die "Koalition der Wende" sprechen, darf Föde- ralismus nicht zur Obstruktion der Politik der Wende führen. Gleiche politische Mehrheiten müssen bei Wahrung des Föderalismus Ent- scheidungen erleichtern.

Sachgerechte Lösungen, die alle Bürger der Bundesrepublik Deutschland in gleicher Weise be- treffen, dürfen nicht am Kompe- tenzgerangel zwischen Bund und Ländern scheitern. Der Schaden daraus träfe nicht nur den einzel- nen Bürger, leiden könnten vor al- lem Glaubwürdigkeit und Würde der handelnden Personen und In- stitutionen und damit sowohl Fö-

·deralismus wie Demokratie!

Das Krankenhauswesen ist - bei zu erhaltender vielfältig unter- schiedlicher Trägerschaft in den einzelnen Bundesländern - nicht nur wegen des Ausgabenblocks von einem Drittel der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversi- cherung von erheblichem Einfluß auf die Kostenentwicklung im Ge-

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sundheitswesen. Für die übrigen Leistungsträger ist es daher eben- sowenig verständlich wie zumut- bar, wenn ein Kostenfaktor dieser Größe nicht in die Beratungen und Empfehlungen der Konzer- tierten Aktion im Gesundheitswe- sen einbezogen werden könnte.

Für die Ärzteschaft ging und geht es bei der Neuregelung der Kran- kenhausfinanzierung außerdem um eine wirksame zufriedenstel- lende Mitwirkungsmöglichkeit ärztlichen Sachverstandes bei Entscheidungen über Bettenbe- darf und Investitionen. Eine klare Bestimmung über diese ärztliche Mitwirkung fehlt im Gesetz zur Neuordnung der Krankenhausfi- nanzierung (KHNG). Es sieht zwar vor, daß die Landesbehörden mit den an der Krankenhausversor- gung im Lande Beteiligten eng zusammenarbeiten sollen; bei der Krankenhausplanung und der Aufstellung der Investitionspro- gramme sind sogar einvernehm- liche Regelungen mit den unmit- telbar Beteiligten anzustreben. Keine Regelung trifft jedoch das

Gesetz darüber, wer zu den "un- mittelbar Beteiligten" zu zählen ist, mit denen bei Krankenhaus- planung und Investitionspro- grammen Einvernehmen anzu- streben ist. Auch an dieser Stelle sei daher an die Bundesländer ap- pelliert, im Landesrecht - soweit dies nicht schon geschehen ist - eine Mitwirkung ärztlicher Selbst- verwaltungskörperschaften zu si- chern.

Unumgänglich: Mitwirkung ärztlichen Sachverstands Bei der anstehenden Novaliierung der Bundespflegesatzverordnung ist die Mitwirkung ärztlichen Sachverstandes ebenfalls vorzu- sehen. Die Entscheidungen kön- nen keinesfalls den administrati- ven Vertretungen von Kranken- kassen und Krankenhäusern al- lein überlassen werden. Die Fol- gen von Entscheidungen ohne hinreichende Berücksichtigung ärztlicher Aspekte müßten zwangsläufig die Kranken und

Ärztetag: Vilmar

Hilfsbedürftigen tragen. Außer- dem müßte sich der für die Be- handlung verantwortliche Arzt für Folgen administrativer Fehlent- scheidungen gegebenenfalls sogar vor Gericht- verantworten.

Auf entschiedene Ablehnung stößt bei der Ärzteschaft daher die vorgesehene Entkopplung der so- genannten "Arztkette". Darüber hinaus bedarf aus ärztlicher Sicht die Definition belegärztlicher Lei- stungen unbedingt einer Ände- rung, um das Krankenhaus auch im Rahmen einer belegärztlichen Behandlung zu verpflichten, ei- nen ärztlichen Bereitschaftsdienst als Bestandteil der Krankenhaus- Leistungen vorzuhalten.

Positiv zu sehen:

Pflegesatz-Gliederung

Eine sachliche Beurteilung von Leistungsfähigkeit und Wirt- schaftlichkeit der verschiedenen Bereiche unseres Gesundheits- wesens kann durch die vorgese- hene Gliederung der Pflegesätze in Kosten für

~ Unterkunft und Verpflegung,

~ Pflege,

~ ärztliche Leistungen,

~ sonstige medizinische Versor- gung

erleichtert werden. Transparenz ist für weitere politische Entschei- dungen in diesem Bereich unver- zichtbar.

Transparenz ist auch Vorausset- zung für eine sinnvolle weitere Ar- beit der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen. Seit Beste- hen hat dieses Gremium den im Paragraphen 405 a der Reichsver- sicherungsordnung (RVO) formu- lierten Auftrag des Gesetzgebers, medizinische und wirtschaftliche Orientierungsdaten zu entwik- keln, nur zur zweiten Hälfte erfüllt.

Den von der Konzertierten Aktion verabschiedeten Empfehlungen liegen fast nur ökonomische Orientierungsdaten zugrunde, wie Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 22 vom 29. Mai 1985 (25) 1673

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ärztetag: Vilmar

die für die künftige Entwicklung erwarteten Daten aus dem Jahres- wirtschaftsbericht der Bundesre- gierung, insbesondere zur Ent- wicklung der Grundlohnsumme oder des Bruttosozialproduktes.

Sie sind jedoch für eine sachge- rechte Orientierung ungeeignet.

Eine Wende in der Gesundheits- politik ist damit nicht zu bewirken.

