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Schweingruber, F. H. (1993). Das Klima kennt keine Grenzen. Internationale Forschungszusammenarbeit. Argumente aus der Forschung, 6, 14-22.

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Academic year: 2022

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

FORSCHUNGSBEREICH ÖKOLOGIE

Das Klima kennt keine Grenzen

Internationale Forschungs­

zusammenarbeit

Fritz H. Schweingruber Gru · e und Standort

Im Bereich der Waldgrenze in nördlichen Breiten und im Hochgebirge beeinflussen die Sommertemperaturen ganz entscheidend das Wachstum der Bäume. Davon ausgehend analysieren Dendroklimatologen die Zell­

dichte des jährlichen Holzzuwachses, um das Erdklima und seine Geschichte besser zu verstehen. Vielfältige internationale Kontakte ermöglichen es auch Wissen­

schaftern der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in Birmensdorf, Holzproben rund um die Nordhemisphäre der Erde zu untersuchen und eine Klimageschichte dieser Region zu schreiben.

Heizen wir der Erde ein? Klimaforscher war­

nen: Vermutlich nehmen die Temperaturen auf der Erde zu, weil der Anteil der Treibhausgase wie Kohlendioxid in der Atmosphäre durch die Verbrennung von Erdöl und Kohle steigt! So politisch brisant diese Frage ist, so unbewie­

sen ist sie noch. Weltweit - auch an der WSL - forschen Wissenschafter und Wissenschafterin­

nen intensiv, um die bisherigen Kenntnisse zu überprüfen und einer Antwort auf diese Frage näher zu kommmen.

Die Wissenschafter verfolgen dabei vor allem zwei Strategien. Einerseits entwickeln sie Modellvorstellungen, mit denen sie die Klima­

entwicklung erklären können. Dabei berücksich­

tigen sie die Wechselwirkungen zwischen der Atmosphäre, der Erdoberfläche und den Meeren . . Andererseits beschreiben die Wissenschafter die Klimageschichte anhand von Spuren, die das Wettergeschehen in Gletschern, in Mooren und Pflanzen hinterlassen hat. Die Klimageschichte erlaubt es, die Zuverlässigkeit der Modell­

rechnungen abzuschätzen und die Klimamodelle zu verbessern.

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

1972 1952 1952 1972

Bild 1: Querschnitt durch einen Stamm einer dahurischen Lärche aus Jakutien in Ostsibirien. An den Jahrring en lassen sich die Zeitpunkte der Verletzungen abzählen: der Baum stand an einem Flussufer und wurde 1952 und 1972 zur Zeit der Eisschmelze von treibenden Eisplatten verletzt.

Holz, in den Zeugenstand bitte!

■Bäume können Kronzeugen der Klimaentwicklung sein - warum? Sie bilden Zeit ihres langen Lebens während der warmen Jahreszeit neues Holz unter ihrer Rinde. Im Vergleich mit den früh in der Vegetationsperiode gebildete Zel­

len, sind diejenigen des Spätholzes wesentlich kleiner und dichter. So entsteht das ringför­

mige Muster, das sich am Stamm jedes gefällten Baumes beobachten lässt (Bild 1) . Aus der ein­

fachen Erkenntnis, dass sich der Wetterverlauf im Pflanzenwachstum niederschlägt, hat sich vor allem in der zweiten Hälfte dieses Jahr­

hunderts ein neues Forschungsfeld - die Den­

drochronologie - samt eigener Methodik entwickelt.

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

■In feuchten, sommerkalten Gebieten und in Lagen knapp unter der Waldgrenze tritt der Temperaturverlauf gegenüber anderen Wachstums­

faktoren deutlich hervor: Die Zellwanddicke des Spätholzes (Bild 2) hat sich als guter Indikator für die mittlere Tagestemperatur der Sommermonate erwiesen. Wie Pflanzen auf Klima­

veränderungen reagieren und ob eine globale Klimaerwärmung schon begonnen hat, untersuchen wir an der WSL durch die Analyse von Hölzern solcher Standorte.

Bild 2: Querschnitt durch ein Lärchenholz; 250-fache Vergrösserung. Die grossen dünnwandigen Frühholzzellen (A) sind kurzlebig und enthalten wenig klimatologische Informationen. Die kleinen, dickwandigen Spät­

holzzellen (B) leben zwei bis drei Monate und sind in Bäumen nahe der Waldgrenze hervorragende Zeugen des sommerlichen T emperaturver­

laufs. In den zuletzt gebildeten 2-3 Zellreihen des Spätholzes ist die Dichte am grössten.

Wenn es in der Schweiz zu eng wird

■Kanadischen Forschern verdanken wir die zün­

dende Idee zu unseren eigenen Untersuchungen.

An Fichten im Jasper National Park (Kanada) stellten sie 197 1 eine Zusammenhang zwischen Augusttemperaturen und maximaler Holzdichte fest. Wir - Ernst Schär, Padruot Nagler und ich - griffen diesen Gedanken auf und über­

prüften 1976 diese Beobachtung anhand von

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

Bäumen auf der Riederalp und Temperaturdaten vom Jungfraujoch.

