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Mittelfristige Entwicklung. Kunstgeschichte und Wissenschaftsorganisation

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Academic year: 2022

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WERNER BUSCH

MITTELFRISTIGE ENTWICKLUNG

Kunstgeschichte undWissenschaftsorganisation

Die Auswirkungen der so genannten „Exzellenzbildung“ und der Reformbestre­

bungen an deutschen Universitäten führen fachübergreifend zu veränderten Lehr- und Studienbedingungen. Am augenscheinlichsten treten diese dort zu Tage, wo die Forschung gegen die Lehre ausgespielt wird und ein Streit um Kompetenzen und Förderungsmittel einsetzt.

Für die konkrete Praxis der Kunstgeschichte hat dies zur Folge, dass ganze Fachgebiete in Forschung und Lehre an Bedeutung verlieren und produktive Um­

wege im akademischen Lebenslauf nicht vorgesehen sind. Wie steht es um Gegen­

wart und Zukunft des Fachs zwischen Drittmitteleintreibung, Bolognaprozess und Methoden-Diskussion?

Dies ist der Beitrag einesälteren, etablierten Kunsthistorikers,dersich jedoch, so hofft er, nicht die Neugierde auf die Fortentwicklungder Kunst­ geschichtedurch eine jüngere Generation hat nehmen lassen. Gewünscht war eineArt Erfahrungsbericht über den Umgangmit dem Fach in metho­ discher undinstitutioneller Hinsicht, vor allem aber eine Reflexion über die Interaktion von institutionellen Bedingungen undder Formkunsthisto­ rischerForschungaus deutscherSicht. Zu fünf Punkten, die notwendiger­ weise Zusammenhängen, sei kurz Stellunggenommen:

i. Zu den Auswirkungen der Situation derWissenschaftsförderung auf die Wissenschaft. DadieWissenschaftsförderung ausschließlich Eliteförde­

rung darstellt, dieohn’ Unterlass auf „Europa“ zielt (man könnte sagen:

Förderung nach EU-Norm), hat dies unmittelbar 2.Auswirkungenaufdas Verhältnis von Forschung und Lehre. Forschung,auch indenGeisteswis­ senschaften, ist offenbarnur nochim Verbundzu denken. Schwer manö­

vrierfähigeTankerlaufen aus dem Hafen, der individuelle Forscher fügt sich diesem oder jenem gerade gefragtenDiskurskontext.Lehre wird, allen gegenteiligenBehauptungen zum Trotz, zweitrangig und möglichst von einem„bloßen“ Lehrpersonal übernommen, als ginge es nichtdarum, neue Erkenntnissein der Lehrezu erproben und in denErkenntniskreis­ lauf einzuschleusen. Dies hat 3. Auswirkungenauf ein jedes Fach,soauch die Kunstgeschichte, dieim Moment imFörderzusammenhangprimär als Bildwissenschaft reüssiert. Unzeitgemäßes, gegendenTrend Gedachtes hat es schwer.Das Einklagen einer historischen Dimensioninder Bildwissen­ schaft, dasgegen ihre bloße Anthropologisierung geltend gemacht wird, löst eher ein mitleidiges Schulterzucken aus. So schnurren die Jahrhunderte zueiner Bildtypologie zusammen, dieihre Rechtfertigung allein aus der Originalveröffentlichung in Texte zur Kunst 16 (2006), Nr. 62, S. 86-95

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medialen Verfasstheit der Gegenwart bezieht. Genauso verhält es sich 4.

mit einer Kunstgeschichte, die sich allein als Kulturgeschichte versteht. Bei allerSelbstverständlichkeitund Notwendigkeiteiner kulturgeschichtlichen Ausweitung auch kunsthistorischerFragestellung: Es droht der eigentlich kunsthistorischeGegenstand doch zumbloßen Beleg für Entwicklungenim Großenzu werden, und das Kunstwerk hat wirklichmehr zu bieten - was zum 5.Punktführt.Wird das Werk zumbloßen Beleg, interessiert sein be­ sonderes So-Sein nicht mehr eigentlich, und Kernkompetenzen des Faches brechen weg, mangelsInteresse. Was nicht zu wissen notwendig erscheint, wird irgendwannnicht mehrgewusst. Doch kann es nichtum ein konser­ vatives Festhalten am Althergebrachten gehen, sonderndie Kernkompe­

tenzen müssen von der Gegenwart undder Erfahrung der Gegenwartskunst her neu belebt werden. AndieserDialektik arbeitenwenige.

