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Archiv "Plädoyer für ein pluralistisches Krankenversicherungssystem: Sozialexperten der Parteien diskutieren Reformschwerpunkte" (23.05.1974)

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Die Information:

Bericht und Meinung

In einem Satz Plädoyer für ein pluralistisches Krankenversicherungssystem

Sozialexperten der Parteien diskutieren Reformschwerpunkte Krankenhaus Herdecke — Einen

stattlichen Zuschlag in Höhe von 65 Prozent erhebt das Gemeinnüt- zige Gemeinschaftskrankenhaus in Herdecke (Ruhr) bei der Benut- zung eines Einbettzimmers, obwohl nach der am 1. Januar 1974 in Kraft getretenen neuen Bundespflege- satzverordnung für Einbettzimmer der Mindestzuschlag nur 35 Pro- zent beträgt (Zweibettzimmer: 38 statt 15 Prozent).

SPD-Ärzte — Voraussichtlich im Januar oder Februar 1975 wird die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemo- kratischer Ärzte und Apotheker (ASÄ) in Köln ihren nächsten or- dentlichen Bundeskongreß abhal- ten.

Krankenhausärzte — In den 5159 Krankenhäusern in der Bundesre- publik Deutschland waren Ende 1972 fast 58 900 Ärzte, Zahnärzte und Medizinalassistenten tätig (An- teil der weiblichen Krankenhaus- ärzte: rund 19 Prozent).

Gewerkschaftsbund — Der Deut- sche Gewerkschaftsbund (DGB) tritt für eine Ablösung des Kran- kenscheinsystems und die Einfüh- rung einer Scheckkarte für alle Krankenversicherten ein, die eine elektronische Auswertung und Da- tenverarbeitung zuläßt.

Überernährung — Von 100 Kindern zwischen drei und sechs Jahren sind siebzehn überernährt wie kürz- lich eine wissenschaftliche Unter- suchung festgestellt hat.

Krankenhäuser — Die Investitions- kosten für ein Bett an nichtuni- versitären Akutkrankenhäusern lie- gen gegenwärtig zwischen 140 000 und 150 000 DM, die eines Kran- kenbettes in einer Universitätskli- nik hingegen bereits bei durch- schnittlich 440 000 DM, wie der nordrhein-westfälische Wissen- schaftsminister Johannes Rau (SPD) auf Grund einer parlamenta- rischen Anfrage mitteilte. DÄ

Die private Krankenversicherung (PKV) bangt um ihre Existenz, nicht erst seit linksradikale gesundheits- politische Programme und Parolen von der „klassenlosen Medizin"

Schlagzeilen machen. Sie führt ins Feld: Eine Reihe sozial- und ge- sundheitspolitischer Gesetze wie beispielsweise die Öffnung der ge- setzlichen Krankenversicherung für selbständige Landwirte und höher verdienende Angestellte hat zu ei- nem sukzessiven Aderlaß bei der Krankheitskostenversicherung (so- genannte Vollversicherung), der wichtigsten Sparte der PKV, ge- führt. Heute sind bereits über 90 Prozent der bundesdeutschen Be- völkerung in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, entweder als Vollmitglieder oder als mitversicherte Familienangehö- rige. Geplante gesetzgeberische Maßnahmen wie beispielsweise die Pflichtversicherung für Studenten deuten darauf hin, daß die gesetzli- che Krankenversicherung nun voll- ends auf das Podest der allumfas- senden „Volksversicherung" erho- ben werden soll.

Über 8 Millionen Privatversicherte Trotz der permanenten Markteinen- gung der privaten Krankenversi- cherung ist diese nach wie vor ein wichtiges Glied im Gesamt des so- zialen Sicherungssystems. Immer- hin waren Mitte letzten Jahres rund 8,3 Millionen privat krankenversi- chert. Davon hatten, einschließlich der Studenten, etwa 4,7 Millionen eine Vollversicherung bei einem der 48 PKV-Unternehmen abge- schlossen. Rund 3,6 Millionen un- terhielten als Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung

außerdem eine private Zusatzversi- cherung für den Krankenhausauf- enthalt. Eine halbe Million Bundes- bürger sind sonstige Selbstzahler.

