- Forschung -
P. Griem M. Hassauer F. Kalberlah J. Oltmanns J. Scheibner K. Schneider U. Schuhmacher-Wolz
Quantitative Unterschiede im Fremdstoffmetabolismus zwischen Versuchstier und Mensch
Dortmund/Berlin/Dresden 2002
Fremdstoffmetabolismus zwischen Versuchstier und Mensch“ - Projekt F 1656 - im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren.
Autoren: Dr. Peter Griem Dr. Martin Hassauer Dr. Fritz Kalberlah Jan Oltmanns Jens Scheibner Dr. Klaus Schneider
Dr. Ulrike Schuhmacher-Wolz
Forschungs- und Beratungsinstitut Gefahrstoffe, FoBiG GmbH Werderring 16, D-79098 Freiburg i. Br.
Herausgeber: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Friedrich-Henkel-Weg 1-25, D-44149 Dortmund Telefon: (02 31) 90 71 - 0
Telefax: (02 31) 90 71 - 454
E-Mail: dortmund@baua.bund.de Internet: www.baua.de
Berlin:
Nöldnerstr. 40-42, D-10317 Berlin Telefon: (0 30) 5 15 48 - 0 Telefax: (0 30) 5 15 48 - 170 E-Mail: berlin@baua.bund.de Dresden:
Proschhübelstr. 8, D-01099 Dresden Telefon: (03 51) 80 62 - 0
Telefax: (03 51) 80 62 - 210 E-Mail: dresden@baua.bund.de
Quantitative Unterschiede im Fremdstoffmetabolis- mus zwischen Versuchstier und Mensch
Zusammenfassung
Aufgabenstellung
Unterschiede im Metabolismus von Fremdstoffen beim Menschen im Vergleich zu Versuchstierspezies besitzen große Bedeutung in der Risikobewertung von Schad- stoffen. Erfolgt die durch fremdstoffmetabolisierende Enzyme katalysierte Umwand- lung von aufgenommenen Schadstoffen bei Mensch und Tier in qualitativ oder quan- titativ unterschiedlicher Weise, so resultiert hieraus eine unterschiedliche Konzen- tration am Zielorgan und ein Unterschied in der Empfindlichkeit bei gleicher verab- reichter Dosis.
Das Projekt F1656 „Quantitative Unterschiede im Fremdstoffmetabolismus zwischen Versuchstier und Mensch“ hatte zum Ziel, Speziesunterschiede bezüglich der Meta- bolisierung von Fremdstoffen zu untersuchen. Dazu wurden
÷ publizierte in vitro-Daten zur enzymatischen Umsetzung von Stoffen im Spe- ziesvergleich ausgewertet
÷ in vitro-Untersuchungen zu Einflussgrößen wie Alter, Geschlecht, genetische Polymorphismen etc. und deren Bedeutung für die Aktivität fremdstoff- metabolisierender Enzyme analysiert
÷ die Daten zum Speziesvergleich und zur innerartlichen Variabilität (Inter- und Intraspeziesvergleich) zur besseren Dokumentation und Auswertbarkeit in ei- ner Datenbank erfasst
÷ sowie unter Anwendung von Modellrechnungen Rückschlüsse für die in vivo- Situation gezogen.
Im Rahmen dieser Schlussfolgerungen wurde die Übereinstimmung mit theore- tischen Konzepten zur Interspeziesextrapolation bei ungenügenden stoffspezifischen Daten wie das allometrische Scaling nach kalorischem Grundumsatz geprüft.
Methodisches Vorgehen
Im Rahmen des Projektes wurde der aktuelle Kenntnisstand zu den behandelten En- zymen bezüglich Expression und Aktivität in verschiedenen Spezies und Organen, des polymorphen Auftretens von unterschiedlichen Allelen, der Substratspezifität und weiteren charakteristischen Eigenschaften der Enzyme dokumentiert. In der publi- zierten Literatur wurden in vitro-Daten zum Inter- und Intraspeziesvergleich bezüglich der Aktivität fremdstoffmetabolisierender Enzyme bei den Spezies
÷ Mensch
÷ Ratte
÷ Maus
für die Zielorgane
÷ Leber
÷ Niere
÷ Atemtrakt
÷ Verdauungstrakt
recherchiert und ausgewertet. Wegen der hohen Abhängigkeit der enzymatischen Aktivität von den experimentellen Bedingungen wurden nur Daten ausgewertet, bei denen die Bestimmung der Enzymaktivitäten bei verschiedenen Spezies bzw. inner- artlichen Gruppen unter vergleichbaren Bedingungen (in der Regel innerhalb einer Publikation im gleichen experimentellen Ansatz) erfolgte.