1. DieBemühungen der Hochschulpolitik um Exzellenzerzeugungführen anden Universitäten zueinerZweiklassengesellschaft. Der Wettbewerb der Universitätenum die Förderfleischtöpfebewirkt eine einseitige Konzentra­ tion aufdie Bildung von „Exzellenzclustern“. An der Universität haben wir auf der einen SeitedieDrittmitteleinwerber, die einen(viel zu) gutenTeil ihrerZeit mit Antragstellungund Wissenschaftsmanagement zubringen, dafüraber belohnt werden. Der Teufelscheißt aufden größten Haufen:

Weitere Projektförderungen gehen leichter vonstatten, haben größere Aussichtenauf Genehmigung, von den dadurch vermehrten Leistungs­

mitteln kann Weiteresgefördert werden etc. Auf der anderenSeite die Drittmittelresistenten, die sich nichtseltenaufdie Lehrereduziert sehen, ihrImagewert ist nicht annäherndsohoch.Ihnen fehlt ein Ausweispapier, das nachgefragtwird. Was nützt es mirinden Augen der Öffentlichkeit, Hunderte vonStudentenausgebildetzu haben, wenn ich dadurchmeine Publikationsliste verkürze - woheute ein Punktesystem Publikationen bewertet und primär danach der„Marktwert“ berechnet wird. Warum darf ichnicht ein,ja vielleicht gar zwei Jahre Publikationspausemachen, um nachzudenken, aufzutanken,Neues zu planen. Ganz einfach: Das Ranking verträgtes nicht. Die Universitäten, genauer:dieimagefixierte Universi­

tätsspitze wünscht heute Graduiertenkollegsund Sonderforschungsbereiche (ich bin Sprecher eines ziemlich großen).Beide Einrichtungen hinterlassen notwendig auch zwiespältige Gefühle. Einerseits können Begabte eine ganze Zeit lang ungestört forschen bzw.weiterforschen,der Austausch vor allem der Kollegiaten untereinander erweist sichalshöchst produktiv. Anderer­ seitswird das Berufseintrittsdatum nichtselten vertagt. Man ist ineine Fülle vonGruppenaktivitäteneingebunden,die Konzentrationauf das Eigene wird durch immer neue Diskurseröffnung vonaußennicht nur befruchtet.

Der Übergang inden Berufkann dadurch entschieden erschwert werden - wennplötzlich dieUniversitätskarriere durch die steigende Konkurrenzin weite Fernerückt.Ichhabe zuletztin einer Fülle von Berufungskommissio­

nen auch außerhalb Berlins gesessen. Von,sagen wir, achtzig Bewerbungen

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Werner Busch

sind mir inzwischen sechzig gutvertraut.Fast alle Bewerberinnen und Bewerbersind gut ausgewiesen: zwei Standbeine,Auslandsaufenthalte, eine Publikationsliste, die sichsehenlassenkann. Und dochweiß ich, dass kaum eine weitere Bewerbung aus diesemPersonenkreis erfolgreich sein wird.

Beide Einrichtungen - GraduiertenkollegsundSonderforschungsbereich

— sind extrem theorielastigund diskursfixiert: Überbau wirdproduziert, dem nichtselten der Unterbaufehlt. Diskurskompetenz ja, Gegenstands­ kenntnis nein. Bei derAnthropologisierungderKunstgeschichte in der Gegenwart führt dies zueiner Enthistorisierung. Kunstsoziologie einerseits und Kennerschaft andererseits erscheinen geradezu alsverdächtig, selbst wenn „bloße“Kennerschaft natürlich als ein konservatives Distinktionsmit­