Daß die private Krankenversiche- rung auch weiterhin eine notwendi- ge Korsettstange im System der ge- gliederten Krankenversicherung darstellt und wichtige sozialpoliti- sche Aufgaben erfüllt, wurde denn auch von amtlicher Seite nie in Frage gestellt. Ausdrücklich be- kannte sich der Sozialbericht 1971 zum gegliederten Sozialleistungs- system und forderte „mehr Wahl- freiheit bei der Vorsorge für die Wechselfälle des Lebens". Daß die gegliederte Krankenversicherung nicht angetastet werden sollte, wird auch dadurch unterstrichen, daß die Bundesregierung dem ein- zelnen Möglichkeiten eröffnen will, im Rahmen der bestehenden Siche- rungssysteme durch eigene Ent- scheidungen und wirtschaftliche Dispositionen auf Umfang und Aus- gestaltung seiner individuellen so- zialen Sicherung mehr Einfluß zu nehmen" (Sozialbericht 1971, Bun- destagsdrucksache VI/2155, Seite 5).

Auch in den Regierungserklärun- gen der sozial-liberalen Koalition von 1969 und 1972 finden sich kei- ne Anhaltspunkte darüber, daß die gegliederte Krankenversicherung und die Prinzipien der freien Arzt- wahl angetastet werden sollen.

Angriffe auf die Essentials

Neuerliche Vorstöße zur Änderung des geltenden Kassenarztrechtes, die Bundesratsinitiative Bayerns zur Einschränkung der Niederlas- sungsfreiheit der Ärzte, der Vor-

DEUTSCHES .ÄRZTEBLATT Heft 21 vom 23. Mai 1974 1529

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Die Information:

Bericht und Meinung

Für pluralistisches Krankenversicherungssystem

stoß des Landes Rheinland-Pfalz zur Einführung einer gesetzlichen Pflichtversicherung für Studenten, die Landeskrankenhausgesetze be- unruhigen jedoch sowohl Ärzte- schaft als auch private Krankenver- sicherung gleichermaßen. Sie arg- wöhnen, über kurz oder lang könn- ten die bisher verbal so hoch gehal- tenen „Essentials" über Bord ge- worfen werden.

Aufschlußreich war deshalb eine Podiumsdiskussion vor leitenden Angestellten der Deutschen Kran- kenversicherungs-AG (DKV) in der Kölner Hauptverwaltung, an der prominente sozialpolitische Spre- cher von CDU, SPD und FDP teil- nahmen.

Um das Ergebnis des Streitgesprä- ches vorwegzunehmen: Am Ende des Vierstundendisputs hatte man den Eindruck, daß weder Professor Dr. med. Fritz Beske, Staatssekre- tär im schleswig-holsteinischen So- zialministerium und Vorsitzender des CDU-Bundesausschusses für Gesundheitspolitik (Kiel), noch der SPD-Fraktionsassistent, Wolfgang Glöckner (der seinen Chef Dr. Wil- helm Nölling MdB, vertrat, noch der sozial- und gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfrak- tion, Hansheinrich Schmidt (Kemp- ten), das gegliederte Krankenversi- cherungssystem in Frage stellen wollen.

Prof. Beske: Wider den totalen Versorgungsstaat

CDU-Gesundheitspolitiker Profes- sor Beske bezog einen liberalen Standpunkt: „Es besteht kein An- laß, von dem der sozialen Siche- rung zugrunde liegenden Grund- prinzip der gegliederten und ver- sichertennahen Krankenversiche- rung abzugehen." Eine weitere Ausdehnung der Sozialversiche- rung über eine Einheitsversiche- rung könnte sich seiner Meinung nach zu einem „totalen Versor- gungsstaat" entwickeln, der einer individuellen Vorsorge keinen Raum mehr läßt. Nicht der Verän- derung des Systems, sondern der

Beseitigung struktureller Schwä- chen müsse die besondere Auf- merksamkeit der Gesundheitspoli- tik gelten. Dabei sollte es darauf ankommen, betonte Beske, eine Abgrenzung zu finden, die soziale Sicherung mit persönlicher Freiheit und Eigenverantwortung miteinan- der verbindet.

