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(1)

-f- Die Geschichte des Prinzen Tan von Yen

Von Hekbebt Feanke, München

I.

Das Attentat, das Ching K'o im Jahre 227 v. Chr. auf den König von

Ch'in und späteren Kaiser Ch'in Shih-huang-ti unternahm, wird uns von

drei Quellen ausführlich geschildert: Es sind dies Shih-chi ch. 86, Chan-

kuo ts'e ch. 9 (41b—48b) und die Novelle vom Prinzen Tan von Yen,

Yen Tan-tzu ^-f^l-- Derk Bodde hat die im Shih-chi überlieferte

Fassung übersetzt'. Sie deckt sich durchweg mit der im Chan-kuo ts'i,

ist jedoch insofern vollständiger, als manche Episoden, zumal zu Anfang

und Ende des Textes, im Chan-kuo ts'e nicht mehr oder ganz fragmen¬

tarisch erhalten sind (Ching's Wanderjahre, die fehlgeschlagene Rache

des Kao Chien-li an Kaiser Ch'in Shih-huang-ti). Jedenfalls bietet die

Fassung des Shih-chi (Bodde nimmt mit guten Gründen Sstj-ma T'an,

den Vater des Ssu-ma Ch'ien als Verfasser an) einen zusammenhän¬

genden Bericht, kein Stückwerk, wie wir es in manchen anderen „Bio¬

graphien" des Shih-chi finden. Der unbekannte Schreiber, dem wir die

Vorlage für Shih-chi und Chan-kuo ts'i verdanken, war ein großer Schrift¬

steller. Wenige Texte des chinesischen Altertums können sich mit der

„Biographie des Ching K'o" an Komposition und Geschlossenheit

messen. Wir haben hier ein Meisterwerk der Gattung des historischen

Romans vor uns — denn daß viele der Biographien im Shih-chi und der

Episoden des Chan-kuo ts'e romanhaft sind, ist heute wohl nicht mehr

bestritten^.

Zitate beziehen sich, wo nicht anders vermerkt, auf die Ausgabe im Ssu-pu

ts'ung-k'an. Das Shih-chi wird zitiert nach der Ausgabe von Takigawa

Kametarö Shiki kaichü kösho, 10 Bd. (1932—34), Tokyo; die Dynastie¬

geschichten nach der Po-na-Ausgabe. Namen von Zeitschriften werden nach

dem un „Oriens Extremus" gebräuchlichen System abgekürzt.

^ Statesman, Patriot and General in Ancient China. American Oriental

Series vol. 17. New Haven, Conn. 1940, S. 23—38. Erläuterungen S. 38—52.

Einem weiteren Leserkreis hatte vorher Gustav Haloun die Version des

Chan-kuo ts'e dmch Übersetzimg erschlossen. Die Oeschichte des Prinzen

Tan von Yen, Reclams Universum 1928, S. 827—830.

" Hierzu grundsätzlich H. Maspero, La Chine Antique^ (1955), S. 482—494

(Le Roman Historique et l'Histoire). Le Roman de Sou Ts'in, in fitudes

Asiatiques pubhöes pM l'ficole Francaise d'Extr.-Orient, vol. II, S. 127—145;

Le Roman Historique dans la Litterature Chinoise de l'Antiquiti, Melanges Posthumes, vol. III (Paris 1950), S. 53—62.

(2)

Die Geschichte des Prinzen Tan von Yen 413

Der Text des Yen Tan-tzu ist vor einigen Jahren durch Cheng Lin

^ herausgegeben und ins EngUsche übersetzt worden'. Da diese Ver¬

öffentUchung keinerlei philologischen Kommentar aufweist und zudem

in Europa nur wenig bekannt wurde, mag es sich rechtfertigen, den Yen

Tan-tzu zu behandeln, ist er doch für die altchinesische Novellistik nicht

minder aufschlußreich als die Shih-chi-'Fassxmg, von der er sich in vieler

Hinsicht unterscheidet. Außerdem gibt mir diese Studie Gelegenheit,

dasjenige Manuskript erstmals zu veröffentlichen, auf das sämtliche

Druckausgaben des Werkchens zurückgehen, nämlich die Fassung im

Yung-lo ta-tien m%-k^-

Alter und Echtheit der Novelle sind gleichermaßen umstritten. Die

Angaben zur Textgeschichte und die verschiedenen Ansichten der Lite¬

raturhistoriker sind am übersichtlichsten von Yao Chen-tsung ^ ^

(1842—1906)2 und Chang Hsin-cheng 51^6^* zusammengestellt

worden. Sie können freilich nach mehreren Richtungen hin noch ergänzt

werden.

Der Literaturkatalog des Han-shu führt den Yen Tan-tzu noch nicht

auf. Er verzeichnet zwar ein anonymes Werk in 10 Bündeln (p'ien)

namens Yen shih-shih ^ ~t* V ,,Die zehn Taten von Yen" unter der

Hubrik Legalisten (fa-chici)*, doch bliebe es müßige Vermutung, anzu¬

nehmen, daß der Yen Tan-tzu zu diesem heute nicht mehr vorhandenen

Werk gehört habe. Erst im Sui-Katalog erscheint der Yen Tan-tzu und

zwar unter den Unterhaltungsschriften (hsiao-shuo). Damit ist ein erstes

.sicheres Datum gegeben, da die Bibliographie des Sui-shu vornehmlich

Äuf dem Ch'i lu -{^^ des Juan Hsiao-hsü M^f^ (479-536) beruht,

welches um 523 verfaßt wurde. Als Umfang wird angegeben ein Kapitel

(,, Rolle", chüan)^. Das alte T'ang-shu verzeichnet gleichfalls unseren

Text^ mit einem Umfang von 3 chüan, während dem neuen T'ang-shu

eine Handschrift in einer Rolle vorlag'. Auch die Sung-Kataloge führen

1 Prince Dan of Yann. Short Story written about B. C. 226. Original

Chinese Text Appended. Translated with an Introduction by Cheng Lin.

With Illustrations. The World Book Company, Ltd. Shanghai 1946. — Der

gehaltvollste Teil des Heftes ist die chinesische Vorrede (datiert 13. Juli 1945)

von Yang Chia-lo fj^ ^ während die englische Vorrede von Cheng Lin

unergiebig ist.

ä Sui-shu ching-chi chih k'ao-cheng p^ft^i^^^^^in: Erh-shih-wu

.shüi pu-pien, Bd. IV, S. 5533 IV— 5534 II.

ä Wei-shu t'ung-k'ao f@ # M #, 2. Aufl. 1954 (Comm. Press), S. 866—867.

* Han-shu ch. 30, 17b.

* Sui-shu ch. 34, IIa. Dort auch eine Glosse, die besagt, daß Tan der Erb¬

prinz des Königs Hsi ^ von Yen gewesen sei.

« Chiu T'ang-shu ch. 47 (chih 27), 5b.

' Hsin T'ang-shu ch. 59, IIa.

(3)

414 Hebbert Franke

das Werk noch auf. Das Ch'ung-wen tsung-mu ^ ^ M g i von 1042

kennt eine Handschrift in 3 chüan und gibt als Verfasser den Prinzen

Tan von Yen selbst an, eine Zuschreibung, die bereits in den beiden

T'ang-shu vorkommt und genau so wenig ernst zu nehmen ist wie etwa die

Zuweisung des Kuan-tzu-Textes an den Staatsmami gleichen Namens.

Sogar noch Cheng Lin hat 1945 das Werk in das Jahr 226 v. Chr. datiert.

Sollte auch er es dem im gleichen Jahre ums Leben gekommenen Prinzen

zutrauen, eine historische Novelle zu verfassen, in der er selbst die Haupt¬

rolle spielt ? Das Sung-shih^ wie auch das Wen-hsien t'ung-k'ao^ über¬

nehmen die älteren Angaben. Auch in Japan hat der Yen Tan-tzu Ein¬

gang gefunden. Fujiwara Sukeyo 0 M ifr verzeichnete es um 890

in seinem Nihonkoku genzaisho nmkuroku B2^S.^Ä#@^4 und

nannte als Verfasser P'ei Ch'i M ^- P'ei Ch'i lebte im 4. Jahrhundert

und trat um 362 mit einem Anekdotenbuch Yü-lin ^ ^ hervor*, von

dem Reste erhalten sind*. Vermutlich ist diese Zuschreibung dadurch

zustande gekommen, daß die Autorennotiz des Sui-shu über P'ei Ch'i

als Verfasser des Yü-lin irrtümlich auf den kurz vorher genannten Yen

Tan-tzu bezogen wurde. Ein Blick in die Po-na-Ausgabe, wo Yen Tan-tzu

in Großdruck, andere Werke, darunter P'ei Ch'i's Yü-lin in Kleindruck

erscheinen, erklärt, wie das Versehen zustande kommen konnte.

