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S3-LEITLINIE: ODONTOGENE INFEKTION __278 ZZI

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Academic year: 2022

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ZZI Zeitschrift für Zahnärztliche Implantologie / JDI Journal of Dental Implantology

www.online-zzi.de

4/2019

S3-LEITLINIE:

ODONTOGENE INFEKTION __278

Patienten mit Bruxismus__284

Hopeless Teeth__290

SPECTATOR CONGRESS – 33. KONGRESS

DER DGI NACH S. 326

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EIN MEILENSTEIN

Die neue Klassifikation parodontaler und periimplantärer Erkrankungen und Zustände

Dr. Frederic Kauffmann

Die neue Klassifikation parodontaler und periimplantärer Erkrankungen und Zustände, die im November 2017 in Chicago erstellt wurde, ist ein Meilenstein. Erstmals wurde ein System entworfen, das zukünftige Änderungen deutlich vereinfacht und Patienten durch das Staging und Grading in besser vergleichbare Gruppen einteilt. Weitere Neuerungen sind die Definition von „gesund“ und die Integration von Implantaten, was längst überfäl- lig war. Wo aber liegt der Mehrwert für den Kliniker und Praktiker? War eine suffiziente Patientenbehandlung vorher nicht möglich? Konnten wir uns „früher“ kein Bild eines Pa- rodontitispatienten machen? Das Gute: Für den Praktiker ändert sich wenig. Der Paro- dontitispatient wird weiterhin eine systematische Parodontaltherapie mit Recall benöti- gen. Was sich ändert – und das sehr zum Positiven – ist, dass durch den neuen definier- ten Zustand „gesund“ eine erfolgreiche Behandlung für den betroffenen Patienten und den Behandler viel besser abbildbar ist und, auch wenn es weiterhin ein Parodontitis - patient ist, von keinem erhöhten Risiko ausgegangen werden muss. Die Einteilung in Stages von 1–4 erleichtert es Patienten zudem, die Schwere ihrer Erkrankung besser verstehen zu können. Denn auch Parodontitispatienten sind zahnmedizinische Laien.

Durch die genauere Einteilung in verschiedene Gruppen lassen sich in Studien einheit- lichere Kollektive untersuchen, und die dabei gewonnenen Daten werden einen positi- ven Einfluss auf die Patientenbehandlung haben.

Was jetzt – bereits fast 2 Jahre später – wichtig ist, ist die systematische Verwen- dung der neuen Klassifizierung, um eine einheitliche Basis zu schaffen. Dies bedarf der Mitarbeit aller. Wir untereinander und besonders an den Universitäten und anderen Fort- und Weiterbildungseinrichtungen sind aufgefordert, die neuen Kollegen einheitlich aus- zubilden. Dies abteilungsübergreifend zu erreichen wird nicht ganz einfach, sollte aber das Ziel sein. Aber auch in den Praxen, im kollegialen Austausch und im Überweiserum- feld muss darauf geachtet werden, dass die neue Klassifikation, die bald ihren 2. Ge- burtstag feiert, mit Selbstverständlichkeit verwendet wird. Einer der Vorteile der neuen Klassifizierung könnte dabei entscheidend helfen: Sie ist bedeutend einfacher und sys- tematischer aufgebaut und erleichtert die Verwendung im Alltag.

Sowohl in der Forschung als auch in der Patientenbehandlung hat es noch nie ge- schadet, ein genaueres und besser vergleichbares Krankheitsbild zeichnen zu können.

Zu den Profiteuren gehören wir in besonderem Maße: Wir sind nicht nur Behandler und Wissenschaftler, sondern unter Umständen auch die Patienten der Zukunft.

I EDITORIAL I

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I INHALTSVERZEICHNIS I

INHALT

265

EDITORIAL

Die Kontaktpunkte des aufgewachsten Zahns mit dem

anatomischen Gegenkiefer werden markiert (links). Die störenden Kontaktpunkte

werden entfernt (rechts).

Fallbericht ab Seite 296

PRAXIS & WISSENSCHAFT

274 KRAFTÜBERTRAGUNG AUFS PERIIMPLANTÄRE KNOCHENGEWEBE

PD Dr. Karl M. Lehmann, M.Sc., PD Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, M.A.

278 LEITLINIEN VERSTÄNDLICH ERKLÄRT

PD Dr. Dr. Julia Heider, Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas

284 WIE VIEL RISIKO – WIE VIEL SICHERHEIT?

Dr. Angelika Rauch M.Sc., Michael Schmidt, PD Dr. Oliver Schierz

290 HOPELESS TEETH

Dr. Julia Hehn M.Sc.

270

ZZI-REDAKTIONSTEAM

Ausgedehnter Parodontal - defekt eines unteren Molaren,

der über den distalen Apex hinausgeht.

Fallbericht ab Seite 290

296 DIE DIGITALE FGP-TECHNIK

Dr. Dr. Dieter Edinger, ZTM Mark Bultmann

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324 TAUNGSKALENDER DER DGI

I−XVI WETTSTREIT DER KONZEPTE

Spectator Congress – Sonderausgabe zum 33. Kongress der DGI in Hamburg

327 „AN IMPLANTATEN KOMMT HEUTE NIEMAND VORBEI“

Zahnärztin Lena Niedballa im Gespräch

329 KURZMELDUNGEN

DGI-Gutachter werden

330 LEITLINIENKONFERENZ

332 WIE WICHTIG SIND LEITLINIEN-UPDATES?

Nachgefragt bei DGI-Präsident Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz

334 DIE FORTBILDUNG 2020

338 HENRY‘S GEDANKENSPLITTER

Geschützt werden Menschen, nicht Daten

342 SICHERHEIT GEHT VOR

Brauche ich als Zahnarzt einen Datenschutzbeauftragten?

346 SOLLEN STUDENTEN IMPLANTIEREN?

Eine Meinungsumfrage

Titelseitenbild: ©LuckyStep − stock.adobe.com I INHALTSVERZEICHNIS I

DGI-NACHRICHTEN

304 IDEALE KOMBINATION VON NADEL UND FADEN

Dr. Frederic Kauffmann, Dr. Matthias Becker

310 WEGE NACH LÜDENSCHEID

Dr. Frank Spiegelberg, Dr. Ahmed Riad Fawzy

320 IMPLANTOLOGIE-FÜHRERSCHEIN

Dr. med. dent. Jan H. Koch, Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas

322 LEITFADEN FÜR DIE PRAXIS

Diana Heimes, Peer W. Kämmerer

350 DGI-NACHWUCHSARBEIT

Die Weichen für die Zukunft stellen

352

Markt

359

Offenlegung Interessenkonflikte

360

Impressum

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PROF. DR. DR. BILAL AL-NAWAS Chefredakteur

DR. SONIA MANSOUR, M.SC.

Schriftleitung Bereich Digitales

DR. FREDERIC KAUFFMANN Schriftleitung Bereich Parodontologie

PD DR. JEREMIAS HEY

Schriftleitung Bereich Prothetik

PD DR. DR. PEER W. KÄMMERER Schriftleitung Bereich Chirurgie

PROF. DR. DR. CHRISTIAN WALTER Schriftleitung Bereich Chirurgie

DR. KARL-LUDWIG ACKERMANN

Erweiterte Schriftleitung

PROF. DR. GERMÁN GÓMEZ-ROMÁN

Erweiterte Schriftleitung

PROF. DR. MARTIN LORENZONI Erweiterte Schriftleitung

PD DR. KARL M. LEHMANN

Autor

PD DR. DR. JULIA HEIDER

Autorin

DR. ANGELIKA RAUCH M.SC.

Autorin

MICHAEL SCHMIDT

Autor

PD DR. OLIVER SCHIERZ

Autor

DR. JULIA HEHN M.SC.