telherhalten kann, was aber ein Differenzierungsvermögen als solchesnicht diskreditierenkann. DasWerkdroht allenfalls zumAnlass selbstzweckhafter intelligenter Reflexion über verallgemeinerte Phänomene undSchlüsselbe­

griffezuwerden. Das Theorie-Praxis-Verhältnis erscheint, höflich ausge­

drückt, unausgeglichen. Der„Exzellenznachweisdruck"raubt auch den intelligentesten StudentendieZeit herauszufinden,wassie eigentlich ganz existenziell am Fach undseinen Gegenständen interessiert. Die Diskurshop­

perei befriedigtpunktuell, macht aber nicht satt, vielleichtallerdingserfolg­ reich. Kurz: Dieprimären Wissenschaftsförderinstrumente heben zweifels­

ohnedas Niveau, bremsen jedoch auch individuelle Entfaltung, aus der ein Gutteil unserereigentlichen neuen Erkenntnisse resultiert. Kein Nebenweg erscheint erlaubt,es seidenn,er hat den Zeitgeist auf seinerSeite. Ist das zu konservativ gedacht?Ich glaube insofern nicht, als diesorgfältige Betrach-

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1 Adolph Menzel, „Moltkes Ferngläser", 1871

2 Joseph Wright of Derby, „Experiment mitLuftpumpe“,1768

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tungindividueller Lebensläufe, geradederinteressantesten undkreativsten Nachwuchskunsthistoriker/innenzeigt, dass sie zum mindesten einen grundsätzlichen Umweg gewählthaben und alsVerwandelte zurückgekehrt sind.Dafür braucht es selbstbestimmte Zeit, die die Institutionen und ihre Instrumente nicht vorsehen. Es ist wie inder Schule: Die Lehrer haben uns geprägt,die nicht Mainstream-oder Zeitgeistjäger waren.

2. Der Teufelskreis in Deutschlandbesteht darin,dassden Lehrenden immer mehr anSelbstorganisationundwissenschaftspolitischer Eigeninitiative abverlangtwird,während das unterstützendePersonal reduziert wirdund die Zahl der Studenten pro Lehrenden, wenigstens in Berlin, immer noch ansteigt und deren „Verwaltung“ immeraufwendigerwird.Vorwenigen Wochen hat Michael Fried von Johns Hopkins beiuns im Rahmen des Sonderforschungsbereiches626 „ÄsthetischeErfahrungimZeichen der Entgrenzung der Künste“ einen Vortrag gehalten. Danach habe ich einen wundervollen Tagmit ihmin Dresdenverbracht, u.a. in der Menzel-Aus­ stellung. Bei den langen Zugfahrten haben wir spielerisch deutsches und amerikanischesUniversitätssystem miteinander verglichen. Nun weiß ich durchaus von derMittelmäßigkeit der amerikanischenProvinzuniversität undvon den immensen privatenMitteln, dieden Eliteuniversitäten zur Verfügungstehen, doch zweierlei bleibtdennoch festzuhalten:

MichaelFried sitzt mit sechsbis acht Graduate-Studenten im Seminar, ich mit hundertbis zweihundert imHauptseminar. Erhat die Möglichkeit, ziemlich regelmäßig „frei“ mitStipendienzu forschen, eine Fülle von För­

derinstitutionen auch privater Herkunft steht zur Verfügung. Wer bei uns fürein halbes oder gar einganzes Jahr „aussteigt“, umzuforschen, gefähr­

det die Lehre,erstrechtinBachelor-Zeiten, die ausgeprägtforschungsfeind­

lichsind.Was an deutschen Universitäten fehlt, ist die mittlere Ebene, die es einstmals mit akademischenRäten und Rätinnen gab.Das bei der deutschen Situation inZukunft notwendige E-Learning müsste für die Bachelor-Stu­

diengängein ein (durchaus individuellauszugestaltendes und zu verän­ derndes) Kursussystem gebracht werden- so sehrdies einemGeisteswis­

senschaftler gegen den Strich gehen mag. InBerlinhaben wir versucht, uns auf die neuen Anforderungen vorzubereiten.Wir haben das „Funkkolleg Kunst“ (ingewisserHinsicht zu vergleichen mitdem offenen Bildungsange­

