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Archiv "Der Marsch der Gesundheitsarbeiter durch die Partei-Institutionen (Teil 2)" (10.11.1977)

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Die Information:

Bericht und Meinung SPD-Gesundheitspolitik

• Fortsetzung von Seite 2665 burg an) und die ÖTV geleistet ha- ben. Denn ein selbstverwaltetes Gesundheitswesen nach Art der SPD-Gesundheitskommission ist ein mitbestimmtes Gesundheits- wesen und entspricht damit einer über die Gesundheitspolitik hin- ausgehenden gewerkschaftlichen Ideologie. Das mitbestimmte Ge- sundheitssystem soll zudem Ar- beitsplätze von Mitarbeitern im Gesundheitswesen sichern. Denn

— daran ist kaum zu zweifeln und die ÖTV hat das soeben wieder deutlich gemacht — Rationalisie- rungs-Investitionen zu Lasten von Arbeitnehmern im Gesundheits- wesen wird es in einem wesentlich von den Gewerkschaften beauf- sichtigten Naturschutzpark, na- mens „integriertem System" nicht geben. Insofern zeigt sich hier also nicht nur überhöhte Ideologie, sondern handfeste (und legitime) Gewerkschaftspolitik.

Möglich wurde der Marsch der Ge- sundheitsarbeiter durch die Partei schließlich durch einen Umstand, den Gesundheitspolitiker oft be- dauern: Gesundheitspolitik findet in der SPD wie eigentlich überall im Schatten anderer Politiken statt. Und im Windschatten der großen Politik kann ein zunächst kümmerliches Pflänzchen wie das Jahn-Modell weit besser gedei- hen, als das in den Stürmen einer breiten öffentlichen Diskussion je möglich wäre. ASG-Vorsitzender Cremer mag es anders sehen, doch es sind eigentlich immer die- selben, die an den Modellen ba- steln. Kritiker des integrierten Mo- dells wie der SPD-Bundestagsab- geordnete und Sozialpolitische Sprecher Eugen Glombig oder der Staatssekretär im Bundesgesund- heitsministerium Hans Georg Wol- ters können deshalb auch auf kei- nen nennenswerten, sie unterstüt- zenden Widerhall rechnen. Die neuen Gesundheitsarbeiter sind mittlerweile halt weitgehend unter sich. Auch auf den Parteitagen — die Spezialisten melden sich zu Wort, die eigentliche Basis schweigt. Norbert Jachertz

DER KOMMENTAR

Der soziale Eintopf

wird bereitet

Gewerkschaften propagieren integrierte Gesamtversorgung

Zum Auftakt der Debatte um die Novellierung des Krankenhausfi- nanzierungsgesetzes (KHG) und des ordentlichen SPD-Parteitages in Hamburg haben sowohl die IG Metall als auch die Gewerkschaft Öffentliche Dienste Transport und Verkehr (ÖTV) ihre sozial- und ge- sundheitspolitischen Forderungen erneut präsentiert. Die ideologi- sche Stoßrichtung der gewerk- schaftlichen Glaubenssätze ist da- bei offensichtlich: Bei der Verab- schiedung des „Kostendämp- fungsgesetzes" im Sommer 1977 blieben zahlreiche Wünsche be- sonders „progressiver" Gewerk- schafter offen. Der Krankenhaus- bereich wurde bei den Bemühun- gen um die gesetzlich gesteuerte Kostenbegrenzung weitgehend ausgespart. Die im „Krankenhaus-

versicherungs-Weiterentwick- lungsgesetz" und im „Kosten- dämpfungsgesetz" begonnene Umstülpung des geltenden Kas- senarztrechts und der gewachse- nen, gegliederten Krankenversi- cherung ist den Gewerkschaften offenbar nicht weitreichend genug.

Zentrale

Verwaltungs-Bürokratie

Konkret: Die IG Metall fordert „ei- ne leistungsstarke einheitliche und versichertennahe Krankenver- sicherung, der alle Erwerbstäti- gen, unabhängig von ihrer berufli- chen und soziologisch bedingten Zuordnung angehören", sowie

„eine einheitlich zentral geführte, dezentral organisierte und damit versichertennahe Einheit einer selbstverwalteten Bu ndes-Renten- versicherungsanstalt"

Bedeuteten bislang die Begriffe wie „Volksversicherung" und

„Einheitsversicherung" noch Reizworte im negativen Sinne, so werden sie in den IG-Metall-Be- schlüssen zur allgemeingültigen, wohlfeilen Forderung erhoben.

