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S C H W E I Z E R Z E I T S C H R I F T F Ü R O B S T - U N D W E I N B A U 11 / 1 7
K U R Z - I N F O
Arbeiten im Rebberg
Reben im Schockzustand
Nach frühem und rasantem Start ins Rebjahr 2017 haben die Fröste in der zweiten Aprilhälfte die Rebenentwicklung und -arbeiten quasi zum Stillstand gebracht. Das nasskalte Wetter in den ersten Maiwochen war einer raschen Erholung auch nicht förderlich. Die Reben befanden sich bis Mitte Mai im Schockzustand. In Anlagen mit starken Schäden zeigte sich kaum neues Grün und auch in nicht stark betroffenen Lagen gab es wenig Wuchs. Bei wärmeren Temperaturen werden die Reben aber kräftig zulegen.
Pfl anzenschutz
Wir alle hoffen, dass sich die Reben erholen und aus Neben- augen oder schlafenden Augen neue fruchtbare Triebe nach- schiessen. Dies führt aber zu Problemen im Pfl anzenschutz:
Es müssen die verbliebenen gesunden Triebe mit ihren Blättern und Gescheinen gleichermassen geschützt werden wie die nachkommenden Pfl anzenteile. Die Entwicklungs- differenz zwischen den nicht erfrorenen Trieben und den
«Nachzüglern» ist gross. Daraus ergibt sich eine deutliche Ver- längerung des für Pilzinfektionen kritischen Zeitraums vom Sichtbarwerden der Gescheine bis zur Abblüte.
Zunächst gilt es, den Zustand der Rebanlagen zu erfassen.
Wenn noch unbeschädigte Triebe vorhanden sind, die Ertrag bringen, muss sich der Pfl anzenschutz nach diesen richten.
Es muss spätestens ab dem 4-Blatt-Stadium (bzw. 10 cm Trieb- länge) mit der Behandlung gegen Falschen und Echten Mehltau begonnen werden. Während der Blüte bis zum Abblühen sind Produkte mit Nebenwirkung auf Botrytis sinnvoll. Bei stark unterschiedlichem Blühverlauf ist eine gestaffelte Behand lung in die «abgehende Blüte» in Betracht zu ziehen. Das zu erwar- tende rasche Wachstum der neuen Triebe erhöht die Gefahr von Pilzinfektionen weiter. Während der kritischen Phase sind die Spritzabstände dem Vegetationsverlauf anzupassen. Am besten stützt man sich auf die Prognosemodelle ab.
Reduzierter Pfl anzenschutz?
Es gibt kaum Möglichkeiten, Pfl anzenschutzmittel (PSM) ein- zusparen. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, statt mit dem Gebläsesprüher mit einem Atomiseur oder einer Rücken- spritze gezielt die nicht erfrorenen Triebe zu behandeln. So kann zumindest anfänglich der Mittel- und Brüheeinsatz reduziert werden. Es ist besonders wichtig, hier auf die rich- tige Dosierung zu achten! Eine weitere Möglichkeit ist – je nach Infektions- und Vegetationsverlauf – die Anwendung günstiger Kontaktfungizide.
Sind alle Triebe erfroren, kann mit dem Beginn der Mehl- tau-Behandlungen zugewartet werden, bis sich wieder ausrei- chend Blattmasse gebildet hat. Die weiteren PSM-Anwendun- gen sind dann wieder dem Vegetationsverlauf anzupassen. In solchen Parzellen muss der Betriebsleiter abschätzen, ob die Ertragsaussichten einen reduzierten Pfl anzenschutz zulassen.
Während die Situation bei den Pilzkrankheiten schwierig ist, muss bei den Schädlingen nicht mit erhöhtem Risiko ge- rechnet werden. Kräusel- und Pockenmilben könnten auftre- ten, sind für die nachschiessenden Triebe aber aufgrund des
starken Wachstums vermutlich kaum ein Problem. Der Trau- benwickler wurde durch die kalten Temperaturen ausge- bremst, nun hat der Flug allerdings eingesetzt. Grundsätzlich müssen für alle Schädlinge die Schadschwellen durch regel- mässige Kontrollen überwacht werden, um rechtzeitig ein- greifen zu können.
Informationen zum Pfl anzenschutz und zu den Prognose- modellen fi nden sich auf www.agrometeo.ch
Weitere Pfl egemassnahmen
Neben dem Pfl anzenschutz sind auch die Laubarbeiten be- sonders sorgfältig durchzuführen. Wichtig ist der Erhalt oder Neuaufbau der Stockform. Im Zweifelsfall lieber zuwarten oder ein paar Triebe zu viel stehen lassen und sie später ent- fernen. Ausser in Junganlagen können tief stehende Stock- ausschläge trotzdem entfernt werden, um die Unterstock- pfl ege und ggf. eine Herbizidanwendung zu erleichtern.
Ältere Reben haben normalerweise im Kopfbereich genug schlafende Augen.
Es ist sinnvoll, auch die Düngung und Bodenbearbeitung der aktuellen Situation anzupassen. Zu starker Wuchs führt zu Anfälligkeit gegen Krankheiten oder Schädlinge, fördert Blühstörungen und beeinträchtigt später die Holzreife und damit auch die Winterhärte. Michael Gölles, Agroscope Q
Frostschäden an Jungtrieben.
Botrytisbefall an Geschein. Blattbefall durch Falschen Mehltau (Ölfl eck).