Die Daten wurden in einer relationalen Datenbank (Microsoft® Access®) erfasst und durch verschiedene Prozeduren der Auswertung zugänglich gemacht. Die Daten- erfassung erstreckt sich auf folgende Phase-I- und Phase-II-Enzyme.
Tabelle 0-1: Im Projekt berücksichtigte fremdstoffmetabolisierende Enzyme und ihre im Projekt verwendeten Abkürzungen
Enzym Abkürzung
Alkoholdehydrogenase ADH
Aldehyddehydrogenase ALDH
Aldehydoxidase AO
Carboxylesterase CE
Cytochrom P450 Monooxygenase CYP
Epoxidhydrolase EH
Flavin-abhängige Monooxygenase FMO
Glutathion-S-Transferase GST
Monoaminoxidase MAO
Methyltransferase MT
N-Acetyltransferase NAT
NAD(P)H:Chinon-Oxidoreduktase NQO
Prostaglandin-H-Synthase PGHS
Sulfotransferase ST
Thiosulfat-Sulfurtransferase RHO
UDP-Glucuronosyltransferase UGT
Xanthin-Oxidoreduktase XO
Zur Erfassung der innerartlichen Unterschiede und der entsprechenden Einflussgrö- ßen wurden die Daten für eindeutige Kombinationen der Merkmale Art des Enzyms, Spezies und Organ (z.B. GST-Aktivität in der Leber der Ratte) nach den Kriterien
÷ Alter
÷ Geschlecht
÷ Stamm (nur Ratte und Maus)
÷ Rasse (nur Mensch)
÷ Phänotyp
÷ Individuelle Unterschiede
sowie (im Einzelfall) weiteren Parametern analysiert.
Zur Abschätzung der Bedeutung von in vitro beobachteten Speziesunterschieden oder innerartlichen Variabilitäten in der Leber für die Metabolisierung in vivo fand ein empirisches Modell (Dispersionsmodell) aus dem Bereich der Arzneimittelwirkstoff- forschung Anwendung, das eine Hochrechnung von in vitro-Daten auf die in vivo- Situation innerhalb einer Spezies erlaubt. Mit Hilfe des Modells ergeben sich Aus- sagen für einzelne Substrat-Enzymkombinationen hinsichtlich der Frage, ob die Aus- prägung von in vitro beobachteten Unterschieden auch in vivo unter Bedingungen der durch den Leberblutfluss limitierten Substratanlieferung erwartet werden kann.
Ergebnisse Datenlage
Es wurden insgesamt 1286 Datensätze ermittelt. Davon entfallen 592 auf die Inter- speziesvariabilität und 694 auf die Intraspeziesvariabilität. Die überwiegende Anzahl der Daten betrifft die Aktivität der Enzyme in der Leber. Die Datenlage für die ein- zelnen fremdstoffmetabolisierenden Enzyme und Enzymsysteme ist sehr unter- schiedlich. Sehr gut untersuchte Enzyme sind z.B. Cytochrom P450-Enzyme, Epo- xidhydrolase, Glutathion-S-Transferase und N-Acetyltransferase. Für Monoaminoxi- dase, Methyltransferase, Prostaglandin-H-Synthase und Thiosulfat-Sulfurtransferase liegen kaum Daten zum Speziesvergleich vor.
Speziesunterschiede
Der Speziesvergleich von in vitro-Daten ergibt folgendes Bild für die Aktivität in der Leber:
÷ Für mehrere Enzyme (z.B. Aldehydoxidase, Glucuronosyltransferase, einge- schränkt auf den Vergleich Ratte/Mensch auch Alkoholdehydrogenase und Cytochrom P450) werden im geometrischen Mittel keine oder nur geringe Unterschiede zwischen Mensch und Versuchstier gefunden.