Von Unionsfreunden distanziert Dieses Postulat sieht der CDU-Ex- perte allerdings durch verschiede- ne gesetzgeberische Initiativen ge- fährdet, beispielsweise durch die jüngsten Bundesratsvorstöße sei- ner Unionsfreunde, des bayeri- schen Sozialministers Dr. Fritz Pirkl und des rheinland-pfälzischen Sozialministers Dr. Heinrich Geiß- ler, die das Kassenarztrecht verän- dern wollen bzw. eine Pflichtkran- kenversicherung für alle Studen- ten präferieren. Beske hingegen schlägt vor: Im Interesse echter Wahlfreiheit sollte lediglich dei Möglichkeit eröffnet werden, der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig beizutreten.

Die Befürworter des Kostenerstat- tungsprinzips erhielten von Beske geteilte Unterstützung: Die gene- relle Einführung des Kostenerstat- tungsprinzips in der gesetzlichen Krankenversicherung sei politisch nicht realisierbar. Dagegen sei die wahlweise Kostenerstattung ein diskutabler Weg, um die freie Arzt- wahl zu erweitern, die unterschiedli- chen Rechtspositionen von freiwil- ligen Mitgliedern der Ersatzkassen und anderen Versicherten zu be- seitigen. Außerdem könne so für mehr Kostentransparenz während des Behandlungsablaufs gesorgt werden.

Beskes Postulate zur Kranken- hausreform: „Auch im Kranken- haus ist der Patient nicht aus sei- nen sozialen Bindungen zu lösen.

Damit wird die in der Bundes- pflegesatzverordnung vorgesehene Wahlmöglichkeit für besondere Komfortleistungen und für einen li- quidationsberechtigten Arzt für alle Patienten im Krankenhaus gefor-

dert. Die sogenannte Chancen- gleichheit bei der Wiederherstel- lung der Gesundheit wird nicht gefährdet, wenn neben einer an- gemessenen und zweckmäßigen Krankenhausversorgung auch per- sönliche Wünsche im Krankenhaus erfüllt werden."

Trotz entgegenstehender Forde- rungen, für alle leitenden Kranken- hausärzte eine Festbesoldung in der Größenordnung von 150 000 bis 200 000 DM jährlich einzuführen, plädierte Beske für die Beibehal- tung des derzeitigen Mischsystems zwischen Festbesoldung und Liqui- dationsrecht, allerdings mit Einfüh- rung einer leistungsbezogenen und rechtlich sanktionierten Poolbetei- ligung der nachgeordneten Ärzte.

Würde man das Liquidationsrecht auf den Krankenhausträger selbst übertragen oder die Wahlfreiheit im Krankenhaus noch mehr als bis- her beschneiden, so besteht die Gefahr, daß qualifizierte Ärzte in Privatkrankenhäuser abwandern mit der Folge der Etablierung einer

„Zweiklassenmedizin" im Kranken- haus.

Im übrigen zeigte sich Beske ebenso wie die Vertreter der pri- vaten Krankenversicherung be- sorgt über die Kostenexplosion im Krankenhauswesen. Bereits im Jahre 1985 müsse man mit einem Tagespflegesatz in Höhe von 500 DM rechnen! Der Gesetzgeber habe versäumt, wirksame Maßnah- men zur wirtschaftlichen Betriebs- führung und zur Kostenkontrolle sowohl in der Bundespflegesatz- verordnung als auch im Kranken- hausfinanzierungsgesetz einzubau- en.

