Philipps- Universität Marburg FB 15 Chemie
Organisch-Chemisches Grundpraktikum für das Lehramt Christian Lego
Leitung: Herr Dr. Reiß Datum: 04.06.09 SS 09
Gruppe 13 – eigener Versuch
Nylonfäden durch Grenzflächenkondensation
N H2
NH2
+ Cl O
O
n n Cl
- 2n HCl
N H
N H C
H3 O
O
O
n
Hexamethylendiamin Sebacinsäuredichlorid Nylon 6,10
Reaktion/ Strukturformeln:
Vorbereitung: 15 min Zeitbedarf:
Versuchsdurchführung: 15 min Nachbereitung 15 min
Chemikalien Chemikalien:
Summen- formel
Menge R-Sätze S-Sätze Gefahren- symbole
Schuleinsatz (HessGiss) Sebacinsäure
dichlorid
(CH2)8(COCl)21,3 mL 34-37 26-
36/37/39- 45
C S 1
Hexan C
6H
1450 mL
11-38-48/20- 51/53-62-65-67
9-16-29-33- 36/37-61-62
F, Xn, N S 1 (*) Hexamethyle
ndiamin
NH2(CH2)6NH22,2 g 21/22-34- 37
22-26- 36/37/39-
45
C S 1
Natrium- hydroxid
NaOH 0,4 g 35 26-37/39-
45
C S 1
Ethanol C
2H
5OH 25 mL 11 7-16 F S 1
(*) Ersatzstoffprüfung vorgeschrieben
•
2 x 250 mL Bechergläser Geräte und Materialien:
•
1 x 100 mL Becherglas
•
Glasstab
•
Pinzette
Versuchsaufbau:
Abb. 1: Die beiden Lösungen vor der Überschichtung, sowie Glasstab und Tropfpipette zum Aufwi- ckeln des Nylonfadens
1,3 mL Sebacinsäuredichlorid werden in einem 250 mL Becherglas in 50 mL Hexan gelöst.
Anschließend werden in ein zweites 250 mL Becherglas 50 mL entionisiertes Wasser gegeben und darin 2,2 g Hexamethylendiamin sowie 0,4 g Natriumhydroxid in Lösung gebracht. Mit der organischen Lösung wird nun vorsichtig die wässrige Lösung überschichtet. Die sich so- fort bildende Haut wird mit einer Pinzette vorsichtig angehoben und zu einem Faden ausge- zogen. Der Faden wird auf einem Glasstab aufgewickelt und mit 50 mL einer Wasser- Ethanol-Lösung (Mischungsverhältnis 1:1) gewaschen.
Versuchsdurchführung:
Zu Beginn lagen zwei klare, farblose Flüssigkeiten vor. Sobald die zwei Flüssigkeiten in Kon- takt kamen, bildete sich eine trübe, farblose dünne Haut an der Grenzfläche der Flüssigkeiten.
Die Flüssigkeiten vermischten sich nicht und bildeten zwei Phasen Beobachtungen:
Phase wässrige
Phase organische
. Das
dünne Häutchen ließ sich mit einer Pinzette greifen und zu einem dünnen Faden ziehen. Das Häutchen wurde dabei stetig nachgebildet, so dass ein Endlosfaden entstand, der aufgewickelt werden konnte.
Abb. 2: Das gebildete Häutchen nach Abb. 3: Aufgewickelter Endlosfaden dem Vermischen
Abb. 4: Ein Stück des synthetisierten Nylonfadens
Nach Beendigung des Experimentes werden die beiden Flüssigkeiten mit einem Glasstab ver- rührt, bis sich kein Nylon mehr bildet. Nun wird der „Nylonklumpen“ mit einer Pinzette ent- nommen, mit Papiertüchern getrocknet und in den Feststoffabfall geben. Der synthetisierte Nylonfaden wird ebenfalls in den Feststoffabfall gegeben. Alle verbleibenden Flüssigkeiten werden neutralisiert und in den Sammelbehälter für organische Lösungsmittel gegeben.
Entsorgung:
Als Nylon wird eine Synthesefaser bezeichnet, die den in Wolle und Seide enthaltenen natür- lichen Fasern nachempfunden ist. Bei all diesen Fasern handelt es sich um Polymere, bei de- nen die Grundbausteine, die Monomere, über Peptidbindungen (-OC-NH-) verknüpft sind. Im Jahr 1939 begann in den USA die großindustrielle Synthese dieser neuen „Wunderfaser“.
Seinen großen Bekanntheitsgrad errang das Nylon durch seine Verwendung bei der Herstel-
lung von Damenstrümpfen. Es wird aber auch bei vielen anderen Geweben und in der Seil-
Fachliche Analyse:
produktion verwendet. Die Herstellung des historischen Nylons basierte auf der Polykonden- sation von Hexamethylendiamin mit Adipinsäure.
