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Archiv "Zur Pharmakologie von Opioiden" (05.02.1981)

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ÜBERSICHTSAUFSATZ

1. Einleitung

Bei den Opioiden handelt es sich um eine Gruppe von Pharmaka, die in chemischer Hinsicht zwar äußerst heterogen sind, aber alle mit be- stimmten chemischen Gruppen an der Zelle, den Rezeptoren, reagieren und als Folge dieser Interaktion stark analgetisch wirken. Charakte- ristisch für diese Gruppe ist ferner ihr starkes „Suchtpotential". Der Name „Opioide" leitet sich von

„Opium" ab, das nach Deutsches Arzneibuch 7 „der aus angeschnitte- nen, unreifen Früchten von Papaver somniferum Linnö gewonnene, an der Luft getrocknete Milchsaft" ist und das als wichtigsten Bestandteil Morphin (früher „Morphium" ge- nannt) enthält, die erste rein darge- stellte Substanz dieser Gruppe.

1.1. Geschichte

Die Wirkungen der Inhaltsstoffe des Schlafmohns waren offensichtlich schon in der Antike bekannt. Papa- ver somniferum wurde wahrschein- lich zuerst in den an das östliche Mittelmeer angrenzenden Regionen angebaut, später verbreiteten arabi- sche Händler die Kenntnis dieser Pflanze in Indien und China. Der Na- me Opium ist von dem griechischen Wort önög abgeleitet, weitere alte Bezeichnungen waren Mekonium und Laudanum, ein Ausdruck, der wahrscheinlich von Paracelsus ge- prägt wurde. Spätestens zu Paracel- sus' Zeit (Anfang des 16. Jahrhun- derts) waren die wichtigsten Wirkun- gen von Opium in Europa gut be- kannt.

1938 wurde als erstes synthetisches Opioid Pethidin (Dolantin®) in die Therapie eingeführt, etwas später der erste Opioid-Antagonist Nalor- phin. 1975 wurde zuerst die chemi- sche Struktur von zwei endogenen Opioiden, den Enkephalinen, ermit- telt*). Als Beispiel für die chemi- sche Struktur seien zwei wirksame Opioide (Agonisten), nämlich Mor- phin und Pethidin gezeigt, die sich chemisch stark unterscheiden, fer- ner Naloxon als Antagonist (Darstel- lung). Die Entdeckung von kom- petitiven (um wirksame Opioide konkurrierenden) Opioid-Antagoni- sten legte die Annahme nahe, daß bei der Interaktion dieser Substan- zen mit der Zelle spezifische Rezep- toren in Funktion treten und daß nur Substanzen, die bestimmte che- mische Voraussetzungen erfüllen, Opioid-charakteristische pharmako- logische Effekte zeigen. Trotz zahl- reicher Struktur-Wirkungs-Untersu- chungen sind diese chemischen Voraussetzungen bisher noch nicht eindeutig geklärt worden, obgleich zahlreiche Hypothesen aufgestellt wurden.

1.2. Rezeptoren

Die Wechselwirkung von Opioiden mit ihren Rezeptoren bewirkt über zahlreiche, noch keineswegs voll- ständig geklärte Verstärkermecha- nismen Veränderungen in der Zelt- funktion (in der Regel von Zellen des zentralen oder peripheren Nervensy- stems), die charakteristisch sind für diese Gruppe von Pharmaka. Opi- oide können aber auch an andere Strukturen gebunden werden, wobei

In diesem Beitrag werden die wichtigsten pharmakologi- schen Effekte der Opioide be- handelt, wobei besonders auf die molekularen und zellulä- ren Wirkungen und die vermu- teten Mechanismen, die zur Abhängigkeit führen, einge- gangen wird. Auch die Proble- matik der Methadon-„Substi- tution" wird kurz diskutiert.

diese Interaktionen jedoch entweder überhaupt keine oder doch keine al- len Opioiden gemeinsamen Wirkun- gen hervorrufen. Die quantitative Differenzierung derartiger unspezifi- scher Bindungsstellen von echten Rezeptoren ist erst vor einigen Jah- ren gelungen. Dieser Fortschritt, kombiniert mit der Einführung äu- ßerst empfindlicher biologischer Testsysteme (zum Beispiel elek- trisch gereizte Präparationen des Meerschweinchen-Ileums), ermög- lichte die Entdeckung und chemi- sche Charakterisierung von Sub- stanzen mit Opioid-Wirkungen, die im Organismus synthetisiert wer- den. Die beiden zuerst entdeckten Substanzen wurden Enkephaline genannt (nach dem griechischen .y.xcpakog = Gehirn) und sind Pepti- de mit je fünf Aminosäuren; wenig später entdeckte man weitere endo- gene Opioide und gab ihnen den Namen „Endorphine" (= endogene Morphine).