Diese ökonomischen Daten las- sen weder Rückschlüsse auf Ursa- chen für Kostenentwicklungen im Gesundheitswesen zu, noch kön- nen damit medizinische Notwen- digkeiten für eine dem heutigen Stand der medizinisch-wissen- schaftlichen und -technischen Möglichkeiten entsprechende Versorgung der Kranken erkannt oder beurteilt werden. Ebenso un- geeignet ist die Ideologie einer starr einnahmeorientierten Aus- gabenpolitik.

Bei Sitzungen der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen hat die Ärzteschaft deshalb schon seit langem auf eine Analyse der wirk-

lichen Ursachen der Kostenent- wicklung und die Berücksichti- gung medizinischerOrientierungs- daten gedrängt. Die Auswirkun- gen des medizinisch-wissen- schaftlichen Fortschritts, die Ver- änderungen im Morbiditäts- und Mortalitätsspektrum, die Folgen auch von Gesetzgebung und Rechtsprechung mit Erweiterung des Leistungskataloges der ge- setzlichen Krankenversicherung und des dort versicherten Perso- nenkreises sowie die Entwicklung einer Defensivmedizin wurden ausführlich dargestellt und durch zahlreiche Beispiele begründet.

Medizinische Orientierungsdaten werden auch weiterhin in Zusam- menarbeit zwischen der Bundes- ärztekammer mit ihrem Wissen- schaftlichen Beirat und der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung mit dem Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung ent- wickelt. Sie dürfen allerdings nicht nur mehr oder weniger freundlich zur Kenntnis genom- men, sondern müssen dem Willen des Gesetzgebers entsprechend

mit zur Grundlage der anstehen- den Entscheidungen gemacht werden. Das könnte ein die Lei- stungserbringer im Gesundheits- wesen ebenso wie die Patienten und nicht zuletzt auch die Bei- tragszahler überzeugender Teil einer Wende sein!

Multimorbidität im Alter verursacht höhere Kosten

Die Folgen demographischer Ver- schiebungen mit relativer Überal- terung der Bevölkerung bei gleichzeitigem Geburtenrück- gang müssen endlich erkannt und dürfen weder der Ärzteschaft noch dem Gesundheitswesen zur Last gelegt werden. Allein in den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der über 65jährigen verdoppelt.

Gerade bei ihnen werden aber wegen der Multimorbidität im Al- ter mehr Leistungen nötig als z. B.

bei 20- oder 30jährigen. Das spie- gelt sich natürlich auch in der Ko- stenentwicklung bei den verschie- denen Versichertengruppen.

Verleihung der Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft an drei Ärzte, die sich durch vorbildliche ärztliche Haltung, durch besondere Verdienste um den ärzt- lichen Berufsstand bzw. durch außerordentliche wissenschaftliche Verdienste her- vorgetan haben (v. 1.): Prof. Dr. med. Dr. h. c. mult. Wilhelm Doerr, Prof. Dr. med. Ot- to Lippross, Dr. med. Kaspar Roos (ausführlich bereits in Heft 21/1985 gewürdigt)

1674 (26) Heft 22 vom 29. Mai 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

So lagen 1983 die Leistungsaus- gaben für Rentner um 36 Prozent über dem Betrag von 1979. Bei den übrigen Versicherten war da- gegen nur eine Steigerung um 12 Prozent zu verzeichnen. Der Rent- ner „kostete" noch 1978 nur 38 Prozent mehr als der Aktiv-Versi- cherte, heute dagegen 65 Prozent mehr — mit der Folge, daß die Bei- tragszahler die Kosten der Kran- kenversicherung für Rentner zu 54 Prozent mitfinanzieren. In an- deren Relationen: Allein in den Monaten Januar bis September 1984 standen Durchschnittsbeiträ- gen in Höhe von 263 DM je Berufs- tätigem Leistungsausgaben von nur 206 DM gegenüber, bei den Rentnern dagegen betrug die Bei- tragsleistung monatlich 140 DM gegenüber Leistungsausgaben von 311 DM. Insgesamt finanzie- ren also die aktiven Mitglieder der gesetzlichen Krankenversi- cherung mit mehr als 20 Milliar- den DM jährlich die Krankenversi- cherung der Rentner mit. Der von den Rentnern aufzubringende

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Krankenversicherungsbeitrag je- doch fließt nicht der Krankenver- sicherung, sondern der Renten- versicherung zu deren finanzieller Entlastung zu, während gleichzei- tig die stark ansteigende Zahl der Rentner und der infolge der höhe- ren Alterserwartung wachsende Behandlungsumfang die Kranken- kassenbaiträge in die Höhe treibt.

Neben der rein zahlenmäßigen Zunahme der Rentner muß be- rücksichtigt werden, daß sich - nicht zuletzt dank der ärztlichen Leistungen - das durchschnitt- liche Sterbealter von Beziehern einer Versichertenrente von 71 Jahren im Jahre 1970 auf knapp 73V2 Jahre im Jahre 1984 erhöht hat. Vor allem bei Frauen zeigt sich dieser beachtliche Trend. Bei ihnen hat sich die Lebenserwar- tung von 1970 bis heute um drei Jahre auf jetzt 74V2 Jahre erhöht, bei Männern dagegen im gleichen Zeitraum nur um eineinhalb Jahre auf heute 72 Jahre.

Selbstverständlich will wirklich niemand wegen dieser Entwick- lungen, die ja auch Erfolge der Medizin sind, die Rentner aus der gesetzlichen Krankenversiche- rung "aushebeln" und ihnen etwa die Solidarität aufkündigen.