N H2
NH2
+
Hexamethylendiamin
O H
OH O
O n
- 2n H2O
n Nylon 6,6
N H
N H
N H O
O O
Adipinsäure
Es gibt unterschiedliche Nylonarten, die sich anhand der Länge der Kohlenstoffketten zwi- schen den Peptidbindungen unterscheiden. Diese unterschiedlichen Nylontypen werden mit Hilfe einer Kennziffer benannt. Bei der ersten synthetisierten Nylonfaser handelte es sich um Nylon 6,6. Die beiden Zahlen der Kennziffer beziehen sich auf die Länge der Kohlenstoffket- ten der jeweiligen Edukte. Dabei gibt die erste Stelle der Ziffer die Kettenlänge des Diamins, die zweite Stelle der Ziffer die Kettenlänge der Carbonsäure an.
Unter sehr einfachen Synthesebedingungen kann das Nylon 6,10 hergestellt werden. Hierbei werden Hexamethylendiamin und Sebacinsäuredichlorid als Edukte verwendet. Der Mecha- nismus verläuft analog zum Mechanismus des Nylons 6,6 und wird exemplarisch für beide Reaktionen betrachtet.
N
H2 NH2
Cl O
O
+ Cl
N+ N
H2 Cl
O O-
H
H Cl
N N H
H2 Cl
O O
N H
N C H
H3 O
O
O
n Nylon 6,10
Hexamethylendiamin Sebacinsäuredichlorid
- HCl (I)
(II)
Bei den verwendeten Edukten handelt es sich immer um Moleküle, die an beiden Kettenenden identische Funktionelle Gruppen tragen. Dies ist wichtig, um eine alternierende Addition der Edukte an das Ende eines Polymers zu erreichen. Zunächst greift das freie Elektronenpaar des Stickstoffs am C-Atom des Säurechlorids an. Im Anschluss daran klappt eines der Bindungs- elektronenpaare der O=Doppelbindung zum Sauerstoff, so dass dieser einfach negativ geladen ist.
Das Stickstoffatom, an das addiert wurde, trägt nun eine positive Ladung, so dass die Gesamt-
ladung des gebildeten Zwischenproduktes (I) insgesamt ausgeglichen ist. Dieser Zustand ist
jedoch nicht sehr stabil, so dass eins der freien Elektronenpaare des einfach negativ geladenen
Sauerstoffatoms erneut eine Doppelbindung zum Carbonyl-Kohlenstoff-Atom ausildet. Da
das gebundene Chlorid eine gute Abgangsgruppe ist, tritt es aus dem Molekül aus. Dabei
fängt es eins der Protonen des positiv geladenen N-Atoms ab. Der Stickstoff übt einen recht starken Elektronensog (Elektronegativität = 3,0) auf seine Bindungspartner aus, so dass das positiv geladene Amid besonders acide ist.
Das entstandene Dimer (II) ist mit einer Peptidbindung verknüpft. Da die beiden Kettenenden ebenfalls funktionelle Gruppen aufweisen, können weitere Monomere unter Kondensation von Chlorwasserstoff addiert werden. Da das Amid die einzige funktionelle Gruppe ist, die als Nucleophil fungieren kann, reagiert es selektiv mit dem Carbonsäurechlorid. Aufgrund der abwechselnden Addition der Monomere spricht man bei dieser Reaktion von einer alternie- renden Copolymerisation. Auf diese weise können große Polyamidketten mit Molekülmassen von 15000 bis 50000 u aufgebaut werden.
Um die Polykondensation besser regulieren zu können, kann eine Grenzflächenpolykondensa- tion durchgeführt werden. Dazu wird das Sebacinsäuredichlorid im unpolaren n-Hexan gelöst.
Das Hexamethylendiamin wird im polaren Lösungsmittel Wasser gelöst. Beim Überschichten der polaren wässrigen Lösung mit der unpolaren organischen Lösung bildet sich ein zweipha- siges System. Aufgrund der höheren Dichte von Wasser bleibt die wässrige Phase am Gefäß- boden. Die einzige Kontaktstelle zwischen den Flüssigkeiten bildet nun die Phasengrenze. Da für die Polykondensation beide Edukte benötigt werden, kann diese nur an der Grenzfläche ablaufen. Nach dem obigen Mechanismus bildet sich ein dünnes Häutchen an der Phasen- grenze. Sobald dieses Häutchen mit einer Pinzette entfernt wird, bildet es sich nach, so lange die Edukte in den Lösungen vorhanden sind.