Die ersten Ergebnisse im Wallis waren ermu­

tigend und führten uns sogleich zur Frage nach den Grenzen des Zusammenhangs: In welchen kli­

matischen Regionen und über welche Entfernun­

gen zeigen sich noch Übereinstimmungen im Ver­

lauf der jährlichen Holzdichte und dem Verlauf der Sommertemperaturen? Als auch Proben aus Grindelwald, von der Rigi und aus dem Jura unsere ersten Ergebnisse bestätigten, lag es auf der Hand, die Sommertemperatur als einen überregionalen Wachstumsfaktor für Bäume anzu­

sehen. Von da an waren wir lebhaft daran inte­

ressiert, diese Vermutung auch grossräurnig, ausserhalb der Schweiz zu überprüfen.

Zuerst holten wir Material aus Frankreich und Österreich. Die Analyse der Jahrringe zeigte eine Übereinstimmung zwischen Proben aus dem Aletschwald mit solchen aus Grenoble und solchen aus Mariazell. In den Jahren 1977 bis 1982 waren wir dann immer wieder mit dem Auto von Spanien bis Skandinavien

land bis Bulgarien unterwegs. Die

l

1 1

und von Eng­

Klimatologen 1

1

1920 1940 1960 1980

Bild 3: Beispiel für die Übereinstimmung von Temperaturverlauf und Spätholzdichte aus British Columbia, Kanada. Die kräftige Kurve zeigt die jährlichen Abweichungen von der durchschnittlichen Sommertemperatur, die durch die horizontale Linie dargestellt wird. Die feine Linie zeigt die jährlichen Abweichungen von der durchschnittlichen Spätzholzdichte, die ebenfalls durch die horizontal Linie wiedergegeben wird.

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ARGUMENTE

A U S DER FORSCHUNG

Keith Briffa und Phil Jones in Norwich, Gross­

britannien waren uns behilflich, Holz- und Klimadaten statistisch auszuwerten. Daraus ist eine enge Zusammenarbeit entstanden, die für uns heute nicht mehr wegzudenken ist!

Aus den europäischen Proben wurde mir klar, dass sich mit der Analyse von Jahrringen

grossflächige Klimachronologien rekonstruieren lassen. Das war der Schlüssel für alle unsere weiteren Forschungen! Schon in den frühen 80er Jahren keimte in uns der Gedanke, die Unter­

suchungen weltweit auszudehnen . Doch dafür war die zeit noch nicht ganz reif .

Globale Forschungsperspektiven im Aufwind

Anfangs waren unsere Zielsetzung rein klima­

tologischer Natur gewesen: Was sagen uns die Jahrringe über das Klima? Helfen sie uns, die Klimageschichte für Orte und Zeiten ohne Kli­

mamessungen zu schreiben? Mit der Frage, ob der Mensch daran sei, das Erdklima zu verän­

dern, war unsere "l ' art pour l ' art-Forschung"

plötzlich politisch brisant geworden ! Für den Aufbau eines Probennetzes, rund um die nörd­

liche Erdhalbkugel, mit dem wir die globale Klimageschichte untersuchen wollen, fanden wir nun günstige Bedingungen vor .

1983 konnte ich eine zweite Probenserie, den ,Rocky Mountains entlang, von der mexikanischen

Grenze bis nach Alaska, zusammentragen. Dazu war ich - mit Unterstützung des Jahrringlabo­

ratoriums der Universität Arizona - vierein­

halb Monate im VW-Bus unterwegs. Als nächstes planten wir eine weitere Probenserie quer

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ARGUMENTE

AUS DER F O RSCHUNG

Eine Probe ist ...

. . . idealerweise eine Scheibe aus einem Baumstamm. Mei­

stens darf jedoch nur eine kleine bleistiftförmige Probe aus einem Baum herausge­

bohrt werden. Extrem nasse oder trockene Standorte sind für unsere dendroklimatologi­

schen Studien ungeeignet.

Pro Standort werden minde­

stens 12 normal gewachsene und möglichst alte Bäume auf Brusthöhe zweimal ange­

bohrt. Daraus ergibt sich ein Mittelwert. Je nach Verkehrs­

mittel und Finanzlage wird alle 150 bis 300 Km ein Pro­

benstandort im borealen Nadelwald qesucht.

Bild 4: Entnahme eines Bohrkerns.

durch Kanada, vorn Ostrand der Rocky Mountains bis nach Labrador . Das Projekt in Kanada wurde 1989 zusammen mit Prof . Gordon Jacobi vorn

Jahrringlabor in New York und mit Prof. Bert Tannheiser vorn Geographischen Institut der Universität Hamburg durchgeführt.