Autorin

ZZI-REDAKTIONSTEAM

I REDAKTIONSTEAM I

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(10)

DR. DR. DIETER EDINGER

Autor

DR. MATTHIAS BECKER

Autor

ZTM MARK BULTMANN Autor

DR. FRANK SPIEGELBERG

Autor

DR. AHMED RIAD FAWZY

Autor

DR. JAN HERMANN KOCH

Autor

DR. RAMONA SCHWEYEN

Autorin

BARBARA RITZERT

DGI-Nachrichten

GABRIELE SCHUBERT

Redaktionelle Koordination I REDAKTIONSTEAM I

ZZI-REDAKTIONSTEAM

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I STUDIENZUSAMMENFASSUNG I

KRAFTÜBERTRAGUNG AUFS PERIIMPLANTÄRE

KNOCHENGEWEBE

Welches biomechanische Verhalten haben Knochen-Implantat-Komplexe?

PD Dr. Karl M. Lehmann, M.Sc., PD Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, M.A.

EINLEITUNG

Bei Untersuchungen ergeben sich nun- mehr seit Jahrzehnten hohe Überlebens- raten implantatgetragener dentaler Res- taurationen. Dies basiert initial im Wesent- lichen auf der Osseointegration der zu- meist verwendeten Titanimplantate. Die- ser Verbund zwischen Implantatoberflä- che und Knochengewebe ist somit sicher- lich der Schlüsselfaktor im Hinblick auf den Langzeiterfolg und ermöglicht dauer- haft die nachfolgende Belastung durch entsprechende prothetische Versorgun- gen. Neben einer hohen Biokompatibilität, die die Osseointegration fördert, stellt sich jedoch weiterhin die Frage nach den bio- mechanischen Abläufen bei der entspre- chenden Krafteinleitung. In diesem Zu- sammenhang ist im Zuge der Herstellung von Komponenten zur Implantatversor- gung die Erzielung eines entsprechenden biomechanischen Verhaltens durch ge-

eignete Herstellungs- und Verarbeitungs- verfahren von Bedeutung, um eine Stressreduktion im Bereich des periim- plantären Knochengewebes zu erzielen.

Trotz hervorragender Überlebensraten implantatprothetischer Versorgungen er- gibt sich jedoch auch die Fragestellung nach den Gründen für stattfindende Im- plantatverluste. Dabei kommen neben biologischen Einflüssen auch mechani- sche Faktoren infrage, die eine Osseoin- tegration nachteilig beeinflussen oder so- gar verhindern können. So kann eine ein- geschränkte Mundhygiene Infektionen der periimplantären Weich- und Knochen- gewebe herbeiführen.

Aber auch mechanische Faktoren, ins- besondere eine entsprechende Überbe- lastung der Versorgungsbestandteile, können zu einer Fraktur oder zum Verlust implantatprothetischer Komponenten füh- ren – oder eben auch zu einem schädigen-

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I STUDIENZUSAMMENFASSUNG I

den Einfluss auf das periimplantäre Kno- chengewebe. Besonders relevant ist hier- bei, dass im Gegensatz zum Knochen-Pa- rodont-Zahn-Komplex der Knochen-Im- plantat-Komplex ein anderes biomechani- sches Verhalten aufweist, und der gesam- te Ablauf der von der prothetischen Ver- sorgung eingeleiteten Kraft und deren Weiterleitung bis zum alveolären Knochen recht komplex ist. Diese Thematik ist bis dato noch nicht ausreichend wissen- schaftlich behandelt worden – wobei sie jedoch gerade im Hinblick auf Implantat- verluste, die potenziell durch mechani- sche Risikofaktoren verursacht werden, in besonderem Maße relevant erscheint.

AKTUELLE STUDIEN

Brune A, Stiesch M, Eisenburger M, Greuling A Der Effekt unterschiedlicher okklusaler Kontaktsituationen auf die periimplan- täre Knochenbelastung – Eine Kontakt- Finite-Elemente-Analyse bei indirekter axialer Belastung

The effect of different occlusal contact situ ations on peri-implant bone stress – A contact finite element analysis of indirect axial loading

Mater Sci Eng C Mater Biol Appl. 2019; 99:

367–373. doi: 10.1016/j.msec.2019.01.104.

Epub 2019 Jan 30.

Studientyp:

Finite-Elemente-Analyse

Materialien und Methoden:

Es wurde bei einer implantatgetragenen Einzelzahnversorgung eine axiale Belas- tung auf die Okklusalfläche durch eine an- tagonistische Krone unter Verwendung einer Finite-Elemente-Analyse simuliert.

Dabei wurden sowohl eine Dreipunkt- als auch eine Fünfpunktbelastung, unterschied- liche Friktionskoeffizienten zum Antago- nisten und verschiedene Höckerneigun- gen berücksichtigt. Auf diese Art und Wei- se wurden die Belastungen im kortikalen und spongiösen periimplantären Knochen - gewebe analysiert.

Wesentliche Ergebnisse:

Die höchste Belastung wurde im Über- gang zwischen kortikalem Knochen und spongiösem Knochengewebe ermittelt.

Bei maximaler Interkuspidation waren die Belastungen im Bereich des Implantat-

Knochen-Interfaces bei einem vorhande- nen Dreipunktkontakt am höchsten.

Schlussfolgerung:

Die höchsten Belastungen treten bei axia- ler Belastung im kortikalen Knochenbe- reich auf, wobei im Wesentlichen Wert auf einen gleichmäßig verteilten okklusalen Fünfpunktkontakt gelegt werden sollte.

Bewertung:

Im Hinblick auf die Relevanz dieser The- matik beleuchtet diese Untersuchung strukturiert unterschiedliche Belastungs- situationen bei der implantatprothetischen Einzelzahnversorgung. Dahin gehend wurden praxisrelevante Situationen simu- liert, wodurch sich eine hohe Aussage- kraft für die klinische Anwendung ergibt.

Dabei werden jedoch dringend weiterfüh- rende Untersuchungen, insbesondere unter Berücksichtigung weiterer Belas- tungsmodi in Form von umfangreicheren festsitzenden und auch herausnehm - baren implantatprothetischen Versorgun- gen, benötigt.

Cozzolino F, Apicella D, Wang G, Api - cella A, Sorrentino R

Kraftübertragung von Implantat zu Knochen: eine Pilotstudie für eine In-vivo- Dehnungsmessstreifentechnik Implant-to-bone force transmission: a pilot study for in vivo strain gauge measure- ment technique

J Mech Behav Biomed Mater. 2019; 90:

173–181. doi: 10.1016/j.jmbbm.2018.10.

014. Epub 2018 Oct 15.

Studientyp:

Klinische Studie

Materialien und Methoden:

Es wurde bei einem Patienten in vivo in Echtzeit an einem osseointegrierten Im- plantat eine Apparatur mit 3 Dehnungs- messstreifen angebracht, um die Kraft- übertragung von Implantat zu Knochen im Zuge von vertikalen und horizontalen ok- klusalen Belastungen zu untersuchen.

Ergebnisse und Schlussfolgerung:

Die Deformation, die sich durch die Übertragung vom Implantat auf das peri- implantäre Knochengewebe ergab, nahm vom koronalen zum apikalen Drit-

tel ab. Horizontalbelastungen ergaben höhere Deformationen im Vergleich zu vertikalen Belastungen. Ab einer Entfer- nung von 9 mm vom Implantathals war der Effekt auf den periimplantären Kno- chen durch die okklusal applizierte Kraft im Vergleich zur Apex-Region zu ver- nachlässigen.