Glöckner: Versorgungsstruktur des Krankenhauses ändern

Kaum überraschen konnte es, daß der SPD-Vertreter, Wolfgang Glöckner, weniger PKV- und ärzte- freundlich argumentierte als sein Widerpart von der Opposition. Kri- tik erhob Glöckner vor allem an der „Versorgungsstruktur des Krankenhauses". Seiner Meinung

1530 Heft 21 vom 23. Mai 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Information:

Bericht und Meinung

nach seien heute immer noch zwei

„unterschiedliche Kategorien" von Patienten auszumachen, nämlich die „Kategorie" des sozialversi- cherten Patienten, der eine medizi- nische Versorgung zwangsmäßig zugewiesen bekomme, ohne völlig freie Arztwahl, und die Gruppe der Selbstzahler, die nicht nur die völ- lige freie Arztwahl hätten, sondern für die auch nach außen hin ein gehobener Standard der Versor- gung sichtbar wäre. Dies hält Glöckner für nicht gut: „Daß sich ein solcher Eindruck bei den Bürgern festsetzt, ist einem demo- kratischen Gesundheitswesen nach sozialdemokratischer Auffassung abträglich. Durch das Kranken- hausfinanzierungsgesetz ist den Krankenhäusern die Möglichkeit gegeben worden, diese Differenzie- rungen da vorzunehmen, wo sie so- zial tolerabel sind, etwa im Bereich der Unterbringung und der Verpfle- gung." Aber auch da seien nach Meinung des SPD-Gesundheitspoli- tikers enge Grenzen gesetzt, nicht allein aus sozialpsychologischen Überlegungen.

Weitgehende Übereinstimmung gab es bei der Auflistung der Re- formprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung: Verbesse- rung des Sicherstellungsauftrages der Kassenärztlichen Vereinigun- gen mit dem Ziel, insbesondere die Zonen struktureller Unterversor- gung in ländlichen Gebieten und in Stadtrandgebieten zu beseitigen;

Reform der Krankenversicherung der Rentner, Neuordnung der Stu- dentenkrankenversicherung, Stabi- lisierung und Abgrenzung der Auf- gabenbereiche zwischen privater und gesetzlicher Krankenversiche- rung.

Schmidt (Kempten):

Gegliederte Krankenversicherung verbessern

Wenig überraschen konnte es, daß der Sprecher der FDP-Bundestags- fraktion, Hansheinrich Schmidt (Kempten), die liberale Fahne zum Wohlgefallen der PKV hochhielt.

Das Bekenntnis der Liberalen sei

klar: Beibehaltung der gegliederten Krankenversicherung, freie Wahl des Versicherungsträgers, Chan- cengleichheit aller Versicherten, ein angemessenes Betätigungsfeld der privaten Krankenversicherung, freie Arztwahl, Freiberuflichkeit der Heilberufe, Niederlassungsfreiheit, Wahlmöglichkeiten im Rahmen des differenzierten Leistungsangebotes der Krankenhäuser.

Angesprochen auf eine Forderung der Jungdemokraten aus Nord- rhein-Westfalen (Judo-Kongreß 1974 in Bad Honnef), in Zukunft eine Einheitsversicherung zu eta-

BLÜTENLESE

Rum-reich

Die WHO verkündet, daß der Kampf gegen die Pocken in die siegreiche Endphase ge- treten ist. Bangladesh, Nord- Indien, Pakistan und Äthiopi- en seien die letzten Seuchen- bastionen, die spätestens 1975 fallen werden. Der wirt- schaftliche Nutzen — heute das Maß aller Dinge — ist groß. England, das Land der smarten Kaufleute (tatsäch- lich! Selbst wenn man's an- gesichts der Wirtschaftslage auf der Insel kaum glauben sollte), wußte das längst. Am 21. Februar 1729 meldet eine englische Zeitung aus Jamai- ca von einer Pockenimpfak- tion bei Negern. „Da die Blattern sonst eine große Menge dieser Menschen wegzuraffen pflegen, so hofft man, daß durch diese Proze- dur die Neger wohlfeiler wer- den, und sie endlich auf den Rum-Preis Einfluß haben dürfte." Wir Ärzte, die wir an der vordersten Front der Hu- manität stehen, werden mit allen Kräften sorgen, daß die Pocken nur noch der Ge- schichte angehören. Da-Rum geht es... Dr. Fleiß

blieren und private Krankenversi- cherungen nicht mehr zuzulassen, meinte Schmidt (Kempten): „Kei- ner der Bundestagsabgeordneten, auch nicht die jungdemokrati- schen, stehen hinter der Forde- rung. Mit solchen Forderungen ist es so wie mit der Mode, sie kom- men plötzlich auf und verschwin- den auch bald wieder!"