2. Pharmakologie

2.1. Wirkungen auf zellulärer Ebene Opioide hemmen die Depolarisation von Nervenzellen, die durch be- stimmte exzitatorische (Membranen erregende) Überträgersubstanzen (zum Beispiel Acetylcholin) hervor- gerufen wird. Ferner verhindern sie in geeigneter Konzentration die durch Prostaglandine E hervorgeru- fene Erhöhung der Konzentration an zyklischem Adenosin-Monophos-

*) Schulz, R.: Körpereigene Opiate — Endor- phine, DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 75 (1978) 2255-2260

Zur Pharmakologie von Opioiden

Klaus Kuschinsky

Aus dem Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin Abteilung Biochemische Pharmakologie

(Direktor: Professor Dr. med. Walther Vogt)

in Göttingen

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Opioid-Abhängigkeit

phat, einer Substanz, die zahlreiche, von Rezeptoren ausgehende Signa- le in das Zellinnere vermittelt. Ferner scheinen sie das Einströmen von.

Calcium-lonen in das Zellinnere zu hemmen. Schließlich vermindern sie die Freisetzung verschiedener ner- vöser Überträgerstoffe (zum Beispiel Acetylcholin, Noradrenalin, Dop- amin, Substanz P), dies aber nur in bestimmten Bezirken des Nervensy- stems. Eine alle diese Befunde um- fassende Theorie steht noch aus.

2.2. Analgetische Wirkung

Die schmerzstillende Wirkung ist der vom therapeutischen Standpunkt aus gesehen bei weitem wichtigste Effekt. Diese Wirkung ist wahr- scheinlich die Resultante von Opio- id-Rezeptor-Wechselwirkungen auf verschiedenen Ebenen des Zentral- nervensystems. Opioid-Rezeptoren wurden in bemerkenswert hoher Dichte an verschiedenen Stellen ge- funden, die für die Schmerzfortlei- tung und -empfindung „strategisch"

wichtig sind:

• In den Hinterhörnern des Rük- kenmarks erfolgt die erste Umschal- tung der schmerzfortleitenden Si- gnale. Vermutlich sind Opiat-Rezep- toren auf Endigungen primärer affe- renter Neurone lokalisiert und ver- mitteln eine Hemmung der Freiset- zung von Substanz P, einem Peptid, das eine Rolle bei der Schmerz-Fort- leitung zu spielen scheint.

O Im zentralen Höhlengrau des Mit- telhirns sind ebenfalls zahlreiche Opioid-Rezeptoren lokalisiert. Von dort aus wird offensichtlich eine Neuronenkette aktiviert, die nach mehreren Umschaltungen zum Rük- kenmark absteigt und deren letztes Glied Serotonin als Überträgerstoff

enthält. Eine Aktivierung dieser neu- ronalen Prozesse führt offenbar zu einer Hemmung der von den Hinter- hörnern des Rückenmarks nach oben fortgeleiteten Schmerzsignale.

Die Opioid-Rezeptoren in

O dem medialen Thalamus, der Af- ferenzen vom aufsteigenden retiku- lären System (der Formatio reticula- ris) erhält, und

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in Kernen des Amygdala sind ver-

mutlich bedeutsam für die Hem- mung der affektiven Reaktionen auf den Schmerz. Hier sind jedoch noch viele Details ungeklärt.

2.3. Atemdepressorische Effekte Atemdepressorische Effekte sind in der Regel als unerwünschte Neben- wirkungen anzusehen und führen nach Überdosierung zum Tode durch Atemlähmung. Die Atemzen- tren zeigen eine verminderte Emp- findlichkeit gegenüber der atmungs- stimulierenden Wirkung von CO 2 . Daneben werden aber auch im Pons liegende übergeordnete Zentren, die die Rhythmik der Atmung regulie- ren, gehemmt.