Bewertung:

Diese Studie zeichnet sich durch einen aufwendigen In-vivo-Versuchsaufbau aus und zeigt eindrucksvoll die Lastverteilung im Bereich des Implantat-Knochens in Ab- hängigkeit von statischer und dynami- scher Belastung. Nachteilig ist die Tatsa- che, dass lediglich ein Proband in die Un- tersuchung eingebunden war. Dennoch bestätigt sich die Annahme, dass im korti- kalen Knochenbereich die höchsten Be- lastungen auftreten.

Robinson D, Aguilar L, Gatti A, Abduo J, Lee PVS, Ackland D

Lastverhalten von natürlichen Zähnen und dentalen Implantaten: Eine verglei- chende biomechanische Studie Load response of the natural tooth and dental implant: A comparative biomecha- nics study

J Adv Prosthodont. 2019 Jun; 11:

169–178. doi: 10.4047/jap.2019.11.3.169.

Epub 2019 Jun 26.

Studientyp:

Finite-Elemente-Analyse

Materialien und Methoden: Es wurde ei- ne Finite-Elemente-Analyse eines Prämo- laren mit simuliertem Parodontalapparat und eines Implantats mit jeweils gleichen Okklusalgeometrien und okklusaler Belas- tung durchgeführt.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Die- se Untersuchung zeigt, dass die Belas- tung eines dentalen Implantats zu einer höheren Belastung im umgebenden Kno- chen im Vergleich zu einem natürlichen Zahn führt. Weiterhin wurde bei zuneh- mender Entfernung vom Zentrum der Ok- klusalfläche auch eine erhöhte Belastung im Knochenbereich festgestellt.

Bewertung: Diese Untersuchung bildet entsprechend ihrem Charakter als Finite-

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Elemente-Analyse nicht die klinische Rea- lität ab, was sicherlich als Nachteil erachtet werden kann. Dennoch liefert sie interes- sante Erkenntnisse zur Belastung des pe- riimplantären Knochens und insbesondere im Vergleich zur natürlichen Dentition mit entsprechender physiologischer Belas- tung.

Brizuela A, Herrero-Climent M, Rios-Car- rasco E, Rios-Santos JV, Pérez RA, Ma- nero JM, Gil Mur J

Einfluss des Elastizitätsmoduls auf die Osseointegration dentaler Implantate Influence of the Elastic Modulus on the Os- seointegration of Dental Implants

Materials (Basel). 2019; 25; 12. pii: E980.

doi: 10.3390/ma12060980.

Studientyp:

Tierversuch

Materialien und Methoden:

Aus unterschiedlichen Titanlegierungen mit entsprechend verschiedenen Elastizi- tätsmodulen wurden formgleiche Implan- tate hergestellt und in den zahnlosen Schweinekiefer implantiert. Nach erfolgter Osseointegration wurden die Knochen- Implantat-Kontaktraten (BIC) ermittelt.

Ergebnisse und Schlussfolgerung:

Es ergab sich bei abnehmendem Elastizi- tätsmodul eine höhere Knochen-Implan- tat-Kontaktrate; d.h. bei zunehmend elas- tischen Legierungen erhöhte sich die Qua- lität der Knochen-Implantat-Verbindung.

Bewertung:

Diese aufwendig durchgeführte Studie ar- beitet hervorragend den mechanischen Einfluss des Materials dentaler Implantate heraus. Durch die Herstellung formglei- cher Implantatkörper und die Untersu- chung im Tiermodell können somit gezielt Erkenntnisse zu dem Einfluss des Implan- tatmaterials im Hinblick auf sein biome-

chanisches Verhalten gewonnen werden, wodurch ein Teilaspekt bei der Betrach- tung der okklusalen Kraftableitung hoch- wertig beleuchtet wurde. Allerdings wurde die Kaubelastung der Implantate in dieser Arbeit vernachlässigt.

CONCLUSIO

Die hier vorgestellten Untersuchungen zei- gen deutlich die Relevanz erforderlicher Kenntnisse der auf den Implantatkörper und das benachbarte Knochengewebe einwirkenden Kräfte bei implantatprotheti- schen Versorgungen. Jedoch ergibt sich bei der Betrachtung der zahlreichen Im- plantatuntersuchungen in der Literatur, dass Studien, die sich mit der hier behan- delten Thematik beschäftigen, deutlich un- terrepräsentiert sind. Aufgrund der mittler- weile sehr hohen Erfolgsraten implantat- prothetischer Konzepte stellt sich sicher- lich die Frage, inwieweit eine Ausweitung solcher Studien sinnvoll erscheint. Wobei zu vermuten ist, dass diesbezüglich insbe- sondere das Kollektiv der verloren gegan- genen Implantate möglicherweise partiell auch von solchen Erkenntnissen profitiert hätte. Die hier vorgestellten Studien zei- gen, dass diese Thematik sowohl im Zuge der implantatprothetisch hygienischen Nachsorge als auch im Sinne einer funk - tionsanalytischen Nachsorge durch Kon- trolle der statischen und dynamischen Ok- klusionskontakte eine erhebliche Rolle spielt. So ergibt sich aus den hier vorge- stellten Studien, dass grundsätzlich eine implantatprothetische Versorgung im Ver- gleich zum natürlichen Zahn das Knochen- gewebe stärker belastet. Dabei findet die höchste Belastung im periimplantären kor- tikalen Knochenbereich statt, wobei diese mit zunehmender Entfernung zum Implan- tathals abnimmt. Dabei scheinen Implanta- te, die aus Legierungen mit niedrigerem Elastizitätsmodul hergestellt werden, die Osseointegration positiv zu beeinflussen.

Im Hinblick auf die prothetische Versor- gung empfiehlt es sich daher, soweit eben umsetzbar, einen ausgeglichenen Fünf- punktkontakt bei der statischen okklusalen Belastung einzustellen; allerdings ist zu be- achten, dass mit zunehmender Entfernung vom Zentrum der Okklusalfläche die Belas- tung im Knochenbereich steigt. Bezüglich der dynamischen Kontaktsituation ist zu sagen, dass grundsätzlich auf eine Ver- meidung von Horizontalbelastungen, wie sie zum Beispiel bei dynamischen Störkon- takten entstehen, geachtet werden soll.

Dieser Aspekt ist jedoch auch deshalb von besonderer Bedeutung, da dies eben nur bedingt bei implantatgetragenen Einzel- zahnversorgungen im Eckzahnbereich mit entsprechender dynamischer Führungs-

funktion umsetzbar ist.

I STUDIENZUSAMMENFASSUNG I

PD DR. DR. PEER W. KÄMMERER Leitender Oberarzt und stellv. Klinikdirektor;

Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – Plastische Operationen –

der Universitätsmedizin Mainz peer.kaemmerer@unimedizin-mainz.de

PD DR. KARL M. LEHMANN Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde der Universitätsmedizin Mainz

karl.lehmann@unimedizin-mainz.de

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Warum Sie diesen Beitrag lesen sollten?

Im Bereich der zahnärztlichen Chirurgie können insbesondere infektionsbedingte Schwellungen

ein ernstzunehmendes Problem darstellen. Eine odontogene Infek- tion kann sich aufgrund von kariö- sen Läsionen, aber auch nach ei- ner Routinetherapie in der Zahn- arztpraxis entwickeln. Der Haus- zahnarzt muss bei einer odonto- genen Infektion die Einschätzung

bezüglich der Beurteilung einer Ausbreitungstendenz überneh- men. Bei bestehenden Risikofak-

toren aufseiten des Patienten oder Ausbreitungstendenz ist die

Weiterführung der Therapie im Rahmen eines stationären Aufent- halts häufig notwendig. Der vorlie- gende Beitrag stellt einen (fikti- ven) Fall einer odontogenen Infek-

tion dar und diskutiert an diesem das leitliniengerechte Vorgehen.