÷ Bei einzelnen Enzymen werden Unterschiede zwischen Versuchstier und Mensch, teilweise auch zwischen Ratte und Maus (z.B. im Falle der löslichen Epoxidhydrolase) beobachtet:
o Die Aktivität der flavinabhängigen Monooxigenase, Glutathion-S-Trans- ferase, NADPH-Chinon-Oxidoreduktase und Xanthinoxidase ist bei Nagern höher als beim Menschen.
o Die Aktivität der mikrosomalen Epoxidhydrolase, der löslichen Epoxid- hydrolase (für den Vergleich Ratte/Mensch) und der Methyltransferase ist in der menschlichen Leber höher.
÷ Eine systematische Abhängigkeit von der betrachteten Spezies, die sich in einheitlichen Unterschieden über alle Enzyme äußert, ist nicht ersichtlich.
÷ Teilweise werden innerhalb der Daten zu einem Enzym erhebliche Streuun- gen beobachtet, die auf Substratspezifitäten, auf Unterschiede zwischen Iso- enzymen, auf Unterschiede in den experimentellen Bedingungen verschie- dener Studien und auf weitere unbekannte Faktoren zurückzuführen sind.
Tabelle 0-2: Speziesverhältnisse (GM: geometrischer Mittelwert, GSD: geome- trische Standardabweichung, n: Anzahl der Datenpunkte) für die Vergleiche Ratte/Mensch und Maus/Mensch für die in vitro-Aktivität der betrachteten Enzyme in der Leber
Enzym Ratte/Mensch Maus/Mensch
GM GSD n GM GSD n
Alkoholdehydrogenase 1,11 2,14 10 1,00 - 1
Aldehyddehydrogenase 1,83 2,6 5 - - 0
Aldehydoxidase 2,16 2,98 10 1,35 1,35 2
Carboxylesterase 2,15 1,40 3 1,84 5,89 4
Cytochrom P450 Monooxygenase 0,93 7,13 81 2,14 3,42 58
mEH 0,41 2,44 38 0,14 2,77 33
Epoxidhydrolase
sEM 0,28 2,48 18 5,10 3,39 18
Flavin-abhängige Monooxygenase 3,24 3,26 13 3,18 5,54 5
Glutathion-S-Transferase 3,94 3,73 29 7,64 7,83 26
Monoaminoxidase 0,43 - 1 0,39 - 1
Methyltransferase - - 0 0,08 6,53 2
N-Acetyltransferase 146 2,91 3 157 5,75 3
NAD(P)H:Chinon-Oxidoreduktase 34,4 6,51 5 1,64 - 1
Prostaglandin-H-Synthase - - 0 - - 0
Sulfotransferase 2,65 1,46 4 2,1 2,4 3
Thiosulfat-Sulfurtransferase 1,1 - 1 - - 0
UDP-Glucuronosyltransferase 0,87 8,19 22 1,14 6,38 10
Xanthin-Oxidoreduktase 4,89 5,83 8 2,19 - 1
Die Auswertungen für Atemtrakt, Niere und Verdauungstrakt sind durch eine wesent- lich schlechtere Datenlage gekennzeichnet. Die Ergebnisse sind in den nachfolgen- den Tabellen angegeben. Die prinzipiellen zur Leber getroffenen Aussagen gelten auch für diese Organe: es ist kein systematischer, alle Enzyme betreffender Unter- schied zwischen den Spezies sichtbar. Die beobachteten Aktivitätsverhältnisse kön- nen sich jedoch durchaus von den in der Leber beobachteten unterscheiden. So weisen die drei Spezies bezüglich Cytochrom P450-Enzyme in der Leber vergleich- bare Aktivitäten auf. In der Lunge ist die in vitro-Aktivität bei den Nagerspezies je- doch deutlich höher als beim Menschen.