2.4. Wirkungen

auf den Magen-Darm-Trakt Die nach Gabe von Opioiden beob- achtete Obstipation wird durch im einzelnen noch nicht vollständig ge- klärte Veränderungen im Zusam- menspiel der nervös versorgten Ring- und Längsmuskulatur hervor- gerufen. Ein wichtiger Faktor dürfte die Hemmung der Freisetzung von Acetylcholin im Darm sein, die wohl zum Sphinkteren-Spasmus beiträgt, denn umgekehrt öffnen cholinerge Substanzen die Sphinkteren. Die Wirkungen von Opioiden auf den

Darm sind jedoch noch komplexerer Art: Propulsive Kontraktionen wer- den gehemmt, nicht propulsive ver- stärkt. Ein Teil dieser Effekte könnte im Zentralnervensystem ausgelöst werden, denn Injektionen von Opio- iden direkt an das Gehirn erhöhen bei Ratten die Passagezeit durch den Darm. Ferner hemmen Opioide auch die durch manche Substanzen induzierte Sekretion von Flüssigkeit in das Darmlumen. Alle diese Fakto- ren dürften zur bekannten obstipie- renden Wirkung von Opioiden bei- tragen. Der Tonus der Sphinkteren von Harnblase und Gallengängen (Sphincter Oddi) wird ebenfalls er- höht. Die emetische Wirkung von Opioiden ist durch eine direkte Sti- mulation der in der Area postrema gelegenen Chemotriggerzone, wo- durch sekundär das Brechzentrum erregt wird, zu erklären.

2.5. Gewöhnung

Nach wiederholter Gabe tritt eine Gewöhnung an die Opioid-Effekte ein, die jedoch hinsichtlich verschie- dener Wirkungen verschieden stark ausgeprägt ist: Die Gewöhnung an die analgetische Wirkung ist zum Beispiel viel deutlicher als an die Obstipation. Die Mechanismen, die zur Gewöhnung führen, sind kom- plex und wohl auch in verschiede- nen Organsystemen unterschied- lich. In zahlreichen ln-vitro-Syste- men wurden die zellulären Grundla- gen von Gewöhnungsprozessen un- tersucht und man fand nach wieder- holter Gabe von Opioiden eine To- leranzentwicklung bei verschiede- nen biochemischen Prozessen, zum Beispiel bei Effekten auf den Stoff- wechsel von zyklischem Adenosin- Monophosphat, von Calcium-lonen und auf die Freisetzung verschiede-

Darstellung: Beispiele für die chemische Struktur von Opioiden

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Opioid-Abhängigkeit

Heroin — Ein Blick hinter die Kulissen

Seit etwas über einem Jahr wird der Heroin-Markt mit hochrei- nem, billigem „Stoff" aus Iran, Pakistan und Afghanistan über- schwemmt. Die Bundesrepublik Deutschland hat das zuallererst zu spüren bekommen.

Der deutsche Markt wird über Südosteuropa, wahrscheinlich über die Türkei, gespeist. Welche Rolle dabei Gastarbeiter und/

oder „Flüchtlinge" spielen, ist noch nicht geklärt. Die Überflu- tung auch des amerikanischen Marktes — der neue „Stoff" könn- te dort das weniger reine Heroin aus dem Fernen Osten ablösen — wird für dieses und für das näch- ste Jahr erwartet. Vorerst wird — dank durchgreifender Maßnah- men der Exekutive — eine Ver- knappung des Marktes an Heroin in den USA beobachtet. Der han- delsübliche „Verschnitt" enthält im Mittel nur 2-5% Wirkstoff.

Die Erfahrung mit Drogensüchti- gen lehrt, daß der Therapiever- such ein mühsames Unterneh- men ist, das von den damit Be- trauten hohe persönliche Opfer fordert. Voraussetzung ist eine immense persönliche Zuwen- dung seitens des Pflegeperso- nals, wie sie heutzutage nur noch schwer zu erbringen ist. Wenn der Therapieversuch sinnvoll sein soll, bedarf es deshalb auch des Einsatzes integrer Freunde und der Angehörigen des Süchti- gen. Die Erfolgsaussichten eines Therapieversuchs sind — gemes- sen an der Rückfallquote — heute noch so gering, daß man das Wort Heilung in diesem Zusam- menhang besser gar nicht bemü- hen sollte. Man muß offen beken- nen, daß die Methoden einer durchgreifenden Therapie bei Drogensüchtigen erst noch erar- beitet werden müssen und das Experimentierstadium bisher noch gar nicht verlassen haben.