Eine erneute Anhebung der Versi- cherungspflicht- und Beitragsbe- messungsgrenze in der Kranken- versicherung auf das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung lehnte Schmidt (Kempten) für seine Fraktion ab. Denn durch die Ein- führung eines Arbeitgeberbeitrages und die Dynamisierung der Bemes- sungsgrenze auf einem 75-Pro- zent-Niveau sei die Marktabgren- zung zwischen privater und gesetz- licher Krankenversicherung ein für allemal „festgeschrieben". Daran zu ändern, gebe es keinen akuten Anlaß.

Diese Meinung schien SPD-Spre- cher Glöckner nicht teilen zu wol- len. Für ihn sei eine höhere Versi- cherungspflichtgrenze wegen des dadurch bewirkten stärkeren Soli- darausgleichs diskussionswürdig.

Eine finanzielle Entlastung sei da- mit jedoch nicht herbeizuzaubern, wie DKV-Direktor Hans Georg Tim- mer aus seiner Erfahrung zu be- richten wußte.

Mit Argwohn' sei auch, sagte Hans- heinrich Schmidt, einigen Landes- krankenhausgesetzen wie bei- spielsweise denen von Rhein- land-Pfalz und Hessen zu begeg- nen, da sie in übertriebenem Maße in die innere Struktur der Kranken- häuser eingreifen. Im übrigen be- kannte sich der FDP-Sprecher zum Kollegialsystem im Krankenhaus mit einer geordneten Honorarbetei- ligung der nachgeordneten Ärzte an den Privateinnahmen der Chef- ärzte. Schmidt: „Auch hier gibt es offenbar ein Nord-Süd-Gefälle; die Chefärzte in norddeutschen Kran- kenhäusern sind offenbar bereit, dies zu tun, in Süddeutschland sind wir allerdings noch nicht so weit."

DEUTSCHES ÄRZTE BLATT Heft 21 vom 23. Mai 1974 1531

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Die Information:

Bericht und Meinung

Für pluralistisches Krankenversicherungssystem

Rentnerkrankenversicherung:

Reform vertagt?

Obwohl die Reform der Kranken- versicherung der Rentner überfäl- lig ist und deren defizitäre Situa- tion (die erwerbsaktiven Versicher- ten müssen mittlerweile durch- schnittlich 40 Prozent der Rentner- kosten tragen) sich auch mittelbar negativ auf die private Krankenver- sicherung auswirkt, sieht Schmidt

„mangels Finanzmasse" derzeit keine Möglichkeit, die längst konzi- pierte Reform über die parlamenta- rischen Hürden zu bringen. In

puncto Studentenkrankenversiche- rung widersprach der Abgeordnete ebenfalls wie Beske den rhein- land-pfälzischen Absichten und er- klärte: „Die FDP ist der Auffas- sung, daß die Pflicht zur Versiche- rung eingeführt werden muß und nicht die Versicherungspflicht der Studenten. Das heißt: Die Nach- weispflicht einer Versicherung mit der Möglichkeit, entweder die ge- setzliche oder die private Kranken- versicherung zu wählen."

Wenn man das gegliederte System erhalten wolle, so müßten bereits hier die Weichen richtig gestellt werden. Denn: Die Studenten und andere in der Berufsausbildung Stehende sind der Nachwuchs für das gegliederte System und der Garant für ein bedarfsgerechtes Leistungsangebot.

Dr. Uleer: Keine Privilegierung der Selbstzahler

Wie die private Krankenversiche- rung selbst ihre Situation beurteilt, erläuterte ihr Verbandsgeschäfts- führer Dr. Christoph Uleer. Eine medizinische Privilegierung oder Diskriminierung auf Grund eines bestimmten Versicherungsstatus werde auch von der PKV strikt ab- gelehnt. Den Schuh „Zweiklassen- medizin" wolle sich die PKV jeden- falls nicht anziehen lassen. Worauf es allerdings bei der privatärztli- chen Behandlung ankäme, sei die Möglichkeit der individuellen Arzt- wahl bei möglichst zeitrationeller Behandlung. Dies dokumentiert

sich seiner Meinung nach in der in- dividuell vereinbarten Sprechstun- de und im direkten Vertragsverhält- nis zwischen Patient und Arzt.

