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Thünen à la carte

Multitalent Wald: Klimaschutz als Ökosystemleistung

Margret Köthke,

Peter Elsasser,

Martin Lorenz,

Kerstin Altenbrunn,

Jürgen Meyerhoff,

Ulrike Hochgesand

Februar 2021

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2 MULTITALENT WALD: KLIMASCHUTZ ALS ÖKOSYSTEMLEISTUNG Thünen à la carte 8 - 2 · 2021

Ob Holzproduktion, Klima- und Naturschutz oder Erholung: Wälder erbringen vielfältige Leistungen für die Gesellschaft, viele davon als öffentliche Güter ohne Marktpreis. Die Bundesregierung

sieht mit ihrer Waldstrategie 2020 vor, den Wert dieser Ökosystemleistungen in politische

Entscheidungsprozesse zu integrieren – auch mit Hilfe der ökonomischen Bewertung. Ein Modell des Thünen-Instituts macht dies nun möglich.

REGIONALISIERUNG ÖKONOMISCHER WERTE VON WALDLEISTUNGEN: DAS REWALE-MODELL

Mit dem am Thünen-Institut entwickelten ReWaLe-Modell lassen sich die Werte wesentlicher Ökosystemleistungen der Wälder in Deutschland in ihrer regionalen Verteilung ermitteln und kartie- ren. Im Einzelnen werden der Beitrag der Wälder zum globalen Klimaschutz, die Erholungsleistung, die Leistungen für die Roh- holzerzeugung sowie für Naturschutz und Landespflege monetär bewertet.

Der ökonomische Wert jeder der oben genannten Waldleistun- gen wird anhand einer eigenen Bewertungsfunktion ermittelt, die den Zusammenhang zwischen der jeweiligen Leistung und ihrem Wert aus Sicht der Leistungsnachfrager beschreibt. Die ökonomi- schen Auswirkungen möglicher alternativer Waldbewirtschaftun- gen auf die Waldleistungen können im Modell berechnet werden.

Das Modell, das in einem geografischen Informationssystem (ESRI ArcGIS) implementiert ist, visualisiert die Ergebnisse auf Kreis- ebene mittels Landkarten.

ÖKOSYSTEMLEISTUNG KLIMASCHUTZ

Die Leistung der Wälder zum Schutz des globalen Klimas besteht darin, dass sie der Atmosphäre über die Photosynthese Kohlen- stoff entziehen und längerfristig primär im Ökosystem speichern.

Sekundär kann diese Speicherung nach der Holzernte in Holz- produkten fortgesetzt werden. Je nach Verwendung des Holzes werden dadurch auch emissionsintensivere Produkte und Pro- zesse ersetzt. Insgesamt reduziert dies den Anteil klimaschädli- cher Treibhausgase in der Erdatmosphäre, die ansonsten zu einer

weiteren Erwärmung des globalen Klimas beitragen würden. Ziel der Bewertung mit dem ReWaLe-Modell ist, den Wert dieser pri- mären und sekundären Entlastung der Atmosphäre für die deut- sche Gesellschaft darzustellen.

Die Bewertung der globalen Klimaschutzleistung erfolgt anhand der jährlichen Einbindung von Kohlenstoff. Diese Leistung wird in der Standardvariante des Modells, die den Status quo abbil- det, über den Waldzuwachs und die tatsächliche Holzernte laut Bundeswaldinventur (BWI) 2012 quantifiziert. Dazu werden mit verschiedenen Modellen der Zuwachs an oberirdischer Baum- biomasse hochgerechnet und die Speicherung in Holzprodukten sowie die Substitutionspotenziale abgeschätzt (siehe Schema auf Seite 5). Summiert über alle Gemeinden in Deutschland ergibt sich daraus eine Klimaschutzleistung der Wälder von 108 Millio- nen Tonnen CO₂ im Jahr. Bewertet mit aktuellen Preisen aus dem Emissionshandel beträgt der jährliche Nutzen der Klimaschutz- leistung der deutschen Wälder auf Basis des Netto-Zuwachses 2,1 Milliarden Euro.

Karte 1 zeigt die aktuelle Verteilung der Klimaschutzleistung der Wälder auf Kreisebene (bei Holznutzung gemäß BWI 2012). Die Höhe der Klimaschutzleistungen wird maßgeblich vom Wald- anteil im jeweiligen Kreis, der Baumartenzusammensetzung, der Altersklassenverteilung und dem Holzeinschlag bestimmt.