Es gibt das zunächst zynisch klin- gende Wort eines in der Therapie Drogensüchtiger Erfahrenen in den USA, daß ein Süchtiger gute Aussichten hat, von seiner Sucht befreit zu werden, wenn er acht Jahre übersteht, keine Hepatitis aufschnappt, nicht verhungert und noch nicht zu ausgebrannt ist, um wieder Zugang zu einer menschlichen Umwelt finden zu können. Der Satz hat seine Be- rechtigung, zieht man in Be- tracht, daß nach dieser Zeit das Potential, das die Sucht verur- sacht hat, aufgebraucht zu sein scheint, eine Beobachtung, die eher für eine psychische Ursache der Sucht spricht als für eine — gegenwärtig vielfach aber auf sehr schwacher theoretischer Basis diskutierte — biochemische Läsion. Sie soll die Sucht für den Betroffenen mehr oder weniger unausweichlich machen.

Nach Schätzungen muß ein ab- hängiger Fixer für seinen Eigen- bedarf monatlich zwischen 3000 und 4000 DM aufbringen. Dieser Betrag macht verständlich, war- um ein Süchtiger so leicht krimi- nell wird: Er ruiniert sich über kurz oder lang wirtschaftlich so sehr, daß er das Geld für seinen Bedarf auf normale Weise gar nicht mehr aufbringen kann, und zu oft wird er in seiner Not sogar zum Minidealer. Aus dieser Über- legung lassen sich Rückschlüsse auf Wege der Suchtbekämpfung ableiten, die, sollen sie präventiv erfolgreich sein, außerhalb des ärztlichen Wirkungskreises ange- siedelt sind.

Am wirkungsvollsten ist sicher- lich, dafür zu sorgen, daß vor al- lem Jugendliche erst gar nicht mit Drogen in Berührung kom- men. Das bedeutet, die admini- strativen und polizeilichen Maß- nahmen müssen so verstärkt wer- den, daß die Bundesrepublik

Deutschland nicht, wie bisher, als Tummelplatz für Dealer und als Markt für leicht zu verdienendes Geld betrachtet wird. Will man die Drogenszene wirklich unter Kontrolle bringen, dann wird man vor allem auch den Schulen grö- ßere Aufmerksamkeit schenken müssen, denn die Hinweise häu- fen sich, daß Minderjährige schon dort mit Drogen in Kontakt gebracht werden. Auch hier fragt man sich, wie dieses Problem an- gesichts des nahezu völligen Ver- zichts auf disziplinäre Einwir- kungsmöglichkeiten in den Schulen gemeistert werden soll.

Man darf sich nicht darüber hin- wegtäuschen, daß die Bereini- gung der Drogenszene zwar möglich ist, daß das aber nicht ohne Einschränkung jener soge- nannten persönlichen Freiheiten geht, bei denen die Gefahr des Mißbrauchs höher einzuschätzen ist als ihr Wert an sich, beobach- tet man ihn in Beziehung zur Ge- fährdung vor allem von Jugendli- chen. Es ist durchaus wahr- scheinlich, daß sich in der Bun- desrepublik angesichts des „Not- standes Drogengefahr" auch für unpopuläre Maßnahmen Mehr- heiten finden werden.

Diese Überlegungen dürfen na- türlich nicht darüber hinwegtäu- schen, daß auch die Mittel und Möglichkeiten zur Therapie be- reits Süchtiger erheblich verbes- sert werden müssen. Wenn zu Anfang darauf hingewiesen wur- de, daß die Therapie noch in den Kinderschuhen steckt, dann kann daraus eigentlich nur der Schluß gezogen werden, daß es hoch an der Zeit ist, zunächst einmal ein Konzept zur systematischen Er- forschung der Therapie Süchti- ger zu entwickeln. Therapieren statt strafen? Dazu ein uneinge- schränktes Ja; zunächst aller- dings geht es erst einmal um die Entwicklung von Methoden, die das anspruchsvolle Wort Thera- pie in diesem Zusammenhang rechtfertigen. W. Forth

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Aktuelle Medizin

Opioid

-

Abhängigkeit

ner Überträgerstoffe. Zweifellos ist die „Gewöhnung" im klinischen Sin- ne die Summe zahlreicher zellulärer Adaptionsprozesse, und zwar im zentralen und im peripheren vege- tativen Nervensystem.