Bei der Synthese von Nylon 6,10 bildet sich als Kondensat HCl. Um eine Depolymerisation durch die gebildete Säure zu verhindern, wird der wässrigen Lösung Natriumhydroxid zuge- setzt. Die gebildete Salzsäure ist sehr polar und löst sich gut in der wässrigen Phase. Dort wird das Proton der Säure sofort von einem Hydroxid-Ion abgefangen und zu Wasser umge- setzt. Das Gegenion zum Chlorid-Ion ist das Natrium-Ion.
O H OH
H
(+aq) + (−aq) → 2Nylonfasern sind sehr elastisch und gleichzeitig reisfest. Diese Eigenschaften sind auf die
Ausbildung von Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Polymeren untereinander zu-
rückzuführen. Dabei stehen die Amidbindungen der einzelnen Polyamid-Makromoleküle in
Wechselwirkung miteinander.
C
H3 N
H
N O H
O
CH3
CH3 N
H O N
H
O C
H3
n δ−
δ−
δ+
δ+
Diese Vernetzungen bewirken, dass Nylonfasern etwas elastisch sind und sich nach einer Dehnung wieder in die ursprüngliche Form zusammenziehen.
1. Einordnung
Methodisch-didaktische Analyse:
Der Versuch kann wie folgt in die Themengebiete des hessischen Lehrplans (G8) eingebettet werden.
Jahrgangsstufe u.
Unterrichtseinheit
Themengebiet
11G.2 Synthetische Makromoleküle: Klassifizierung von Kunststoffen; Auf- bau von Makromolekülen; Reaktionstypen zur Verknüpfung von Monomeren zu Makromolekülen (Polymerisation, Polykondensation, Polyaddition); Zusammenhänge zwischen Struktur und Eigenschaften;
Vor- und Nachteile bei der Verarbeitung und Verwendung; Umwelt- probleme bei der Herstellung, Verarbeitung, Wiederverwertung und Beseitigung.
12G.2 Natürliche und synthetische Makromoleküle und Feststoffgitter:
Kunststoffe (vgl. 11G.2): Klassifizierung (Duroplaste, Thermoplaste, Elastomere); Zusammenhang Struktur-Eigenschaften; Reaktionstypen zur Verknüpfung von Monomeren; Großtechnische Herstellung eines Kunststoffes; Polymere mit besonderen Eigenschaften (Hochtempera- turfeste Kunststoffe, Leiterpolymere, Carbonfaser, Kevlar, Verbund- werkstoffe; Klebstoffe, Speichermedien).
2. Aufwand
Alle für den Versuch verwendeten Geräte zählen zur Standardausrüstung einer Chemie Sammlung. Die Chemikalien werden mit Ausnahme des n-Hexans in geringen Mengen ver- wendet, so dass der Versuch keine großen Kosten verursacht. Das Experiment kann innerhalb einer Schulstunde durchgeführt werden. Sollte es als Schülerexperiment durchgeführt werden, so ist die Planung als Doppelstunde empfehlenswert. Insgesamt ist der Versuch gut für die Schule geeignet.
3. Durchführung
Der Versuch funktioniert sehr zuverlässig. Das gebildete Nylonhäutchen ist gut aus der Nähe erkennbar. Ist der Versuch als Demonstrationsversuch geplant, so sollte beachtet werden, dass die Schüler aus der hinteren Reihe nach vorne gehen müssen um diesen Effekt zu sehen. Das Ziehen des synthetisierten Nylonfadens kann gut von einem Schüler durchgeführt werden und ist auch aus größerer Entfernung gut zu beobachten. Dennoch ist es auch hierbei empfehlens- wert die Schüler aus der Nähe beobachten zu lassen, wie sich das Nylonhäutchen nachbildet.
Alle benötigten Chemikalien sind nach HessGiss für Schülerversuche ab der Sekundarstufe I freigegeben. Beachtet werden sollte hierbei, dass eine Ersatzstoffprüfung für n-Hexan vorge- schrieben ist. Dennoch eignet sich der Versuch gut als Schülerexperiment.
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Literatur:
Versuchsvorschrift aus:
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K. P. C. Vollhardt, N. E. Schore, Organische Chemie, Dritte Auflage, Wiley-VCH Ver- lag GmbH, Weinheim, 2000.
Flörke Wolff, Chemie, Sekundarstufe II, Verlag H. Stamm GmbH, Köln, 2000.
•
Reinhard Brückner, Reaktionsmechanismen, 3. Auflage, Elsevier GmbH, München, 2004.
•
HessGiss, V 11.0 – 2006/2007.
•
GESTIS-Stoffdatenbank; Zugriff: 03.06.09.
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Zugriff: 12.06.09.
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