LEITLINIEN

VERSTÄNDLICH ERKLÄRT

Praxisorientierte Umsetzung der aktuellen S3-Leitlinie „odontogene Infektion“

PD Dr. Dr. Julia Heider, Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas

PATIENTENFALL

An einem Freitagnachmittag stellt sich ein 45-jähriger Patient mit einem Überwei- sungsschreiben seines Hauszahnarztes zur Weiterführung der Therapie der odon- togenen Infektion zur stationären Aufnah- me in der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – Plastische Operationen – der Universitätsmedizin Mainz vor. Bei dem Patienten war an Zahn regio 46 vor vielen Jahren eine Wurzel - kanaltherapie durchgeführt worden. Seit einiger Zeit litt der Patient immer mal wie- der unter Schmerzen im rechten Unterkie- fer. Nun war es über mehrere Tage zu ei- ner zunehmenden Schwellung des rech- ten Unterkiefers gekommen. Bei der Erst- vorstellung des Patienten gab dieser an- amnestisch an, gesund zu sein und keine Medikamente einzunehmen. Die Schwel- lung imponierte lokal als submuköser Ab - szess mit verstrichenem Vestibulum und Perkussionsempfindlichkeit des Zahns re- gio 46. Der Unterkiefer war durchtastbar und es bestanden keine Schluckbe- schwerden. Im Orthopantomogramm zeigte sich bei der radiologischen Unter- suchung eine apikale Parodontits re- gio 46. Initial hatte der Hauszahnarzt unter Schonung des N. mentalis am Punctum maximum der Schwellung eine Inzision zur Abszessentlastung des submukösen

Abszesses von enoral durchgeführt und eine Drainage in Form einer Lasche einge- legt. Der Patient war aufgeklärt worden, dass die Entfernung des Zahns regio 46 nach Abschwellung und Zurückbildung des submukösen Abszesses durchgeführt werden sollte. Bei der chirurgischen Ent- lastung kam es zur Pusentleerung, sodass keine Antibiotikumtherapie eingeleitet wurde. Am nächsten Tag zeigten sich die Beschwerden rückläufig, sodass keine weiteren Therapieschritte eingeleitet wur- den. Zwei Tage nach dem Freitagnachmit- tag stellte sich der Patient mit zunehmen- den Schmerzen und einer nun ausgepräg- ten Schwellung des Unterkiefers erneut bei dem Hauszahnarzt vor. Der Unterkie- fer war nun fast nicht mehr durchtastbar und es bestanden eine beginnende Kiefer- klemme sowie Schluckbeschwerden. Der Hauszahnarzt überwies den Patienten so- fort in die Klinik mit der Bitte um Weiterfüh- rung der Therapie bei einer bestehenden Ausbreitungstendenz und dem Verdacht v.a. auf einen perimandibulären Logen- abszess. Der Patient bekam ein Rezept für ein Antibiotikum (Amoxicillin 1000 mg, 1–1–1) vom Hauszahnarzt ausgestellt, das er aber nicht einnahm.

Der Patient war selbstständig und musste noch einige Dinge in seiner Firma erledigen. Dies war ihm unter Einnahme I LEITLINIEN I

(17)

von Schmerzmitteln möglich, sodass die Vorstellung in der Klinik sich um einige Stunden verzögerte.

STATIONÄRE BEHANDLUNG Bei der stationären Aufnahme war der Un- terkiefer nicht mehr durchtastbar und der Mund ließ sich nur wenige Millimeter öff- nen. Der Patient imponierte mit einer be- ginnenden kloßigen Sprache und einem angehobenen Mundboden. Er wies eine normale Temperatur und keine Minderung seines Allgemeinzustands auf. Es wurde Blut abgenommen zur Bestimmung der Entzündungsparameter (C-reaktives-Pro- tein, Leukozyten), der Elektrolyte und der Gerinnungsparameter, auch wurde ein kleines Blutbild gemacht. Es wurde umge- hend eine intravenöse Antibiotikumthera- pie mit 2 g Unacid (Ampicillin/Sulbactam, 1–1–1) eingeleitet und der Patient für eine extraorale Eröffnung des Logenabszes- ses in Intubationsnarkose vorbereitet. Die Eröffnung konnte von extraoral unter Ein- lage von 3 Drainageröhrchen komplika - tionslos durchgeführt werden. Der Zahn 46 wurde im Rahmen der Operation extra- hiert. Es entleerte sich reichlich Pus bei der Eröffnung des perimandibulären Ab - szesses. Es wurde bei der ausgeprägten Schwellung eine Therapie mit Fortekortin (16 mg) und einem Fortekortinschema (8 mg am ersten Post-Op-Tag, 4 mg am zweiten Post-Op-Tag) während der Ope- ration eingeleitet. Während der extraora- len Inzision wurde ein Abstrich zur mikro-

biologischen Diagnostik durchgeführt.

Das C-reaktive Protein lag am Tag der sta- tionären Aufnahme bei 265 mg/dl und die Leukozyten lagen bei 24,7/nl.

Postoperativ zeigte sich der Patient im Aufwachraum unauffällig. Im Krankenzim- mer wurde eine weitere Überwachung (Monitoring des Blutdrucks und der Sau- erstoffsättigung) des Patienten durchge- führt. Der Pflege fiel eine auch weiterhin bestehende kloßige Sprache auf, sodass ein Arzt zur Beurteilung hinzugezogen wurde. Als der diensthabende Arzt eintraf, wurde umgehend die Indikation zur erneu- ten chirurgischen Intervention und ggf.

Tracheotomie gestellt. Parallel zur Be- nachrichtigung der Anästhesie kam es zu einem Abfall der Sauerstoffsättigung bei dem bis dahin stabilen Patienten. Auf- grund der ausgeprägten Schwellung und der nun bestehenden Luftnot mit weiter sinkender Sauerstoffsättigung wurde im Bett des Patienten eine Nottracheotomie durchgeführt.

Danach wurde der Patient durch die Anästhesisten sowie Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen im Operationsraum stabilisiert und auf der Intensivstation wei- ter überwacht. Nach 5 Tagen wurde der Patient auf die normale Station zurückver- legt. Das Tracheostoma konnte nach 10 Tagen verschlossen werden und der Patient 12 Tage nach Normalisierung sei- ner Blutwerte entlassen werden. Im Rah- men des stationären Aufenthalts war ein nicht bekannter und auch nicht eingestell-

ter Diabetes mellitus festgestellt worden.

Während des stationären Aufenthalts wur- de eine Therapie eingeleitet.

DISKUSSION DER KASUISTIK AUS DEM ALLTAG

Die (konstruierte) Falldarstellung steht sinnbildlich für den klinischen Praxisalltag chirurgisch tätiger Zahnärzte, Oralchirur- gen sowie Mund-, Kiefer- und Gesichtschi- rurgen und demonstriert den hohen Stel- lenwert der ganzheitlichen Betrachtung des Patienten mit Einbeziehung seiner all- gemeinen Krankheits- und Arzneimittel- anamnese. Die nachfolgende Ausführung konzentriert sich dabei insbesondere auf mögliche Ausbreitungstendenzen der odontogenen Infektion und das individuel- le Risikoprofil des Patienten, durch das die Schwere der Infektion verschleiert werden kann. Mit Veröffentlichung der aktuellen S3-Leitlinie „odontogene Infektionen“

(AWMF-Registernummer: 007-006) liegt erstmals ein öffentlicher und vor allem all- gemeingültiger Leitfaden mit wissen- schaftlich begründeten und standardisier- ten Empfehlungen für den Behandler vor [1]. Die meisten odontogenen Infektionen können vom Zahnarzt komplikationslos im Praxisalltag beherrscht werden. Aus die- sem Grund stehen fast keine Daten be- züglich der Therapie von submukösen Abszessen in der Literatur zur Verfügung.