Plädoyer für leistungs- orientierte Ausgabenpolitik Andererseits dürfen aber die fi- nanziellen Folgen solcher Ent- wicklungen nicht allein auf die Leistungsträger im Gesundheits- wesen oder die berufstätigen Bei- tragszahler abgewälzt werden.

Sie müssen vielmehr über ent- sprechende Zuschüsse aus Steu- ermitteln an die Krankenkassen von der Gesamtheit der Steuer- zahler getragen werden.

Die Leistungsträger im Gesund- heitswesen haben auf Einladung von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereini- gung auch darüber eingehend be- raten und am 8. März 1985 in einer Erklärung betont, daß sie sich zu

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

einem sparsamen Umgang mit den Mitteln der Beitragszahler be- kennen, es aber angesichts ihrer vielen eigenen Beiträge zur Ko- stendämpfung leid sind, ständig als KostentraiLer diffamiert zu werden oder sich für medizinisch- wissenschaftliche Fortschritte und verbesserte Versorgung der Patienten geradezu rechtfertigen zu müssen.

Die Leistungsträger haben sich für eine vernünftige leistungs- orientierte Ausgabenpolitik aus- gesprochen und zur Anpassung an veränderte Erfordernisse als erste Schritte vorgeschlagen:

~ Straffung des Leistungsumfan- ges der gesetzlichen Krankenver- sicherung;

~ Entlastung der Solidargemein- schaft der Versicherten von allen versicherungsfremden Leistun- gen, die nicht der Absicherung des Krankheitsrisikos dienen;

~ Beendigung des Aderlasses der Krankenversicherung zugun- sten der notleidenden Rentenver- sicherung.

Ärztetag: Vilmar

Allein die Entlastung der Kranken- versicherung von versicherungs- fremden Leistungen könnte schon heute zu einer Beitragssen- kung um rund drei Prozentpunkte führen. Der Krankenkassenbei- trag würde dann statt 12 Prozent nur noch 9 Prozent der Bemes- sungsgrundlage, in der Regel also des Bruttoverdienstes, betragen.

Die Leistungsträger im Gesund- heitswesen haben auch auf ihren günstigen beschäftigungspoliti- schen und investitionsfördernden Einfluß weit über das eigentliche Gesundheitswesen hinaus auf- merksam gemacht, der maßgeb- lich zum wirtschaftlichen Erfolg iri der Bundesrepublik Deutschland beigetragen hat. So sind zur Zeit mehr als zwei Millionen Men- schen im Gesundheitswesen be- schäftigt. ln Krankenhäusern, Arztpraxen, Apotheken und phar- mazeutischen Betrieben wurden in den letzten Jahren mehr neue Arbeitsplätze geschaffen, als zum Beispiel in der Bauwirtschaft ver- lorengegangen sind. Dazu kom- men Arbeitsplätze in den mittel- bar beteiligten Wirtschaftszwei- gen. Eine Kostendämpfungspoli- Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 22 vom 29. Mai 1985 (27) 1675

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Ärztetag: Vilmar

tik mit Scheuklappen würde auf die Dauer viele dieser Arbeitsplät- ze gefährden. Ein „Abschwung"

im Gesundheitswesen steht also in krassem Widerspruch zu dem von der „Wende-Koalition" ver- kündeten Aufschwung!

Diese kaum auf den ersten Blick durchschaubaren Zusammenhän- ge dürfte auch die Vorsitzende des Arbeitskreises Sozialpolitik der SPD-Bundestagsfraktion, Frau Anke Fuchs, bei ihrer undifferen- zierten Forderung nach einem

Beitragsstopp übersehen haben.

Denn ein Beitragsstopp in der ge- setzlichen Krankenversicherung müßte wegen der vielfältigen Ver- bindungen des Gesundheitswe- sens über den Bereich der phar- mazeutischen und medizinisch- technischen Industrie hinaus — zum Beispiel auch zur Zulieferin- dustrie für Krankenhaus- und Pra- xisbedarf bis zur Energiewirt- schaft — entweder zu einer der Ko- stenentwicklung in allen anderen Bereichen entsprechenden Lei- stungsminderung im Gesund- heitswesen führen oder einen Lohn- und Preisstopp in der ge- samten Wirtschaft unseres Lan- des einleiten. Damit wäre jedoch die im Grundgesetz verankerte Tarifautonomie ebenso aufgeho- ben wie die Vertragsfreiheit. Die unserem freiheitlichen Rechts- staat entsprechende soziale Marktwirtschaft wäre durch eine staatliche Planwirtschaft nach öst- lichem Muster abgelöst. Sollte dies inzwischen wirklich Ziel der Sozialdemokratischen Opposition geworden sein?

Auch ein Einfrieren der Beitrags- sätze und eine dauerhafte Festle- gung der Relationen zwischen den verschiedenen Ausgaben- blöcken der gesetzlichen Kran- kenversicherung sind zum Schei- tern verurteilt. Ein Einfrieren des Fortschrittes in Wissenschaft und Technik und eine Stabilität der Relationen zwischen Rentnern und Beitragszahlern müßte die Folge sein. Derartiges jedoch ist unvorstellbar und wäre nur über eine jeder Humanität widerspre-

chende Lebenszeitbegrenzung zu verwirklichen. So weit sind wir aber doch nicht, daß wir die Dis- kussion um eine gesetzliche Re- gelung aktiver Sterbehilfe, also die Erlaubnis zur Tötung von Men- schen, auch in diesem Zusam- menhang sehen müßten!

