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Archiv "Signifikanz" (11.05.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Signifikanz

Adolf Habermehl

Im Gegensatz zum täglichen und häufig auch medizini- schen Sprachgebrauch, bei dem .. Signifikanz" bzw ... si- gnifikant" zwar im Sinne von

.. wesentlich, eindeutig, bestä-

tigt", aber ohne mathemati-

schen Hintergrund gebraucht

wird, bezeichnet der Begriff

Signifikanz in der Statistik ei- ne auch mathematisch präzis definierte Sachlage: die auf- grund eines statistischen Si- gnifikanztests mögliche Ableh- nung der Nullhypothese ( .. kein Unterschied") mit zahlenmä- ßig vorgegebener, in diesem Zusammenhang als Signifi- kanzniveau bezeichneter lrr- tumswahrscheinlichkeit. Damit darf der Begriff Signifikanz, wenn er im statistischen und allgemein im wissenschaft- lichen Zusammenhang ge- braucht wird, auch nur in die- sem Sinne verwendet werden und ist ohne zahlenmäßige Angabe der Irrtumswahr- scheinlichkeit nicht ausrei- chend erklärt; in diesem Fall kann er nur im herkömm- lichen, unscharfen Sinne in- terpretiert werden.

Eine häufige und wichtige Aufgabe der angewandten Statistik ist die

..,. Prüfung von Hypothesen. ln der Statistik versteht man unter einer Hypothese eine Annahme über eine oder meh- rere, für die praktische Arbeit bedeutsame, zufällig streuen- de Variable von statistischen Gesamtheiten. Interessierende statistische Parameter könn-

ten z. B. die mittlere Senkung des Blutdrucks bei Gabe ver- schiedener Medikamente oder di~ mittlere Gewichtsabnahme bei verschiedenen Reduk- tionsdiäten sein. Bei der expe- rimentellen Untersuchung die- ser Art von Problemen werden nicht nur die individuellen Werte der einzelnen Versuchspersonen zufällig streuen, sondern auch die sta- tistischen Mittelwerte der aus den Gesamtheiten zufällig ausgewählten und experimen- tell untersuchten Stichproben.

Es stellt sich dann die Frage, ob die Differenz zwischen den errechneten Mittelwerten der Stichproben .. zufällig" oder .. nicht zufällig", .. signifikant", d. h. statistisch gesichert ist.

Signifikanz würde bedeuten, daß die entsprechenden Para- meter der Grundgesamt- heiten, z. B. die Mittelwerte, differieren und die Stichpro- ben also verschiedenen Grundgesamtheiten entstam-

men, die Medikamente, die

Patientengruppen, die Be- handlungsarten sich unabhän- gig von den zufälligen

Schwankungen der individuel- len Ereignisse bei den Mes- sungen .. echt" unterscheiden würden. Zur Entscheidung dieser wichtigen, je nach Er- gebnis unterschiedliche Kon- sequenzen nach sich ziehen- den Frage wird ein Signifi- kanztest durchgeführt. Natür- lich muß vor dem Signifikanz- test nicht nur das statistische Datenmaterial in Form der ex- perimentell gewonnenen Stichprobenwerte vorliegen, sondern noch vor dem Experi- ment zur Datengewinnung muß die wissenschaftliche Fragestellung, eine Hypothese existieren, denn wissenschaft- liches Vorgehen besteht aus:

C> der wissenschaftlichen Fra-

gestellung und einer Hypothe- se dazu,

1550 (70) Heft 19 vom 11. Mai 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

C> dem Experiment zur Da-

tengewinnung und

C> dem statistischen Test zur

Prüfung der Hypothese.

Der klassische Signifikanztest zur Prüfung der Hypothese besteht aus:

1. der Formulierung der Null- hypothese,

2. der Wahl des Signifikanzni- veaus,

3. der Prüfung der empiri- schen Stichprobenwerte, 4. der Ermittlung der Wahr- scheinlichkeiten für das nach theoretischen Erwägungen zu erwartende Auftreten von gleich großen oder größeren Differenzen,

5. der Entscheidung über die Ablehnung oder Nichtableh- nung der Nullhypothese.

Der Signifikanztest beginnt mit der Formulierung der so- genannten Nullhypothese, die anschließend durch den Test geprüft wird. Die Nullhypo- these enthält und formuliert die Vermutung, zwischen den zu prüfenden Gesamtheiten, Medikamenten, Behandlun-

gen, Verfahren, bestehe kein ·

Unterschied, die Gesamthei- ten hätten die g Ieichen stati-

stischen Parameter; es seien

z. B. statistische Verteilungs- form, Mittelwerte, Streuungen gleich und die beobachteten Unterschiede der Stichpro- benkennwerte seien nur zu- fallsmäßig bedingt.

..,. Die Entscheidung über Ab- lehnung oder Nichtablehnung der Nullhypothese ist immer nur mit einer gewissen Wahr- scheinlichkeit richtig, die durch die Wahl des Signifi- kanzniveaus festgelegt wird; das Signifikanzniveau ist gleich der Wahrscheinlichkeit,

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mit der die Nullhypothese irr- tümlicherweise verworfen wird. Die Wahl des Signifi- kanzniveaus ist in das Belie- ben des Testenden gestellt.