Auch über die Kataloge hinaus ist die Existenz des Buches für die

Sung-Zeit bezeugt, so durch Yüan Chiung :^ ^ in seinem Feng-

ch'uang hsiao-tu ü ){§ /h üÄ um oder nach 1205. Der Autor schreibt

dort, daß er in seiner Bibliothek ein Exemplar des Yen Tan-tzu mit einer

merkwürdigen Vorrede besitze'. Und noch als Süng Lien 5j5 (1310 bis

1381) im Jahre 1358 sein Chu-tzu pien ^ ^ verfaßt, schreibt er einen

Absatz über das Werk und muß demnach wohl noch über einen voll¬

ständigen Text verfügt haben».

1 ed. Basic Sinological Series, ch. 3, S. 54.

^ Sung-shih ch. 206, la.

3 ed. T'u-shu chi-ch'eng (1901) cb. 215, la — b, zit. das Ghung-hsing i-wen- chih.

« ed. Ku-i ts'ung-shu 'Ä' ^ ft^ > S. 28a (unter den lisiao-shuo).

^ Shih-shuo hsin-yü Üt ff M ch. 3B, 22b, Kommentar.

« Eine handliche Ausgabe unter dem Titel P'ei-tzu yü-lin ^ fg- ^ be¬

sorgte Lu Hsün in seinem Hsiao-shtu) kou-eh'en /\> M^iJc (Peking 1953),

S. 5—51.

' ed. Pai-hai |$ M ch. B, S. 14b — 15a, woselbst die Vorrede abgedruckt

wird. Sie erschöpft sich in einer allgemeinen Kritik der Hauptpersonen des

Werkes. Die Verfasserschaft des Yüan Chiung wird vom Kaiserlichen Ka¬

talog bezweifelt, ed. Comm. Press in 4 Bd., Bd. 3, S. 2918.

^ Ku-shu pien-wei ssu-chung "fi' '# ^ IH S ed. Basic Sinological

Series S. 19—20.

(4)

Die Geschichte des Prinzen Tan von Yen 415

Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wird der Yen Tan-tzu ins Yung-lo

ta-tien aufgenommen. Ob es sieh bei der Vorlage um einen geschlossen

überlieferten Text oder um ein rifacimento aus älteren Zitaten gehandelt

hat, ist eine Frage, über die noch zu reden sein wird. Jedenfalls ver¬

schwindet das Werk während der Ming-Zeit. Als um die Mitte des 17. Jahr¬

hunderts Ma Sü ^ (1621—1673) eine Geschichte des Altertums unter

dem Titel I-shih M A verfaßt und 1670 zum Druck bringt, zählt er eine

Anzahl von Werken auf, die nicht mehr vorhanden seien und von denen

man nur noch den Titel kenne. Unter ihnen befindet sich der Yen Tan-

tzu^. Aber auch schon die gegen Ende des 16. und Anfang des 17. Jahr¬

hunderts erschienen Sammelwerke (ts'ung-shu) haben den Yen Tan-izu-

Text wohl nicht mehr gekannt, denn sonst hätten ihre Herausgeber ihn

sicherlich aufgenommen. Erst im 18. Jahrhundert unter Ch'ien-lung

wird bei der Zusammenstellung des Ssu-k'u ch'üan-shu unser Text ans

Licht gezogen. Sun Hsing- yen ^fs (1753—1818) erhielt eine Ab¬

schrift und besorgte eine kritische Edition, deren Vorwort 1806 datiert

ist. Sie erscheint in den von ihm herausgegebenen Sammelwerken P'ing-

chin kuan ts'ung-shu |f | | und Tai-nan ko ts'ung-shu -fS ^

^11. Bei dieser Arbeit benutzte Sun, wie er in seinem Vorwort

schreibt, Kollationsnotizen von Chang Hsiao-lien ^ ^ welcher

wohl identisch mit dem als Herausgeber alter Texte bekannten Chang

Tsung-yüan | ^ M (? 1752—1800) ist^. Auch hat er Emendationen

von HuNG I-hsüan E@ jtt (1765—1837)» benutzt. Sun's kritische

Ausgabe ist mehrfach nachgedruckt worden, so in der Sammlung Po-tzu

ch'üan-shu lg" -i^ und im Ssu-pu pei-yao K $ß ü ^. Diese beiden

Drucke sind im folgenden zu Grunde gelegt worden. Im übrigen sei be¬

züglich des Textes auch auf die Fassung im Yung-lo ta-tien verwiesen

(Tafel I—VII), auf der Chang Tsung-yüan und Sun Hsing-yen ihre

Edition aufbauten.

Eine andere kritische Ausgabe war schon vor Sun auf Grundlage

des Yung-lo ta-tien veranstaltet worden, nämlich durch seinen Ver¬

wandten Sun Feng-i | ?i| den Herausgeber des Wen-ching fang-

ts'ung-shu Pp^ ^ I I , das zwischen 1797 und 1802 erschien. Sie

muß hier leider außer Betracht bleiben, da der Text nicht greifbar war.

In kurzen Zügen verhält es sich also mit der äußeren Beglaubigung

und dem Schicksal des Textes wie folgt: nach der ersten direkten Er¬

wähnung, die in den Anfang des 6. Jahrhunderts weist, kann das Werk

^I-shih, Ausg. von 1670, quellenkundliches Vorwort (cheng-yen ^^)

S. 3a.

2 Über Sun und seine Werke vgl. Hummel, Eminent Chinese of the Ch'ing-

Period S. 675, über Chang S. 57.

3 Hummel, S. 244.

(5)

416 Hebbebt Fbankb

bis in die Sung-Zeit verfolgt werden. In den ersten Jahren des 15. Jahr¬

hunderts ist es noch vorhanden, gegen Ende der Ming-Zeit bereits ver¬

loren und erst anläßlich der Kompilation des Ssu-k'u ch'üan-shu wieder

ans Licht gezogen und um 1800 erstmalig zum Druck gebracht.

Die Frage nach der Authentizität hat die chinesischen Gelehrten

lange beschäftigt. Es geht hier um zwei Fragen, die jedoch zusammen be¬

handelt werden können: ist das Werk alt, d. h. ein Produkt der Ch'in-

oder Han-Zeit ? Ist die durch das Yung-lo ta-tien überlieferte Passung

em Original oder ein rifacimento aus Zitaten ? Die Meinungen der chi¬

nesischen Bibliographen sind nicht einhellig. Die mir bekannt gewor¬

denen seien im Folgenden kurz zusammengestellt.

Den Anfang macht das Chou-shih she-pi jSI ft ^ IpE, über welches ich

leider nichts ausfindig machen konnte. Die von mir befragten Kataloge

versagten. Vermutlich gehört das Werk der Sung-Zeit an. Der den Yen

Tan-tzu betreffende Abschnitt aus dem Chou-shih she-pi erscheint auch

bei Chang Hsin-cheng', der ihn vermutlich dem Wen-hsien t'ung-k'ao

entnommen hat«. Es heißt dort, der Yen Tan-tzu, ein Buch in drei Ab¬

schnitten (p'ien), stimme inhaltlich durchaus mit dem Shih-chi überein,

und es scheine, daß er die Quelle für Ssu-ma Ch'ien gewesen sei. Dieser

habe jedoch alle die unglaubhaften und übertriebenen Episoden daraus

entfernt.

Man sieht, die Echtheit des Textes wird nicht bezweifelt. Wenn Chou

recht hätte, würde der Yen Tan-tzu mindestens in das 2. Jahrhundert

V. Chr. zu setzen sein. Auch Sung Lien» sieht noch keinen Anlaß, sein

Alter in Frage zu ziehen: ,,Dies Buch enthält die Geschichte (des Prinzen

Tan) in ausfülirlicher Darstellung. Stil und Geist ähneln durchaus dem

Wu- Yüeh ch'un-ch'iu und dem Yüeh chüeh-shu, so daß kern Zweifel daran

bestehen kann, daß es von einem Mann der Ch'in- oder Han-Zeit verfaßt

ist. Untersucht man die Handlung, so stimmt es auf Schritt und

Tritt mit dem Shih-chi des Ssu-ma Ch'ien überein". Nur die Wunder¬

episoden und romantischen Ausschmückungen seien im Shih-chi nicht

enthalten, so daß Herr Chou mit seiner Meinung vermutlich recht habe,

daß diese Episoden von Ssu-ma Ch'ien getilgt worden seien. Nach

einigen Bemerkungen über die Bewertung der Tat des Ching K'o und

der Person des Prinzen Tan schließt Sung: „Die zugrunde liegende

Handlung ist somit keiner Diskussion wert, allein die Anordnung der

Ereignisse in diesem Buch zeigt System und der literarische Stil ist

glänzend, so daß der Literaturbefiissene es nicht übergehen sollte".

Diese Bemerkung zeigt, daß Sung Lien die literarischen Qualitäten des

1 Wei-shu t'ung-k'ao S. 866.

' Wen-hsien t'ung-k'ao ch. 215, la — b.