Bei der odontogenen Infektion ohne Ausbreitungstendenz soll die Behandlung des Infiltrats oder der lokalen odontoge- Abb. 1: Submuköser Abszess ausgehend vom Zahn 16 bei einer Patientin (42 Jahre alt) mit einer unauffälligen allgemeinen Anamnese: vor Inzision (a); Pusaustritt nach der vertikalen Inzision hinter dem Punctum maximum, um eine plastische Deckung nach der Zahnextraktion zu ermöglichen (b)

Fotos (6): Julia Heider, MKG Mainz

a b

I LEITLINIEN I

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nen Infektion aus einer Drainage bestehen und die Infektionsursache beseitigt wer- den (Abb. 1). Bei nicht ausreichender An- ästhesie kann ein zweiter Eingriff zur Ent- fernung der Infektionsursache notwendig werden. Der Patient sollte über den mög - licherweise notwendigen Zweiteingriff auf- geklärt werden. Handelt es sich um ein In- filtrat und entleert sich kein Pus aus der In- zisionswunde, kann eine Antibiotikumthe- rapie durchgeführt werden. Entleert sich Pus und bestehen keine allgemeinmedizi- nischen Risikofaktoren, soll auf die Anti- biotikumtherapie verzichtet werden [1].

Bei lokalen odontogenen Infektionen ist ei- ne Entlastung in Lokalanästhesie von en - oral möglich. Bei Patienten mit einer Blut- gerinnungsstörung oder unter Antikoagu- lanzientherapie ist es in ausgewählten Fällen möglich, durch eine Punktion der odontogenen Infektion eine Blutung oder eine Nachblutung zu vermeiden.

Die Einschätzung des Risikoprofils der Patienten sowie die Beurteilung einer Aus- breitungstendenz der odontogenen Infek- tion stellen einen großen Anspruch an das Praxisteam dar. Kommt es zu einer Aus- breitungstendenz der odontogenen Infek- tion (Abb. 2, 3), soll umgehend eine chirur- gische Therapie eingeleitet werden; dafür kann eine Intervention in Allgemeinanäs- thesie erforderlich sein. Postoperativ soll eine stationäre Überwachung erfolgen und unverzüglich eine Antibiotikumthera- pie eingeleitet werden. Zeigt sich eine

Ausbreitungstendenz oder bestehen All- gemeinerkrankungen, kann es erforder- lich sein, eine Antibiotikumtherapie bereits vor der chirurgischen Intervention zu be- ginnen [1]. Für die stationäre Therapie von odontogenen Infektionen liegen vor allem Fallberichte und retrospektive, aber auch einige prospektive Studien vor. Der fiktive Fall zeigt ein absolut leitliniengerechtes Vorgehen des Hauszahnarztes und der Ärzte in der Klinik, und trotzdem kommt es aufgrund des nicht bekannten und daher auch nicht eingestellten Diabetes mellitus und des damit einhergehenden reduzier- ten Abwehrmechanismus des Patienten zu einem fulminanten Verlauf der odonto- genen Infektion mit massiver Ausbrei- tungstendenz und begleitender Schwel- lung bis zur Luftnot, die eine Tracheotomie notwendig machte. Ein Aminopenicillin ggf. mit einem Betalaktamaseinhibitor stellt das Mittel der Wahl bei einer Ausbrei- tungstendenz einer odontogenen Infek - tion dar, wenn keine Kontraindikation gegen diese besteht. Dies gilt auch, wenn eine odontogene Infektion bereits mit ei- nem Penicillin oder Aminopenicillin ohne Betalaktamaseinhibitor vorbehandelt wur- de. Eine Erregerdiagnostik kann intraope- rativ angestrebt werden, um bei Vorliegen des mikrobiologischen Befundes bei Be- darf auf eine gezielte Antibiotikumtherapie wechseln zu können. Eine chirurgische Revision in Allgemeinanästhesie und eine Anpassung der Antibiotikumtherapie an

das Erregerspektrum nach Antibiogramm können notwendig sein [1].

VERSCHLEIERTE AUSBREITUNG Gerade der Diabetes mellitus stellt eine häufige Ursache für eine verschleierte Ausbreitung einer odontogenen Infektion dar [5,13,15]. In 3–49 % der Patientenfälle mit odontogenen Infektionen, bei denen stationäre Therapien notwendig waren, wird in der Literatur als Grunderkrankung ein Diabetes mellitus als Begleiterkran- kung angegeben [5, 8, 10, 19, 20]. Zu wei- teren Risikofaktoren zählen z.B.: Asthma bronchiale, eine Immunsuppression (z.B.

nach Stammzell- oder Organstransplanta- tion, bei chronischer Graft-versus-Host- Disease, unter oder nach Chemotherapie, bei der rheumatoiden Arthritis, Tumorpa- tienten, HIV-Infektion), eine Bestrahlung im Kopf-Hals-Bereich, Drogenabusus, Alkohol abusus oder starkes Rauchen [6].

Insgesamt konnten bei der Literaturre- cherche zur Erstellung der S3-Leitlinie systemische Erkrankungen bei 23–100 % der Patienten mit odontogenem Abszess, bei denen eine stationäre Therapie not- wendig war, nachgewiesen werden [6, 11]. Die Dauer des stationären Aufenthalts lag zwischen 3 und 22 Tagen [2, 11]. Eine Überwachung auf der Intensivstation war bei 2–100 % der Patienten notwendig [6, 12, 13]. Eine Tracheotomie wurde bei bis zu 30 % der Patienten aufgrund einer aus- geprägten Schwellung während des Abb. 2: Patient (57 Jahre alt) mit unauffälliger allgemeiner Anamnese mit einer odontogenen Infektion mit Ausbreitungstendenz (perimandibulärer Abzess) bei Z.n. einer Zahnextraktion vor 3 Wochen: klinischer Befund der Schwellung perimandibulär links (a); Orthopantomogramm zum Zeit- punkt der stationären Aufnahme (b)

a b

I LEITLINIEN I

(19)

stationären Aufenthalts durchgeführt [10].

Das C-reaktive Protein lag im Mittelwert am Tag des stationären Aufenthaltes bei 107–163 mg/l [2, 11] und die Zahl der Leu- kozyten bei 10–14/nl [10, 14]. Die Kompli- kationen, die im Rahmen der stationären Therapie der odontogenen Infektionen auftraten, umfassten die Sepsis, die akute respiratorische Insuffizienz, die Mediasti- nitis, Fasciitis, Pericarditis, die Pneumo- nie, den Pleuraerguss, gastrointestinale Blutungen, eine Thrombose der Vena ju- gularis, die Pleuritis, den Gehirnabszess, den Pyothorax, die septische Kardiomyo- pathie, das Multiorganversagen, die dia- betische Ketoazidose und die Stimmband- lähmung [6, 7, 9, 10, 13, 14]. Es konnten in den mikrobiologischen Abstrichen in einer Studie aus Schottland in 36 % der unter- suchten Proben keine Bakterien nachge- wiesen werden [15]. In anderen Studien aus Deutschland, Indien und Spanien wur- den in den mikrobiologischen Abstrichen bis zu 5 unterschiedliche Bakterienarten nachgewiesen [16–21]. Ob dabei die Art der Probeentnahme und des Transports bis in das mikrobiologische Labor einen Einfluss auf den Nachweis der Bakterien hat, ist im Vergleich der Veröffentlichun- gen nicht nachzuvollziehen. Meist zeigt sich eine Mischflora aus aeroben und fa- kultativ an aeroben (19–71 %), aber auch anaeroben Bakterien (5–49 %) [16–18, 20, 21]. Dabei werden vor allem Staphylo- kokken, Viridans-Streptokokken, Neisse-

ria species, Micromonas micra, Prevotella species und Bacteroides species nachge- wiesen [18, 20, 22]. Die auf ihre Empfind- lichkeit gegenüber Antibiotika getesteten Bakterien zeigen eine Sensibilität von 67–100 % gegenüber Penicillin [18, 20], 75–100 % für Ampicillin [19], 83–100% ge- genüber Ampicillin mit Sulbactam [18, 20]

und 57–100 % bei Clindamycin [19, 21].