Mit der Gewöhnung zweifellos eng zusammen hängen die körperlichen Entzugssymptome, die wahrschein- lich dadurch zu erklären sind, daß die zellulären Adaptionsprozesse nach Entzug des Opioids „ins Leere stoßen" und die Adaptionsprozesse erst nach einigen Tagen oder Wo- chen allmählich abgeschaltet wer- den. Die Entzugssymptome, zum Beispiel Unruhe, Reizbarkeit, Durch- fälle, Erbrechen, Gähnen, Schweiß- ausbrüche, Störungen der Kreislauf- funktionen, Gänsehaut („cold tur- key") sind zwar subjektiv sehr unan- genehm, aber selten lebensbedroh- lich. Sie können natürlich jederzeit durch erneute Gabe von Opioiden aufgehoben werden. Ohne weitere Gabe von Opioiden klingen die Sym- ptome, je nach der Art des chronisch verabreichten Opioids, im Verlauf von einigen Tagen ab. Die körperli- che Abhängigkeit ist dann offen- sichtlich beendet. Eine Heilung von der Suchtkrankheit ist damit aber nur selten erreicht. Es müssen somit noch andere Prozesse relevant sein, die zu langandauernden und manchmal irreversiblen Verhaltens- änderungen, der „psychischen Ab- hängigkeit", führen.

2.6. Psychische Abhängigkeit Opioide in analgetischen Dosen ru- fen nach der ersten Verabreichung meistens wenig Euphorie hervor;

zentral dämpfende Effekte und Übel- keit sowie Erbrechen bewirken eher eine Dysphorie. Nach wiederholter Gabe treten diese Effekte in den Hin- tergrund, während die euphorisie- renden Effekte manifest werden.

Das „Suchtpotential" der Opioide ist so stark, daß nach kürzerer oder län- gerer Behandlung wohl jedermann psychisch abhängig werden kann, obgleich es hier zweifellos große in- dividuelle Unterschiede gibt. Be- stimmte Aspekte nicht nur der kör- perlichen, sondern auch der psychi-

schen Abhängigkeit können auch im Tierversuch studiert werden: Ver- suchstieren wie Affen oder Ratten wird in eine Vene eine Dauerkanüle implantiert, die mit einem Opioid- enthaltenden Reservoir verbunden ist. Das Tier kann nun darauf dres- siert werden, sich mittels eines He- beldrucks jeweils eine bestimmte Menge an Opioid zu injizieren. Aus der Neigung von Versuchstieren, sich Pharmaka selbst zu verabrei- chen, kann mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit auf das „Sucht- potential" dieser Pharmaka für den Menschen geschlossen werden, denn Substanzen mit hohem

„Suchtpotential" steigern im Tier- versuch deutlich die Frequenz der Selbst-Verabreichungen — der Fall ist das zum Beispiel bei Cocain, Am- phetamin, Opioide. Mit Hilfe dieser und weiterer Verhaltenstests an Tie- ren kann mit ziemlicher Wahrschein- lichkeit vorausgesagt werden, ob ei- ne neue Substanz eine psychische Abhängigkeit hervorrufen kann.

Je schneller der Wirkungseintritt ei- nes Opioides ist, desto größer ist sein „Suchtpotential". Dies dürfte im wesentlichen die besonders ra- sche und ausgeprägte Entwicklung einer psychischen Abhängigkeit von Heroin erklären, das bei sonst glei- cher Wirkungscharakteristik auf- grund seiner höheren Lipophilie - schneller anflutet als z. B. Morphin.

Die biochemischen Korrelate der psychischen Abhängigkeit sind noch nicht abgeklärt. Vieles spricht jedoch dafür, daß eine Aktivierung dopaminerger Neurone (sie haben Dopamin, ein Katecholamin, als Überträgersubstanz), die vom Mittel- hirn zu den Basalganglien und zu bestimmten Kernen des limbischen Systems führen, eine wichtige Kom- ponente der psychischen Abhängig- keit ist. Die Basalganglien sind rele- vant für das Programmieren von Be- wegungsabläufen und Handlungen, aber wohl auch für gewisse Prozes- se der Motivation, während die lim- bischen Kerne unter anderem für af- fektive und emotionale Prozesse be- deutsam sind. Dopaminerge Neuro- ne spielen eine zentrale Rolle bei der Kontrolle der Funktion der Basal-

ganglien und limbischer Kerne (Amygdala, Nucleus accumbens).

