Allgemeinmedizin
Denkhilfen
Robert N. Braun, Frank H. Ma- der: Programmierte Diagnostik in der Allgemeinmedizin. 82 Checklisten für Anamnese und Untersuchung. 4., vollständig über- arbeitete Auflage, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg u. a., 2003, XVI, 304 Seiten, 10 Abbildungen, 17 Tabellen, gebunden, 34,95 A
Die „82 Handlungsanweisun- gen für den Hausarzt“ von Prof. Robert N. Braun er- schienen erstmals 1976. Ihre Entstehung reicht aber noch weiter zurück. Bereits 1957 hatte der heute 90-jährige Autor bereits die Monogra- phie „Die gezielte Diagnostik in der Praxis“ veröffentlicht.
Was anfangs eine Systema- tik der Krankheitshäufigkeit war, entwickelte sich mit der Zeit zu „Checklisten“ fort, welche den Hausarzt bei der Diagnostik unterstützen sol- len. Braun war nämlich während seiner Tätigkeit an
einer Wiener Massenpraxis aufgefallen, dass die Routine viele Ärzte zu einer Bevorzu- gung bestimmter Diagnosen verführte, während andere Diagnosen übersehen wur- den, darunter auch, was Braun zusammen mit Prof.
Frank H. Mader inzwischen als „abwendbar gefährliche Verläufe“ bezeichnet. Wenn der Arzt bei seiner Dia- gnostik systematischer vor- ginge, sollte es ihm gelingen, viele Erkrankungen in einem früheren Stadium zu erken- nen und weniger an Sympto- men „herumzudoktern“.
Die „Checklisten“ behan- deln die häufigsten Anlässe,
wegen denen ein Patient die Praxis eines Hausarztes auf- sucht. Dies sind uncharakte- ristische Symptome (zum Beispiel „Fieber“, „Husten“,
„Halsschmerzen“), vermeint- lich klare Krankheitsbilder („Gicht“, „Arthrose“, „HWS- Syndrom“) und einige allge- meinmedizinische Beratungs- situationen („Hypertonie“,
„Pillenverbot“), bei denen der Arzt eine Vielzahl von Umständen zu beachten hat.
Eine Checkliste „Tabula dia- gnostica“ soll den Arzt bei völlig unklaren Fällen weiter- helfen.
Die Checklisten enthalten keine klaren Anweisungen.
Sie sind eigentlich Denkhil- fen, die den Arzt von seiner
„intuitiven“ Routine ablen- ken sollen. Sie sind ganz sicher in der Lage, eine „ge- wisse Ordnung in unklare diagnostische Situationen zu bringen und den gesamten Untersuchungsgang zu opti- mieren“, wie die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- medizin und Familienmedizin urteilt, welche die Listen empfiehlt.
Auch Prof. Günter Ollen- schläger, Leiter der Ärztli- chen Zentralstelle Qualitäts- sicherung in Köln, hat sicher Recht, wenn er den Autoren bescheinigt, dass sie bereits in den 70er-Jahren die Rahmen- bedingungen für ein systema- tisches ärztliches Handeln benannten, „die heute als Charakteristika der evidenz- basierten Medizin (EbM)“
beschrieben werden.
Doch streng genommen fehlt der Beweis, dass die Listen den Arzt zum besseren Diagnostiker machen. Dies könnte beispielsweise in ran- domisierten Studien gesche- hen, in denen ein Teil der Hausärzte die Handlungsan- weisungen in der Praxis um- setzt, der andere Teil sich dagegen allein auf seine „in- tuitiven“ Fähigkeiten ver- lässt. Endpunkt könnte eine externe Überprüfung der Beratungsergebnisse sein. Die vorliegenden Handlungsan- weisungen wären sicher ein interessanter Forschungsge- genstand. Rüdiger Meyer Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1112. März 2004 AA709
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