■Schon 1985 dachte ich daran, auch in Sibi­

rien ein Probennetz auszulegen . Ich musste sechsrnal in den Osten reisen, um Unterstützung für das Projekt zu gewinnen . Entscheidend war eine Konferenz 1990 in Archangelsk, am weissen Meer. Dort waren genau die richtigen Entschei­

dungsträger anwesend und wir Wissenschafter aus dem Westen hatten Gelegenheit, unsere Projektwünsche vorzustellen. Auf einer Land­

karte zeichnete ich zwei grosszügige Linien von Finnland bis Jakutien und sagte : "Dieses

Probennetz müssen wir aufziehen ! " Ich glaube, die dachten zuerst ich sei verrückt . Aber schon nach wenigen Diskussionen gab Forstmi­

nister Isajew den Startschuss: "Yes Fritz, we rnake it ! "

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A RGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

■Während der Nationalfonds das Projekt finan­

ziell unterstützte, stellte die russischen Akademie der Wissenschaften die Infrastruktur zur Verfügung. Herr Vaganov vorn Institut für Forst- und Holzforschung in Krasnoyarsk und Herr Shiyatov vorn Institute of Ecology in Ekaterinburg brachten es fertig, einen Heli­

kopter der Armee zu mieten und umbauen zu lassen: Sitze 'raus, Treibstofftanks hinein.

Mit dieser Maschine flogen wir 1991 vorn Nord­

ende des Urals bis zur Lena und wieder zurück und 1992 von Jakutsk der Lena entlang, fast bis zur Beringstrasse. Dort wurden die Bäume immer seltener und wir hatten auch zunehmend Schwierigkeiten, Treibstoff zu besorgen.

■Die Lücke zwischen dem Ural und dem europäi­

schen Teil, den wir schon bearbeitet haben, wird durch den Ankauf von Proben geschlossen werden. Zwei junge Forstingenieure aus Archan-

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCH U NG

gelsk fliegen in den Sommern 93 und 94 den Nordwesten Russlands ab. Dabei verdienen sie für russische Verhältnisse ausgezeichnet und wir erhalten das Material zu günstigen

Bedingungen.

Wer liegt falsch?

■Unsere bisherigen Forschungsresultate bestä­

tigen den Zusammenhang von Sommertemperatur und Dichte des Spätholzes in allen untersuch­

ten Gebieten. Damit ist sicher, dass die Analyse des Spätholzes in Jahrringen eine geeignete Methode ist, um Klimainformationen über Regionen oder Zeiträume zu rekonstruie­

ren, für die keine klimatologische Messreihen existieren.

■Aufgrund der bisher ausgewerteten Jahrringe aus Europa und Nordamerika, konnten wir für den Zeitraum von 1800 bis heute keine Hinweise auf steigende Sommertemperaturen finden. Das heisst aber nicht, dass keine globale jährli­

che Erwärmung stattgefunden hat oder stattfin­

den wird! Wir wissen nur, dass entweder weite­

re, von uns nicht berücksichtigte Faktoren das Holzwachstum beeinflussen oder, dass die Kli ­ mamodelle, die steigende Temperaturen entlang der nördlichen Waldgrenze prognostizieren, überdacht werden müssen. Neuere Klimamodelle lassen nun auch die Möglichkeit regional

Internationale Zusammenarbeit In Lehre und Organisationen, z.B. F. H. Schweingruber:

- Einjährige Gastprofessur in Tucson, USA 1983/84.

- Vorlesungen in Kanada, Italien, Frankreich.

- Projektgruppenleiter in der International Union of Forest Research Organisations (IUFRO).

- Organisator von Kongressen über Methoden und Anwendungen der Dendrochronologie, 1987 in New York, 1991 in Lund, Schweden

- Organisator einer jährlichen, international ausgeschriebenen dendroökologischen Woche

- Gemeinsames Seminar BioloQisches Institut UNI Basel und Forstwissenschaften, UNI FreibruQ i.Br, BRD.

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCH U NG

verschiedener Klimaentwicklungen zu. Warten wir auf die dendroklimatologischen Ergebnisse aus Sibirien!

Zukünftig weiter in die Vergangenheit

■ In Zukunft werden wir fossiles, historisches Holz für tausendjährige Chronologien suchen.

Wir haben schon eine Reihe für Nordskandina­

vien fertiggestellt. In Schweden wurde das Holz, z. T. mit Tauchern gesucht, geborgen und datiert. Wir führten die Dichtemssungen, die Spezialität der WSL, durch, und die Engländer befassten sich wie gehabt mit der statisti­

schen Auswertung. Zwar stellen sich bei dieser Form internationaler Zusammenarbeit - wir pub­

lizieren auch zu dritt ! - gelegentlich Verzö­

gerungen und Missverständnisse ein. Doch für unsere räumlich grossangelegten und langfri­

stigen Forschungsarbeiten sind gegenseitige Unterstützung und Arbeitsteilung praktisch unabdingbar geworden.

■ Auch mit Wissenschaftern in Russland wollen wir weiterhin gemeinsam arbeiten. Mit wenigen Franken können wir dort Forschungsstrukturen am Leben erhalten oder neue aufbauen. Seit zwei Jahren kommen russische Gastwissenschaf­

ter an die WSL und dieses Jahr reisen zwei meiner Doktoranden nach Sibirien, die das Probennetz vervollständigen und eigene Unter­

suchungen durchführen.

■weitere Schritte? Ich würde gerne mit Perso­

nen in China Kontakt aufnehmen . . .

Referenzen

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