Wie Karte 1 zeigt, liegt die jährliche Klimaschutzleistung der Wälder in waldärmeren Regionen im Norden und Nordwesten sowie in großen Teilen Sachsen-Anhalts und Sachsens bei unter 4.000 Euro pro Quadratkilometer Landkreisfläche. Waldreiche Regionen mit einem hohen Anteil an Nadelbäumen wie etwa der

Multitalent Wald: Klimaschutz als Ökosystemleistung

Margret Köthke, Peter Elsasser, Martin Lorenz, Kerstin Altenbrunn, Jürgen Meyerhoff,

Ulrike Hochgesand

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3 MULTITALENT WALD: KLIMASCHUTZ ALS ÖKOSYSTEMLEISTUNG Thünen à la carte 8 - 2 · 2021

100 km Karte 1:

Regionale Verteilung der jährlichen Klimaschutz- leistung in 1.000 Euro je km

2

Landkreisfläche

≤ 2

> 2 bis 4

> 4 bis 6

> 6 bis 8

> 8 bis 10

> 10

Quelle: Thünen-Institut

Schwarzwald, der Bayerische Wald, der Spessart, das Sauerland, der Harz oder das Erzgebirge erreichen die höchsten monetären Werte – bis zu 14.500 Euro pro Quadratkilometer.

Mit dem ReWaLe-Modell kann über Szenario-Berechnungen dar- gestellt werden, wie sich eine geänderte Waldbewirtschaftung auf die Ökosystemleistungen der Wälder vor Ort auswirken könn- te. So zeigen die Karten 2 und 3, wie sich die Klima- und Rohholz- leistungen im Vergleich zur Nutzung gemäß Status quo verän- dern, wenn das gesamte Holz, das nachhaltig zuwächst, geerntet würde. Bei diesem Szenario ergibt sich für Deutschland insgesamt eine um 9 Prozent geringere Klimaschutzleistung im Vergleich zur Standardvariante, während die Rohholzerlöse um 17 Prozent stei- gen würden.

In den meisten Landkreisen würde die Nutzung des nachhaltigen Waldzuwachses mehr Holzeinschlag im Vergleich zum Status quo bedeuten. Ein höherer Einschlag führte zu höheren Rohholzerlö- sen, während sich die Kohlenstoffspeicherung im Wald verringern würde. Auch die Kohlenstoffspeicherung im geernteten Holz und die Substitutionseffekte der gestiegenen Holzverwendung könn- ten dies nicht kompensieren. In diesem Szenario würden sich die Klimaschutzleistungen der Wälder also reduzieren.

So sind die Vor- und Nachteile eines veränderten Holzeinschlags

in den Landkreisen zwischen Klima- und Rohholzleistungen in der

Regel gegenläufig. Deutlich wird jedoch auch, dass in 14 Prozent

der Landkreise (vor allem in Südbayern) eine Nutzung des nach-

haltigen Waldzuwachses im Vergleich zum Status quo sowohl für

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4 MULTITALENT WALD: KLIMASCHUTZ ALS ÖKOSYSTEMLEISTUNG Thünen à la carte 8 - 2 · 2021

100 km Karte 2:

Veränderung der jährlichen Klimaschutzleistung in 1.000 Euro je km

2

Landkreisfläche bei Einschlag des nachhaltig nutzbaren Zuwachses im Vergleich zum Status quo

≤ - 1,5

> - 1,5 bis - 1

> - 1 bis - 0,5

> - 0,5 bis 0

> 0 bis 0,5

> 0,5 bis 1

> 1

Quelle: Thünen-Institut

die Rohholz- als auch für die Klimaschutzleistungen Nachteile brächten. In 12 Landkreisen in der Region Thüringer Wald und im Sauerland würde die Nutzung des gesamten nachhaltigen Wald- zuwachses die Rohholzleistung deutlich reduzieren (5.000 bis 20.000 Euro/km²), während gleichzeitig die Klimaschutzleistung deutlich steigen würde (bis zu 1.000 Euro/km²). Dies ist auf die er- höhte Holzentnahme in diesen Gebieten zurückzuführen. Durch Sturmschäden nach dem Orkantief »Kyrill« wurde hier im Status quo-Szenario mehr Holz entnommen, als nachhaltig zuwächst.

AUSBLICK

Die Ergebnisse des ReWaLe-Modells ermöglichen es, regionale Werte unterschiedlicher Waldleistungen aus gesamtwirtschaftli-

cher Sicht systematisch zu vergleichen. Mit solchen Vergleichen lassen sich räumliche Leistungsschwerpunkte und Optimierungs- potenziale identifizieren und forstpolitische Entscheidungspro- zesse unterstützen (die Waldleistungen für die Erzeugung von Rohholz, Erholung und Naturschutz werden in weiteren Ausga- ben der Reihe Thünen à la carte dargestellt).

Für die Bundesregierung ist es von Interesse, die Potenziale des Forstsektors und der Holzverwendung zu nutzen, um sowohl nationale Klimaschutzziele zu erfüllen als auch darüber hinaus- gehende freiwillige Ziele zur Kohlenstoffreduktion zu erreichen.