ä Chu-tzu pien, ed. cit. S. 19—20.

(6)

Die Geschichte des Prinzen Tan von Yen 417

Ten Tan-tzu hoch eingeschätzt hat und auch, daß ihm wohl noch ein

vollständiges Exemplar vorgelegen hat, denn den Aufbau des Werkes

hätte er sonst wohl kaum loben können, wenn er nur Zitate gekannt

hätte.

Der erste Autor, der den Yen Tan-tzu als Fälschung betrachtet, also

nicht als ein Werk der Ch'in oder frühen Han-Zeit, ist Hu Ying-ltn"

^ (um 1600)1. JJj. bestreitet die Ansicht, des Chou-shih shS-pi,

daß der Yen Tan-tzu die Quelle für Ssu-ma Ch'ien's Shih-chi gebildet

habe, denn der Han-Katalog führe das Werk nicht auf. Der Stil des

Büchleins atme durchaus den Geist der späteren Han-Zeit (1. und 2. Jahr¬

hundert n. Chr.). Vermutlich habe ein Literat gegen Ende der Han (also

um 200 n. Chr.) das 86. Kapitel des Shih-chi mit allerhand romanhaften

Zutaten versehen und so das Werk zusammengestellt. Es sei dies ein

Analogon zum Yüeh-chüeh-shu ö ^ ^ und anderen Werken, die auch

ein Flickwerk aus früheren TextsteUen imd einzelnen Überlieferungen

darstellten.

Soweit Hu Ying-lin. Er schreibt übrigens nichts davon, daß das

Werk als Ganzes nicht mehr vorhanden sei. Hat ihm noch ein vollstän¬

diges Manuskript vorgelegen ? Bejaht man diese Frage, so kann man den

Zeitraum des Verlustes eingrenzen auf die Jahre zwischen etwa 1600

und 1670 (Erscheimmgsdatum des I-shih, das den Yen Tan-tzu bereits

als verloren bezeichnet).

Auch die Kompilatoren des Ssu-k'u ch'üan-shu anderthalb Jahrhunderte

später schließen sich der von Hu Ying-lin vorgetragenen Ansicht an*,

jedoch ohne seinen Namen zu erwähnen. Sie behaupten, der Text würde

erstmalig in der T'ang-Zeit durch Li Shan ^ ^ (gest. 689) in seinem

Wen-hsüan-K.ommenta,T zitiert und habe demzufolge bereits vor der

T'ang-Zeit existiert. Das ist zweifellos richtig, nur stellen die Zitate der

T'ang-Zeit, wie wir sehen werden, nicht das älteste testimonium dar. —

Sonst bringt der Kaiserliche Katalog kaum neue Gesichtspunkte. Aus

der Tatsache, daß einige der im Yen Tan-tzu, aber nicht im Shih-chi

vorkommenden romanhaften Episoden auch bei Wang Ch'ung (Mitte

des 1. Jahrhunderts v. Chr.) im Lung-heng und bei Ying Shao (Ende

des 2. Jahrhunderts) im Feng-su t'ung-i erwähnt werden, wird geschlos¬

sen, daß der Yen Tan-tzu später als die beiden genannten Werke sei. Der

in das Yung-lo ta-tien aufgenommene Text sei ein Mosaik, welches aus

lauter unzusammenhängenden Einzelüberlieferungen über Prinz Tan

und Ching K'o zusammengeflickt sei. Wegen der vielen unglaubhaften

^ Ssu-pu cheng-o oft JE ed. Ku-shu pien-wei ssu-chung, Bas. Sin.

Series, ch. 3, S. 66.

^ Ssu-k'u ch'üan-shu tsung-mu t'i-yao, ed. Comm. Press, in 4 Bd., ch. 143, S.2934.

27 ZDMG 107/2

(7)

418 Hebbeet FeankbI

Episoden verdiene das Werk keine Aufnahme in die Kaiserliche Biblio¬

thek und werde deshalb gemäß den Kaiserlichen Richtlinien in die Ab¬

teilung der nur dem Titel nach festgehaltenen Werke [ts'un-mu) ver¬

wiesen.

Den negativen Ansichten des Hu Ying-lin und der »SsM-fc'w-Editoren

steht nun freilich die Meinung Sun Hsing- yen's gegenüber. Er hat sich

in dem Vorwort seiner kritischen Ausgabe des längeren zu der Echt¬

heitsfrage geäußert und kommt zu einem positiven Ergebnis. Seine Ar¬

gumente können wie folgt zusammengestellt werden:

1. Zwar findet sich der Yen Tan-tzu erst im Sui-Katalog verzeichnet,

der auf dem Ch'i-lu des JuanHsiao-hsü beruht. P'ei Yin (2. Hälfte des

5. Jahrhunderts) zitiert aber in seinem >SAiÄ-cÄi-Kommentar aus einem

pieh-lu JgB # des Liu Hsiang eine Stelle, die sich wörtlich mit einer Yen

ram-<2M-Stelle deckt'. Ebenso zitiert Ssu-ma Cheng im Shih-chi so-ijin

Liu Hsiang". Daraus ist zu schließen, daß bereits der Literaturkatalog

des Liu Hsiang, das Ch'i-lüeh den Yen Tan-tzu kannte und man

nicht eine spätere Entstehung des Textes annehmen kann, weil ihn das

Literaturkapitel des Han-shu nicht verzeichnet.

2. Wenn das Literaturkapitel des T'ang-shu den Prinzen Tan von Yen

als Verfasser bezeichnet, ist das kein Beweis für eine Fälschung. Auch der

Kuan-tzu, das Yen-tzu ch'un-ch'iu und das Lü-shih ch'un-ch'iu sind nicht

notwendigerweise von Kuan Chung, Yen Ying und Lü Pu-wei per¬

sönlich verfaßt, sondern, wie im Altertum üblich, von Personen aus dem

Kreise der Schüler oder Gefolgsleute.

3. Der Text zeichnet sich durch eine klare Folge der Ereignisse und

Eleganz des StUs aus; er steht dem Tso-chuan und dem Chan-kuo ts'e

nahe. Man könnte ihn etwa zwischen den politischen Schriftstellern

{tsung-heng chia) und den Unterhaltungsschriften (hsiao-shuo chia) ein¬

ordnen.

4. Manche Schriftzeichen im Text deuten auf hohes Alter. So steht in

der Stelle i: jglj ^ das Zeichen chien M für lien ^. Für pi-shih H ^

des Textes hat die parallele Stelle im Chan-kuo ts'e die Schreibweise

pi-shih I -ßg, was auf der Ähnlichkeit der Zeichen in der alten Schrift

beruht, chen ist Lehnzeichen für k'an |öt ; ebenso ist die Bedeutung

„werfen" von chih altertümlich.

5. Insgesamt ergibt sich, daß der Yen Tan-tzu-Text die Vorlage für

Shih-chi und Chan-kuo ts'e gebildet hat, jedoch wurden die romanhaften

Episoden ausgelassen und dafür einige andere Episoden hinzugefügt.

Die vorgebrachten Argumente reichen aus für die Annahme, daß der

' # JTL # Sfe. Shih-chi ch. 86. S. 30.

" ^I^M Shih-chi ch. 86, S. 27.

(8)

Die Geschichte des Prinzen Tan von Yen 419

Text älter ist als Ssu-ma Ch'ien und Liu Hsiang und jedenfalls nicht, wie

manche meinen, aus Fragmenten zusammengestückelt.

SuN Hsing-yen tritt also dafür ein, daß das Werk dem 2. Jahrhundert

V. Chr. entstammt. Auch Yao Chen-tsung' hält es für Han-zeitlich. Er

vermutet, daß die beiden Zitate von Liu Hsiang in den Shih-chi-Kom-

mentaren aus der Katalognotiz Liu's zu dem Ching K'o lun $5f ^

„Erörterungen über C." gehören. Dieses Werk erscheint im Literatur¬

katalog des Han-shu^. Der Urkommentar zu der Notiz lautet: „K'o

unternahm für Yen ein Attentat auf den König von Ch'in, scheiterte aber

und kam zu Tode. Ssu-ma Hsiang-ju und andere haben dies erörtert".

Da das Ching K'o lun dem Han-shu zufolge 5 Bündel {p'ien) umfaßt

hat, glaubt Yao Chen-tsüng annehmen zu können, der Yen Tan-tzu

mit seinen 3 p'ien habe die ersten drei Abschnitte des Ching K'o lun

dargestellt, eine Annahme, die freilich nicht zu beweisen ist, wie Yao

sich denn auch nicht verhehlt. Jedenfalls hat Yao Chen-tsung keine

Bedenlcen getragen, den Yen Tan-tzu für die frühere Han-Zeit in An¬

spruch zu nehmen, indem er den Text in seine ,, Ergänzung zum Lite¬

raturkatalog des Han-shu" aufnahm».