Dabei ist zu beachten, dass Daten aus Deutschland ggf. von Daten anderer Län- der abweichen können, da die Resistenz- entwicklung von dem Verschreibungsver- halten in den unterschiedlichen Ländern beeinflusst werden kann.

Wenn sich bei den Patienten nach chi- rurgischer Eröffnung der odontogenen In- fektion ein Rückgang der klinischen Symptome zeigt und eine Normalisierung der Blutwerte (CRP, Leukozyten) vorliegt, können sie in die ambulante Weiterbe- handlung entlassen werden. Bei den Pa- tienten nach stationärer Therapie, aber auch bei Patienten, bei denen eine ambu- lante Therapie einer odontogenen Infek - tion durchgeführt wurde, sollte die Draina- ge in der Nachsorge regelmäßig (alle 2–3 Tage) gewechselt werden und die Patien- ten sollten bis zum Abklingen der Sympto- me regelmäßig nachuntersucht werden [1].

ZUSAMMENFASSUNG

Die Therapie der Wahl eines Infiltrats oder einer lokalen odontogenen Infektion

(submuköser Abszess) ist die Drainage.

Handelt es sich um ein Infiltrat und ent- leert sich kein Pus aus der Wunde oder bestehen allgemeine Risikofaktoren, kann eine Antibiotikumtherapie durchge- führt werden. Bei Entleerung von Pus und keinen bestehenden Risikofaktoren reicht die Drainage zur Therapie einer odonto- genen Infektion ohne Ausbreitungsten- denz aus. Die odontogene Ursache der Infektion sollte entweder zeitgleich oder verzögert beseitigt werden. Kommt es zu einer Ausbreitungstendenz, sollte umge- hend eine chirurgische Therapie ggf. in Allgemeinanästhesie eingeleitet werden.

Neben der stationären Überwachung der Patienten mit einer odontogenen Infekti- on mit Ausbreitungstendenz (Logenabs- zess) sollte unverzüglich eine Antibioti- kumtherapie eingeleitet werden. Bei einer vital bedrohlichen Ausbreitung der odon- togenen Infektion soll eine interdisziplinä- re Zusammenarbeit frühzeitig angestrebt werden. In der Nachsorge sollten in kur- zen Abständen und regelmäßig Kontrol- len und Drainagenwechsel durchgeführt werden.

Interessenkonflikt: Die Autoren PD Dr.

Dr. Julia Heider und Univ.-Prof. Dr. Dr. Bi- lal Al-Nawas geben an, dass im Zusam- menhang mit diesem Beitrag kein Interes- senkonflikt besteht. Beide Autoren haben die S3-Leitlinie „odontogene Infektionen“

verfasst und koordiniert.

Abb. 3: Patient (64 Jahre alt) mit einer odontogen Infektion (submandibulärer Abszess) mit Ausbreitungstendenz nach lingual und angehobenem Mundboden: Patient von extraoral (a); Darstellung des angehobenen Mundbodens mit Schluckbeschwerden (b)

a b

I LEITLINIEN I

(20)

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PD DR. DR. JULIA HEIDER Oberärztin der Klinik und Poliklinik für Mund-,

Kiefer- und Gesichtschirurgie − Plastische Operationen julia.heider@unimedizin-mainz.de

PROF. DR. DR. BILAL AL-NAWAS Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-,

Kiefer- und Gesichtschirurgie − Plastische Operationen al-nawas@uni-mainz.de

(21)
(22)

Warum Sie diesen Beitrag lesen sollten?

Patienten mit Bruxismus begeg- nen uns täglich in der zahnärzt - lichen Praxis. Besonders bei Neuversorgungen ergibt sich die

Frage, welche Materialien für diese Patienten geeignet sind. Im

Fall einer Implantation stellt sich zusätzlich die Problematik, ob das

parafunktionelle Verhalten nicht auch ein erhöhtes Risiko für das Versagen der Implantate bergen kann? Der nachfolgende Beitrag beleuchtet die aktuellen Empfeh-

lungen zur Implantation bei Patienten mit Bruxismus.

WIE VIEL RISIKO – WIE VIEL SICHERHEIT?

Implantation bei Patienten mit Bruxismus

Dr. Angelika Rauch M.Sc., Michael Schmidt, PD Dr. Oliver Schierz

Hintergrund: Bruxismus beschreibt eine wiederholte Aktivität der Kaumuskulatur und kommt in der allgemeinen Bevölke- rung mit einer Prävalenz von bis zu 30 % vor. Es wird immer wieder kontrovers dis- kutiert, ob Bruxismus ein Risikofaktor für Implantate ist. Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, die aktuelle Literatur hinsichtlich möglicher Komplikationen bei implantat- prothetischen Versorgungen zu beleuch- ten und Empfehlungen zur Planung und Nachsorge bei Patienten mit Bruxismus zusammenzustellen.

Ergebnisse: Ein erhöhtes Risiko für Im- plantate bei Patienten mit Bruxismus wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Teil- weise wird ein stark erhöhtes Risiko (3,4-fach) für Implantatfrakturen bei Bru- xismus angeben. Bei der Planung implan- tatprothetischer Arbeiten sollten eher kon- servative Ansätze gewählt werden. Auftre- tende Beschwerden, z.B. Lockerungen von Implantatschrauben, verstärkter Kno- chenabbau oder starke Abnutzungen der Okklusionsflächen, können ein Hinweis auf parafunktionelle Aktivitäten sein und sollten eine gründliche Kontrolle des Zahnersatzes nach sich ziehen.

Schlussfolgerung: Eine Implantation bei Patienten mit Bruxismus kann ein Risiko für den Erfolg der implantatprothetischen Versorgung darstellen. Bereits im Vorfeld der Implantation oder bei progredientem

Verlauf nach Eingliederung sollte ver- sucht werden, den Bruxismus des Patien- ten zu minimieren.

Schlüsselwörter: Bruxismus; Cranio- mandibuläre Dysfunktion; Erfolg; Knir- schen; Misserfolg; Planung; Pressen;

Überlebenswahrscheinlichkeit

Zitierweise: Rauch A, Schmidt M, Schierz O: Wie viel Risiko – wie viel Sicherheit?

Implantation bei Patienten mit Bruxismus.

Z Zahnärztl Implantol 2019; 36: 284–289.

DOI 10.3238/ZZI.2019.0284–0289

EINLEITUNG

Bruxismus beschreibt eine wiederholte Aktivität der Kaumuskulatur und kann in 2 unterschiedlichen Formen auftreten [10]. Der Wachbruxismus (WB) ist durch einen wiederholten oder dauerhaften Zahnkontakt bzw. durch Verschieben oder Anspannen des Unterkiefers gekenn- zeichnet [11]. Die Prävalenz in der allge- meinen Bevölkerung liegt bei 22–30 % [16]. Die Ursachen werden meist in psy- chosozialen Charakteristika von Patienten gesehen [13]. Der Schlafbruxismus (SB) kann als rhythmisch oder nicht rhythmisch charakterisiert sein und zeigt Prävalenz- werte von 1–15 % [11, 16]. Die Ursachen des SB sind meist weniger psychosozialer I REVIEW I

(23)

Natur, sondern vielmehr durch exogene Faktoren oder zentralnervöse Störungen gekennzeichnet [6]. So fördern besonders Alkohol-, Koffein- oder Tabakkonsum, aber auch Medikamente wie selektive Se- rotonin-Wiederaufnahmehemmer, Ritalin oder Drogen den SB [8]. Bei generell ge- sunden Patienten (ohne REM-Schlaf-Ver- haltensstörung, obstruktive Schlaferkran- kung, Epilepsie etc.) sind weder der WB noch der SB als Bewegungs- bzw. Schlaf- störungen anzusehen [11].

