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Archiv "Palliativversorgung in Deutschland: Forschen, um am Ende besser zu behandeln" (20.02.2015)

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A 310 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 112

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Heft 8

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20. Februar 2015

PALLIATIVVERSORGUNG IN DEUTSCHLAND

Forschen, um am Ende besser zu behandeln

Die Zahl der Kranken, die palliativ versorgt werden sollten, steigt. Das Angebot gehört weiter ausgebaut, der Forschungsbedarf ist enorm.

I

m internationalen Vergleich ran- giert Deutschland auf dem Ge- biet der Palliativmedizin im Mittel- feld. Um bundesweit flächende- ckend eine qualitativ hochwertige und evidenzbasierte Palliativversor- gung anbieten zu können, bedarf es noch erheblicher Anstrengungen.

Das haben Anfang Februar Vertre- ter der Leopoldina (Nationale Aka- demie der Wissen schaften) und der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften in Berlin be- tont.

Vor allem müsse die interdiszi - plinäre Forschung ausgebaut wer- den. Dabei solle man Patienten und ihre Angehörigen einbinden, so ei- ner der Vorschläge in der Stellung- nahme „Palliativversorgung in Deutschland: Perspektiven für Pra- xis und Forschung“. „Palliativme- dizinische Forschung ist notwen- dig, um neue Ansätze zu finden (zum Beispiel in der Behandlung von Müdigkeit oder Schwäche), be- stehende Behandlungsoptionen zu

vergleichen (zum Beispiel in der Opiodtherapie) oder Probleme bes- ser zu verstehen“, heißt es darin.

Nur so könnten neue Ansätze ent- wickelt werden, zum Beispiel im Umgang mit dem Sterbewunsch von Patienten.

Rationale Fragen der Forscher erscheinen oft zweitrangig

Dass in der Palliativmedizin im Vergleich zu anderen Bereichen kaum klinisch geforscht wird, hat nach Ansicht der Verfasser der Stel- lungnahme mehrere Gründe. „Das vorherrschende Leitbild in der Pal- liativversorgung ist von Fürsorge und Mitgefühl geprägt. Diese Beto- nung der empathischen Seite lässt oft rationale Fragen nach dem ,Wa- rum?‘ oder ,Was ist besser?‘ als nachrangig oder negativ erschei- nen“, so eine Erklärung.

Folglich seien publizierte Wirk- samkeitsnachweise zur medika- mentösen wie nichtmedikamentö- sen Kontrolle vieler Symptome Am Ende das

Richtige tun – wie dies gelingen kann, wird seit Ausgabe 4 Woche für Woche in einer Kasuistik im Deutschen Ärz-

teblatt erläutert. Foto: Nikolai Wolff/fotoetage, Bremen

bliebe hierfür der Verordnungsge- ber, d. h. das BMG. Es würde dabei aber in Zukunft durch eine von der BÄK, dem PKV-Verband und der Beihilfe einzurichtenden Gemein- samen Kommission GOÄ sowie de- ren Datenstelle ganz wesentlich un- terstützt werden.

Leienbach: Mit der Gemeinsamen Kommission und der Datenstelle wollen wir ein neues, bisher nicht vorhandenes Instrumentarium schaf- fen, um die Weiterentwicklung der GOÄ abzusichern. Die fortlaufende Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts ist für uns ein Kernpunkt der neuen Gebührenordnung.

Welche aus der GOÄneu resultierenden Honorarentwicklungen sind zu erwarten?

Windhorst: Die spannendsten Fra- gen beantworten sich wie häufig im Leben auch bei der GOÄ-Reform erst zuletzt. Die Antwort kann also erst mit dem Abschluss des Verord- nungsverfahrens gegeben werden.

Leienbach: Die private Kranken- versicherung ist und bleibt zu einer angemessenen Vergütung der ärztli- chen Leistungen auf der Basis eines betriebswirtschaftlichen und nach- vollziehbaren Kalkulationsmodells bereit. Und genau daran arbeiten wir gemeinsam mit der BÄK mit Hochdruck. Wo dann letztlich das neue Preisniveau liegen wird, muss sich als Ergebnis dieser Kalkulatio- nen und Verhandlungen ergeben.