Chang Hsin-cheng hält dagegen in seinem 1939 zuerst gedruckten

Werk über Bücherfälschungen* den Yen Tan-tzu für eine Fälschung. Das

in der T'ang-Zeit erstmalig zitierte Buch sei zu der Zeit, als Niu Hung

^ (545—610) das vorhandene Schrifttum sammelte, aus anderen

Texten zusammengestellt und umgestaltet worden. Es sei nach der Sung-

Zeit verloren ; was zu Anfang der Ming-Zeit noch vorhanden gewesen sei,

wäre ein rifacimento aus den damals noch erhaltenen Fragmenten. Der

Yen Tan-tzu gehöre zur Kategorie jener Texte, die aus älteren Text¬

stellen kompiliert und dann mit einem neuen Titel versehen worden

seien*.

Beweise für seine negative Einstufung gibt Chang nicht an. Ins¬

besondere geht er nicht auf die Ausführungen des Sun Hsing-yen ein,

der das Werk ja für echt hält, und er erwähnt sie nicht einmal, ebenso¬

wenig wie die Theorien von Yao Chen-tsung. Man wird also gut tun,

ihm nicht unbesehen zu folgen. Auch ist, wie unten gezeigt werden wird,

der Yen Tan-tzu nicht erst in T'ang-Werken zitiert, sondern bereits im

3. Jahrhundert n. Chr. Die sonstigen modernen Literaturgeschichten

' Sui-shu ching-chi chih k'ao-cheng, in Erh-shih-wu shih pu-pien, Bd. FV

S. 5534 II.

^ Han-shu ch. 30, 19b.

^ Han-shu i-wen-chih shih-pu | | i | | 4!p ffi> in Erh-shih-wu shih pu- pien Bd. II, S. 1482 I/II.

« Wei-shu t'ung-k'ao S. 866—867.

» ib. S. 2.

27»

(9)

420 Hebbert Fban-ke

bi'ingen zu unserem Thema entweder nichts Neues oder gehen gar nicht

auf das Werk ein. Derk Bodde schließlich' hält das Werk für vergleichs¬

weise spät und sieht m ihm einen Beweis für die Legendenbildung, die

sich um den nüchternen und genauen Bericht des Shih-chi bzw. Chan-

kuo ts'i vollzogen habe. Es weise in Wirklichkeit nur sehr entfernte

Beziehungen zur Ching K'o-Biographie im Shih-chi auf. Diese Ansicht

dürfte wohl in dieser Allgemeinheit nicht zu halten sein. Die Übersetzung

zeigt, daß fast alle Episoden, die im Shih-chi berichtet werden, sich auch

im Yen Tan-tzu wiederfinden, freilich bereichert um romanhafte und

legendäre Elemente.

Die oben für und gegen die Echtheit des Werkes vorgebrachten Ar¬

gumente bedürfen kritischer Durchleuchtung. Chou-shih shi-pi. Sung

Lien und Sun Hsing-yen sehen in ihm die Quelle für Shih-chi bzw.

Chan-kuo ts'e, wobei die letztgenannten Texte die romanhaften Zutaten

fortgelassen hätten. Gegen solche Annahme spricht, daß sich im erhaltenen

Yen Tan-tzu-Text Episoden nicht finden, welche in den beiden anderen

Versionen erscheinen (so etwa die Erwähnung des vergifteten Dolchs

oder das Eingreifen von Ch'in Shih-huang's Leibarzt im Augenblick des

Attentats). Auch enthält der Yen Tan-tzu Episoden, die durchaus nicht

romanhaft sind und sich trotzdem nicht im Shih-chi oder Chan-kuo ts'e

finden, wie etwa Wu Yang's Streit mit dem Metzger auf der Reise nach

Ch'in. Ebenso sind einige Diskrepanzen zwischen beiden Überlieferungen,

auch und gerade, weil sie wenig augenfällig sind, nicht zu erklären, wenn

man im Yen Tan-tzu die Urfassung sieht. So fragt im Yen Tan-tzu der Kron¬

prinz brieflich bei semem Lehrer an, wie er sich an Ch'in rächen könne,

und dieser antwortet gleichfalls mit einem Brief. Im Shih-chi dagegen

findet dies in mündlicher Unterredung statt. Nach dem Yen Tan-tzu

wird Ching K'o erst nach dem Tode des T'ien Kuang nach Yen geholt,

nach dem Shih-chi befindet er sich bereits dort, als der Kronprinz aus

Ch'in heimgekehrt ist. Solcher kleinerer Abweichungen gibt es eine Menge.

Es spricht also manches dafür, daß wir es mit zwei durchaus verschie¬

denen Versionen einer Novelle über das Attentat zu tun haben. Wenn das

Shih-chi uns eine vollständige Biographie des Ching K'o bietet, die auch

seinen Werdegang bis zu seinem Aufenthalt in Yen umfaßt, so scheint

im Yen Tan-tzu eher eine Novelle mit dem Prinzen als Hauptperson vor¬

zuliegen — falls der Text nicht verstümmelt ist und Partien über Ching

K'o wegfielen.

^ Statesman, S. 42—44. Dort auch eine Übersetzung der in den Shih-chi-

Kommentaren zitierten Yen Ton-tew-Fragmente. Wenn S. 42 gesagt wird,

das Sui-shu schreibe die Autorschaft dem Prinzen Tan zu, so findet dies keine

Stütze im Text. Sui-shu 34, IIa sagt in der Glosse nur, daß Tan der Erb¬

prinz des Königs Hsi von Yen war.

(10)

Die Geschichte des Prinzen Tan von Yen 421

Stilistisch sehen Sung Lien und Sung Hsing-yen in unserem Text

Züge der Han- oder gar Ch'in-Zeit. Sung Lien verweist dazu auf Wu-

Yüeh ch'un-ch'iu und Yüeh-chüeh shu, die beide der ersten Hälfte des

1. Jahrhunderts n. Chr. entstammen dürften; Sun gar auf Tso-chuan

und Chan-kuo ts'e. Solche stilistischen Argumente sind freilich oft genug

schwer zu beweisen, wenngleich gesagt werden kann, daß zumindest

negativ gesehen im Yen Tan-tzu keine Wendung unvereinbar mit einer

Entstehung des Werkes in der früheren Han-Zeit ist. Man tut wohl gut,

wenn man sich auf eine Untersuchung der inhaltlichen Kriterien be¬

schränkt. Die Beweiskraft der alten Lehnorthographien, die Sun Hsing-

yen anführt, ist gering. Zwei der von ihm angeführten Fälle entpuppen

sich nämlich als Irrtümer. Der Yung-lo ta-tien-Text bringt die normale

Schreibung. Sun ist also vermutlich durch eine fehlerhafte Abschrift

der Enzyklopädie irregeführt worden, wie auch in anderen Fällen, wo er

emendierte, während der Text schon die richtige Form bietet.

Wenn Sun Hsing-yen schließlich die beiden Liu HsiANO-Zitate aus

dem pieh-lu für den Yen Tan-tzu in Anspruch nimmt, so bleibt das zu¬

nächst reine Vermutung, da ja nicht gesagt ist, auf welches Werk sie zu

beziehen sind. Yao Chen-tsung bezieht sie auf das verlorene Ching

K'o lun. Zu einer Annahme, daß das Ch'i-lüeh des Liu Hsiang bereits

den Yen Tan-tzu aufgeführt habe, kann jedoch die Tatsache führen, daß

ein Satz aus dem Yen Tan-tzu mit dem Liu HsiANG-Zitat identisch ist.

Hu YiNG-LiN setzt das Werk gegen Ende der Späteren Han-Zeit an,

also um 200 n. Chr., sehr im Gegensatz zu Chang Hsin-cheng, der eine

Entstehung erst um 600 annimmt. Wir werden sehen, daß Hu's Ansicht,

zum mindesten als terminus post quem non, Gültigkeit beanspruchen darf,

Chang dagegen mit dem späteren Zeitansatz irrt. Beide Autoren, und

mit ihnen auch die ÄSM-Äj'w-Kompilatoren betrachten unseren Text als

Flickwerk aus Zitaten und sonstigen Textstellen. Es ist nicht ersichtlich,

wieso diese Meinung begründet werden kann, es sei denn durch einen

Nachweis, daß es keine Stelle im Text gibt, die nicht bis zur Sung-Zeit

in Enzyklopädien und als Zitat vorkommt. Schwerer wiegt aber die Tat¬

sache, daß in der durch das Yung-lo ta-tien überlieferten Fassung keine

Flickstellen erkennbar sind. Es wäre doch ein seltener Zufall, wenn die

erhaltenen Zitate aneinandergereiht ein so geschlossenes Ganzes bilden

könnten wie es der Text heute darstellt.

