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Archiv "Der Eurotunnel: Eine Service-Röhre für den Notfall" (06.05.1994)

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Der Eurotunnel Eine Service-Röhre für den Notfall

Vor rund 10 000 Jahren wurde England vom Kontinent getrennt: Damals, es war gegen Ende der jüngsten Kaltzeit, durchbrach das Meer mit Urgewalt die schmale Landbrücke zwischen den heutigen Städten Calais und Dover. Seither ge- nießen die Engländer ihre splendid isolation.

Doch damit ist es jetzt vorbei. Am 6. Mai werden Frankreichs Präsident Fransois Mitterrand und die britische Königin Elizabeth II. den Eurotunnel offiziell eröffnen. Über dieses Bauwerk, seine Entstehungsgeschichte und sein Sicherheitssystem informiert der folgende Artikel.

VARIA DIE REPORTAGE

S

chon wenige Tage nach der Eröffnung sollen die ersten Züge rollen. In Spitzenzeiten werden alle zwölf Minuten Pendelzüge mit bis zu 200 geladenen PKW die Verladestationen in Frankreich und England ver- lassen. Das ganze dauert vom Einladen und der Zollabferti- gung bis zum Verlassen des Zuges auf der anderen Seite des Kanals nicht einmal eine Stunde. Das zumindest hat man am grünen Tisch errech- net. Rund zwölf Millionen Passagiere sollen, so eine Schätzung, im ersten Jahr die beiden Röhren durchqueren.

In zehn Jahren rechnet man bereits mit rund 40 Millionen Menschen pro Jahr, die den Eurotunnel nutzen.

Einfaches System

Schon seit 200 Jahren träumen Ingenieure vom Ka- naltunnel, dem Alptraum bri- tischer Generäle. Lange Zeit verhinderte vor allem die Angst vor Invasionen den Bau der Röhre. Bereits im Jahr 1802 legte der französi- sche Bergbau-Ingenieur Al- bert Mathieu-Favier der da- maligen Regierung Pläne für einen Tunnelbau vor. 1878 und 1880 begann man in San- gatte und am Shakespeare Riff bei Dover mit Grabungs- arbeiten, die ein britischer Parlamentsausschuß im Juli 1883 dann wieder stoppen ließ. Erst knapp einhundert Jahre später gab es erneut ernsthafte Pläne für einen Tunnelbau. Doch nachdem auf englischer Seite bereits

560 Meter gegraben worden waren, stoppte die Regierung in London 1975 erneut das Projekt. Den Briten war das Geld ausgegangen. Nägel mit Köpfen machten dann der französische Präsident Mitter- rand und Englands Premier- ministerin Margaret That- cher. Die beiden ließen Pläne für eine Brücke, einen Tun- nel und eine Kombination aus beiden Projekten erarbeiten.

Der Clou: Steuergelder soll- ten nicht verwendet werden.

Ein Konsortium aus fünf bri- tischen und fünf französi- schen Unternehmen erhielt den Zuschlag und machte sich an die Arbeit. Die Be- treiberfirma „Eurotunnel"

formierte sich und finanzierte das Projekt aus Krediten ei- nes internationalen Bankzu- sammenschlusses und Ak- tienverkäufen. Zu einem Drittel kommen die Mittel aus Japan, zu 18 Prozent aus Frankreich, zu 13 Prozent aus Deutschland und zu neun Prozent aus England. Übri- gens: Noch immer glaubt je- der zweite Engländer, durch den Tunnel würden sich Krankheiten auf die Insel übertragen.

50 Kilometer Tunnel wur- den in nur sechsjähriger Bau- zeit durch die Kreideschich- ten unter dem Ärmelkanal gebaut, mit 26 Milliarden Mark übrigens das zweitteu- erste Bauwerk der Welt. Nur der Itaipu Staudamm zwi- schen Brasilien und Paraguay war mit rund 30 Milliarden DM Baukosten teurer. Durch die zwei großen Röhren mit einem Innendurchmesser von 7,6 Metern rollen bereits Zü-

ge auf Testfahrten zwischen den bisher getrennten Län- dern England und Frank- reich.