Nach Durchführung des Signi- fikanztests, der im wesent- lichen auf einen Vergleich der aus experimentellen Stichpro- benwerten errechneten Prüf- größe mit aus theoretischen Überlegungen folgenden Kenngrößen hinausläuft, erhält man als Ergebnis des Signifi- kanztests:

a) entweder kann die Nullhy- pothese zurückgewiesen wer- den; dann liegt ein signifikan- ter Unterschied vor, die Stich- proben entstammen verschie- denen Gesamtheiten;

b) oder die Nullhypothese kann nicht zurückgewiesen werden; dann ist- aufgrund der durchgeführten Untersu- chung- kein Unterschied nachweisbar.

Signifikanz bezeichnet also die mögliche Ablehnung der Nullhypothese als Ergebnis ei- nes Signifikanztests. Im stati- stischen Sinne darf ein Unter- schied nur dann als signifikant bezeichnet werden, wenn der Unterschied mit einem Signifi-

;.;anztest geprüft und als Er- gebnis dieser Prüfung die kei- nen signifikanten, d. h. nur zu- fällige Unterschiede unterstel- lende Nullhypothese mit einer vorher festgelegten Irrtums- wahrscheinlichkeit zurückge- wiesen werden konnte. Dabei ist diese Irrtumswahrschein- lichkeit als Signifikanzniveau oder Signifikanzzahl anzuge-

ben; es sei denn, man über-

nimmt die manchmal anzutref- fende Vereinbarung, ein auf dem Niveau von 5 Prozent si- gnifikantes Ergebnis schlecht- hin als "signifikant", ein Er- gebnis auf dem 1-Prozent-Ni- veau als "sehr signifikant"

und ein Ergebnis auf dem

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

0, 1-Prozent-Niveau als "hoch- signifikant" zu bezeichnen.

Signifikanz bedeutet also nicht Beweis eines Unter- schiedes, sondern ist- wegen der immer vorhandenen Fehlermöglichkeit-nur ein Hinweis auf wahrscheinliche Sachverhalte.

Außerdem kann der Signifi- kanztest natürlich weder man- gelhaft konzipierte und durch- geführte experimentelle Un- tersuchungen nachträglich korrigieren noch kann man damit die Wirklichkeit ohne experimentelle Untersuchun- gen gar bestätigen oder be- rechnen. Weiter ist bei Ver- wendung des Begriffes Signi- fikanz zu beachten, daß bei kleinen Stichproben große Un- terschiede für anzunehmende Signifikanz erforderlich sind, bei großen Stichproben dage- gen man zwar scheinbar auch sehr kleine Effekte aufdecken kann, diese aber möglicher- weise unbedeutend sind, ja vielleicht sogar den Blick für die wesentlichen Dinge ver- decken und damit für eine umfassende und übergreifen- de Beurteilung einer Theorie hinderlich sein können.

Signifikanztests- oder allge- meiner: lnferenzverfahren- sind also statistische Verfah- ren zur Beurteilung von Hypo- thesen über die statistischen Parameter von Gesamtheiten aufgrundempirischer Stich- proben, speziell Vorschriften und Regeln für die Ablehnung oder Akzeptierung der Nullhy- pothese. Damit liefern die Si- gnifikanztests zwar rationale Argumente für die Beurteilung einer Hypothese, gegebenen- falls auch für die Notwendig- keit weiterer experimenteller Untersuchungen zu ihrer Prü- fung, nicht aber die Hypothe- se für die wissenschaftliche Theorie selbst. Weiterentwick- lung der Wissenschaft bedeu-

tet aber auch Aufstellung neu- er, zu prüfender Hypothesen.

Sie können nur durch Intuition gefunden werden.

~ Ideen können nicht durch die mechanische Durchrech- nung von Signifikanztests er- setzt werden.

Und hier setzt auch die in jün- gerer Zeit häufiger vorge- brachte Kritik am Signifikanz- test und allgemein an den in- ferenzstatistischen Methoden ein: es wird darauf hingewie- sen, daß der Signifikanztest zwar für die Argumentation bei der Diskussion von wis- senschaftlichen Theorien un- erläßlich sei, daß die Durch- führung von Signifikanztests und die gesamte lnferenzstati- stik aber keine einzige Hypo- these liefere, sie also das Schöpferische der Hypothe- senbildung nicht enthalte und damit bei aller Wichtigkeit als methodisches Werkzeug zur Hypothesenprüfung die allge- meine Bedeutung des Signifi- kanzbegriffes für die Wissen- schaft nicht überschätzt wer- den dürfe.

Hier sollen die neuen und zu- nehmendes Interesse finden- den Verfahren der explorati- ven Datenanalyse weiterfüh- ren. Diese Datenanalyse will nämlich- über die konfirma- torische Datenanalyse hinaus- gehend -unbekannte Struktu- ren und Eigenschaften in großen, vieldimensionalen Da- tenmengen aufspüren und zur Hypothesenbildung nutzen.

Professor

Dr. rer. nat. A. Habermehl Radiologie-Zentrum der Philipps-Universität Marburg Bahnhofstraße 7

3550 Marburg

Literatur

Witte, E. H.: Signifikanztest und statisti- sche lnferenz, Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart (1980) - Victor, N., u. a. (Hrsg.):

Explorative Datenanalyse, Springer-Ver- lag, Berlin- Heidelberg (1980)

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 19 vom 11. Mai 1984 (73) 1551

Referenzen

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