Einiges spricht dafür, daß die kombi- nierte Beeinflussung von Funktio- nen beider Hirnbezirke ein wichtiger Aspekt der psychischen Abhängig- keit nicht nur von Opioiden, sondern auch von anderen Pharmaka ist. Die Mechanismen der psychischen Ab- hängigkeit müssen in weitaus größe- rem Ausmaße als bisher auch in un- serem Lande erforscht werden, wo- bei eine Integration tierexperimen- teller und klinischer Beobachtungen besonders wichtig ist.

3. Pharmakotherapie bei Süchtigen

Die Pharmakotherapie der Opioid- Abhängigkeit (der körperlichen wie auch der psychischen) ist, wie auch alle anderen Therapieformen noch sehr unbefriedigend. Die akute Opioid-Wirkung kann natürlich sehr rasch durch Gabe eines Opioid-Ant- agonisten (zum Beispiel Naloxon = Narcanti®) aufgehoben werden, je- doch treten dann, wenn eine körper- liche Abhängigkeit vorliegt, Ent- zugssymptome auf, deren Intensität vom Grade der Abhängigkeit deter- miniert wird.

Opioid-(vor allem Heroin-)Abhängi- ge werden in manchen Ländern ei- ner Art von Substitutionstherapie mit Methadon unterzogen. Metha- don selbst ist ein Opioid, das nach oraler Gabe gut resorbiert wird, rela- tiv langsam ausgeschieden wird und eine im Verhältnis zu anderen Opi- oiden geringere euphorisierende Wirkung zu haben scheint. Der Sinn.

der Therapie ist, Injektionen mit al- len ihren Folgen (zum Beispiel Infek- tionen wegen mangelnder Sterilität der Kanülen) zu vermeiden und ei- nen relativ konstanten Gewebespie- gel des Opioids aufrechtzuerhalten, um dann in der Phase der Drogen- entziehung langsam die Dosis zu re- duzieren. Diese Therapieform ist umstritten, weil eine langsame Do- sisreduktion in vielen Fällen nicht gelingt und sich ein Teil der behan- delten Patienten trotz täglicher Me- thadongabe immer noch Heroin inji- ziert. Dennoch sollte eine Metha- don-„Substitution" nicht generell

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Johannes Ring

Die Mastzelle

Ausgehend von der Ontogenese der Mastzelle, die im Zentrum der aller- gischen Reaktion steht und die nach Leder, Essen, eng mit den Monozy- ten des peripheren Blutes verwandt ist, befaßte sich Austen, Boston, mit den Sekretionsmechanismen, die zur Freisetzung vasoaktiver Media- torsubstanzen führen. Histamin ist nur einer der vielen vasoaktiven Me- diatoren. Neue und aufregende Be- funde konnten von den Leuko- trienen — früher als SRS-A bezeich- net — berichtet werden, die an der Haut bis zu tausendmal aktiver als Histamin sein können.

Neben der IgE-bedingten, klassi- schen anaphylaktischen Reaktion gibt es andere Mechanismen der Histaminfreisetzung, wie zum Bei- spiel den über die Komplementakti- vierung, bei dem es zur Bildung von Anaphylatoxinen kommt (Gigli, New York). Die pharmakologische Regu- lation der Histaminfreisetzung er- folgt einerseits über die zyklischen Nukleotide, andererseits über hist- aminabbauende Enzyme, wie Grea- ves, London, berichtete. Auch das Kallikrein-Kinin-System nimmt nach Müller-Esterl und Fritz, beide Mün- chen, Einfluß auf die Sekretionsre- aktion der Mastzellen. Darauf deutet nicht zuletzt das Vorkommen von Aprotinin in Mastzellen hin. Ent- scheidend für die IgE-vermittelte Histaminfreisetzung ist die Bindung des Immunglobulins E über seinen Fc-Anteil an die Zelloberfläche von basophilen Leukozyten und Mastzel- len. Der IgE-Rezeptor ist nach Kö- nig, Bochum, ein Glykoprotein vom Molekulargewicht 45-75 000. Die Bewegung zweier benachbarter IgE- Rezeptoren auf der Mastzelloberflä- che stellt wahrscheinlich den ent- scheidenden Reiz zur Auslösung der

KONGRESS

-

BERICHT

Sekretionsreaktion dar. Die Intensi- tät der Histaminfreisetzung ist je- doch nicht allein eine Funktion der Anzahl der IgE-Antikörper auf der Zelloberfläche. Vielmehr scheint ei- ne nichtimmunologische Größe, die von Conroy, Bern, als „Releas- ability" (Freisetzungsfähigkeit) be- zeichnet wurde, eine entscheidende Rolle zu spielen.