Vorgesorgt ist auch für den Fall X. Was wäre, wenn in dem Tunnel ein Unfall pas- siert oder möglicherweise ei- ne Bombe hochgeht? John Noulton, Pressesprecher des Eurotunnels, sagte dazu:

„Höchst unwahrscheinlich, daß doch etwas passiert, aber wenn, wir sind vorbereitet."

Zwischen den beiden Zug- röhren verläuft ein dritter, kleinerer Tunnel mit einem Durchmesser von 4,8 Metern.

Und auf genau diesen Tunnel setzen Sicherheitsexperten, falls einmal ein Unfall passie- ren sollte.

Das System ist einfach.

Alle 375 Meter ist die Ser- vice-Röhre mit dem 50 Kilo- meter langen Tunnel quer verbunden. Doch die Service- Röhre ist für den Notfall, je- doch auch für den Normalfall gedacht: Für Wartungsarbei- ten an den Gleisen — Bau- material und Werkzeuge kön- nen so schnell zum Einsatzort gebracht werden. Die dazu notwendige High-Tech wurde übrigens von deutschen Wis- senschaftlern entwickelt. Für das Transport-System im Ser- vice-Tunnel entwickelte die Daimler-Benz-Forschung zu- sammen mit den Konzern- töchtern Mercedes-Benz und AEG unter anderem 24 Spe- zialfahrzeuge. Diese sind mit Wechselcontainern für routi- nemäßige Instandhaltungs- einsätze ausgestattet, die bei Bedarf durch Sanitäts- oder Feuerwehreinschübe ersetzt werden könnten. Mit ihren

abgeschrägten Fahrkabinen sehen die über zehn Meter langen und nur eineinhalb Meter breiten Fahrzeuge fast aus wie Straßenbahnen. Die Mercedes-Tunnelflitzer sind bis zu 80 Kilometer pro Stun- de schnell.

Fluchtweg

Wenden kann man im Tunnel natürlich nicht, daher sind die Wagen an jedem En- de mit einen Fahrerhaus aus- gerüstet. Der Abstand zwi- schen den Fahrzeugen bei Fahrten im Tunnel beträgt im Gegenverkehr weniger als zehn Zentimeter. Trotzdem bleibt der Fahrer gelassen:

„Ich brauche nur noch Gas zu geben, alles andere geht von allein". Möglich macht das Ganze ein elektronisches Spurführungssystem. Die AEG hat dazu eine induktive Spurregelung entwickelt. Die beiden Fahrspuren werden von je zwei wechselstromge- speisten Kabeln gelegt, die parallel im Tunnelboden in etwa zwei Kilometer langen Schleifen eingelassen sind.

Am Boden der Fahrzeuge sit- zen Antennen, die das ma- gnetische Feld dieser Schlei- fen aufspüren. Diese Signale steuern das Fahrzeug und las- sen lediglich eine Spurabwei- chung von maximal vier Zen- timetern zu. Um Hindernis- sen auszuweichen, kann der Fahrer, wenn er will, in die Lenkung eingreifen. Da der Service-Tunnel im Notfall als Fluchtweg vorgesehen ist, ist dieser Aufwand notwendig.

Schienengeführte Fahr- zeuge kommen als Transport- system nicht in Frage. Das Verkehrsleitsystem im Tunnel ließe sich auch auf „normale"

Straßen projizieren. Bequem und leicht könnte sich der Au- tofahrer in ein solches Spur- führungssystem einklinken und zum gewünschten Zielort führen lassen. Der Tunnel — seit 200 Jahren träumte man von der Realisierung — ist also auch weiter richtungweisend für die Zukunft (siehe auch

„Reise" in diesem Heft).

Wolfgang Büscher A-1306 (66) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 18, 6. Mai 1994

(2)

n er 50 Kilometer lange Eurotun- i' nel bei Calais, der am 6. Mai offi- ziell eröffnet wird (oben) • 24 Spe- zialfahrzeuge wurden für den Versor- gungstunnel entwickelt (Mitte oben)

• Die Fahrzeuge von Daimler Benz sind mit Wechselcontainern ausge- stattet (Mitte unten) • Die Einfahrt des Tunnels (links unten) • Der Container aus dem Spezialfahrzeug wird ausgewechselt (rechts unten)

Der Eurotunnel

Service-Röhre für den Notfall

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 18, 6. Mai 1994 (67) A-1307 VARIA

DIE REPORTAGE

Referenzen

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