Freilich ist der heutige Text nicht vollständig. Mindestens im 10. Jahr¬

hundert hat den Kompilatoren des T'ai-p'ing yü-lan noch eine Fassung

vorgelegen, die eine Stelle enthielt, welche im Yung-lo ta-tien nicht vor¬

kommt. Es heißt dort': ,, Ch'in Shih-huang ließ den Kao Chien-li sich

hinter einen Vorhang stellen und dort Laute spielen". Das Zitat zeigt,

' T'ai-p'ing yü-lan oh. 699, 3 a.

(11)

422 Hebbert Franke

daß der ursprüngliche Text des Yen Tan-tzu auch noch die Geschichte

von Kao Chien-li und seinem mißglückten Mordversuch an Ch'in Shih-

huang erzählt haben muß'. Für die Datierung des Werks ergibt sich nun

ein von allen bisher angeführten Autoren übersehener Anhalt. Es ist

dies die Tatsache, daß der Beginn der Novelle bereits im Po-wu chih

lf ft ^ des Chang Hüa ?g 0 (232-300) vorkommt^. Das - unvoll¬

ständig überlieferte — Werk ist zwischen 275 und 289 entstanden*.

Es enthält den Beginn der Novelle, ohne freilich die Herkunft des Ab¬

schnitts anzugeben. Selbst wenn man der Meinung sein sollte, hier habe

ein unbekannter Yen Taw-fett-Kompilator der Liu-ch'ao-Zeit das Po-

um chih ausgeschrieben, was immerhin zu beweisen bliebe, so steht doch

fest, daß die Gesamtüberlieferung hinsichtlich des Prinzen Tan und seiner

Flucht aus Ch'in spätestens im 3. Jahrhundert n. Chr. in einem ge¬

schlossenen Text vorlag. Überhaupt ist es ja grundsätzlich für die Frage

nach Alter und Authentizität eines Textes gleichgültig, wann die end¬

gültige Niederschrift anzusetzen ist. Wenn überhaupt die Frage nach

dem Alter eines Textes einen Sinn haben soll, so doch nur den, daß man

die im Inhalt ausgedrückten Vorstellimgen einer bestimmten Zeit zu¬

weisen kann. Die Po-um cÄiÄ-Stelle bezeugt also selbst bei vorsichtigster

Methode mindestens die Gesamtüberlieferung für das 3. Jahrhundert.

Im übrigen wird auf eiiüge Abweichungen zum textus receptus in einem

Exkurs zur Übersetzung eingegangen werden (S. 443). Hier sei nur darauf

hingewiesen, daß die Po-um cÄiÄ-Stelle mit dem heutigen Yen Tan-tzu

die Eigenheit teilt, daß sie noch nicht die ausschweifende Varianten¬

bildung zeigt, welche uns sogar in früheren Texten wie dem Lun-heng

und dem Feng-su t'ung-i gelegentlich entgegentritt.

Damit sind zwei Texte genannt, die gleichfalls die legendären und ro¬

manhaften Elemente enthalten, welche auch den Yen Tan-tzu kenn¬

zeichnen. Auch hierzu wird im Exkurs einiges zu sagen sein. Grundsätz¬

lich sei hier nur soviel bemerkt, daß wir damit inhaltlich bereits in das

2. Jahrhundert (Feng-su t'ung-i des Ying Shao, gest. 195) und das

1. Jahrhundert (Lun-heng des Wang Ch'üng, um 80 n. Chr. verfaßt*)

vorrücken. Schließlich ist auch noch auf eine weitere Bezeugung einer

dem Yen Tan-tzu eigentümlichen Stelle in einem Text des frühen 3. Jahr¬

hunderts zu verweisen: Wenn es im Jen-um chih A % des Liu Shao

fll gp (gest. 250 n. Chr.) heißt: „Ching Shu behielt gleichmäßige Ge-

' Vgl. die Fassmig nach Shih-chi ch. 86 bei Bodde, Statesman, S. 37.

2 Po-wu chih, ed. Ssu-pu pei-yao ch. 6, 2 b.

3 Debk Bodde, JAOS 62 (1941) 74—76; H. Maspebo, BEFEO 15 (1915)

H. 4, 41—43.

* 76 bis 84 n. Chr. nach Forke, Oeschichte der mittelalterlichen chinesischen Philosophie, S. 111.

(12)

Die Geschichte des Prinzen Tan von Yen 423

sichtsfarbe und war dadurch von geistiger Tapferkeit" (M&'&^ ifff

jji^ ^)', so scheint das doch die Kenntnis der Stelle im Yen Tan-tzu vor¬

auszusetzen, wo T'ien Kuang die vier Helden Ch'in Wu-yang, Hsia Fu,

Sung I vmd Ching K'o charakterisiert.

Es fehlt aber schließlich auch nicht an Stellen, die dem Yen Tan-tzu

gegenüber dem Shih-chi eigentümlich sind und die Parallelen bereits

in der Literatur der vorchristlichen Zeit haben. Da ist zunächst das Nach¬

wort des Ssü-MA Ch'ien (oder T'an) zu Shih-chi 86, wo die Tradition als

lügenhaft abgetan wird, daß für den Prinzen Tan der Himmel Wunder

gewirkt hätte: Es regnete Korn, und den Pferden wuchsen Hörner. Diese

Legende ist also bereits dem 2. Jahrhundert v. Chr. zu eigen. Eine wei¬

tere Stelle ist Huai-nan-tzu ch. 20, 16b, wo von der Macht der Musik

über die Gemüter die Rede ist und zum Beweis auf die Abschiedsszene

am I-Fluß angespielt wird: ,,Als Ching K'o im Westen den König von

Ch'in ermorden wollte, da spielten Kao Chien-li und Sung I y^'M die

Laute für ihn und sangen am Ufer des I-Flusses". Der Name des Sung I

taucht in diesem Zusammenhang (außer in späten Zitaten) nur noch im

Yen Tan-tzu auf (,,Kao Chien-li schlug die Laute, und Sung I stimmte

ein"), eine Tradition, die noch in einem Gedicht des T'ao Yüan-ming (365— 427)nachlebt2.

Ganz abgesehen von einzelnen Elementen, die teils in der Früheren,

teils der Späteren Han-Zeit bezeugt sind und somit inhaltlich den Yen

Tan-tzu unabhängig vom Zeitpunkt der Niederschrift der Han-Zeit

zuzuweisen gestatten, drängt sich dem Leser der archaische Eindruck

des Ganzen auf. Der Erbprinz Tan von Yen mit seinem maßlosen Streben

nach rächender Vergeltung am Verletzer seiner Ritterehre ist eine Figur,

die durchaus in eine feudale, ritterliche Welt gehört. Dies gilt auch für

eine Szene wie die beim Gelage in der Halle, als Hsia Pu g ^ in Wein¬

laune den Ching K'o durch Spottreden herausfordert und eine Abfuhr

erhält — derselbe Hsia Fu, der sich die Kehle durchschneidet, als er sehen

muß, daß Ching K'o voll Todesmut zu seinem selbstmörderischen Atten¬

tatsplan auszieht. Die Prahl- und Spottreden der Ritter beim Trunk er¬

innern an gleichartige Wettkämpfe bei den Germanen, etwa das altnor¬

dische Mannjafnadr^. Solche Details zu erfinden traut man kaum einer

Spätzeit zu, wohl dagegen der gleichen Zeit, aus der Chan-kuo ts'e und

Shih-chi erwachsen sind. Ebenso archaisch mutet es an, wenn Ching K'o

1 Jen-wu chih 10, ch. "f, 10a. Übers. J. Shbyock, The Study oj Human

Abilities, New Haven, 1937, S. 147—148.

2 A. Bernhardi und E. v. Zach, MSOS 18 (1915), 221—222. Der Text ib.

S. 241.

» Vgl. hierzu grundsätzhch J. Huizinga, Homo Ludens, Rowohlt Verlag

Hambmg 1966, S. 69—74.

(13)

424 Herbert Franke

die Großmut des Prinzen erprobt und sich die Hände der Zitherspielerin

erbittet, die der Prinz denn auch abhacken und auf jadener Platte über¬

reichen läßt. Wer sein Leben als Dienstmann hingeben soll, verlangt

auch vom Auftraggeber letzten Einsatz'. Derlei findet sich auch sonst

in der Literatur der ausgehenden Chou-Zeit. Auch Feng Huan stellt den

Herrn von Meng-ch'ang (gest. 279 v. Chr.) auf die Probe, indem er mehr

und mehr für sich fordert, besseres Essen, Pferd und Wagen, eine Frau".

Hou Ying stellt den Herrn von Hsin-ling bloß, indem er ihm zumutet,

den Wagen selbst zu lenken und gar noch bei Hou's Freund Chu Hai,

einem Metzger, vorzufahren, wobei der Fürst draußen wartet und die

Zügel hält». Da der Fürst die Probe besteht, treten Hou Ying und Chu

Hai in seine Dienste und opfern sich für ihn auf. Und die unglückliche

Zitherspielerin des Prinzen Tan, die leichtherzig geopfert wird, um den

fahrenden Ritter zufrieden zu stellen, hat eine Leidensgenossin in jener

Konkubine des Herrn von P'ing-jnian, die einen lahmen Nachbarn ver¬

lacht hatte. Der Lahme fühlt sich in seiner Ehre gekränkt und erreicht

es schließlich, daß die Spötterin mit ihrem Kopf büßen muß*.

