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Archiv "Humane Papillomviren: Auslöser zahlreicher Krebserkrankungen" (29.11.1996)

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ünfzehn bis 30 Prozent aller Krebserkrankungen, so schät- zen Wissenschaftler, stehen im Zusammenhang mit einer Vi- rusinfektion. Zu den verdächtigen Er- regern gehören neben dem Epstein- Barr-Virus (wurde zuerst aus dem Burkitt-Lymphom isoliert) und dem Hepatitis-B-Virus (erhöht das Risiko, an Leberkrebs zu erkranken) be- stimmte Typen der humanen Papil- lomviren (HPV). Von ihnen weiß man, daß sie Krebs im Genitalbereich auslösen können. Jetzt verdichten sich die Hinweise, daß Papillomviren auch an der Entstehung anderer Tu- moren beteiligt sind.

Professor Harald zur Hausen, der Wissenschaftliche Stiftungsvor- stand des Deutschen Krebsfor- schungszentrums in Heidelberg, ist ei- ner der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der Papillomvirus- Forschung. Nach seinen Angaben ist es in den letzten zwei Jahren gelun- gen, 30 neue Typen dieses Virus zu identifizieren und partiell zu charak- terisieren.

Wechselspiel mit UV-Strahlung

Diese neu entdeckten Virusty- pen kommen, so zur Hausen, in er- ster Linie bei Hauterkrankungen vor; man findet sie relativ oft bei Nicht-Melanom-Hautkrebsen (Ba- salzell- und Stachelzellkrebsen). Bei immunsupprimierten Personen las- sen sich HPV in etwa 80 Prozent der entsprechenden Karzinome nach- weisen. Aber auch bei anderen Pati- enten finden sich in 35 Prozent der Fälle solche Viren, wobei kein be- stimmter Typ vorherrscht.

Das war für die Wissenschaftler überraschend, und man weiß noch nicht, ob die HPV bei der Entste- hung dieser Krebsarten eine kausale Rolle spielen. Man vermutet jedoch, daß eine Wechselwirkung zwischen der Sonnenlichtstrahlung und diesen Virusinfektionen zur Tumorbildung führt. Eine Reihe dieser Krebse ent- wickelt sich nämlich offenkundig auf der Basis vorherbestehender Papillo- matosen, die sich in erster Linie auf sonnenexponierten Hautstellen ge- bildet haben.

Außerdem lassen sich heute laut zur Hausen bei annähernd 20 Prozent der Krebserkrankungen von Mund- höhle und Rachen im wesentlichen sogenannte genitale Papillomviren nachweisen – vor allem Typ 16 und 18.

Es finden sich aber auch einige ande- re Typen, etwa solche, die dem Haut- warzenvirustyp 2 verwandt sind, zum Beispiel Typ 27 und Typ 57. Auch bei Speiseröhrenkrebs hat man den Ver- dacht, daß Papillomviren eine Rolle spielen. Dort hat man jedoch bisher noch keine Viren gefunden.

Voraussetzung für die Ent- deckung solcher Zusammenhänge ist eine genaue Typisierung der gefunde- nen Viren – eine aufwendige Arbeit, für die im Deutschen Krebsfor- schungszentrum das Referenzzen- trum für humanpathogene Papillom- viren eingerichtet wurde. Es wird von

Frau Dr. Ethel-Michele de Villiers ge- leitet und ist international das einzige seiner Art. Im Prinzip sind hier alle HPV-Typen vorhanden, und viele von ihnen hat man im Zentrum selbst iso- liert und charakterisiert. Bisher wur- den weltweit insgesamt 77 Genotypen identifiziert, und man geht davon aus, daß es mehr als 100 HPV-Typen gibt.

Lange Zeitspanne bis zur Krebsentstehung

Wie zur Hausen darlegt, haben die letzten Jahre eine Reihe von neuen Erkenntnissen gebracht, die erklären, warum zwischen der Infektion mit dem Virus und dem Auftreten der ent- sprechenden Krebserkrankung so lange Zeitspannen vergehen – beim Zervixkrebs in der Regel 20 bis 30 Jahre. Die mei- sten infizierten Männer, aber auch der größte Teil der betroffe- nen Frauen, ent- wickeln nie in ihrem Leben Krebs. Zur Hau- sen und seine Mitarbeiter ha- ben vor einiger Zeit errechnet, daß etwa sechs Prozent aller Frauen, die mit HPV 16 infiziert sind, später an Krebs erkran- ken. Offensicht- lich kann das Immunsystem einen Teil dieser Infektionen eli- minieren. Bei Personen, die über lange Zeit- räume infiziert bleiben, können A-3175

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 48, 29. November 1996 (31)

Humane Papillomviren

Auslöser zahlreicher Krebserkrankungen

Papillomwarzen auf der Zervixoberfläche. Die besondere Färbung beruht auf der unregelmäßigen Aufnahme von Jodlösung nach dem Schiller-Test. Hierbei handelt es sich um das Titelfoto des Klinischen Atlas „Human Papilloma Virus Infection“

(Herausgeber: Gross/Barrasso), der im Januar in Deutschland erscheinen wird.

Quelle: Ullstein/Mosby

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außerdem die betroffenen Zellen das Virus unter Kontrolle halten. Muta- tionen im Erbgut der Zelle können je- doch bewirken, daß diese Kontrolle ausfällt. Das erlaubt eine verstärkte Expression und eine intensivierte

Funktion der Virus-Onkoproteine, die wiederum die Progredienz zum malignen Tumor bewirken. Bei den Typen 16 und 18 kann das Virus selbst die Veränderungen in der Wirts-DNA induzieren.