Damit wagt sich die IG Metall als stärkste Einzelgewerkschaft im DGB weit vor, auch innerhalb der gewerkschaftlichen Szene. Die IG Metall stört dabei wenig, daß die Uralt-Wunschvorstellung nicht nur innerhalb anderer Gewerkschaf- ten auf heftigen Widerspruch stößt, sondern von den durch die Einführung einer Einheitskranken- versicherung unmittelbar Betrof- fenen (den Ersatz-, Betriebs- und Innungskrankenkassen, ihrer Mit- glieder und Selbstverwaltungsor- gane) rundweg abgelehnt wird.

Offenbar setzen die IG-Strategen — an der Spitze Karl-Heinz Janzen, das für die Sozial- und Gesund- heitspolitik verantwortliche Vor- standsmitglied — alles daran, die Macht- und Mitgliederstärkenver- hältnisse innerhalb des DGB voll auszuspielen und die gesundheits- politische Marschzahl für die Zu- kunft weitgehend allein zu bestim- men. Allein die „in circa 1500 Ver- waltungseinheiten zersplitterte Krankenversicherung" ist den IG- Metallern ein Dorn im Auge. Sie sei nicht in der Lage, wird behaup- tet, die Aufgaben einer modernen Gesundheitssicherung wie Vor- sorge, gesundheitliche Betreuung und Rehabilitation zu erfüllen. Die- se Behauptung geht an der Wirk- lichkeit vorbei: Die Krankenversi- cherung und die darin tätigen Ge- sundheitsberufe beweisen täglich das Gegenteil.

Selbst die kritisierte Zahl der Ver- waltungseinheiten stimmt im übri- gen nicht: Im Mai 1977 gab es knapp 1400 selbständige Kranken- kassen. Außerdem sagt die Zahl der Krankenkassen für sich ge- nommen über die Effizienz des Sy- stems überhaupt nichts aus. Und seit Inkrafttreten des KVKG trat zu- dem eine deutliche Machtver- schiebung zugunsten der Kran- kenkassen und deren Organisatio- nen ein, so daß hinter der Forde-

2672 Heft 45 vom 10. November 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Information:

Bericht und Meinung

rung einer Einheitskrankenversi- cherung allenfalls das Postulat ei- nes Honorardiktats vermutet wer- den könnte.

ÖTV propagiert Prävention Weitaus „ausgewogener" formu- liert, in diesem heiklen Punkt die ÖTV. Zwar wird die „starke Zer- splitterung der Krankenkassen"

als ein Schwachpunkt des Ge- sundheitswesens ebenfalls ge- brandmarkt, andererseits wird ein

„auf Prävention ausgerichtetes kooperatives Gesundheitswesen"

propagiert. Nicht Einheitskasse heißt die Devise, sondern ein „ver- sichertennahes, wirtschaftlich ar- beitendes, regional gegliedertes Sozialversicherungssystem" soll erhalten bleiben, dessen einzelne Zweige auf örtlicher und regiona- ler Ebene eng zusammenarbeiten sollen. Trotz der eindeutigen Ab- sichtserklärung, in allen Berei- chen des Gesundheitswesens die volle paritätische Mitbestimmung zu realisieren und die Aufgaben sämtlicher Träger des Gesund- heitswesens neu zu definieren, wird dem Staat vordergründig nur eine Regulativ- und Überwa- chungsfunktion zugewiesen. Kon- kret: „Der Staat soll seiner Ge- samtverantwortung für die soziale Sicherung entsprechend die Rah- menbedingungen vorgeben und einen gesetzlich festgelegten Handlungsrahmen für die Selbst- verwaltung schaffen, den sie ei- genverantwortlich ausfüllt". Bei dem sonst zu verspürenden Ruf nach mehr Staat und Kontrolle bleibt die Befürchtung, daß letzten Endes der „omnipotente" Staats- bürokratismus obwalten soll.