Schließlich ist noch hinzuweisen auf die zahlreichen gereimten Verse

und Merksprüche im Yen Tan-tzu. Auch dies ist ein Stilelement, das

durchaus altertümliches Gepräge trägt. Insgesamt ergibt sich also, daß

zwar ein schlüssiger Beweis für eine Entstehung in der vorchristlichen

Zeit nicht geführt werden kann, ebensowenig aber auch bewiesen werden

kann, daß der Text erst ein Erzeugnis der Liu-ch'ao-Zeit ist. Inhaltlich

dagegen bietet er nichts, was eine Datierung in die Frühere Han-Zeit

ausschließen würde. An den romanhaften und übernatürlichen Ele¬

menten darf man sich nicht stoßen und etwa den Novellencharakter des

Yen Tan-tzu gegen den angeblich nüchternen historischen Bericht im

Shih-chi 86 ausspielen wollen. Das Fehlen übernatürlicher Elemente ist

noch kein Beweis gegen Romanhaftigkeit. Auch Shih-chi 86 ist, vielleicht

gerade auch wegen seiner literarischen Meisterschaft, als Novelle zu be¬

trachten, die sich um das zweifellos historische Attentat des Ching K'o

gerankt hat. Der literarisch nicht weniger hervorragende Yen Tan-tzu

ist eine andere Novelle mit dem gleichen Vorwurf, die sich durch stärkere

Betonung der im Volk umlaufenden Traditionen auszeichnet. Von diesen

Traditionen glaubten sich Ssu-ma Ch'ien (bzw. Ssu-ma T'an) als Hi¬

storiker und die Rationalisten Wang Ch'ung und Ying Shao distan-

' Vgl. hierzu die Ausführungen von M. Granet, nach R. A. Stein,

Priaentation de l'oeuvre posthume de Marcel Oranet „Le Roi Boit" , L'Ann^e Sociologique, 1952 (Paris 1955) S. 79. Dort wird auch die Yen Tan-tzu-Stelle (als solche nicht bezeichnet) herangezogen.

^ Shih-chi ch. 75, S. 17—18 und Chan-kuo ts'e ch. 4, 36a—37b.

3 Shih-chi ch. 77, S. 4. * Shih-chi ch. 76, S. 2—3.

(14)

TAFEL I

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(20)

TAFEL VII

(21)
(22)

Die Geschichte des Prinzen Tan von Yen 425

zieren zu müssen. Grerade die letztgenannten aber bezeugen uns Alter und

Verbreitung dieser Traditionen. Jedenfalls stellt der Yen Tan-tzu eines

der ältesten Erzeugnisse chinesischer Prosadichtung dar, welches nicht

als Pseudo-Historie, sondern als Novelle überliefert ist. Nicht zu Un¬

recht leitet es im Sui-Katalog den Abschnitt , .Novellen" (hsiao-shuo) ein.

II.

Das Yung-lo ta-tien, welches uns den Yen Tan-tzu-Text aufbewahrt

hat, ist bekanntlich zum größten Teil vernichtete Von den ursprünglich

vorhandenen 11095 Heften des Gesamtwerkes sind nach einer Bestands¬

aufnahme von 1939 nur noch 367 erhalten und in aller Welt verstreut^.

Viele der erhaltenen Hefte sind inhaltlich gleichgültig. Da bedeutet ea

einen umso größeren Glücksfall, daß gerade das Heft mit den Kapiteln

4908 und 4909, welches den Yen Tan-tzu enthält, auf die Gegenwart ge¬

kommen ist, also die Quelle für sämtliche Druckausgaben des Werkes.

Der Zufall wollte es, daß dieses Heft um 1908 vom Berliner Völkerkunde¬

museum erworben worden ist^ und Bombenkrieg wie Auslagerung über¬

standen hat. Wenn nunmehr dieses Heft der ,, Zeitschrift der Deut¬

schen Morgenländischen Gesellschaft" zum XXIV. Internationalen

Orientalisten-Kongreß 1957 erscheint, sind genau 550 Jahre vergangen,

seit dem Kaiser Yung-lo das fertige Werk eingereicht wurde. Dies dürfte

ein Anlaß sein, um der Öffentlichkeit im Rahmen dieser Studie das

Originalmanuskript der Novelle in Faksimile vorzulegen (Tafeln I—VII)

und so das Gedächtnis einer der größten bewahrenden Kulturleistungen

der Menschheit wachzuhalten.

Die Übersetzung des Textes wird nach der Ausgabe des Sun Hsing-

yen gegeben. Der Variantenapparat legt gleichfalls Sun's Edition im

Ssu-pu pei-yao zugrunde, jedoch vermehrt um solche Parallelstellen, die

Sün nicht berücksichtigt hat wie Po-wu chih und Shui ching-chu. Dabei

werden folgende Abkürzungen verwendet:

CHC Ch'u hsüeh chi IE von Hsü Chien ^ g (659-729), ed.

Ch'en TA-k'o ^ iz 1597—1598.

CI Cha-i ä€ von Sun I-jang U. ^ (1848-1908), Or.Ausg.l894..

1 Vgl. zum Schicksal des Werkes L. Aurousseau in BEFEO 12 (1912)

H. 8, 79—87 (auch BEFEO 9 [1909] 828 Anm. 3); P. Pelliot in TP 20

(1920) 17Ö; O. Fbankb in Jahrb. der Hamb. Wissenschaftl. Anstalten,

7. Beiheft Bd. XXXII (1914); W. Huno in HJAS 14 (1951) 433—436, 443.

2 YÜAN T'UNG-Li äIp])!! in TSCK N.S. 1 (1939) 246—286.

^ Amtliche Berichte aus den Kgl. Kunstsammlungen, Jg. XXXI (1909 bis

1910) Sp. 331.

(23)

426 Herbert Franke

IL I-lin M ^ von Ma Tsung I| (um 820), ed. Ssu-pu ts'ung-k'an

(photolithogr. Nachdruck der Ausg. im Wu-ying tien chü-ohen

pan, 1782).

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tolithogr. Nachdruck einer Sung-Ausgabe).

TH T'ai-p'ing huan-yü chi \ I Ä ^ IB von Lo Shih |^ ^ (verf.

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W Wen-hsüan X ü mit Kommentar von Li Shan ^ ^ u. a., ed.

Ssu-pu ts'ung-k'an (photolithogr. Nachdruck einer Sung-Aus-

gabe).

add. addidit

<iorr. correxit em. emendavit cm. omittit

Da der Zweck des Apparats vornehmlich der Stellennachweis der Va¬

rianten ist und nicht die Konstitution eines kritischen Textes, wurde

davon abgesehen, von den obigen Werken alle Ausgaben zu vergleichen.

Die Anmerkungen sind auf das Nötigste beschränkt. Längere Ausfüh¬

rungen sind in die Exkurse in Teil III dieser Arbeit (S. 441) verwiesen.

(24)

Die Geschichte des Prinzen Tan von Yen 427

Die Geschichte des Prinzen Tan von Yen

Erstes Kapitel

Als Kronprinz Tan von Yen Geisel war zu Ch'in', begegnete ihm der

König von Ch'in ohne Höflichkeit. Der Prinz war dessen nicht froh und

wollte^ wieder heim^. Der König von Ch'in aber hörte nicht darauf und

sprach höhnend: ,, Kannst Du wirken, daß

<der Himmel regnet Körner)*,

des Raben Kopf wird weiß,

dem Pferde wachsen Hörner

dann nur kann ich es erlauben!"^

Da blickte Tan auf zum Himmel und seufzte. Alsbald (regnete es

Korn), des Raben Kopf wurde weiß und dem Pferd wuchsen Hörner*,

so daß der König von Ch'in ihn wider seinen Willen ziehen lassen mußte.

Er ließ aber eine Brücke machen, die man hinterlistig öffnen konnte'

und wollte so den Tan hinabstürzen. Der aber überschritt sie und seinet¬

wegen öffnete sie sich nicht^. Des Nachts gelangte er an die Grenzsperre,

und das Grenztor war noch nicht offen. Da ahmte Tan den Hahnen¬

schrei nach und alsbald krähten alle Hähne, so daß er entfliehen und

heimkehren konnte*.

Tiefen'" Groll trug er gegen Ch'in und wollte Rache üben". Tapferen

Rittern bot er Unterhalt und es war keiner, der nicht zu ihm kam.

» S add. nach IW 9, 30b und 92, 2a. Ebenso SCC 19, 9b. IL 2, 15b:

^ 3E # ± # ® T ^ m ± IB: .

SSC 19, 9b Jb.