Tabelle 0-3: Speziesverhältnisse (GM: geometrischer Mittelwert, GSD: geome- trische Standardabweichung, n: Anzahl der Datenpunkte) für die Vergleiche Ratte/Mensch und Maus/Mensch für die in vitro-Aktivität der betrachteten Enzyme im Atemtrakt
Enzym Ratte/Mensch Maus/Mensch
GM GSD n GM GSD n
Alkoholdehydrogenase - - 0 - - 0
Aldehyddehydrogenase - - 0 - - 0
Aldehydoxidase - - 0 - - 0
Carboxylesterase 3,09 4,16 5 - - 0
Cytochrom P450 Monooxygenase 16,6 8,91 6 63,2 6,37 6
mEH 0,51 1,57 10 1,07 1,90 8
Epoxidhydrola-
se sEH 0,61 3,08 5 1,51 3,08 5
Flavin-abhängige Monooxygenase 7,89 - 1 - - 0
Glutathion-S-Transferase 1,09 3,41 3 4,05 3,66 4
Monoaminoxidase - - 0 - - 0
Methyltransferase - - 0 - - 0
N-Acetyltransferase - - 0 - - 0
NAD(P)H:Chinon-Oxidoreduktase 24,8 1,15 3 3,30 - 1
Prostaglandin-H-Synthase - - 0 - - 0
Sulfotransferase 0,34 - 1 - - 0
Thiosulfat-Sulfurtransferase 12,9 - 1 - - 0
UDP-Glucuronosyltransferase - - 0 - - 0
Xanthin-Oxidoreduktase 2,81 - 1 - - 0
Tabelle 0-4: Speziesverhältnisse (GM: geometrischer Mittelwert, GSD: geome- trische Standardabweichung, n: Anzahl der Datenpunkte) für die Vergleiche Ratte/Mensch und Maus/Mensch für die in vitro-Aktivität der betrachteten Enzyme in der Niere
Enzym Ratte/Mensch Maus/Mensch
GM GSD n GM GSD n
Alkoholdehydrogenase - - 0 - - 0
Aldehyddehydrogenase - - 0 - - 0
Aldehydoxidase - - 0 - - 0
Carboxylesterase - - 0 - - 0
Cytochrom P450 Monooxygenase - - 0 - - 0
mEH 0,68 - 1 0,47 - 1
Epoxidhydrolase
sEH 0,008 - 1 - - 0
Flavin-abhängige Monooxygenase 1,14 1,71 4 - - 0
Glutathion-S-Transferase 4,03 5,53 3 3,65 2,99 3
Monoaminoxidase 0,28 1,72 4 - - 0
Methyltransferase - - 0 - - 0
N-Acetyltransferase - - 0 - - 0
NAD(P)H:Chinon-Oxidoreduktase 0,85 4,19 2 - - 0
Prostaglandin-H-Synthase - - 0 - - 0
Sulfotransferase 0,06 - 1 - - 0
Thiosulfat-Sulfurtransferase - - 0 - - 0
UDP-Glucuronosyltransferase - - 0 - - 0
Xanthin-Oxidoreduktase 23,1 2,36 3 - - 0
Tabelle 0-5: Speziesverhältnisse (GM: geometrischer Mittelwert, GSD: geome- trische Standardabweichung, n: Anzahl der Datenpunkte) für die Vergleiche Ratte/Mensch und Maus/Mensch für die in vitro-Aktivität der betrachteten Enzyme im Verdauungstrakt
Enzym Ratte/Mensch Maus/Mensch
GM GSD n GM GSD n
Alkoholdehydrogenase - - 0 - - 0
Aldehyddehydrogenase - - 0 - - 0
Aldehydoxidase 1,70 - 1 0,80 - 1
Carboxylesterase - - 0 - - 0
Cytochrom P450 Monooxygenase - - 0 - - 0
Epoxidhydrolase - - 0 - - 0
Flavin-abhängige Monooxygenase - - 0 - - 0
Glutathion-S-Transferase - - 0 - - 0
Monoaminoxidase - - 0 - - 0
Methyltransferase - - 0 - - 0
N-Acetyltransferase - - 0 - - 0
NAD(P)H:Chinon-Oxidoreduktase 8,55 1,02 2 - - 0
Prostaglandin-H-Synthase - - 0 - - 0
Sulfotransferase 0,03 - 1 - - 0
Thiosulfat-Sulfurtransferase - - 0 - - 0
UDP-Glucuronosyltransferase - - 0 - - 0
Xanthin-Oxidoreduktase 25,1 - 1 11,2 - 1
Für die Daten, für die in vitro in der Leber bestimmte Werte für Vmax als auch Km vor- lagen, wurden mit Hilfe des empirischen Dispersionsmodells die Speziesverhältnisse für die hepatische Clearance in vivo berechnet. Für Enzym-Substratkomplexe mit geringer intrinsischer Clearance ergibt sich, dass in vitro beobachtete Speziesunter- schiede auch in vivo beobachtet werden können. Ab einer intrinsischen Clearance von ca. dem 5fachen des Leberblutflusses wird jedoch der Substrattransport mit dem Blut im Organismus geschwindigkeitsbestimmend. Die dann beobachteten Spezies- verhältnisse entsprechen den Verhältnissen des Leberblutflusses zwischen den Spezies.