Eine Anwendung dieses Gedankens auf die Klinik erfolgte durch Ring, München, der über veränderte Frei- setzungsmuster von basophilen Leukozyten bei Patienten mit atopi- scher Dermatitis berichtete. Insbe- sondere scheint neben einer ß-ad- renergen Schwäche eine cholinergi- sche Überreaktivität vorzuliegen, die zu einer erleichterten Histaminfrei- setzung führt. Histamin und mög- licherweise andere Mediatorsub- stanzen wirken darüber hinaus regu- lierend auf immunologische Funk- tionen. Ring schlug deshalb den Be- griff „immun-vegetative Dysregula- tionen" für dieses pathophysiolo- gisch komplexe Geschehen bei der atopischen Dermatitis vor. Ähnliche gesteigerte Freisetzungsmuster fand Saurat, Paris, an basophilen Leukozyten von Kindern mit atopi- scher Dermatitis. Über Störungen in der zellvermittelten Immunität be- richtete Jarisch, Wien, der auch auf mögliche therapeutische Konse- quenzen einging und hier den Transferfaktor, das Levamisol sowie Thymosin nannte. Die bekannten psychosomatischen Zusammenhän- ge bei der atopischen Dermatitis fanden eine interessante Ergänzung durch die Untersuchungen von Rei- mann, München, der über den en- gen Zusammenhang zwischen Mast- zellzahl, Histamingehalt und Streßsi- tuation in tierexperimentellen Mo- dellen sowie am Menschen berichte- te.

Opioid-Abhängigkeit

abgelehnt werden, denn ein Teil der so behandelten Patienten wird im- merhin sozial integrierbar. Ferner sollte es schon als gewisser Erfolg angesehen werden, wenn immerhin ein Teil der Methadon-Behandelten die Heroin-Injektionen einstellt.

Selbstverständlich kann eine solche Therapie unter ärztlicher Überwa- chung nur in Zentren durchgeführt werden, deren Personal Erfahrung in der Therapie von Opioid-Abhängi- gen gewonnen hat.

Neuroleptika oder auch niedrige Do- sen von Apomorphin (die noch kein Erbrechen hervorrufen!) scheinen bei der Behandlung einer Opioid- Abhängigkeit manchmal günstig zu wirken, jedoch sind entsprechende Befunde noch nicht als gesichert an- zusehen. Neuerdings wird auf eine therapeutische Wirksamkeit von Clonidin (Catapresan®) hingewie- sen. Die bisher unbefriedigenden therapeutischen (auch pharmako- therapeutischen) Möglichkeiten sollten ein starker Stimulus sein, neue und erfolgversprechendere Wege zur Behandlung der Opioid- Abhängigkeit zu suchen. Die verant- wortlichen Instanzen sollten viel stärker als bisher das Beschreiten dieser Wege unterstützen!

Literatur

Fishman, J. (ed.): The Bases of Addiction. Re- port of the Dahlem Workshop an the Bases of Addiction, Abakon Verlagsgesellschaft, Berlin (1978) — Herz, A. (ed.): Developments in Opiate Research. Marcel Dekker Inc., New York and Basel (1978) — Kuschinsky, K.: Opiate Depend- ence. Progress in Pharmacology Vol. 1 (1977) No. 2 — Kuschinsky, K.: Zur Physiologie und Pharmakologie von Endorphinen, Klin. Wschr.

57 (1979) 701-710 — Stimmel, B.; Goldberg, J.;

Rotkopf, E.; Cohen, M.: Ability to remain absti- nent after methadone detoxification, JAMA 237 (1977) 1216-1220 — Way, E. L. (ed.): En- dogenous and Exogenous Opiate Agonists and Antagonists. Pergamon Press, New York etc. (1980)

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Klaus Kuschinsky Abteilung

Biochemische Pharmakologie Max-Planck-Institut

für Experimentelle Medizin Hermann-Rein-Straße 3 3400 Göttingen

Neue Trends in der Allergieforschung

Bericht über das Internationale Symposium „New Trends in Allergy"

der Dermatologischen Klinik und Poliklinik der

Ludwig-Maximilians-Universität München, in München

Referenzen

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