3 S add. ^ nach IW 9, 30b und Zit. in CHC, Abt. ^ (nicht in Ausg. v.

1597—98).

* Vielleicht zu ergänzen nach Shih-chi 86, S. 39. — Zu der Formel vgl. den Exkurs S. 443 dieser Arbeit.

s S add. ^ % nach SCSY 86, S. 40 und CHC Abt. 3^.

':»9-#^'l-^ÄÜÖgSJ^^Ä S del. * nach IW 92, 2a und CHC

loc. oit. — PWC 5, 2b :J3- # M (T 147, 6b: ^) Uf: ^ gp gl Ö ffi Dies

vielleicht ursprüngliche Version, wegen paralleler Sätze. ^ aller anderen Ver¬

sionen vielleicht korrupt aus (fn unter Einfluß der Verbindung -(fp 55 ? ' *i # ±: ^- ^ PS heißt „Fallgrube", vgl. z. B. Yen-Vieh lun 3, ch. 1, 10a.

8 IW 9, 30b: fl- ig IS T 147, 5b und 480, 8a ident. mit Yung-lo

ta-tien.

' IW 91, 16a bringt nur Auszug. Zu dem Fluchtmotiv vgl. den Exkurs

S. 446.

" m T 147, 5b Uc

" ^] T. 147, 6a ^ (wohl graph. Vertauschung).

(25)

428 Hekbert Franke

Tan schrieb seinem Lehrer Chü Wu' einen Brief, der also lautete :

,,Tan2, der Ungeratene, ward geboren in einem erbärmlichen Land, und

er wuchs heran auf Boden, der nicht einen Halm trug^. Es gelang ihm

noch nicht, der feinen Lehren eines Edelmannes und der Lebensart eines

vollendeten gebildeten Menschen* ansichtig zu werden. Aber da ist et¬

was, was er in seinem schlichten Sinn darzulegen wünscht und hielte es

für ein Glück, wenn Ihr, mein Lehrer*, Euch herabließet*, davon Kennt¬

nis zu nehmen.

Tan hat einmal dies vernommen: Wessen ein rechter Mann sich

schämt, ist, daß er Schimpf erfuhr und doch in der Welt weiterlebt.

Wessen eine tugendhafte Frau sich schämt, ist, daß ihr Gewalt wider¬

fuhr und ihre Keuschheit verletzt wurde'. Darum wird jener nichts

dabei finden, sich die Kehle durchzuschneiden ; diese wird nicht fliehen*, wenn sie die Hand auf den Dreifuß legen soll( ?)*. Kann es sein"*, weil sie

sich des Todes freuen und des Lebens vergessen ? Ihr Sinn ging wohl

darauf, daß sie etwas zu verteidigen hatten.

Nun hat der König von Ch'in den himmlischen Regeln Gewalt an¬

getan ; tigergleich und wölfisch ist sein Wandel". Dem Tan begegnete er

ohne Höflichkeit; der schlimmste'^ ist er unter allen Lehensfürsten. Sooft

Tan dies bedenkt, schmerzt es ihn bis ins innerste Mark. Berechnet man

die Volkszahl des Staates Yen, so kann er Ch'in nicht Widerpart bieten.

Wir würden unsre Jahre vertun, uns zu verteidigen, denn sicherlich

reicht unsere Kraft nicht aus. Ich möchte dagegen die tapfersten Ritter

des ganzen Reiches zu uns ziehen und die kühnsten Helden innerhalb

der Vier Meere bei mir versammeln, ginge auch darüber der Staat zu¬

grunde und müßte ich alle Schatzkammern'^ leeren, um ihnen allen Un-

^ ^ Ä> ebenso Chan-kuo ts'e imd Shih-chi. S setzt die lectio difficilior |^

ein, die er T 147,5b entnimmt imd die auch als phonetische Glosse SCSY

86,23 vorkommt.

2 S add. fl- nach T 147, 6a.

3 S corr. nach T 147, 6a (wegen Parallelismus). Die Wendung findet sich

auch im Kung-yang chuan, Hsüan 12, ed. Basic Sin. Series ch. 47, S. 1226..

« T 147, 6a o?n. ^ A ;£ (in den Text gerutschte Glosse ?).

^ T 147, 6 a om. •

" ^ S corr. nach T 147, 6a.

'IL 2, 15b: 3t*S^.^^#^^IITi^)l5T147,6a:3t^;tii.

(wohl falsch statt il) ^ JH (wohl falsch statt ^).

^ ig S corr. T 147, 6a:

" Hierzu vgl. den Exkurs S. 447.

" S: S corr. nach T 147, 6a.

" ^ und reimen : *äiang — *g'äng.

"T 147, 6a: M.^.

'ä Die Emendation dos S zu dieser Stelle ist überflüssig.

(26)

Die Geschichte des Prinzen Tan von Yen 429

terhalt zu bieten. Wenn wir dann mit schweren Geschenken und süßen

Reden uns das Wohlwollen von Ch'in erkaufen, wird es voll Gier* nach

unseren Geschenken unseren Worten trauen. Dann^ braucht man sich

nur auf das Schwert eines Einzigen zu verlassen und kann so ein Heer

von einer Million ersetzen. In einem Augenblick könnte so die zehntau¬

send Generationen währende Schmach des Tan getilgt werden. Ge¬

schieht das nicht, dann hätte Tan lebend kein Gesicht mehr im Reiche^,

und nach dem Tode noch müßte er Groll* hegen drunten bei der Neunten

Quelle. Ich muß dafür sorgen, daß kein Lehnsfürst deswegen Grund zum

Spott hat*. Daß ich noch niemanden nördlich des I-Flusses (in Yen)

kenne, der zu einer solchen (Tat taugte), das ist doch wohl eine Schande

für die Edlen* und großen Herren dort !

Voll Ehrfurcht sende ich diesen Brief und wünsche, Ihr möget ihn

reiflich überdenken".

Des Chü Wu Antwortbrief lautete: „Ich, Euer Untertan, habe ver¬

nommen :

Wer jäh beschließt, der scheitert in der Sache.

Es schadet sich, wes Herzen sinnt auf Rache'.

Der Kronprinz wünscht, die nagende Schande zu tilgen, den dauernden

Groll zu vertreiben. Da darf sich wahrlich Euer Untertan nicht entziehen,

auch wenn dabei sein Leib zerschlagen, sein Schädel zerschmettert

würde. Seine eigene Ansicht ist : Ein Kluger hofft nicht auf glücklichen

Zufall, um Erfolg zu haben; ein Weiser folgt nicht leichtfertig seinem

Trieb, um seinem Herzen nachzugeben. Reif muß die Sache sein, bevor

man beginnen kann. Ausgeruht muß der Körper sein, bevor man wan¬

dern kann. Wer sich danach richtet, der braucht nicht verfehltes Tun

zu beklagen, wenn er handelt, und keinen Fehltritt zu bereuen, wenn er

aufgebrochen ist. Der Kronprinz hält viel von der Tapferkeit eines ein¬

zelnen Mannes und traut der Wirkung eines einzigen Schwertes und

hofft damit auf Erfolg. Euer Untertan hält dies für voreilig. Sein Wunsch

ist es, ein nord-südliches Bündnis zu schließen mit Ch'u, die eigenen

Kräfte zu vereinen mit Chao und gen Westen sich zusammenzutun mit

1 dto.

" S add. nach T 147, 6a.

' ?C T] T 147, 6a: I j^fe (graph. Verschreibung); om. ® .

* tß] W 10, 31a I A (besser wegen Rhythmus, falls ® kein Einschub).

Das Zitat steht nicht im Harvard-Index vermerkt.

^Mi^l^MI S corr. nach T 147, 6a.

• T 147, 6a om. Chbnö Lin, S. 2: "I presume that you consider my

disgrace as your own".

' Wohl gereimt : *g'äng ft *8ieng.

(27)

430 Hbbbebt Fbanke

Han und Wei und danach gegen Ghi'n zu planen. Dann nämlich können

wir Ch'in zerschmettern'.

Überdies stehen Han und Wei nur äußerlich freundlich mit Ch'in,

innerlich aber entfremdet. Kommt es dazu^, daß Truppen ins Feld ge¬

stellt werden, wird Ch'u sich anschließen, und Han wie auch Wei werden

sicher Folge leisten. Unsere Macht tritt dann klar zutage. Wenn der Rat

Eures Untertan befolgt wird, dann wird der Schimpf, der auf dem Kron¬

prinzen lastet, getilgt werden, und auch meine, des Unwissenden, Sorge

sich lösen. Möge der Kronprinz dies überdenken!"

Als der Kronprinz den Brief erhielt, ward er unfroh. Er berief den

Ch'ü Wu zu sich und befragte ihn. Wu sprach: „Eures Untertanen Mei¬

nung ist die : Wenn der Kronprinz meine Worte durchführt, wird es im

Norden des Flusses I (in Yen) in Ewigkeit keine Sorge wegen Ch'in mehr

geben, denn sicherlich werden von den Lehnsfürsten rings herum uns

welche helfen". Der Kronprinz sprach: „Darüber werden sich die Tage

zähe hinziehen. Mein Herz vermag nicht länger zu warten". Wu er¬

widerte: ,,Euer Untertan hat für den Kronprinzen gar reiflich geplant.