Es resultieren geometrische Mittelwerte (für alle Enzym-Substratkomplexe mit einer intrinsischen Clearance > 6000 ml/min) von
3,3 für den Ratte/Mensch-Vergleich und 5,4 für den Maus/Mensch-Vergleich.
Die nachfolgende Abbildung stellt die errechneten Speziesverhältnisse für CLH in Abhängigkeit von der intrinsischen Clearance für den Vergleich Ratte/Mensch dar.
0,01 0,1 1 10 100
0 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000 12.000 14.000 16.000 18.000 20.000 Intrinsische Clearance (Mensch) [ml/min]
Berechnete hepatische Clearance in vivo: Ratte/Mensch
ADH ALD AO CYP EH NQO RHO ST UGT
//
Abbildung 0-1: Aus in vitro-Daten errechnete Speziesunterschiede zwischen Ratte und Mensch bezüglich der hepatischen Clearance in vivo in Ab- hängigkeit von der humanen intrinsischen Clearance
Die hohe Übereinstimmung mit den Interspeziesfaktoren, die sich aus einem Scaling nach kalorischem Grundumsatz ergeben, resultiert aus der Tatsache, dass die Spe- ziesunterschiede im Blutfluss mit diesen allometrischen Prinzipien in Einklang ste- hen.
Innerartliche Variabilität
Die Auswertung der Daten zur Intraspeziesvariabilität ergibt ein vielschichtiges Bild.
Ein zusammenfassender Überblick wird erschwert durch die Tatsache, dass Studien teilweise nur bedingt miteinander vergleichbar sind: Wurde z.B. der Einfluss des Al- ters auf die Aktivität eines Enzyms im selben Organ der selben Spezies in einem Fall in fetalen und adulten, im anderen Fall aber an zwei adulten Gruppen unter- schiedlichen Alters untersucht, so können die Ergebnisse numerisch sehr unter- schiedlich und nicht vergleichbar sein. Die Auswertung fokussiert folglich auf den Maximalwerten, die für eine eindeutige Kombination der Merkmale (Enzym, Spezies,
Organ) und den untersuchten Einflussgrößen (Alter, Geschlecht, Stamm, Phänotyp, Rasse, individuelle Unterschiede) erhalten wurde. Für die jeweiligen Kombinationen von Enzym, Spezies und Organ (z.B. GST-Aktivität in der Rattenleber) werden be- züglich der jeweiligen Einflussgrößen die Maximalwerte der ermittelten Unterschiede bei Vorliegen von mindestens drei Datenpunkten in der nachfolgenden Tabelle ange- geben (keine Angaben bezüglich Rasse wegen fehlender Daten).
Es zeigt sich, dass
÷ das Alter mit Ausnahme von Fällen, in denen Feten oder neonate Tiere unter- sucht wurden, eher geringen Einfluss auf die Enzymaktivität besitzt
÷ Ebenso wurden für das Kriterium Geschlecht geringe Maximalwerte (i.d.R. <
5) erhalten.
÷ Stammspezifische Einflüsse waren gering (maximaler Faktor < 3), wenn die Zugehörigkeit zu einem Stamm nicht mit einem unterschiedlichen Phänotyp verbunden war.
÷ Zum Teil hohe Unterschiede wurden zwischen Gruppen unterschiedlichen Phänotyps beobachtet.
÷ Ebenso wurden hohe Unterschiede zwischen erwachsenen, menschlichen In- dividuen beobachtet, wobei in vielen Fällen wahrscheinlich ist, dass (nicht ex- perimentell bestimmte) phänotypische Unterschiede hier (mit)verantwortlich sind.
