Cocain — Renaissance in der Szene?
Cocain kommt wieder in Mode.
Das zeigt sich, wie zu allem was bisher „in" wurde, zunächst in den USA. In Miami toben seit zwei Jahren Gangsterschlachten, die alles in den Schatten stellen, was die USA bisher auf diesem Gebiet offerieren konnten. Der Cocainmarkt, bisher fest in kuba- nischer Hand, wird systematisch von Kolumbianern kassiert.
Es gibt Schätzungen, wonach ge- wisse Banken in Miami hinsicht- lich ihrer Geldbewegung nahezu vollständig vom Cocaingeschäft abhängen; sie würden illiquid werden, gäbe es diesen Markt nicht. Im Gefolge des Cocains hat sich — wie auch schon für Marihuana — überdies ein Markt für Ausrüstungsgegenstände und Accessoirs etabliert, der außeror- dentlich gewinnträchtig zu sein scheint.
Die Einfuhr von Cocain — Florida befriedigt 60 bis 80 Prozent des gesamten US-Bedarfs — wurde 1978 auf 12 bis 15 Milliarden Dol- lar geschätzt; die jährlichen Zu- wachsraten liegen bei 5 Prozent.
Volkswirtschaftlich gesehen han- delt es sich dabei um einen Po- sten, der ganz erheblich zur Infla- tionierung der Lebensführung beiträgt — soweit die Beurteilung von Jon Newton in „The Journal"
vom 1. April dieses Jahres.
Die Erzeugerländer des Cocains liegen nach wie vor in Südameri- ka (siehe Glossar des nachfol- genden Artikels). Die Ware wird auf Booten transportiert und/oder nach Unterfliegen des Radar- schirms von kleinen Flugzeugen irgendwo in Florida abgeladen.
Wann der Cocain-Boom Europa erreicht, ist ungewiß; daß er kom- men wird, scheint nach allen bis- herigen Erfahrungen mit „der Szene" unausweichlich.
Für Cocain, das in westlichen Ländern immer eine teure Droge war und deshalb nur auf einen begrenzten Abnehmerkreis rech- nen konnte, zeichnet sich ab, was für Heroin schon bekannt ist:
man verdient mehr, wenn die Wa- re billig ist, das heißt „die Menge bringt es''.
Von selbst versteht sich, daß man durch Erzeugung und Vertrieb von Cocain — wie auch bei Opia- ten und Marihuana — schneller zu Wohlstand kommt als mit le- galer Arbeit. Das macht die Eradi- zierung des Suchtproblems so schwierig.
Redlicherweise muß man zuge- stehen, daß die Verwaltungen und Behörden der Erzeugerlän- der zwar guten Willens, aber ziemlich machtlos hinsichtlich der Überwachung oder gar der Eindämmung der Rohstoffpro- duktion für den Rauschgiftmarkt sind.
Es bedarf wohl eines Vielfachen der Mittel, die gegenwärtig von Polizei und Zollüberwachung eingesetzt werden, um des Übels Herr zu werden. Kein Weg aber geht daran vorbei, daß die beste Suchtbekämpfung eben in der drastischen Beschneidung der Ressourcen liegt: je weniger Stoff auf den Markt kommt, desto weniger Menschen können über- haupt erst in Versuchung ge- bracht werden.
Vorläufig gehen die meisten „Co- cain-Toten" Floridas allerdings nicht auf Rechnung akuter Ver- giftungen mit Cocain oder jahre- langen Cocainmißbrauchs, son- dern auf Rechnung des Gang- sterkrieges, der dort derzeit mit großkalibrigen Maschinenwaffen und Explosivgeschossen um die Marktanteile an diesem Men- schen-Vergiftungsmittel geführt wird. W. Forth
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Cocainismus
Beim Menschen gilt Cocain als star- kes Stimulans, erzeugt eine kurz an- haltende Euphorie, unterdrückt Er- müdungserscheinungen und redu- ziert den Appetit. Unter dem Einfluß der Droge kommt es zu einer ge- wissen Logorrhöe, verminderter Konzentrationsfähigkeit, Nervosität, manchmal auch Angst und Lichtempfindlichkeit. Diese akuten Effekte sind denen von Amphetamin und amphetaminähnlichen Stimu- lantien sehr ähnlich. Interessanter- weise kann ein großer Teil erfahre- ner Cocain User dennoch unter- scheiden, welches Stimulans (äqui- potente Dosis) gegeben wurde. Ob nur die kürzere Wirkungsdauer des Cocains das Diskriminationsvermö- gen vortäuscht, ist noch unklar (8).
Nach höheren Dosen oder chroni- schem Gebrauch ruft Cocain psy- choseartige Zustände, paranoide Reaktionen, auditorische, visuelle und speziell taktile Halluzinationen hervor. Hierzu gehören die berühm- ten halluzinierten Cocainwanzen, die die Patienten sich von der Haut kratzen wollen.
Wenig ist über eine „sichere" Dosis speziell nach lokaler und chroni- scher Anwendung bekannt. Bis zu 300 mg Cocain wurden zur Lokalan- ästhesie instilliert, ohne daß erhebli- che Nebenwirkungen auftraten. An- dererseits haben Orr und Jones (14) berichtet, daß bei Patienten, die 150 mg einer wäßrigen Cocainhydro- chloridlösung topisch zur Laryngo- skopie erhielten, Puls und Blutdruck anstiegen. Bei 7 von 20 Patienten traten sogar Arrhythmien auf. Zahl- reiche Autoren haben auf die außer- ordentlich große interindividuelle Streuung tödlicher Dosen hingewie- sen. Sie erstreckt sich von 800-1430 mg oral, 100-2500 mg s. c. und 22-260 mg per mucosam (15). Nach einer Überdosis nicht bekannter Größe starben zwei Drittel der Fälle in weniger als 5 Stunden und ein Drittel innerhalb der ersten Stunde.
Eine Cocainvergiftung äußert sich hauptsächlich in einer zentralnervö- sen Symptomatik. Die Patienten sind äußerst erregt, ängstlich und ver- wirrt, die Reflexe sind gesteigert.
Hinzu kommen Tachykardie, Mydria-