bot derenglischen„Open University“) von 1983-85,das immerhin 42000 Kollegiaten zählte, vondenen 15 000 eineAbschlussprüfung gemacht haben, grundsätzlich unter Beteiligung aller damaligen Autoren durch vier wis­

senschaftlicheMitarbeiterinnen und eine Füllevon Computerspezialisten überarbeiten lassen und stellenes jetzt unter demTitel „Schule des Sehens“ mit Hunderten vonzusätzlichenLinks und Abbildungen ins Netz.Es stellt immernoch eineFunktionsgeschichte der Kunstdar. Das Unternehmen ist bewusst als ein Curriculumfür den Bachelor angelegt, inBerlin wird bereits, unterstütztvon Mentoren, danach unterrichtet. Wir bieten es dem Fach an,werden Erfahrungsberichte ausder Unterrichtspraxis veröffentli­

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chen. Um jedoch mit der Funktionsfragestellung nicht einseitig dazustehen und um einweiteres chronologischstrenger geordnetes, gegenständlich umfassenderes,aber methodisch offenes vollständiges Curriculum der Kunstgeschichte zuentwerfen, habe ich mich an der Gründung undHeraus­

gabeder „Kunsthistorischen Arbeitsblätter“ beteiligt. Hierwurde eine zu­

meistjüngereGeneration von Kunsthistorikernaufgefordert,den Standder Forschung auf vorab formulierten Teilgebieten des Faches zu formulieren.

Nach längerer Diskussionsind wirdabei strikthistorischverfahren, waren uns der Grenzeneiner derartigen Häppchenmethodedurchausbewusst, wollten aber primärdie Fülle des Faches zum Vorschein bringen, um zu frühem studentischem Auswählen und Sich-Beschränkengegenzusteuern.

Über das Konzept mag man streiten, doch erwies essich wieder (wie beim Funkkolleg), wie schwer es deutschen Kunsthistorikern - imGegensatz zu angelsächsischen - nach wie vor fällt, selbst daseigene Spezialgebiet überblicksartig darzustellen. Der Durchgang durch alle Bereiche derKunst­

geschichte ist ebenfalls gerade abgeschlossen und steht damit aucheiner Integration inBachelor-Studiengänge zur Verfügung. Die studentische und professorale „Freiheit“ müssteauf derartigenCurricula im fortgeschritte­

neren Stadium des Studiums aufbauen.Das führt zueiner klarenScheidung von Vermittlung vonGrundlagenwissen und selbstgestalteter wissenschaft­ licher Beschäftigungmitdem Gegenstand.

3. Hier kann keine wirklichetheoretische Erörterungstattfinden, nur so viel: Der Erfolgder Bildwissenschaften wäre ohne dasEinsetzen des in Deutschlandlange verabsäumten Forschungsinteresses am Verhältnis von Kunst und Naturwissenschaften nicht möglich gewesen,die Öffnung zu den bildproduzierenden Medien vollzog sich entwederüber die Gegen­ wartskunstselbst oder eben über dieses Forschungsinteresse.Jede Form von bildwissenschaftlicher Weltaneignung wurde zum (legitimen) Thema, die Forschung lief jedochauch Gefahr, denprimär kunsthistorischen Zu­

gangmit facheigenenWerkzeugen bei der Behandlung neuerThemen zu vergessen. Alsehemaligem Warburgianer ist mir die Forderung nach einer breiten Bild- und Mediengeschichte mehr als vertraut, und sie erscheint mirauch notwendig, zumaldieGegenwartskunstnicht nuralle Bildmedi­ en nutzt, sondernüber denBildcharakter selbst indieser oder jener Form reflektiert. Entgrenzung der Künsteund Grenzerweiterung der Disziplin Kunstgeschichte sind zwei SeiteneinerMedaille. Um (gedanklich) inder Gegenwartankommen zukönnen, scheint mir allerdingseine historische Bildwissenschaft unerlässlich-und die Geschichte beginnt nicht erst im