Nur vorsorglich sei hier — aller- dings mit allem Nachdruck — nochmals betont: Die Ärzteschaft ist in keinem Abschnitt mensch- lichen Lebens zur Tötung bereit, auch dann nicht, wenn man die- sen Vorgang in einer „schönen neuen Welt" als „Sozialtötung"

bezeichnen wollte!

Kostendämpfung nicht auf Kosten der Humanität!

Politische Reglementierungen ohne Berücksichtigung maßgeb- licher äußerer Einflußfaktoren und ohne Rücksicht auf ethische Grundprinzipien ärztlichen Han- delns müssen und werden auf ent- schiedenen Widerstand der Ärzte- schaft stoßen. Sie gefährden eine wirksame Behandlung der Patien- ten und vor allem älterer Mitbür- ger. Vor Versuchen dieser Art muß ebenso dringend gewarnt wer- den, wie vor Überlegungen, bei äl- teren Menschen einen volkswirt- schaftlichen „Grenzwertnutzen"

ins Gespräch zu bringen, wie dies kürzlich von einem Krankenkas- senvertreter geschah.

Die Ärzteschaft ist nicht bereit,

„Wiederherstellungskosten" ei- nes Menschen gegen die „Renta- bilität" der Restlebenserwartung abzuwägen, dann vielleicht die Diagnose „Totalschaden" zu stel- len und den Patienten seinem Schicksal zu überlassen. Die Ehr- furcht vor dem Leben erfordert die Anerkennung des Rechtes auch älterer Menschen auf Leben

— und damit auf lebenserhaltende ärztliche Hilfe.

Selbstverständlich beeinflussen medizinisch-wissenschaftliche und -technische Fortschritte die Kostenentwicklung im Gesund-

heitswesen, noch mehr jedoch die Qualität der ärztlichen Versor- gung der Patienten. Gerade auf diesem Deutschen Ärztetag sind die Behandlung der Themen „Ex- trakorporale Befruchtung" und

„Embryotransfer" dafür ein- drucksvolle Beispiele, die darüber hinaus in einem bislang rechts- freien Raum eine klare Stellung- nahme der Ärzteschaft zur Wah- rung der Menschenwürde auch ungeborenen Lebens erfordern.

Aber auch weniger Spektakuläres hat Diagnostik und Therapie bes- ser und sicherer gemacht: zum Beispiel neue bildgebende Ver- fahren, erweiterte Möglichkeiten der Endoskopie, der Gelenk- und Gefäßendoprothetik, ebenso wie durch mikrochirurgische Technik vergrößerte Möglichkeiten zum Beispiel der Organtransplantation und der Replantation, extrakor- porale Nierensteinzertrümme- rung sowie hochwirksame Arznei- mittel. Vielen Menschen, die noch vor wenigen Jahren ohne die heu- tigen Möglichkeiten vorzeitig ge- storben wären oder langes Siech- tum hätten erleiden müssen, kann heute ein mehr oder weniger lan- ger, durch Schmerzfreiheit und Bewegungsmöglichkeit auch qua- litativ verbesserter Lebensab- schnitt erhalten werden, oft aller- dings um den Preis der Dauerbe- handlungsbedürftigkeit. Wer dar- aus das Recht zu der Behauptung ableitet: „Der Gesundheitszu- stand der Bevölkerung habe sich trotz hoher Kosten nicht gebes- sert", muß sich fragen lassen, ob er zur statistischen Besserung des Gesundheitszustandes der Bevöl- kerung und zur Kostendämpfung wirklich den Tod Kranker, Schwa- cher und Hilfsbedürftiger einkal- kulieren und in Kauf nehmen will.

Gesundheitspolitische Konse- quenzen dürfen also nicht nur mit Blick auf Kosten gezogen werden, sondern unter Beachtung von Grundprinzipien der Humanität!

Davon ist weder in dem von der Arbeitsgemeinschaft der Sozial- demokraten im Gesundheitswe- sen (ASG) vorgelegten Papier

„Strukturwandel in der Gesund- 1676 (28) Heft 22 vom 29. Mai 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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Ärztetag: Vilmar

heitspolitik" noch in den Positio- nen der Christlich-Demokrati- schen Arbeitnehmerschaft (CDA) zur Gesundheitspolitik viel zu ver- spüren. In beiden Papieren wer- den die wirklichen Ursachen der Entwicklungen übersehen oder mit einer auch durch sachverstän- dige Argumente kaum zu beein- flussenden Beharrlichkeit den so- genannten Leistungs-„Anbietern"

zugeschoben. Alle Lösungsansät- ze dieser Gruppierungen beruhen auf einer anscheinend durch nichts zu erschütternden Gläubig- keit an die Allmacht staatlicher und bürokratischer Reglementie- rungen und auf einem tiefen Miß- trauen gegenüber dem gesunden Menschenverstand. Eine Wende können die in diesen Papieren niedergelegten Gedanken nicht bewirken.