So versöhnlich diese Formulierun- gen auch klingen mögen, überla- gert werden sie jedoch durch linkslastig-ideologische Zielfixie- rungen, die sich wie ein roter Fa- den durch das ÖTV-Programm ziehen. Die Argumentation ist ebenso durchsichtig wie enthül- lend: Nachdrücklich kritisiert die ÖTV das „Gegeneinander von öf- fentlicher Finanzierung und priva-

ter Leistungserstellung und damit privater Gewinnmaximierung" in den wesentlichen Bereichen des Gesundheitswesens. Dadurch, so deduziert die ÖTV im Stile marxi- stischer Systemüberwinder, sei ei- ne „möglichst weitgehende Erfül- lung der gesellschaftlichen Grundbedürfnisse" (Recht auf Er- haltung und bestmögliche Wieder- herstellung der Gesundheit) eben nicht zu erreichen. Schuld daran seien vor allem privatwirtschaftli- che Strukturen und einzelwirt- schaftliche Interessen im Gesund- heitswesen, die noch nicht hinrei- chend öffentlich kontrolliert würden.

Bei dieser ziemlich einseitigen, ja fast klassenkämpferischen Sicht der Dinge kann es nicht verwun- dern, daß die ÖTV so ziemlich alle hierzulande beklagten Mängel und Fehlsteuerungen, vor allem aber die Kostenexplosion und die „feh- lende Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung" die- sem angeblich nicht öffentlich kontrollierten System anlastet.

Nicht Systemverbesserung, son- dern Systemveränderung und -überwindung, heißt die ÖTV-De- vise.

Muten Forderungen der „Arbeits- gemeinschaft der Sozialdemokra- ten im Gesundheitswesen (ASG)"

und der gesundheitspolitischen Leitsätze der SPD passagenweise ideologisch-blutleer und rein tech- nokratisch an, so dominiert im ÖTV-Papier der ideologisch ge- färbte Anspruch, ein geschlosse- nes Modell einer arbeitnehmer- orientierten Gesundheitssiche- rung zu entwerfen. Zielscheibe ist einmal mehr der freipraktizieren- de, freiberuflich tätige Arzt. Er müsse „aus seiner Allzuständig- keit für gesundheitliche Fragen"

gelöst werden, weil er dafür weder ausgebildet noch von der Struktur der Einzelpraxis her besonders geeignet sei. Es sei verständlich, daß eine verstärkte Berücksichti- gung der Prävention gerade die- sen Gruppen nicht passe, die heu- te praktisch mit dem Gesundheits- wesen gleichgesetzt würden und

die an der Krankheit „verdienten".

Offenbar sieht man in der Präven- tion den geeigneten Hebel, um die freipraktizierende Ärzteschaft in den Griff zu bekommen. Zentrale Institutionen könnten sie ja als

„geeignete" Arbeitgeber überneh- men. Das Gesundheitswesen müs- se aber auch aus der Beherr- schung durch medizinische Ex- perten gelöst werden.

Die ÖTV macht keinen Hehl dar- aus, daß sie sich auch als Anwalt der auf Arbeitsplatzsicherung be- dachten Hunderttausenden ÖTV-

„Gesundheitsarbeiter" versteht.

Deren Position soll durch gesetzli- che und tarifvertragliche Regelun- gen ebenso wie durch eine erwei- terte Mitsprache und paritätische Mitbestimmung gesichert werden.

Wichtigster Ansatzpunkt für eine umfassende Gesundheitsvorsorge sei deshalb die ständige Verbesse- rung der Arbeits- und Lebensver- hältnisse und damit ein Ineinan- dergreifen aller Politikbereiche, die Einfluß auf die Entstehung von Krankheiten haben, vom Umwelt- schutz über die Sozialpolitik bis hin zum Städtebau. Staatliche Mit- finanzierung zumindest an den

Krankenhausinvestitionskosten sei zwingend notwendig. Selbst- beteiligung neben der herkömmli- chen Beitragsfinanzierung sei kein akzeptabler Ausweg zur Eindäm- mung der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen. Und weil es sich heute so gut macht, müssen medizinisch-technische Einrich- tungen gemeinsam durch Kran- kenhäuser und niedergelassene Ärzte genutzt werden und Aufga- ben verstärkt auf Einrichtungen von Sozialzentren, Berufsgenos- senschaften und den öffentlichen Gesundheitsdienst verlagert wer- den. Grundlage für eine arbeitneh- merorientierte Gesundheitspolitik sei deshalb eine verstärkte Selbst- verwaltung, in der in allen Berei- chen allein die Versicherten und Funktionäre den Ton angeben sol- len. Dies alles, um die Effizienz und Qualität im Gesundheitswe- sen zu verbessern, zum Nutzen der Patienten. Wehe dem, der Böses dabei denkt! Dr. Harald Clade

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 45 vom 10. November 1977 2673

Referenzen

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