19. Jahrhundert.Zuletzthates Angriffe aufdiezuhoch geschraubten An­

sprüche einer allgemeinen Bildwissenschaftgegeben.Ichwürde eher die bloße Anthropologisierungvon BildundBildgebrauch fürfragwürdig hal­ ten, schließlichträgtauch eine reine Wahrnehmungspsychologie nichtallzu weit. Altmodischwürde ich fordern, dass die Bilddiskurse nicht beständig ohnedie Analyse bestimmter Bilder geführt werden unddie Analysever­

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fahren imbeständigen Rekursauf dieGegenstände reflektiert werden. Will mandie ja nun dochweit reichende Geltungsmacht derBilder nichtabsolut setzen,dann muss es doch wohlum die Herausarbeitung derje historischen Dimensionen, ihrer Entstehungsbedingungen, ihrer materiellen Beschaffen­ heit, ihrer strukturellenAnlage, ihrer WirkungsmechanismenundRezepti­

onsformen gehen. Im Moment scheintmir, besonders wasdie Kunst vor der Gegenwartskunst angeht,von den genannten Faktorendie Frage nach der materiellenBeschaffenheitzentral sein zumüssen. Beispiel: Gemäldetech­

nologie ist so weitentwickelt, dass wir über Werkprozesse mehr und mehr wissen und aus denProzessformen Rückschlüsse auf Weisen der Bedeu­ tungsgenerierung - ihrer Möglichkeitenund Grenzen - ziehen können.

Daskannfür unausgeschöpfte, aber auch unausschöpfbare Bildpotenziale sensibilisieren. Zudem, dassollte sich herumgesprochen haben,gilt es,die Erkenntnispotenziale der nicht-künstlerischen Bilder zu verstehen, um das

„surplus“ der künstlerischen Bilder erkennen zu können, aber auch die Interaktion beiderBereiche, die sicher nicht sauber zu trennensind, inden Blick zunehmen. Selbst wenn zuzugestehen ist, dass die naturwissenschaft­ lichen Visualisierungsverfahren heute dominierenund den künstlerischen den Rang ablaufen und auch ihrästhetisches Wiedereinfangenwollensich eher als ein RufeninderWüste erweist,so sollte das die Kunstgeschichte nichtverzweifeln lassen. Es ist auch unsere Aufgabe, differenzierte Bild-, Wahrnehmungs- und Darstellungsphänomenein kunsthistorischer Sprache präsentzu halten.Die Kompetenz, über Bilder zu sprechen,drohtverloren zu gehen.Einvon HorstBredekamp und mir 2004 organisiertes vw-Kol- loquium zumVerhältnis vonKunst undNaturwissenschaften mit völliger Dominanz der Naturwissenschaftler hat eindrucksvoll gezeigt,dass die Naturwissenschaftlerihren Umgang mitBildernnichteigentlich beschrei­

benkönnen. Hier hat unser Fach einenAnspruchzu verteidigen,und sei es „nur“, um bildnerische Wirklichkeitsbewältigungsformen bewusstzu halten.

4. Natürlich ist Bildwissenschaftauch eineForm der Kulturgeschichte, wobeiLetztere jedochden umfassenderen Anspruchstellt,Sozial-,Wirt­

schafts- und Politikgeschichein sich greift. Auchhier, keine Frage,ist die Berechtigung eineskulturgeschichtlichenZugriffs gänzlich unbestritten.

Nur: Kulturgeschichte kann zwardie Bedingungen des Kunstwerkes klären und im Idealfall auchseine medialen Voraussetzungenin den Griff bekom­ men,es fragt sich allerdings, ob sie auch überzeugende Aussagen überseine ästhetischen Potenzialeund somitseineselbsteigeneVerfasstheit und die daraus resultierenden Erkenntnismöglichkeiten machenkann. Kulturge­

schichte - der Vorwurfist ein alter Hut, aberdamit nicht weniger berech­

tigt — nutzt das Werk alsBeleg,nichtals eigenständiges Erkenntnis-bzw.

Reflexionsmedium, das nur der Untersuchung seiner medialen Verfasstheit undkünstlerischen Gestaltungsform zuentnehmen ist.

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Werner Busch (Hrsg.)

