Die Information:
Bericht und Meinung Zweierlei Strukturwandel
den sie's auch tun? Oder werden sie Systemhetze gegen die Kas- senärzte weiter treiben?
Ebenso wie einerseits Ausweitung staatlicher Forschung von Ge- werkschaftsseite gefördert wird, wird der Versuch unternommen, privat initiierte Forschung einzu- dämmen.
Ein typisches Beispiel dafür:
Pharma-Forschung. Mit gleicher Vehemenz, wie die private Phar- ma-Forschung mit hervorragen- den Erfolgen attackiert wird, wird der „Mangel" staatlicher For- schungsergebnisse von Gewerk- schaftsseite bedauert. Rund 20 Millionen Mark Forschungsmittel für „Sandkastenspiele", die der ehemalige Vizepräsident des Bun- desgesundheitsamtes und führen- de medizinische Gewerkschafts- berater Dr. med. Erwin Jahn ver- braten hat, sprechen allerdings nicht für die vielgepriesene Effi- zienz staatlicher Unterneh- mungen!
Weitere
Machtexpansion angestrebt
Staatliche Förderung ist mehr und besser als staatliche Eigenunter- nehmungen.
Diese Erkenntnis sollte eigentlich auf allen Gebieten — zumindest dort, wo Selbstverantwortung und Selbstverwaltung möglich sind — gelten. Bei der IG-Metall ist dieser Blickwinkel verschoben.
Hier geht es bei den Schlagworten
„Sozio-Okonomie", „Technolo- gie" und „Strukturwandel" um eine weitere Expansion der Macht:
Abbau staatlichen Handelns dort, wo Gewerkschaftshandeln mög- lich, mehr Staatsinterventionis- mus da, wo funktionsfähige plura- listische Gruppierungen anderer ideologischer Einstellung vorhan- den! Das steckt hinter den Ge- werkschaftsforderungen von Düs- seldorf. Dieter Pohl
PRESSESTIMMEN
„Wenn der Arzt zum Büttel wird"
„... Der Psychiater von Dithfurth hat beschrieben, wie die Prozedur einer Zwangsernährung gemein- hin vor sich geht: ,Da betreten vier oder fünf kräftige Männer die Zelle. Sie greifen den sich sträu- benden Häftling an Armen und Beinen, überwältigen ihn und zwingen ihn auf ein Untersu- chungsbett. Zwei setzen sich auf seine Knie, damit er nicht treten kann. Die Arme werden festge- schnallt. Einer hält den Kopf fest, an den Haaren natürlich, denn wie sonst könnte der Mann sicher
Süddeutscheleitung
sein, nicht gebissen zu werden?' Und dann kommt erst die Sache mit der Sonde. Zumutbar für den Gefangenen? Für den Arzt?
Es erweist sich bereits, daß, so in Hamburg, Ärzte durch Verwal- tungs-Ukas verpflichtet werden müssen, an der Zwangsernährung mitzuwirken. Kann ein Arzt, stehe er nun als Anstaltsarzt in einem Dienstverhältnis oder nicht, in der Tat zu solcher medizinischer Büt- telarbeit gezwungen werden? Dies erscheint uns als höchst zweifel- haft: Ärzte haben zu heilen und zu helfen, nichts anderes, auch An- staltsärzte.
Einer der kritischen Punkte in der Debatte um die Zwangsernährung ist und bleibt jene Phase, in der von einem ,freien Willen' des Ge- fangenen nicht mehr gesprochen werden kann, zum Beispiel wäh- rend oder unmittelbar nach einer Ohnmacht, bei äußerst ge- schwächtem Zustand: Hier wird durch Infusionen, allenfalls auch durch sonstige Nahrungszufuhr, jedoch ohne Gewaltanwendung, ärztliche Unterstützung verant- wortbar, ja notwendig sein.
Kommt sie möglicherweise einmal zu spät, geschähe dies in der Re- gel auf Grund eines vorherigen
willentlichen Verhaltens des Ge- fangenen selbst.
Dem gegenwärtigen Hunger- und Durststreik werden die Justizbe- hörden weiterhin mit der bisher gebräuchlichen Praxis begegnen.
Sie wollen und können sich nicht erpressen lassen, sie wollen aber auch keine ‚Märtyrer' schaffen.
Die Haftbedingungen, um die es geht, sie sind unzweifelhaft die Folge anhaltender konspirativer Bereitschaft und Aktivität."
Ernst Müller-Meiningen jr.
Kostendämpfung auf allen Gebieten
„Nach wie vor besteht die Kassen- ärztliche Vereinigung (KV) auf ei- ner Schließung der Hockenheimer Notarztzentrale und ihrer Verle- gung nach Schwetzingen. Daran konnte auch eine Ausspracherun- de zwischen Vertretern der KV und den vier Verwaltungsgemeinden Hockenheim, Reilingen, Neu- und Altlußheim nichts ändern. So ver- tritt die Standesorganisation der Kassenärzte die Meinung, daß der Raum Hockenheim mit seinen rund 35 000 Einwohnern auch von Schwetzingen aus effektiv notärzt- lich versorgt werden könne. Hinzu kämen im Sinne der Kostendämp- fung erhebliche finanzielle Ein- sparungen, die sich auf über
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70 000 Mark im Jahr belaufen sol- len, wie vom KV-Vorsitzenden Dr.
Schichardt verlautbart. Der künfti- ge Notarztbezirk Schwetzingen umfaßte dann rund 100 000 Ein- wohner, für die zwei Notärzte und zwei sogenannte Hintergrundärzte zuständig seien. Damit befänden sich Hockenheim und seine Anlie- gergemeinden in einem Bezirk, der sich in der Größe nicht von anderen Notarztbereichen unter- scheide. Ein Zugeständnis könne man lediglich an Tagen mit Renn- großveranstaltungen in Hocken- heim machen ..." hhs
2162 Heft 36 vom 8. September 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT