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ans Sünderhauf, der am 22. Mai 1929 in Berlin ge- boren wurde, gehört mit Kurt Mühlhaupt zu den wich- tigsten Kreuzberger Künst- lern. Sein Werk umfasst Ra- dierung, Holzschnitt, Litho- graphie, Monotypie, Zeich- nung, Aquarell, Ölbild, Acryl- bild und Plastik. Seine Werke wurden in zahlreichen Aus- stellungen im In- und Ausland einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Nach dem Studi- um der Malerei und der Grün- dung einer Familie (zwei Töchter) kommt es 1964 zum Ausbruch einer manisch-de- pressiven Erkrankung und von da an zu wiederholten Kli- nikaufenthalten.Grenzüberschreitungen nur skizziert
Das Leben des Künstlers, die durchlebten psychischen Kri- sen, sind nicht von seiner Kunst zu trennen. Hans Sün- derhauf bleibt jedoch sich selbst als Künstler und sei- nem künstlerischen Handwerk treu, er überschreitet in sei- nem Werk nicht die Grenzen künstlerischer Gestaltung.
Grenzüberschreitungen blei- ben angedacht, werden im Rahmen seiner künstleri- schen Professionalität nur skizziert. In dieser Ganzheit
verdichten sich archetypische Symbole, lässt er miterleben und das Unbewusste, die Tie- fe, erahnen, wie Doppelge- sichter, gegenseitige psychi- sche Anteile um Integration ringen. In seinen Bildern fin- den sich häufig Vögel, Fische, Katzen, Engel, Totenschädel, Doppelgesichter und nackte Frauenkörper. Im Bildhinter- grund oft das Meer, Wolken, Berge, südliche Pflanzen und Früchte. Dem Künstler Hans Sünderhauf gelingt es, diese Bildinhalte, die zunächst ge- gensätzliche psychische Di- mensionen sind, in einem großen künstlerischen Wurf in seinen Bildern zu beleben.
Hans Sünderhauf ist ein Künstler, der aus dem Inne- ren heraus gestaltet, der Le- ben und Kunst vereint, trans- formiert und sich letztendlich immer wieder im künstleri- schen Prozess abarbeitet be- ziehungsweise läutert: Ka- tharsis (Läuterung). Span-
nungszustände können voll- ständig durch Katharsis ge- löst werden. Katharsis be- zieht sich auf das Wiedererle- ben emotionaler Krisen in ei- ner sicheren Umgebung. Die- se Umgebung ist für Hans Sünderhauf das Atelier, aber auch der familiäre Halt, den er über weite Strecken seines Lebens erfahren hat.
Die emotionalen Krisen im Leben des Künstlers Hans Sünderhauf sind gekenn- zeichnet durch immer wieder- kehrende psychische Grenz- situationen. Sich wiederho- lende Erfahrungen der De- kompensation mitten im Schaffensprozess – Klinikauf- enthalte – dann wieder zurück ins Leben – zurück zur Kunst. Das Anderssein mitten in einer Welt der „Normalen“
zu erleben. Als reiche es nicht aus, die gesellschaftliche Grenzsituation als Künstler zu ertragen. Enorme psychi- sche Energien auszuhalten und sich trotzdem der Kunst hinzugeben, in ihr aufzuge- hen. Dann wieder Gesundung zu erfahren durch das künst- lerische Schaffen. All das mit einer enormen Wucht und Lebendigkeit spiegelt sich in den Werken Hans Sünder- haufs wider. Die Mitte immer wieder in sich selbst zu fin- den, bei all dem, was auf ihn einströmt, den seelischen Ge- walten ausgeliefert zu sein, daran fast zu zerbrechen, um ihnen dann wieder standzu- halten.
Sozialpsychologische Szene Auf die Frage nach dem Sinn von Kunst antwortete Hans Sünderhauf: „Kunst macht le- bendig.“ Lebendig sein, sich zu spüren, kennzeichnet die Tiefendimension seiner Bil- der. Darin regt er an, eigene Widersprüchlichkeit wahrzu- nehmen, anzunehmen und auszuhalten. Gleichzeitig zeigt er uns damit etwas auf. Hans Sünderhauf skizziert als Künstler auch die sozialpsy- chologische Szene dieser Zeit. Er ist uns darin in seiner Kunst voraus, mit den seeli- schen Brüchen der Gegen- wart fertig zu werden, sie ganz tief im Innersten auszuloten und trotzdem die Sehnsucht der eigensten subjektiven Wirklichkeit, der Individua- lität nicht aufzugeben: Kunst macht lebendig. Georg Franzen
Das Werk von Hans Sünderhauf ist auch im Internet zu finden: www.eu-artists.
com/suenderhauf, www.psychosenetz.de V A R I A
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A1988 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 272. Juli 2004
Hans Sünderhauf
Kunst macht lebendig
Der Berliner Maler und Bildhauer feierte dieses Jahr seinen 75. Geburtstag.
Abdruck der Bilder mit freundlicher Genehmigung des Künstlers
Granatapfel-Kopf, 1977 Krieg, 1982 Feuilleton