Inwiefern ist die Beihilfe in den GOÄ- Novellierungsprozess eingebunden?

Leienbach: Die Beihilfe ist nach ihren eigenen Wünschen und Kapa- zitäten intensiv eingebunden und beteiligt sich konstruktiv.

Windhorst: Wie nicht anders zu er- warten, hat aber auch die Beihilfe – wie auch die BÄK und der PKV-Ver- band – nichts zu verschenken, so dass zu jedem für die Beihilfe bedeutsa- men Punkt hart verhandelt wird.

Wann wird die neue privatärztliche Gebührenordnung in Kraft treten?

Leienbach: Wie dargestellt liegt dies nicht allein in unserer Hand, aber . . . Windhorst: . . . wenn aus unserer Sicht alles planentsprechend ver- läuft – am 1. Oktober 2016.

Die Fragen stellte Jens Flintrop.

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20. Februar 2015 A 311 nach den Regeln der guten klini-

schen Praxis überall die Ausnahme.

Neben methodischen Herausforde- rungen werden forschungsethische Probleme genannt: Vorbehalte ge- genüber Forschung an Sterbens- kranken, Hürden bei der informier- ten Einwilligung. Deshalb seien ge- rade in diesem Bereich „innovative Ansätze zur Forschungsmethodik“

erforderlich.

„Wir wissen viel zu wenig darü- ber, wie eine optimale Palliativver- sorgung in Deutschland durchzu- führen ist“, bedauerte Prof. Dr.

med. Hans-Peter Zenner, Direktor der Hals-Nasen-Ohren-Klinik der Universität Tübingen und einer der beiden Sprecher der Leopoldina- Arbeitsgruppe Palliativmedizin.

Was sich Patienten wünschen, ist seinen Worten nach ebenso schlecht erforscht wie beispielsweise die Grundlagen guter Abstimmungs - prozesse in Palliativteams.

Vielen Gesundheitsberufen fehlt eine akademische Basis

Das liegt auch daran, dass viele Ge- sundheitsberufe in Deutschland keine akademische Basis haben und deshalb keine Forschungstradition.

In der Palliativversorgung seien zu wenig wissenschaftlich ausgebilde- te Kräfte tätig, bedauerte Zenner.

Deshalb könne man Erkenntnisse aus dem Ausland kaum übertragen, sagte er und verdeutlichte dies an einem Beispiel: Eine Kranken- schwester in den USA, die eine Hochschulausbildung absolviert habe, dürfe unter bestimmten Um- ständen Schmerz mittel verabrei- chen. Das möge zu einer guten Ver- sorgung für Patienten in den Verei- nigten Staaten beitragen, könne aber in Deutschland nicht übernom- men werden.

Martina Kern, Pflegeleiterin im Zentrum für Palliativmedizin des Malteser-Krankenhauses Bonn/

Rhein-Sieg, verwies darauf, dass Patienten und ihre Angehörigen oft zu spät von palliativmedizinischen Versorgungsangeboten erfahren.

„Es ist mehr kontinuierliche Infor- mation nötig“, betonte sie. Außer- dem gebe es „extrem wenig Unter- suchungen über versorgende Ange- hörige“, obwohl diese die Hauptlast

der Betreuung tragen. Sehr wenig beachtet werde auch, dass bereits Kinder und Jugendliche in die Pfle- ge schwerstkranker Angehöriger eingebunden sind.

In der Stellungnahme werden weitere Lücken benannt. So wären neue Erkenntnisse aus der biomedi- zinische Grundlagenforschung für Palliativpatienten nützlich, denn:

„Die häufigen Symptome Angst, Atemnot, Übelkeit und Schmerz sind mit hohem Leidensdruck ver- bunden. Die genauen pathophysio- logischen Grundlagen für diese Symptome sind jedoch nicht ausrei- chend erforscht.“ Auch an „quanti- tativen und qualitativen Daten zur ärztlichen Handlungspraxis in der letzten Lebensphase“ mangele es.