Für die Sicherung der Qualität ei- ner sowohl dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft als auch dem Gebot der Wirt- schaftlichkeit entsprechenden ärztlichen Versorgung in der Be- völkerung ist zunächst die Siche- rung der Qualität zur Ausbildung zum Arzt wichtig. Die seit Mitte der 70er Jahre als Folge einer ver- fehlten Bildungspolitik stark an- gestiegenen Studentenzahlen ha- ben längst Größenordnungen er- reicht, die eine qualitativ hoch- wertige Ausbildung erschweren oder gar unmöglich machen. Die Bundesländer müssen für Medi- zinstudenten durch Novellierung der Kapazitätsverordnungen end- lich sicherstellen, daß die für den klinischen Abschnitt des Studi- ums erforderlichen Ausbildungs- möglichkeiten berücksichtigt wer- den. Es kann nicht angehen, wei- terhin lediglich den letzten Klapp- sitz oder noch freie Treppenstu- fen im Hörsaal zum Maßstab für die Zulassung von Studenten zu machen. Oder sollte etwa auch die Becken- oder Gesäßbreite künftiger Studenten ein für die Zulassung wichtiges „Qualitäts- merkmal" sein?

Unerläßlich ist, die notwendige Ar- beit am Patienten im klinischen

Erst bot er den Studenten mit freund- licher Geste ein paar Gläser Wasser an, dann setzte er souverän seine mit viel Beifall aufgenommene Rede fort: Mini- sterpräsident Dr. Dr. Uwe Barschel

Abschnitt in die Kapazitätsberech- nungen einzubeziehen. Dazu heißt es im Entwurf für eine neue Ap- probationsordnung in § 2 Abs. 2:

„Es sollen jeweils nur wenige Stu- denten gleichzeitig unmittelbar am Patienten unterwiesen wer- den, beim Unterricht am Kranken- bett im Regelfall nicht mehr als vier Studenten."

Eine größere Studentenzahl ist für die einzelnen Kranken auch kaum zumutbar. Denn die unverzichtba- re praktische Unterweisung um- faßt auch unangenehme oder gar schmerzhafte Verrichtungen.

Deshalb muß die Forderung wie- derholt werden: Die Zahl der Me- dizinstudenten muß sich an der Zahl der zur Lehre geeigneten Pa- tienten und an deren Belastbar- keit orientieren, Qualität hat we- gen der Sicherheit der Patienten Vorrang vor Quantität!

Unter diesem Aspekt müßte das gesamte Ausbildungs- und Prü- fungssystem eigentlich grund- sätzlich neu durchdacht werden.

Durch die von Bundestag und Bundesrat beschlossene Ände- rung der Bundesärzteordnung mit Einführung einer zweijährigen Phase als „Arzt im Praktikum"

wird aber jetzt wenigstens ver- sucht, die erforderlichen prakti- schen Kenntnisse am Ende der Ausbildung zu vermitteln. Das kann aber nur gelingen, wenn die- ser Abschnitt grob strukturiert wird. Zeiten in operativen und nichtoperativen Disziplinen der Medizin müssen daher in der neu- en Approbationsordnung vorge- schrieben werden. Durch eine Grobstrukturierung könnten nicht nur die Ausbildung verbessert und das Ergebnis vergleichbar werden, es würde auch eine Wei- chenstellung zur Weiterbildung in der Allgemeinmedizin erfolgen.

Die in der in Beratung befind- lichen EG-Richtlinie „Allgemein- medizin" für Europa vorgesehe- nen Zulassungsvoraussetzungen für ärztliche Tätigkeit im Rahmen der sozialen Krankenversiche- rungssysteme könnten dadurch dann ebenfalls erfüllt werden.

Absage an Vorstellungen der SPD-Opposition

Andere Vorstellungen wie die im Hausärzte-Weiterbildungs-Gesetz- entwurf der SPD-Opposition ent- haltene Pflichtweiterbildung, ha- ben durch die Beschlußfassung von Bundestag und Bundesrat über die Änderung der Bundes- ärzteordnung eine ebenso ein- deutige Absage erhalten, wie die verbindliche Einführung einer Al- tersgrenze von 65 Jahren für Ärz- te. Sowohl nach der Ausbildung als auch mit 65 Jahren hätten sie für den Arzt die Wirkung eines Be- rufsverbotes. Wie inzwischen auch Gespräche mit den Bundes- ministern Dr. Norbert Blüm und Dr. Heiner Geißler ergeben ha- ben, ist es zwecklos, derartigen Vorstellungen weiter nachzuhän- gen.

Durch die Beschlüsse des Deut- schen Bundestages und des Bun- desrates allein ist die dem Studi- Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 22 vom 29. Mai 1985 (29) 1677

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Ärztetag: Vilmar

um angegliederte Ausbildungs- phase aber nicht zu realisieren.

Vielmehr müssen auch die für die

"Ärzte im Praktikum" notwendi- gen Stellen in Klinik und Praxis geschaffen werden. Trotz der dem Bundesminister für Arbeit und So- zialordnung gegenüber erklärten Bereitschaft der Ärzteschaft, der Deutschen Krankenhausgesell- schaft und der Krankenkassen, dazu alles in ihren Kräften stehen- de zu tun, darf der Bund als die nach dem Grundgesetz für die Ausbildung zuständige staatliche Stelle jedoch nicht aus seiner Ver- antwortung und seinen daraus re- sultierenden finanziellen Ver- pf!!chtungen entlassen werden.

Der Devise "weniger Staat, mehr Selbstverwaltung" ist zwar zuzu- stimmen, ebenso klar ist aber, daß die Selbstverwaltung weder auf diesem Gebiet noch an anderen Stellen die Folgen staatlicher Fehlplanungen und politischer Fehlentscheidungen tragen oder gar aus eigener Kraft allein besei- tigen kann. Das gilt vor allem für die über jeden vernünftigen Be- darf hinausgehende Ausbildung von Akademikern- nicht nur von Ärzten. Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl hat auf Drängen der Vertre- ter der Ärzteschaft zugesagt, noch im ersten Halbjahr 1985 sich die- ses Problems anzunehmen. Eine Wende ist dringend erforderlich, nicht nur wegen der Verschwen- dung von Steuermitteln in vielfa- cher Milliardenhöhe, sondern vor allem wegen der Verschwendung von Lebenszeit, Fleiß und Einsatz- bereitschaft junger Menschen.