Beim Hautkrebs, wo Viren vor- herrschen, die vermutlich zur Niedrig- risiko-Gruppe gehören und für die Wirtszellen nicht mutagen sind, ist möglicherweise das Sonnenlicht für die Schädigung des zellulären Erbguts verantwortlich. Zur Zeit analysiert man die Mechanismen, die das Virus in Schach halten. Vermutlich handelt es sich um zwei verschiedene zelluläre Signalwege. Erst wenn beide gestört sind, kann es zu einer Entartung kom- men. Darum vergehen auch zwischen der Infektion mit HPV und dem Auf- treten eines Tumors so viele Jahre: Es müssen sich erst mehrere spezifische Mutationen im Erbgut der Zelle an- häufen.

Impfstoff in greifbarer Nähe

Aus medizinischer Sicht ist nach Meinung von zur Hausen besonders interessant, daß sich die Papillomvi- ren vermutlich sehr gut für eine Vak- zinationsprävention eignen. Wissen- schaftler anderer Arbeitsgruppen konnten so in Tierversuchen, zum Beispiel mit Kaninchen, die Infektion

mit Papillomviren und eine spätere Karzinogenese verhindern. Diese Er- gebnisse legen nahe, daß auch beim Menschen eine Impfung mit virusähn- lichen Partikeln prophylaktisch wir- ken könnte.

Dabei handelt es sich um die Strukturproteine des Virus, die in gen- technisch veränderten Zellen herge- stellt werden. Zur Hausen sieht eine realistische Chance, nicht nur die Inzi- denz der Zervixkarzinome ganz dra- matisch zu senken, sondern auch die prämalignen Vorstufen des Krebses in wesentlichem Umfang zu verhindern.

Bei Verwendung der beiden Typen 16 und 18 könnte man theoretisch 70 bis 80 Prozent aller Cervixkarzinome ver- hüten sowie vermutlich etwa 40 bis 50 Prozent der Penis- und Vulvakarzino- me und 60 bis 70 Prozent der Anal- krebserkrankungen.

Weltweit wird zur Zeit an ver- schiedenen Stellen an solchen Impf- stoffen gearbeitet. Zur Hausen geht davon aus, daß sie im kommenden Jahrzehnt zur Verfügung gestellt wer- den können und auch angewendet werden. Neben der Hepatitis-B-Vak- zine wäre dies ein zweiter relativ spe- zifischer „Krebsimpfstoff“. Noch in diesem Jahr laufen Phase-I-Studien mit solchen Vakzinen an. Die Heidel- berger sind zum Beispiel zusammen mit einer amerikanischen Firma an einer solchen Untersuchung in den USA beteiligt. Dr. Ingrid Glomp

A-3176

P O L I T I K MEDIZINREPORT

(32) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 48, 29. November 1996 Zum ersten Mal weist in den

USA die Kurve der Krebsmortalität nach unten. Nach Jahrzehnten des kontinuierlichen Anstiegs sank nach einer im Journal „Cancer“ publizier- ten Studie die altersstandardisierte Sterblichkeit zwischen 1990 und 1995 konstant um insgesamt 3,1 Prozent.

Philip Cole, Epidemiologe der Universität von Alabama und Leiter der Studie, geht davon aus, daß dieser umgekehrte Trend noch weitere zwei Jahrzehnte anhält. „1990 lag die jähr- liche Krebssterblichkeit bei 135 von 100 000 Personen, 1995 war die Rate

auf unter 131 gefallen“, sagt Cole.

„Der Abfall beschleunigt sich und setzt sich jetzt mit einer Rate von zwei Prozent pro Jahr fort.“

Kommentatoren sehen als Ursa- che hinter der Trendumkehr ein Bün- del von Faktoren. Einer der wichtig- sten sei die verbesserte Prävention, insbesondere der Rückgang des Ziga- rettenrauchens in den letzten Jahr- zehnten in den USA – Lungenkrebs gehört mit einem Rückgang um 3,9 Prozent zu den am deutlichsten sinkenden Krebsarten. Bei Brust- krebs schlagen sich Früherkennung

und verbesserte Therapien in höheren Überlebenschancen nieder. Die Ster- berate sank zwischen 1991 und 1995 um 6,3 Prozent.

Allerdings folgen nicht alle Krebsarten dem Trend. Non-Hodg- kin-Lymphome, Pankreaskarzinome, Multiple Myelome und chronische Leukämien gehören zu den häufiger werdenden Varianten. Zudem beruht der Vergleich auf „altersstandardi- sierten“ Zahlen, deren Grundlage die Altersstruktur der amerikanischen Bevölkerung in den 40er Jahren ist.

Da mit steigendem Durchschnittsal- ter die Bevölkerungsgruppe wächst, in der das Krebsrisiko am stärksten ansteigt, ist nach Expertenmeinung in absoluten Zahlen weiterhin mit einer Zunahme der Krebstodesfälle zu

rechnen. Klaus Koch

Förderkreis als

Diskussionsforum für Papillomviren

Vor einigen Jahren hat sich in Deutschland der „Förderkreis: Papil- lomvirusinfektionen bei Mensch und Tier“ gebildet. Ziel war es, Klinikern, Naturwissenschaftlern und in der For- schung tätigen Medizinern die Mög- lichkeit zu bieten, sich wechselseitig und interdisziplinär zu informieren.

Der Kreis ist nicht zu groß (zur Zeit et- was weniger als 30 Mitglieder), so daß eine wirkliche Diskussion stattfinden kann. Außerdem können interessierte Ärzte mit klinischen und experimen- tellen Fragestellungen an den Förder- kreis herantreten. Anfragen sind an die Vorsitzende des Förderkreises zu richten:

Prof. Dr. med.

Elke-Ingrid Grußendorf-Conen Hautklinik der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen Pauwelsstraße 30

52074 Aachen

Erstmals Trendwende der

Krebsmortalität in USA

Referenzen

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