FUNKKDLLEG

KU N ST

Eine Geschichte der Kunst imWandel

ihrer Funktionen

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5. In der Praxisdrohen der Kunstgeschichteganze Kernbereiche und damit Kernkompetenzen wegzubrechen - esfehltgut ausgebildeter Nachwuchs etwa für Kupferstichkabinette oder Kunstgewerbemuseen. Da in Muse­

umsbereichen, dienicht ausgeprägt publikumswirksam sind, zudemam ehesten Stellengestrichen werden, schrumpft zurzeit eine ganzeReihe von Fachsektoren.Langewar es mein Ehrgeiz, Hochschulnachwuchszufördern, heute setzeichmindestenssosehr aufdie Stärkung von„Randbereichen“. Wiekann man dieEntwicklung steuern, ohnesich imbloßen Lamentie­

renzu erschöpfen? Beispiel Zeichnung: Es wäreein Leichtes, aufzuzählen, wo überall in den Kabinetten indenletzten Jahren Stellennicht wieder besetztwurden. Wennsienichtganz wegfielen, wurdensie demAusstel­

lungswesenundder Kunst der Modernezugeschlagen. Andererseits gibt es Entwicklungen,die Hoffnungmachen: Zumeinen ist der Kenntnisstand insbesondere zur Geschichtedruckgrafischer Technikenund ihrer mate­ riellen Beschaffenheitauf einhohes Niveau gebrachtworden (siehe die Zeitschrift Print Quarterly), zumanderen ist Zeichnung als Medium vonden verschiedensten, die Fachgrenzen deutlich überschreitenden Gesichtspunk­

ten aus erforscht worden, alleininallerletzter Zeit hates interdisziplinäre Kolloquien zur Zeichnung in Berlin,Hamburg oder Wien gegeben, die die ästhetischen und epistemischenDimensionen der Zeichnung untersucht haben. Graphologie, Diagramme, computergesteuerte Entwürfe, Zeichnung als Spur etc.waren Thema.Dieses Interessehat Rückwirkungen auf die klassische Zeichnungsforschung,diesich endlichzu reflektierter Hand­

zeichnungswissenschaft zuentwickelnscheint (siehe die Arbeiten von Stephen Bann und David Rosand). Auf dieseGrenz- und Methodenerweite­

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rung hätten sich allerdingsauchdie Kabinetteselbst einzustellen, indemsie die RelevanzihresErkenntnisinteresses neuformulierten und auch erweitert sammelten. Die Kernbereiche und -kompetenzen, um es sozu sagen, sind nurzu retten durch Neudefinition.ZuJacquesDerridas „Aufzeichnungen eines Blinden“oder RegisMichelsPsychologismen im Louvre Cabinet kann man sicher manches sagen,aberman kannauch nicht leugnen, dasssie den Blickwinkel aufdas grafische Medium erweitert haben. Man musssich diesen Erweiterungen nur stellen—auf der Basis klassischer Kompetenzen, diees auchin der Lehre zu bewahren gilt.Die Geschichte der Kunst ist auch undgerade von der Moderne und Gegenwartskunst herzu legitimieren.

Allerdings findet ein Gutteil der avanciertesten Forschung zur Gegenwarts­ kunst außerhalb derklassischenUniversität statt. Die politisch engagierten Kunsthistorikerder 1968er Generation sindnichtseltenaufAkademien, Fachhochschulen oder universitäre Neugründungen„ausgewichen“, ähnlich verhält es sich heute mitden über zeitgenössische KunstArbeitenden. Es gilt, ihre Kompetenz indie Universitätzurückzuführen. Das ist durchaus eine Herausforderung,denn über weiteStrecken können sich die Vertreter der beiden Seiten nicht mehr wirklichverständigen. Die Universität droht, in klassischer Formzu ersticken, den außeruniversitären Vertretern der GegenwartskunstdrohtSolipsismus.

Fazit: Nur nicht verzagen, Theorie und Geschichtein ein Verhältnis wech­ selseitigerBefruchtung bringen und dem individuellen Werk genugLuft zumAtmen lassen, sodass es uns auch fürNuancenvonWirklichkeitsverar­

beitung sensibilisiert.

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