Uleer: „Schließlich wählen viele Patienten nicht zuletzt in der Hoff- nung, Zeit zu sparen, den priva- ten Krankenversicherungsschutz für die ambulante Behandlung, denken wir nur an die freiberuflich Tätigen und an die Selbständigen, die ei- nen erheblichen Prozentsatz der Privatversicherten ausmachen."

Dem Privatpatientenstatus sei zu- dem der Vorzug der stärkeren Akti- vierung des Patienten beizumes- sen. Der Grund: Durch das direkte Vertragsverhältnis, die Kostener- stattung, sei eine größere Kosten- transparenz herbeigeführt, die in der Regel das Patienteninteresse an seiner Krankheit bzw. Gesund- heit positiv beeinflusse.

Und im Hinblick auf die viel gefor- derte stärkere Kooperation und Zu- sammenarbeit zwischen Kranken- haus und freier Praxis meinte Uleer: „Privatversicherte haben heute bereits die Integration zwi- schen ambulanter und stationärer Versorgung."

Im übrigen plädierte der PKV-Re- präsentant für ein differenziertes Leistungsangebot und für eine Bei- behaltung der Abgrenzungskriteri- en zwischen privater und gesetzli- cher Versicherung, die mit dem Zweiten Krankenversicherungsän- derungsgesetz bewirkt worden sei.

Klar ist, daß die PKV die gesetzli- che Krankenversicherung aus- schließlich auf die „Grundversor- gung" verweisen möchte, während die private Krankenversicherung den übrigen Bereich abdecken sollte. Die PKV — so Uleer — sei durchaus in der Lage, nicht nur be- darfsgerechte Zusatzversicherun- gen einem breiten Bevölkerungs- kreis anzubieten, sondern auch ihre Alternativfunktion zur gesetzli- chen Krankenversicherung und ihre wichtige sozialpolitische Auf- gabe im Gesamt der gegliederten Krankenversicherung weiter ernst zu nehmen. Dr. Harald Clade

AUS DEN BUNDESLÄNDERN

NORDRHEIN-WESTFALEN

Absage an die Linken durch Kölner

Medizinstudenten

Auf der ersten ordentlichen Voll- versammlung des Sommerseme- sters 1974 haben die Medizinstu- denten der Universität Köln eine neue Fachschaft gewählt. Die Wahlbeteiligung wird als unge- wöhnlich hoch bezeichnet. In allen Wahlgängen setzten sich zum zweiten Male die Vertreter der Un- abhängigen mit mehr als zwei Drit- tel der Stimmen durch. Damit wur- de das Programm der kommunisti- schen Gruppen verworfen, die sich zu einer „Demokratischen Liste"

zusammengeschlossen hatten. gb

HESSEN

EDV-Modellversuch mit zehn Krankenhäusern

Der Bundesminister für Forschung und Technologie hat dem Land Hessen die Durchführung eines Großversuchs für den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung im Krankenhaus übertragen. Die Landesregierung hatte sich ge- meinsam mit der Kirchlichen Ge- meinschaftsstelle für elektronische Datenverarbeitung um das Projekt

„Informationsverbund mehrerer Krankenhäuser unter Benutzung ei- nes zentralen Datenverarbeitungs- systems" beworben. Es handelt sich um Teil II des sogenannten DOMINIG-Projektes (vgl. hierzu DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 20/1974, Seite 1447).

Die Kosten von DOMINIG II betra- gen für sechs Jahre fast 40 Millio- nen DM. Davon trägt die Bundesre- publik die Hälfte; die andere Hälfte wird aufgebracht vom Land Hes- sen, der Kirchlichen Gemein- schaftsstelle für elektronische Da- tenverarbeitung, dem Hessischen Datenverarbeitungs-Verbund und den Kostenträgern der Kranken- häuser. Es handelt sich um die städtischen Kliniken Wiesbaden,

1532 Heft 21 vom 23. Mai 1974 DEUTSCHES ÄRZTE BLATT

Referenzen

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