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ie Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst ist eine „selbst ernannte In- itiative“ von Klaus Biesen- bach, Gründungsdirektor des Vereins Berlin Biennale, und Eberhard Mayntz, Kunst- freund, Sammler und Vereins- vorsitzender, sowie einigen Künstlern. Viele von ihnen heckten 1995 im „Club Ber- lin“, in einem stillgelegten Opernhaus, die Idee einer ei- genen Berlin Biennale aus.Seit 1998 schreitet sie eta- blierter und professioneller voran, so weit, dass die dies- jährige Biennale geradezu museal perfekt daherkommt.
Finanziell war die Berliner Biennale immer gefährdet.
Gerettet wurde sie aus den Mitteln des Hauptstadtkul- turfonds und anderen Quel- len sowie aus Fördermitteln der Allianz-Kulturstiftung.
Die nächste Ausgabe in zwei
oder drei Jahren wird unter anderem von der Kulturstif- tung des Bundes getragen.
Die dritte Biennale nimmt bis 18. April die 90er-Jahre als geschehen hin und forscht wei- ter und tiefer – mit dem Blick zurück. Ute Meta Bauer, Kura- torin der Biennale, beschreibt es so: „Sie springt zurück in das vergangene Berlin, nach Ost und West,in das Westberlin der Vorwendezeit und die ehema- lige Hauptstadt der DDR.“ Sie untersucht vor diesem Hinter- grund Entwicklungen und Be- sonderheiten der Berliner Stadtlandschaft bis zu den heu- tigen Verhältnissen. Den mei- sten Künstlern geht es um die kritische Durchforstung ge- sellschaftlicher Prozesse. The- matische Angelpunkte sind beispielsweise die Felder Mi- gration, urbane Konditionen, Moden und Szenen sowie „an- deres Kino“. 50 Künstler aus aller Welt nehmen an der Biennale teil, die Hälfte davon lebt derzeit in Berlin und be- zieht sich mit einem Großteil der Werke auf die Stadt und ihre Situation.
Die Besucher der Bienna- le erwartet eine große Prä- senz von Videos, Filmen und
die Fotografie sowie Lese- material, Plakate, Riech- und Hörstationen – 50 Positio- nen. Diese Genres sind zahl- reich vertreten, neben aktu- ellen malerischen Positio- nen. Man gewährt Einblick in die Szene elektronischer Musik, die Berliner Frauen hervorgebracht haben. Ein Teil der Biennale widmet
sich der Migration. Im Mar- tin-Gropius-Bau werden vier Situationen als Videoinstal- lationen auf elf Monitoren präsentiert. Eine der vier Szenen ist das Europäische Parlament in Brüssel, auf Vi- deo dargestellt. „Jene verbo- tene Stadt wird gezeigt, die Nicht-Funktionsträgern nur in Ausnahmefällen zugäng- lich ist . . . von diesem Ort wird Migration verwaltet, blockiert, in Bewegung ge- setzt, reguliert und ver- wahrt.“ So sieht es Hito Stey- erl, die Künstlerin. Auch der Filmemacher Sohrab Shahid Saless befasst sich mit Migra- tion. Er schilderte in kargen Bildern in seinem Film „In der Fremde“ die Geschichte des türkischen „Gastarbei- ters“ Husseyin, der in einer heruntergekommenen Wohn- gemeinschaft in Kreuzberg lebt. Er erlebte die Großstadt als undurchdringliche Fassa- de des Schweigens und ver- sucht erfolglos seine Isolation zu überwinden. Der im Iran geborene Saless zeichnet in dem Film das Bild radikaler Entfremdung. Susanne Lenze V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 159. April 2004 AA1031
3. Biennale für zeitgenössische Kunst
Blick zurück in das vergangene Berlin
Den meisten Künstlern geht es um die kritische Durchforstung gesellschaftlicher Prozesse.
„Die Biennale springt zurück in das vergangene Berlin, nach Ost und West, in das Westberlin der Vorwendezeit und die ehemalige Hauptstadt der DDR.“
Ute Meta Bauer
In der Fremde, BRD, 1974, Sohrab Shahid Saless, 91 min, 35 mm, Farbe
Hito Steyerl, Euroscapes: Closed Camps, Brussels, June 2003, Film Still
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Fotos:Veranstalter