Die korrekte Diagnostik von Bruxismus wird in der Literatur kontrovers diskutiert.

Die Heterogenität und der mitunter hohe technische Aufwand der Befunderhebung erschweren generalisierbare Aussagen.

Letztlich lassen sich 3 diagnostische Mög- lichkeiten ableiten (Tab. 1), um Bruxismus zu klassifizieren (Abb. 1 und 2) [11]. Ob Bruxismus einen physiologischen, wenn nicht sogar protektiven Einfluss hat oder eher einen gesundheitlichen Risikofaktor darstellt, wird stark diskutiert [23]. Je nach Patientenfall kann Bruxismus sicherlich ein positiver Aspekt zugesprochen werden, wenn z.B. durch das protrusive Schieben des Unterkiefers in der Nacht die Atemwe- ge offengehalten werden [9]. Gleichzeitig gehören negative Aspekte, wie ausge- prägte Attritionen, zum zahnärztlichen All- tag. Sind Anzeichen für Bruxismus erkenn- bar, sollte auch aus forensischen Gründen

vor Behandlungsbeginn ein Screening durchgeführt werden. So wurde in einem Gerichtsurteil vom OLG Hamm aus dem Jahr 2014 ein Behandlungsfehler festge- stellt, da unter anderem trotz Hinweisen auf Bruxismus kein CMD-Screening im Vorfeld der prothetischen Versorgung in der Akte dokumentiert worden war [20].

Unabhängig davon urteilte im Jahr 2017 das OLG München, dass ein CMD-Scree- ning vor einer zahnprothetischen Therapie durchgeführt werden sollte [21].

BRUXISMUS – RISIKO FÜR IMPLANTATE?

Grundsätzlich werden implantatprotheti- sche Komplikationen nach ihren Ursachen unterschieden, die einen technischen oder biologischen Ursprung haben können. Be- sonders Bruxismus wird immer wieder als Risikofaktor genannt [7]. Zwei systemati- sche Übersichtsarbeiten und eine Metaa- nalyse beschäftigten sich mit der Frage- stellung, ob Bruxismus einen Risikofaktor für Implantate darstellt. Die Autorengruppe um Manfredini [14] schlussfolgerte, dass besonders technische Komplikationen durch Bruxismus gefördert werden. Biolo- gische Komplikationen erschienen der Gruppe als eher unwahrscheinlich. Im da- rauffolgenden Jahr berichteten Zhou et al., dass sie sowohl technischen als auch bio- logischen Aspekten eine zentrale Rolle bei

implantatprothetischen Komplikationen zusprechen. Auch ein höheres Risiko für Implantatfrakturen im Oberkiefer im Ver- gleich zum Unterkiefer wurde beschrieben [28]. Chrcanovic et al. [1] schlussfolgerten, dass die wissenschaftliche Grundlage für eine zusammenfassende Aussage auf- grund einer geringen Evidenz in der Litera- tur bisher nicht möglich sei.

Komplikationen

In der Literatur wird eine Vielzahl von Komplikationen genannt, die im Zusam- menhang mit Bruxismus stehen können.

Sie sollten als Warnsignal für den Behand- ler gelten und eine gründliche Reevalua - tion der okklusalen Verhältnisse bzw. des Zahnstatus nach sich ziehen. Hinweise sind vor allem: Attritionen, Lockerung der Abutmentschraube oder des Abutments, Schwellung oder Blutung des periimplan- tären Gewebes, Exsudat, Schmerzen, Knochenverlust oder Fraktur der Supra- konstruktion [4, 12].

Verluste

Die häufigsten beschriebenen Misserfolge bei Patienten mit Bruxismus und implan- tatprothetischen Versorgungen sind Frak- turen von Schrauben oder Implantaten [12]. Chrcanovic et al. berechneten bei Patienten mit Bruxismus anhand verschie- dener retrospektiver Studienergebnisse Abb. 1: Die 22-jährige Patientin hält die Kiefer in einer entspannten Position (links) und beißt im Anschluss auf ihre Molaren (rechts). Die Prominenz der Mm. masseteres und temporales wird deutlich.

Fotos (6): Dr. Angelika Rauch

I REVIEW I

(24)

eine Hazard Ratio von 3,4 für die Fraktur von Implantaten [2]. In einer eigenen retro- spektiven Studie ermittelten sie ein erhöh- tes Frakturrisiko der Implantate um bis zu 1820 % [3]. Im Rahmen einer Metaana - lyse beschrieb dieselbe Arbeitsgruppe außer dem eine Komplikationswahr- scheinlichkeit von 6,5 % für Implantate bei Patienten mit Bruxismus bzw. eine Wahr- scheinlichkeit von 3,6 % bei Patienten oh- ne parafunktionelle Auffälligkeiten [1].

PLANUNG VON IMPLANTATEN BEI BRUXISMUS

Grundsätzlich ist ein konservatives Vorge- hen angeraten. Bei Patienten mit Bruxis- mus oder ausgeprägten Kaukräften wird empfohlen, eine höhere Zahl von Implan- taten als minimal notwendig zu inserieren [12]. Dadurch kann ein möglicher Pfeiler- verlust besser kompensiert werden. Bei der Auswahl der Implantate sollten kurze Implantate mit einer Länge unter 6 mm

vermieden oder zumindest engmaschig nachkontrolliert werden [5, 12]. Generell sollten Implantate einen großen Durch- messer aufweisen [12, 25]. Außerdem wird die Positionierung von mehreren Implanta- ten im Sinne einer Geraden empfohlen, so- dass die einwirkenden okklusalen Kräfte stets implantatgestützt abgeleitet werden können [25]. Hinsichtlich der Belastung wird in der Literatur weder zu Sofort- noch zu Frühbelastung geraten [12].

Abb. 2: Im Rahmen der intraoralen Befunderhebung sind dentale Impressionen (Morsicatio buccarum/Linea alba) und eine Verletzung der Wangen- schleimhaut auffällig (links). Auch seitliche Zungenimpressionen sind erkennbar (rechts) [27].

*ZHS: Zahnhartsubstanz I REVIEW I

Diagnostisches Stufenschema

Möglicher Bruxismus Wahrscheinlicher Bruxismus

Definitiver Bruxismus

Tab. 1: Diagnostisches Stufensystem bei Bruxismus [11, 19, 22]

Verfahren

Auskunft durch Patienten in Fragebogen/Selbstauskunft

Klinische Hinweise mit oder ohne Hinweise aus Fragebogen/Selbstauskunft

Instrumentelle Befunde mit oder ohne Hinweise durch Fragebogen/Selbstaus- kunft und/oder klinische Hinweise

Klinische Applikation/Hinweise

Bruxismus-Screening nach DGFDT

• ZHS*-Verlust ohne kariöse Ursache

• Verlust/Versagen Restaurationsmaterial

• Gingivarezessionen

• Dentale Zungenimpressionen

• Dentale Wangenimpressionen

• Hypertrophe Kaumuskulatur

• Eingeschränkte Kieferöffnung

• Torus palatinus/Tori mandibulares Polysomnografie

(25)

PLANUNG DER SUPRAKON- STRUKTION BEI BRUXISMUS Es wird empfohlen, dass prothetische, fest- sitzende Restaurationen eine Verblockung der Implantate ermöglichen [12]. Die okklu- salen Kontakte sollten so gestaltet sein, dass die Kraft zentral und punktförmig auf das Implantat einwirken kann [12, 25]. Da- bei können flachere Höckerspitzen genutzt

werden, um laterale Kräfte zu minimieren [12]. Auch eine Freiendsituation sollte bei festsitzendem Zahnersatz vermieden wer- den [12, 25]. Falls diese jedoch bei einer implantatprothetischen Versorgung not- wendig sein sollte, ist eine sagittale Exten- sion über 15 mm zu vermeiden [26]. Für die Materialwahl der Suprakonstruktion wer- den weiterhin Metallkauflächen als günstig

angesehen [28], die sich im Allgemeinen über Jahre bewähren konnten [18, 24].