„In Deutschland existiert bislang keine umfassende empirische For- schung zur sozialen Organisation, zur kulturellen Rahmung von Ster- bensverläufen sowie zu psychoso- zialen und spirituellen Bedürfnis- sen der darin involvierten Akteure“, so eine weitere Feststellung. Wis- senschaftler sollten auch die Belas- tungs- und Risikofaktoren von Be- rufsgruppen wie Ärzten oder Kran- kenpflegern in den Blick nehmen, die Palliativpatienten versorgen.

All dies wäre auch wünschens- wert, weil nach Ansicht der Arbeits- gruppe längst mehr Patienten als ur- sprünglich angenommen zum Le- bensende hin von einer Palliativver- sorgung profitieren könnten: „Der durchschnittliche Pflegebedarf im letzten Lebensabschnitt ist bei Tu- morpatienten und Patienten mit an- deren Erkrankungen ähnlich groß.“

Mit einer größeren Zahl altersge- brechlicher Menschen werde der Bedarf an allgemeiner wie speziali- sierter Palliativversorgung steigen.

Zwar gibt es rund 250 Palliativ- stationen in Krankenhäusern, fast 200 Hospize und etwa 270 soge- nannte SAPV-Teams: Kooperatio- nen von niedergelassenen Ärzten und ambulanten Pflegediensten so- wie weiteren Gesundheitsberufen, die die Versorgung von schwerst- kranken Menschen im Rahmen der spezialisierten ambulanten Pallia- tivversorgung übernehmen (siehe auch DÄ, Heft 4/2015). Doch das Angebot reicht nach Ansicht der

Leopoldina nicht aus, ist auf dem Land schlechter als in der Stadt und wird nicht angemessen bezahlt.

Politischer Wille sei, alle Pallia- tivstationen über Fallpauschalen abzurechnen, was eine bedürfnis- orientierte Behandlung erschweren werde. In der ambulanten Versor- gung durch Hausärzte würden psy- chosoziale Unterstützungsleistun- gen nicht honoriert, ebenso wenig wie Trauerbegleitung, obwohl dies eine „wichtige Präventivmaßnahme für mögliche spätere Erkrankungen von Hinterbliebenen“ sei. Prof. Dr.

med. Friedemann Nauck, Direktor der Klinik für Palliativmedizin am Universitätsklinikum Göttingen, er- gänzte, dass auch SAPV-Teams nicht überall in Deutschland ausrei- chend gut bezahlt würden: „Die Teams brauchen aber Sicherheit, um sich weiter zu qualifizieren.“

Auf einen weiteren Aspekt wies Prof. Dr. med. Nils Schneider hin, Direktor des Instituts für Allgemein - medizin der Medizinischen Hoch- schule Hannover: „Wenn es uns nicht gelingt, die hausärztliche Ver- sorgung überall sicherzustellen, wird uns ein ganz wichtiger Baustein der Palliativversorgung fehlen.“ Die Hausärzte spielten im Bereich der allgemeinen Palliativversorgung schließlich eine Schlüsselrolle.

Vernetzung könnte als Vorbild für andere Bereiche dienen

Die Leopoldina wie die Union der Akademien fordern, eine einheit- lich gute und engmaschige pallia- tivmedizinische Versorgung zu etablieren, sie lückenlos zu finan- zieren und die Forschung auf die- sem Feld zu intensivieren. Dies al- les könnte sich positiv auf vie- le Versorgungsbereiche auswirken, legt ihre Stellungnahme nahe: Die Palliativversorgung sei schließlich

„in vielfacher Hinsicht Vorreiter ei- nes vernetzten, multiprofessionel- len und multiperspektivischen Den- kens und Handelns in der Sorge um den Patienten geworden“.

Sabine Rieser Die Leopoldina hat 1 500 Mitglieder. Sie nimmt regelmäßig zu politischen und gesellschaftlichen Fragen Stellung, 2014 zu Individualisierter Medizin.

Die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften vereinigt acht Akademien und rund 2 000 Wissenschaftler.

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