~ Die daraus entstehende Frust- ration könnte zum Sprangsatz für unsere staatliche Ordnung wer- den!

Noch bis Anfang der 80er Jahre wurde zum Beispiel in der Öffent- lichkeit lautstark über eine Unter- versorgung mit Ärzten geklagt, obwohl schon seit langem die sich entwickelnde Akademikerflut er- kennbar war. Die Ärzteschaft hat vor den Folgen eines Überange- botes an Ärzten bereits 1978 in

der Konzertierten Aktion im Ge- sundheitswesen gewarnt. Aller- dings wurden die Warnungen sei- nerzeit von vielen als reine lnter- essenpolitik zur "Wahrung von Pfründen" abgetan. Inzwischen allerdings fordern oftmals die gleichen Kräfte, endlich einen wirksamen Schutz gegen Ober- versorgung mit Ärzten zu schaf- fen, vor allen Dingen aus Kosten- gründen, ohne daß in der vehe- ment geführten Diskussion bis- lang erkennbar geworden ist, wie eigentlich die Normalversorgung gestaltet sein sollte.

Eine große Aufgabe:

Sicherung der Qualität

Zur Sicherung der Qualität der ärztlichen Versorgung müssen da- her zu nächst aussagekräftige Kri- terien zur Beurteilung des künfti- gen Bedarfs unter Einbeziehung der sich aus den medizinisch-wis- senschaftlichen und -technischen Fortschritten ergebenden Mög- lichkeiten und Notwendigkeiten entwickelt werden. Es muß unter- sucht werden, wo welche Leistun- gen am wirtschaftlichsten er- bracht werden können, ohne da- bei die für eine wirksame Behand- lung notwendige Vertrauens- grundlage zwischen Patient und Arzt zu zerstören. Es muß geprüft werden, ob alle Strukturen in Krankenhaus und Praxis den ver- änderten Anforderungen gewach- sen sind oder ob in bestimmten Bereichen Anpassungen an den Fortschritt notwendig sind.

Es müssen politische Entschei- dungen fallen, welche Ressour- cen für das Gesundheitswesen zur Verfügung stehen, vor allen Dingen, ob in dem Bemühen um Senkung der Lohnnebenkosten eine Deckung der für Gesundheit zur Verfügung stehenden Finanz- mittel mit der Folge einer Ratio- nierung und Zuteilung von Ge- sundheitsleistungen vom Bürger gewünscht wird oder ob nicht der Bürger selbst darüber entschei- den will, was er für seine und sei- ner Familie Gesundheit aufzubrin- 1678 (30) Heft 22 vom 29. Mai 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

gen in der Lage ist und wo er selbst Prioritäten setzen will. Erst wenn aussagekräftige Krite- rien zur Beurteilung des künftigen Bedarfs entwickelt und die not- wendigen politischen Entschei- dungen getroffen sind, kann beur- teilt werden, ob und gegebenen- falls wo noch eine ärztliche Unter- versorgung bestehen sollte - die noch 1977 zur Einführung einer

"Bedarfsplanung" im Krankenver- sicherungs-Weiterentwicklungs- gesetz führte- oder ob und gege- benenfalls wo in Anbetracht der zunehmenden Zahl der Ärzte eine Überversorgung entstehen könn- te. Wie die Erfahrung mit man- chen gesetzlichen Regelungen der Vergangenheit zeigt, sollten politische Prognosen dieser Art jedoch mit großer Vorsicht beur- teilt werden. Sie könnten schon morgen nicht nur überholt sein, sondern auch eine dem ständigen Fortschritt medizinisch-wissen- schaftlicher Erkenntnisse ent- sprechende Versorgung der Be- völkerung gefährden.

Für die Einführung von Zulas- sungssperren, die in letzter Zeit häufiger gefordert wird, gilt das gleiche. Zweifellos muß geprüft werden, ob das Bu ndesverfas- sungsgerichtsurteil vom 23. März 1960 auch unter den heute verän- derten Voraussetzungen noch in allen Teilen unverändert Bestand haben kann. Dennoch wären Zu- lassungssperren nicht die einzig mögliche Konsequenz. Zu diesem Schluß sind auch die Gutachter Prof. Blumenwitz sowie Prof.

Wannagat und Prof. Gitter gekom- men. Während Prof. Blumenwitz eine allgemeine Überprüfung von zu ergreifenden Maßnahmen an- regt, wird bei den beiden anderen Gutachtern schon ein Katalog be- reitgehalten, um eine Überversor- gung zu vermeiden. Danach sind zunächst andere Vergütungsfor- men, insbesondere Pauschalver- gütungen und erst zu einem we- sentlich späteren Zeitpunkt einge- schränkte Zulassungssperren als Steuerungsinstrument im Rah- men einer ärztlichen Bedarfspla-

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Ärztetag: Vilmar

nung verknüpft mit einer pau- schalierten Vergütung zur Siche- rung eines gleichmäßigen Versor- gungsniveaus verfassungsver- träglich. Sie sollten jedenfalls nach Auffassung der Gutachter nur allerletztes Mittel sein. Mit Zu- lassungssperren und dem ja auch öffentlich schon diskutierten Ent- zug der Zulassung zur Kassenärzt- lichen Versorgung bei Vollendung des 65. Lebensjahres, wäre das bisherige Selbstverständnis eines freien Berufes nicht mehr unver- ändert vereinbar. Damit würde vielmehr eine Weiche in Richtung eines allgemeinverbindlichen Kassenarztstellenplanes mit allen daraus resultierenden Verände- rungen nicht nur für die ärztliche Tätigkeit, sondern auch für die Beziehungen zwischen Patient und Arzt gestellt werden. Es muß daher sehr genau überlegt wer- den, ob Lösungen mit solchen Konsequenzen sinnvoll sind.