Tabelle 0-6: In vitro beobachtete maximale Aktivitätsunterschiede bezüglich der Kombination von Merkmalen (Enzym, Spezies, Organ) und Einfluss- größen (Alter, Geschlecht, Individuen, Phänotyp, Stamm)
Enzym Alter Geschlecht Individuen Phänotyp Stamm
ALDH 1,2 (Hum, VT) 1,4 (Mus, Le)
2,7 (Rat, Le)
AO 8,4 (Mus, Le) 46,6 (Hum, Le) 14,2 (Mus, Le)
ADH 1,8 (Mus, VT)
3,5 (Rat, Le)
3,8 (Rat, Le) CE 8,1 (Rat, Le) 1,7 (Mus, AT)
1,4 (Rat, AT)
44,6 (Hum, Le) 1,5 (Mus, Le) CYP 4,1 (Rat, Le) 7,4 (Hum, Le)
1,8 (Mus, AT) 2,2 (Mus, Le) 1,8 (Rat, AT) 10,7 (Rat, Le)
39,5 (Hum, Le) 17,7 (Hum, VT)
7,8 (Mus, Le) 14,2 (Rat, Le)
mEH 1,5 (Hum , Le)
2,1 (Mus, Le) 2,8 (Rat, Le)
3,8 (Hum, AT) 62,6 (Hum, Le)
2,7 (Mus, Le) 2,8 (Rat, Le)
sEH 3,8 (Hum, Le)
2,1 (Mus, Le)
1,3 (Mus, Le)
FMO 3,2 (Mus, Le) 3,9 (Hum, Le)
MAO 2,0 (Hum, Le)
GST 8,3 (Mus, Le) 26,4 (Rat, Le)
1,6 (Hum, Le) 6,5 (Mus, Le) 4,0 (Mus, Ni) 4,5 (Rat, Le) 5,0 (Rat, Ni)
183,7 (Hum, Le)
51,5 (Hum, Le)
3,8 (Mus, Le)
UGT 1080 (Hum, Le) 2,1 (Rat, Le)
2,8 (Rat, Le) 19,2 (Hum, Le) 10,1 (Rat, Le) MT 7,1 (Hum, Le) 1,3 (Hum, Le)
5,8 (Mus, Le)
73,6 (Hum, Le) 14,1 (Mus, Le) NAT 3,2 (Mus, Ni) 2,7 (Mus, Ni)
7,8 (Rat, Le)
87,7 (Hum, Le) 59,1 (Hum, VT)
20 (Hum, Le) 2,7 (Mus, Le) 8,4 (Mus, VT) 48,2 (Rat, Le)
2,3 (Mus, Le)
NQO 5,0 (Rat, Le) 2,0 (Mus, Le)
14,9 (Rat, Le) ST 2,2 (Rat, Le) 4,9 (Mus, Le)
5,0 (Rat, Le)
70,4 (Hum, Le)
Hum: Mensch, Mus: Maus, Rat: Ratte
AT: Atemtrak, Le: Leber, Ni: Niere, VT: Verdauungstrakt
Diskussion und Schlussfolgerungen
Der vorliegende Bericht gibt einen Überblick über den aktuellen Kenntnisstand zu fremdstoffmetabolisierenden Enzymen der Phase I und II. Die in der Datenbank er- fassten und ausgewerteten in vitro-Daten erlauben das schnelle Auffinden von spe- zifischen Daten für einzelne Enzym-Substratkombinationen und deren quantitative Auswertung. Übergreifend analysiert die Datenbank mögliche Unterschiede in der Enzymaktivität in den Organen Leber, Atemtrakt, Niere, Verdauungstrakt
- zwischen den Spezies Mensch, Ratte, Maus
oder bezüglich innerartlicher Unterschiede zwischen Gruppen einer Spezies, die nach den Kriterien
- Alter, Geschlecht, Stamm, Rasse, Phänotypen oder Individuen unterscheidbar sind.
Die Anwendung eines empirischen, mathematischen Modells erlaubt die Berechnung der hepatischen Clearance in vivo aus in vitro ermittelten kinetischen Daten zur Le- ber und ermöglicht damit eine Einschätzung der in vitro-Beobachtungen für die in vivo-Situation, z.B. bezüglich in vitro beobachteter Speziesunterschiede. Die Anwen- dung dieser Modellrechnungen weist aus, dass im Falle schneller metabolischer Umsetzungen der Substrattransport mit dem Blut geschwindigkeitsbestimmend wird, was im Einklang mit dem allometrischen Konzept des Scalings nach kalorischem Grundumsatz steht.
Damit werden die dokumentierten Daten und ihre Auswertung mit Hilfe der Daten- bank zu einem Instrument, das in vielfältiger Weise Hilfestellungen bei der Analyse toxikokinetisch bedingter Unterschiede im Rahmen der Risikobewertung von chemi- schen Stoffen bieten kann.