NOTIZ
eigene Beobachtungen mitgeteilt, wonach der ER-Gehalt ein und des- selben Tumors im DCC bei Untersu- chung verschiedener Proben stark va- riieren kann (bis zu mehr als einer Zehnerpotenz, im Extremfall bis zu qualitativer Diskrepanz = DCC + bzw. DCC 0). Jeder Pathologe weiß, wie stark der Epithel/Bindegewebs- anteil und das Ausmaß der Tumor- nekrosen innerhalb des gleichen Tu- mors schwanken können. Genau hier liegt die entscheidende Schwachstelle des DCC, der vom methodischen An- satz her gar nicht in der Lage sein kann, diese Unterschiede zu berück- sichtigen. Der ermittelte Meßwert wird hierdurch beträchtlich relati- viert. Unter diesen Gegebenheiten davon zu sprechen, daß sich das Er- gebnis des DCC „sauber quantifizie- ren" lasse, täuscht über die Mängel der Methode hinweg.
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Wertigkeit des ER-ICA: Die Feststellung von Pollow, daß mit dem ER-ICA neben intaktem ER auch funktionslose ER-Bruchstücke beziehungsweise ER-Vorstufen er- faßt würden, ist reine Spekulation.Aus den immunhistochemischen Analysen von T-Zell-, B-Zell- und anderen Antigenen wissen wir, daß derartige Phänomene seltene Aus- nahmen sind. — Daß die Diskrepanz zwischen dem ER-ICA und dem DCC nicht als Argument gegen den ER-ICA herhalten kann, wurde be- reits erwähnt. Da die Konstellation ER-ICA +/DCC 0 weitaus häufiger ist als die umgekehrte Konstellation ER-ICA 0 / DCC +, und da bei den DCC-negativen Fällen nicht selten ein stark positiver ER-ICA gefun- den wird, kann eher vermutet wer- den, daß der ER-ICA in manchen Fällen ein richtig-positives Resultat liefert, in denen der DCC aus den oben genannten methodischen Gründen versagt. Man sollte auch bedenken, daß nur 60 bis 70 Prozent der DCC-positiven, aber 7 bis 15 Prozent der DCC-negativen Fälle auf endokrine Therapie ansprechen.
Es könnte sein, daß die letzte Grup- pe den ER-ICA-positiven Fällen entspricht, obgleich dies gegenwär- tig beim Fehlen entsprechender Therapiestudien nur Spekulation ist.
Sicher ist der ER-ICA aber weit mehr als ein „möglicherweise inter-
essantes Verfahren zur Ergänzung der biochemischen Analyse". Über- lassen wir die Entscheidung dar- über, wessen Prognose sich durch besondere „Kühnheit" auszeichnet, ruhig der zukünftigen Entwicklung.
Bemerkenswerterweise zitieren Beck, Pollow und Heubner in einer einschlägigen Arbeit (Geburtsh. u.
Frauenheilk. 46:490-494) selbst eine Studie von Coombs et al. (1975), wonach der ER-ICA eine sehr gute Vorhersage des endokrinen Thera- pieerfolges erlaubte.
Qualitätskontrolle: Sie be- zieht sich beim DCC auf die Unter- suchung eines bestimmten Tumor- Zytosols durch verschiedene Labo- ratorien. Sie sagt damit nur etwas über die Zuverlässigkeit der bioche- mischen Untersuchung und nichts über den tatsächlichen ER-Gehalt des Tumors aus. In einer gemeinsa- men Studie zusammen mit H. E.
Stegner (UFK Hamburg) konnte ge- zeigt werden, daß bei Anwendung eines bestimmten ImmunReaktiven Score die Bewertung von ER-ICA- Präparaten unterschiedlicher Reak- tionsstärke durch sieben verschiede- ne Untersucher gut übereinstimmte Beck, Pollow und Heubner selbst zi- tieren in ihrer oben erwähnten Ar- beit die gute Übereinstimmung der Resultate bei Nachbegutachtung durch mich.
Somit bleibt es unverständlich, was Pollow jetzt zu der Feststellung veranlaßt, für den ER-ICA gebe es keine objektive Qualitätskontrolle und könne sie auch „aus prinzipiel- len Gründen" (?) gar nicht geben.
Die mit dem ER-ICA arbeitenden Gynäkologen und Pathologen stim- men darin überein, daß die diagno- stische Auswertung von ER-ICA- Präparaten entsprechende Erfah- rung mit der Methode und den Ver- gleich mit Referenzpräparaten vor- aussetzt (Remmele und Stegner: im Druck: Frauenarzt bzw. Pathologe).
Prof. Dr. med.
Wolfgang Remmele Institut für Pathologie Dr. -Horst-Schmidt-Kliniken Klinikum der
Landeshauptstadt Wiesbaden Ludwig-Erhard-Straße 100 6200 Wiesbaden
Gefahren bei der Therapie der Hyponatriämie
Zu dem Referat über die Substi- tution bei Hyponatriämie in Heft 31/32 vom 1. August 1987 sendet uns Dr. med. Andreas Gocht eine Er- gänzung, die wir wegen ihrer prakti- schen Wichtigkeit unseren Lesern nicht vorenthalten möchten:
Der zu rasche Ausgleich einer Hyponatriämie kann bekanntlich zu schweren neurologischen Komplika- tionen führen. Hier ist unter ande- rem auch an die „zentrale pontine Myelinolyse" zu denken. Es handelt sich dabei um einen mit ca. einem Prozent im neuropathologischen Sektionsgut vertretenen Entmar- kungsprozeß im ZNS, der vorwie- gend den zentralen Brückenfuß be- trifft und nicht selten auch auf ande- re Hirnregionen — zumeist Klein- hirnmarkzungen, Großhirnrinde und Großhirnmarklager, Corpus striatum und Thalamus — übergreift.
Die Erkrankung tritt häufig in Ver- bindung mit chronischem Alkoholis- mus (60 bis 70 Prozent) auf und en- det meist tödlich (Überlebenszeit nach Diagnosestellung wenige Wo- chen). Retrospektive Untersuchun- gen an Obduktionsfällen mit zentra- ler pontiner Myelinolyse ergaben, daß die rasche parenterale Substitu- tion einer Hyponatriämie (Anstiegs- betrag des Serumnatriums: 20 bis 35 mmo1/1 binnen ein bis vier Tagen) sehr wahrscheinlich ätiopathogene- tisch bedeutsam ist. Tierexperimen- telle Studien zur zentralen pontinen Myelinolyse unterstützen diese Ver- mutung.
Literatur:
1. Kleinschmidt-De Masters, B. K.; Noren- berg, M. D.: Rapid correction of hyponatre- mia causes demyelination. Relation to cen- tral pontine myelinolysis. Science 211 (1981) 1068-1070
2. Norenberg, M. D.; Leslie, K. 0.; Robert- son, A. S.: Association between rise in se- rum sodium and central pontine myelinoly- sis. Ann. Neurol. 11 (1982) 128-135 3. Gocht, A.; Colmant, H. J.: Central pontine
and extrapontine myelinolysis. A report of 58 cases. Clinical Neuropathology (im Druck)
Dr. med. Andreas Gocht
Königstraße 49 • 2000 Hamburg 50 Dt. Ärztebl. 84, Heft 46, 12. November 1987 (79) A-3145