Anstelle staatlicher Reglementie- rungen und statt starrer Kosten- dämpfungspolitik — die zur Lei- stungseinschränkung mit der möglichen Folge führen muß, die für kranke Menschen notwendi- gen Maßnahmen einzustellen — ist es notwendig, die Gesundheitspo- litik von fiskalischen Zwängen zu befreien.

Sozialer als die vollständige Aus- grenzung von bestimmten Arznei- mitteln, Krankheits- oder gar Al- tersgruppen ist eine prozentuale Selbstbeteiligung der Patienten an Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln.

Eine solche Selbstbeteiligung wä- re praktizierte Selbsthilfe und nicht Entsolidarisierung, die be- sonders Hilfsbedürftige einer hundertprozentigen Selbstbeteili- gung aussetzt. Rationierung von Gesundheitsleistungen erfordert totale Anonymisierung der Patien- ten. Eine individuelle Behandlung wäre damit nicht vereinbar, da al- les administrativer Entscheidung durch Inspektoren oder auch Kommissionen wie im Ostblock unterläge. Mit einer derartigen

„Diktatur der Kranken - Kassen"

wäre jedoch niemandem gedient.

Hielten Ansprachen bei der Eröffnungs- veranstaltung: BMAuS-Staatssekretär Manfred Baden und ...

Dr. Detlev Koke, Gesundheitssenator der Hansestadt Lübeck

Zum Glück sehen das auch die Vertreter der gesetzlichen Kran- kenversicherung realistisch und nicht anders.

Eine vernünftige Direkt-Beteili- gung mit sozialen Obergrenzen und exakt zu bestimmenden Aus- nahmen hat auch nichts mit So- zialabbau zu tun — im Gegenteil, sie könnte gerade der Stabilisie- rung unserer sozialen Siche- rungssysteme durch die damit verbundene Nachfragedämpfung dienen. Ungebremste Nachfra- geinflation und dadurch entste- hender „Sozial-Raubbau" führen dagegen ebenso wie starre Ko-

stenreglementierung mit Lei- stungsrationierung und einem sich dann entwickelnden Schwarzmarkt für Gesundheitslei- stungen zu sozialer Verwüstung.

Die oft gehörte Behauptung, der Bürger könne über Fragen seiner Gesundheit gar nicht selbst ent- scheiden, ist nicht stichhaltig. In Kenntnis möglicher Gefahren ent- scheidet er doch auch über Ver- haltensweisen, die seine Gesund- heit schädigen können. Was für ein sonderbarer „mündiger Bür- ger" wäre das eigentlich, dem Ur- teilsve;mögen über die Wirkung vieler chemischer Substanzen auf Ernährung und Umwelt, wie zum Beispiel die Gesunderhaltung von Bäumen, Boden, Gewässern und Luft sowie die Gesunderhaltung kommender Generationen zuge- traut wird, der sich aber selbst zu den einfachsten Fragen seiner ei- genen Gesundheit angeblich kei- ne Meinung bilden können soll?

Zweieinhalb Jahre nach der politi- schen „Wende" müssen für die Gesundheitspolitik endlich klare realistische und realisierbare Zie- le formuliert werden, sonst be- steht die Gefahr, daß die „Wen- de" durch gesundheitspolitische Schwerelosigkeit allen möglichen Zufallsantriebskräften ausgesetzt bleibt und ins Trudeln gerät.

In einem Gespräch der Spitzen- vertreter der Ärzteschaft mit Bun- deskanzler Dr. Helmut Kohl und den Bundesministern Dr. Norbert Blüm und Dr. Heiner Geißler am 19. November 1984 wurde hervor- gehoben, daß die Gesundheitspo- litik sich nicht weiterhin an utopi- schen Zielen, wie „Gesundheit für alle im Jahr 2000" orientieren darf, und daß nicht alles, was in Umkehr der Gesundheitsdefini- tion der Weltgesundheitsorgani- sation als Krankheit zu bezeich- nen wäre, zu Lasten der gesetzli- chen Krankenversicherung be- handelbar ist. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung weiß doch ohnehin, daß Zufriedenheit und Glückseligkeit nicht versi- cherbar sind.

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 22 vom 29. Mai 1985 (31) 1679

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Orientiert man sich jedoch weiter an so irrealen Zielen, ist eine Nachfrageinflation mit entspre- chenden Konsequenzen für die Kostenentwicklung unvermeid- bar. Es müssen also realistische Entscheidungsgrundlagen für die Politik erarbeitet werden, damit die Prioritäten für die Zukunft end I ich richtig gesetzt werden können. Diesem Ziel diente ein Symposion des Bundesarbeitsmi- nisters, in dem am 6. und 7. März 1985 der Versuch unternommen wurde, ordnungspolitische Alter- nativen der Gesundheitspolitik zu entwickeln. Die von Dr. Norbert Blüm in der Frühjahrssitzung der Konzertierten Aktion im Gesund- heitswesen vorgelegten "zehn Grundsätze für ein gesundheits- politisches Gesamtkonzept" bie- tet dafür eine Diskussionsgrund- lage.