Generell sind nur einige zahnfarbene Restaurationsmaterialien bei Bruxismus indiziert. Den Autoren sind nur wenige Zir- konoxidkeramiken und auch CAD/CAM- Komposite bekannt, die Bruxismus nicht als Kontraindikation gemäß Herstelleran- gabe führen. Im Allgemeinen ist es essen- Abb. 3: Ein 69-jähriger männlicher Patient stellt sich mit einem Chipping der Oberkiefer-Frontzähne vor (links). Nach einer Bildgebung konnte ein starker Knochenabbau mit einem zentralen Knochenblock an Implantat 015 festgestellt werden (rechts).

I REVIEW I

Management von Bruxismus – 4 Ps PEP-Talk (Aufklärung/Beratung)

Psychology (Verhaltenstherapie)

Plates (Schiene)

Pills

(medikamentöse Therapie)

Tab. 2: Die 4 Ps als Strategie zum Management von Bruxismus Anwendungsbeispiele

• Patienten über Ätiologie von Bruxismus aufklären

• psychosoziale Charakteristika des Patienten erkennen, ggf. interdisziplinärer Ansatz

• Biofeedback

• Stressabbau durch Entspannungstechnik

(wird von vielen Krankenkassen als Präventionsleistung bezuschusst)

• Rote-Punkt-Methode

(markante Aufkleber werden an Alltagsgegenständen befestigt; Patient soll sich bewusst werden, ob er mit den Zähnen Parafunktion ausübt)

• Schienen aus festem Material

• individuell hergestellte Schiene

• auch Schienen mit Biofeedback möglich

• Injektion von Botulinumtoxin A

(Injektion im Bereich der Kaumuskulatur durch Zahnärzte nicht erlaubt)

• Verordnung von Muskelrelaxanzien

• Kontrolle der Medikamentenanamnese hinsichtlich Bruxismus-fördernder Präparate

(26)

ziell, die vom Hersteller vorgegebenen Mindestschichtstärken auch im Bereich der Verbinder einzuhalten.

NACHSORGE

Bei der Nachsorge sind gründliche Kon- trollen der Okklusion besonders im Hin- blick auf Frühkontakte ratsam. Einige Au- toren empfehlen, besonders bei Patienten mit SB, eine Schutzschiene nach Einglie- derung des Zahnersatzes anzufertigen [28]. Laut einer systematischen Über- sichtsarbeit gibt es dazu im Moment je- doch noch wenig Evidenz [17]. Sollten sich bei Patienten im Rahmen der Nachkon- trollen oder bereits in der Planungsphase Hinweise auf Bruxismus ergeben, kann ein Management zur Minimierung des Bruxismus notwendig werden. Ein be- kanntes Konzept orientiert sich dabei an den 4 Ps [8, 15]. Dieses wurde 2011 durch die Arbeitsgruppe von Manfredini und Lobbezoo beschrieben und basiert auf den 4 Therapiestrategien: Pep-Talk, Psy- chology, Plates und Pills. Einige Anwen- dungsbeispiele finden Sie in Tabelle 2.

DISKUSSION

Die Analyse der zurzeit verfügbaren Lite- ratur zu Implantatprothetik bei Patienten mit Bruxismus unterstreicht die Problema- tik der Diagnostik von Bruxismus. Da in vielen Studien lediglich Selbstfragebogen genutzt wurden und Kontrollgruppen fehl-

ten oder die Fallzahl gering war, sind ver- einheitlichende Aussagen schwer ableit- bar [14]. Dennoch werden immer wieder Komplikationen im Zusammenhang von implantatprothetischen Versorgungen mit Bruxismus beschrieben, die auch zur Ex- plantation und/oder zur Neuanfertigung oder zum Umbau der entsprechenden Versorgungen führen können. Daher soll- ten bei der Planung eher konservative Therapieansätze angenommen werden, d.h. eine ausreichende Dimensionierung der Implantate, konventionelle Einheilzei- ten und die Wahl eines Materials oder ei- ner Materialkombination, die sich bereits in Langzeitstudien bewähren konnte.

Trotzdem bleibt der direkte Einfluss von Bruxismus auf die Komplikations- wahrscheinlichkeit von Implantaten sowie der Implantatprothetik fraglich. Dies ist be- dingt durch die meist uneinheitliche diag- nostische Zuordnung der Studienpatien- ten in die Gruppen Bruxismus oder Nicht- Bruxismus. So existieren vermutlich eini- ge Studien zum Überleben von Implanta- ten und Suprakonstruktionen, die Patien- ten mit Bruxismus unweigerlich mit einge- schlossen haben. Aufgrund eines mögli- chen größeren Risikofaktors durch Bruxis- mus sollten Patienten aber im Vorfeld der Behandlung über höhere Wahrscheinlich- keiten von Komplikationen der Implantat- prothetik aufgeklärt werden. Zusätzlich sollte versucht werden, das Ausmaß des

Bruxismus bereits vor Beginn einer im- plantatprothetischen Neuversorgung zu minimieren.

Seit März 2019 ist die S3-Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung von Bruxis- mus frei im Internet verfügbar. In ihr erhal- ten Sie viele weitere aktuelle Informatio- nen zum Thema Bruxismus [22].

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass es keinen Interessenkonflikt bei der Erstellung dieses Beitrags gibt.

Dieser Beitrag umfasst keine Studien an

Menschen und Tieren.

I REVIEW I

DR. ANGELIKA RAUCH, M.SC.

Universitätsklinikum Leipzig, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde

angelika.rauch@medizin.uni-leipzig.de – Bruxismus kann einen Risikofaktor

für den Erfolg von Implantaten, Abut- ments und Suprakonstruktionen darstellen.

– Bei der Planung einer Implantation sollten ausreichende Dimensionie- rungen und Einheilzeiten berück- sichtigt werden.

– Im Rahmen der Nachkontrolle ist die Okklusionskontrolle der Restau- rationen wesentlich. Außerdem sollten klinische Auffälligkeiten, z.B. Lockerung der Abutment-

schrauben, Chipping oder erhöhter Knochenabbau, eine genaue Re - evaluation des Zahnersatzes nach sich ziehen.

– Das Management von Bruxismus ist sowohl im Vorfeld als auch im An- schluss an die implantatprothetische Therapie wichtig.

– Die Anfertigung einer Aufbiss- schiene kann die Restaurationen schützen, ist bisher in diesem Kon- text wissenschaftlich allerdings we- nig untersucht.

KLINISCHES FAZIT

MICHAEL SCHMIDT Universitätsklinikum Leipzig, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde michael.schmidt@medizin.uni-leipzig.de

PD DR. OLIVER SCHIERZ Universitätsklinikum Leipzig, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde

oliver.schierz@medizin.uni-leipzig.de

(27)

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Literatur

I REVIEW I

Referenzen

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