Aktuell wird politisch diskutiert, die Klimaschutzleistung des Waldes in ein bundesweites Honorierungssystem zu integrie- ren und damit Anreize für die Forstbetriebe zu schaffen, die

100 km Karte 3:

Veränderung der jährlichen Rohholzleistung in 1.000 Euro je km

2

Landkreisfläche bei Einschlag des nachhaltig nutzbaren Zuwachses im Vergleich zum Status quo

≤ - 20

> - 20 bis - 10

> - 10 bis - 5

> - 5 bis 0

> 0 bis 5

> 5 bis 10

> 10

Quelle: Thünen-Institut

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5 MULTITALENT WALD: KLIMASCHUTZ ALS ÖKOSYSTEMLEISTUNG Thünen à la carte 8 - 2 · 2021

Klimaschutzleistung der Wälder aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit auch zu vergrößern. Dafür ist es notwendig, die Men- ge und den Wert der Klimaschutzleistung der Wälder zu kennen.

Dies wirft die Frage auf, welche Speicherkompartimente in Wäl- dern und Holzprodukten und welche Wertbestandteile berück- sichtigt werden sollen. Aber nicht nur das: Denn wie muss ein An- reizsystem im Detail gestaltet sein, damit es funktionieren kann?

Das ReWaLe-Projekt liefert eine ausführliche Diskussion über die Ausgestaltungsmöglichkeiten eines solchen Honorierungssys- tems.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR

ELSASSER, P.; ALTENBRUNN, K.; KÖTHKE, M.; LORENZ, M.; MEYER- HOFF, J. (2020): Regionalisierte Bewertung der Waldleistungen in

Deutschland. Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut.

Thünen-Report 79, 210 S.

ELSASSER, P.; KÖTHKE, M.; DIETER, M. (2020): Ein Konzept zur Ho- norierung der Ökosystemleistungen der Wälder. Braunschweig: Jo- hann Heinrich von Thünen-Institut. Thünen Working Paper 152, 42 S.

ELSASSER, P.; ALTENBRUNN, K.; KÖTHKE, M.; LORENZ, M.; MEYER- HOFF, J. (2021): Spatial distribution of forest ecosystem service bene- fits in Germany: a multiple benefit-transfer model. Forests 12(2) 169.

LORENZ, M.; ELSASSER, P.; ALTENBRUNN, K.; MEYERHOFF, J.; KÖTH- KE, M.; HOCHGESAND, U. (2020): Multitalent Wald: Rohholz als Ökosystemleistung. Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen- Institut. Thünen à la carte 8 - 1, 6 S.

Der Zuwachs des Derbholzes (gemäß BWI 2012) wird über Expansionsfaktoren auf die oberirdische Baumbiomasse hochgerechnet. Der im Holz gebundene Kohlenstoff wird anhand der Raumdichten der verschiedenen Baumarten bestimmt. Abhängig von der Höhe des simulierten Holzeinschlags erfolgt eine anteilige Zuordnung zu verschiedenen Kompartimenten: Ein Teil des Holzes verbleibt im Wald (lebend oder tot); ein Teil wird entnommen und stofflich und/oder energetisch genutzt. Die Art der Holzverwendung – mit unterschiedlich langen Lebensdauern und Recyclingquoten – wird auf Basis empirischer Durchschnittswerte abgeschätzt. Der Vorratsaufbau und -abbau der Wald-, Totholz- und Holz- produktespeicher wird bilanziert. Die Substitution energieaufwendiger Materialen und fossiler Energieträger durch die Holznutzung wird über entsprechende Substitutionsfaktoren berücksichtigt. (Kursiv: in der Standardvariante des Modells nicht berücksichtigt.)

Vorgehen zur Ermittlung und Bewertung der regionalen Klimaschutzleistung

Bru�o- Zuwachs Derbholz

Expansions- faktor

Oberirdische Baumbiomasse

Umrech- in C / CO₂ nung

Bru�o- Sequest-

rierung

Verbleib im Wald

(lebend) Vorratsau�au natürliche

Mortalität

Ernterückstände Vorratsaufbau * Zersetzgsfaktor

Stoffliche Verwendung

Vorratsau�au * Abbaufaktor

Stofflicher Subst.-faktor

Energe�sche

Verwendung Energe�scher Subst.-faktor Übrige

Kompartimente (als konstant angenommen)

ETS-Preise (indirekte Präferenzoffenbarung)

≈ Globale Schadenskosten (höchste Wahrscheinlichkeitsdichte, 1% Zins)

Wertpotenzial (Brutto-)

Realisierter Wert der ÖSL

A S D L O

Globale Schadenskosten (egalitäre Gewichtung , 1% Zins)

Marktwert Waldspeicherung

≈ Nationale Schadenskosten (kurzfristig)

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Zitationsvorschlag – Suggested citation:

Köthke M, Elsasser P, Lorenz M, Altenbrunn K, Meyerhoff J,

Hochgesand U (2021) Multitalent Wald:

Klimaschutz als Ökosystemleistung.

Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut, 6 p, Thünen à la carte  8 - 2, DOI:10.3220/CA1612261157000

Thünen à la carte 8 - 2

Februar 2021

Herausgeber/Redaktionsanschrift Thünen-Institut

Bundesallee 50 38116 Braunschweig Germany

thuenenalacarte@thuenen.de www.thuenen.de

ISSN 2363-8052

DOI:10.3220/CA1612261157000

Bilder: Thünen-Institut, Alrandir - stock.adobe.com

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