Die zehn Gebote des Dr. Norbert Blüm

Besonders wichtig ist darin die Forderung nach Analyse der ge- sundheitspolitischen Entwicklun- gen sowie nach Erarbeitung von gesundheitspolitischen Zielen und von Vorschlägen, um unter Berücksichtigung der finanziellen Entwicklung und vorhandener Wirtschaftlichkeitsreserven Priori- täten für den Abbau von Versor- gungsdefiziten und bestehenden Überversorgungen setzen zu kön- nen.

Große Bedeutung mißt der Bun- desarbeitsminister den Grundsät- zen Solidarität und Subsidiarität, der Eigenverantwortung für die Gesundheit, der Leistungs- und Kostentransparenz, ebenso der Sicherung der Qualität der ärzt- lichen Versorgung bei steigenden Arztzahlen bei. Er macht Ausfüh- rungen zur Selbstbeteiligung in der Krankenversicherung, die dann sinnvoll und politisch ver- tretbar erscheint, wenn sie ..,... das Inanspruchnahmeverhal- ten der Versicherten steuern kann,

..,... sozialverträglich und gesund- heitspolitisch unbedenklich ist ..,... und bei der sichergestellt ist, daß den Erbringern von Gesund- heitsleistungen oder dem Staat keine zusätzlichen Einnahme- quellen erschlossen werden.

Vieles davon scheint in diesen zehn Grundsätzen mit Vorstellun- gen der Ärzteschaft in Einklang zu stehen. Doch ein endgültiges Ur- teil wäre heute verfrüht.

Hundert Jahre nach Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für unsere sozialen Sicherungssyste- me ist allerdingstrotzder seitdem erzielten Erfolge der Zeitpunkt gekommen zu überdenken, ob die zu Beginn der lntiustrialisierung zweckmäßigen Regelungen für ei- ne soziale Sicherung der ,,Ärm- sten der Armen", denen man ver- nünftigen Umgang mit Geld nicht zutraute, über ein umfassendes Sachleistungssystem und die auf dieser Grundlage erfolgte Weiter- entwicklung auch unter den inzwi- schen grundlegend veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen für die nächsten hundert Jahre noch unverändert Bestand haben können. Müssen nicht gerade zur Wahrung der Stabilität unserer so- zialen Sicherungssysteme neue

Lösungen gefunden werden?

Notwendig sind Phantasie und Ideenreichtum, um zu intelligen- ten Lösungen zu kommen, die das Verhalten der Menschen in einer trotz vieler Probleme immer noch bestehenden Wohlstandsgesell- schaft mit ungehindertem Zugang zu scheinbar kostenlosen Sozial- leistungen angemessen berück- sichtigen, die aber dennoch je- dem Bürger den in einem freiheit- lichen Rechtsstaat selbstver- ständlichen Entscheidungsfrei- raum und die Möglichkeit zur Er- füllung individueller Wünsche und Bedürfnisse gerade angesichts von Krankheit und Leiden erhal- ten oder wieder eröffnen. Staat- liche Reglementierung und ad- ministrativer Dirigismus können dem nicht gerecht werden. Die

1680 (32) Heft 22 vom 29. Mai 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

Probleme können auch nicht mit noch so stark tönenden Worten und dumpf dröhnenden Klassen- kampfparolen gelöst werden. Wer das nicht durch kritisch-analyti- sches Denken erkennen kann, sollte wenigstens bereit sein, aus bitteren Erfahrungen der Ge- schichte nicht nur unseres Volkes die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

Die Ärzteschaft hat schon vor Jah- ren ihre ausformulierten gesund- heits- und sozialpolitischen Vor- stellungen der Öffentlichkeit vor- gelegt. Sie ist auf dieser Grundla- ge bereit, mit Sachverstand an der Entwicklung eines gesundheits- politischen Gesamtkonzeptes un- ter Einbeziehung der zehn Grund- sätze des Bundesministers für Ar- beit und Sozialordnung, Dr. Nor- bert Blüm, mitzuwirken. Diese für die Zukunft unserer sozialen Si- cherung so wichtige Arbeit kann und darf nicht angeblich "unab- hängigen Sachverständigen" al- lein überlassen werden.

Die in Bund und Ländern Verant- wortlichen können also auf die Stabilität ärztlicher Argumente rechnen. Sie beruhen auf dem Wissen um die enorm erweiterten Möglichkeiten der Medizin, aber auch um deren Grenzen. Sie gründen sich auf tägliche ärzt- liche Erfahrung und die Kenntnis mensch I icher Verhaltensweisen in gesunden wie in kranken Ta- gen. Die Ärzteschaft kann daher bei der seit langem überfälligen Entwicklung eines gesundheits- politischen Gesamtkonzeptes ein verläßlicher Partner bei dem Be- mühen zur Wahrung der sozialen Sicherheit sein. Wenn eine Eini- gung über ein tragfähiges ge- sundheitspolitisches Gesamtkon- zept erreicht werden kann und die drängendsten Probleme dann adäquaten Lösungen zugeführt werden, könnte 1985 noch ein

"Jahr der Wende" in der Gesund- heitspolitik werden.

Anschrift des Verfassers: Haedenkampstraße 1 5000 Köln 41 (Lindenthal)

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