Solange es ein Ch'in gibt, ist Weile besser als Eile, Ruhe besser als Hast.

Wenn wir uns verbünden mit Ch'u und Chao, zusammentun mit Han und

Wei, so mag es Monate und Jahre dauern, aber zu guter Letzt wird es er¬

folgreich ausgehen. Dies hält Euer Untertan für das Beste". Unter dieser

Rede aber hatte der Kronprinz sich zum Schlummer hingelegt und hörte

nicht mehr zu. Da sagte Ch'ü Wu: „Euer Untertan vermag also nicht,

für den Kronprinzen zu planen. Er kennt aber einen gewissen T'ien

Kuang. Das ist ein Maim von tiefem Sinn, der weiß wohl Rat^. Ich will

ihn dazu bringen, daß er den Kronprinzen aufsucht". Der ELronprinz

sprach: „Voll Ehrfurcht stimme ich zu".

Zweites Kapitel

Als T'ien Kuang* den Kronprinzen aufsuchte, da empfing ihn dieser

neben der Treppe und verneigte sich zweimal vor ihm. Als die Sitze ein¬

genommen waren*, sprach der Kronprinz Tan:

,,Mein Lehrer hielt mein Land nicht für zu roh und mich, den Tan,

' S schließt aus dem Bündnisvorschlag, daß der Brief vor 230 geschrieben

sei (230 wurde Han durch Ch'in vernichtet), aber nach 232 (Heimkehr des

Prinzen Tan nach Yen).

' ^ S corr. statt des falschen

' S verweist hier auf die wortreichere Charakteristik im Shih-chi 86, S. 25.

' Bit]T 542, 8h j^^, (wohl graph. Korruptele). W46, 38a wie Yung-lo

ta-tien.

' Auch hier verweist S auf die reichere Fassung im Shih-chi a. a. O. „Der Kronprinz kniete nieder und staubte die Matte für ihn (T'ien) ab".

(28)

Die Geschichte des Prinzen Tan von Yen 431

nicht für zu ungeraten, sondern wirkte, daß Ihr, der Frühergeborene,

Euch herabließet, in unsere dürftige Stadt zu kommen. Der Staat Yen

ist bäurisch, im nördlichen Grenzland abgelegen und einer Barbaren¬

gegend vergleichbar. Trotzdem habt Ihr, der Frühergeborene, Euch dessen

nicht geschämt, und Tan durfte Euch zur Rechten und Linken aufwarten

und Euer jadegleiches Antlitz erschauen. Wahrlich, dies ist, weil der

Göttergeist der Ahnen den Staat Yen schützt und bewirkt, daß Ihr, der

Frühergeborene, Euch derart herabließet und demütigtet".

T'ien Kuang sprach : ,,Als junger Mensch' und als reifer Mann^ bis zum

heutigen Tage habe ich wie ein Schüler den hohen Wandel des Kron¬

prinzen verehrt und seinen gebietenden Ruhm bewundert. Womit wird

der Kronprinz mich belehren?"

Auf den Knien näherte sich der Kronprinz und sprach, während ihm

die Tränen herabflossen : ,,Als ich. Tan, einstmals Geisel war in Ch'in, da

begegnete man mir dort ohne Höflichkeit. Das brannte in meinem Herzen

Tag und Nacht, und mein Wunsch ist, es ihm zu vergelten. Aber redet

man von der Zahl des Volkes, da hat Ch'in mehr, und schätzt man die

Kräfte ein, da ist Yen der Schwächere. Wollte einer sagen: , Schließ ein

Bündnis', so könnte mein Herz dies nicht über sich bringen. Darum

kenne ich ständig beim Essen nicht mehr seinen Geschmack^ und liege

nicht mehr ruhig auf der Matte. Selbst wenn Yen und Ch'in am selben

Tage untergehen müßten, so wäre es, als wenn tote Asche wieder auf¬

glühte und gebleichte Knochen sich neu belebten. Ich bitte Euch, den

Frühergeborenen, einen Plan dafür zu maehen".

T'ien Kuang sprach: ,, Diese Sache geht den Staat an. Erlaubt mir

bitte, darüber nachzudenken".

Darauf wies der Kronprinz dem T'ien Kuang seine beste Herberge zur

Wohnung an, ließ ihm alle drei Stunden Speise reichen und fragte un¬

aufhörlich nach seinem Befinden. Das währte drei Monate. Da wunderte

sich der Kronprinz, daß Kuang nicht redete, begab sich zu ihm, ent¬

fernte alles Gefolge und fragte: ,„,Drei Monate sind vergangen, seit Ihr,

der Frühergeborene, Euch herabließet, Mitleid mit mir zu haben und so

gütig wart, tüchtigen Rat zu versprechen, während ich mich gebeugt

neigte, um zu lauschen. Ob Ihr wohl etwas im Sinne haben mögt?"

T'ien Kuang sprach: „Auch ohne des Kronprinzen Worte* hätte ich

mich ausdauernd darum bemüht. Euer Untertan hat dies vernommen:

1 wörtl. ^ ^ „als ich mir die Haare aufband" (zam Zeichen der Voll¬

jährigkeit), vgl. Shih-chi 112, S. 27.

' ^ Mfy vgl. Hsiao-ching 1, ^ Ich lese ^ statt ß[ des Textes-

* Wii^'f' W- Vermutlich ähnliche Konstruktion wie Lun-yü 14, 18, 2

„Ohne Kuan Chung würden wir ..." Vgl. auch die älmliche Stelle SC 86,

S. 29 (dort II statt ig). Bodde S. 30.

(29)

432 Herbert Franke

Das Wunderroß in Jugendkraft

gar leicht wohl tausend Meilen schafft.

Doch wird's zur schwachen KJappermähre

der Weg ihm zu beschwerlich wäre'.

Als der Kronprinz von mir hörte, da war ich schon alt. Wünscht Ihr, o

Kronprinz, daß ich für Euch tüchtig plane, würdet Ihr es nicht (aus¬

führen) können; wünscht Ihr Euch jemand von entschlossener Körper¬

kraft, dann kann ich. Euer Untertan, dies nicht sein.

Heimlich habe ich mir des Kronprinzen Gefolgsmänner betrachtet. Da

ist keiner darunter, den man brauchen kann. Hsia Fu ist ein Mann,

dessen Tapferkeit im Blut liegt. Im Zorne wird sein Antlitz rot. Sung I

ist ein Mann, dessen Tapferkeit in den Adern liegt. Im Zorne wird sein

Antlitz fahl. Wu Yang ist ein Mann, dessen Tapferkeit in den Knochen

liegt. Im Zorn wird sein Antlitz bleich. Der Ching K'o aber, den ich

kenne, ist ein Mann, dessen Tapferkeit im Geiste liegt. Im Zorn ändert

er seine Farbe nicht^. Ein Mensch ist er, weit erfahren, stark im Er¬

innern, heldenhaften Leibes, gar kräftig im Wuchs. Er hängt sich nicht

an kleine Werke, sondern sehnt sich, große Taten zu vollbringen. Vor¬

mals hauste er in Wei. Der Würdigen und Hochgestellten, denen er aus

Bedrängnis half, gibt es mehr als zehn. Alle die anderen sind gewöhn¬

liche Menschen, von denen es nichts zu rühmen gibt. Plant der Kron¬

prinz eine Tat, so geht es nicht ohne diesen Mann".

Der Kronprinz verließ die Matte, neigte sich zweimal und sprach:

,,Wenn ich durch Eure, des Frühergeborenen Geisteskraft mit Herrn

Ching Freundschaft schließen kann, dann werden in Yen die Altäre des

Landesgottes und der Feldfrucht in Ewigkeit nicht untergehen. Dies ist

ganz alleiu Euer Werk". Darauf schickte sich T'ien Kuang zum Gehen

an, der Kronprinz geleitete ihn selbst hinaus und sagte noch, indem er

Kuang's Hand ergriff: ,,Dies ist ein Staatsgeschäft. Ich wünsche, daß

nichts davon nach außen dringe". Kuang lächelte und sagte: ,,Ich ge¬

horche".

Dann besuchte er den Ching K'o und sagte zu ihm: ,,Ich halte mich

nicht für zu unwert, daß ich Euch zum Kronprinzen bringen möchte,

denn der Kronprinz von Yen ist fürwahr der Ritterlichste^ im ganzen

' Reime »äjog M *li9g Vi *Xiög *d'6g. Auf der altchines. Stufe

reimen alle 4 Verse (Indiz für Entstehung in Han- oder Vor-Han-Zeit). Die

Version des Verses im Shih-chi 86, 25 (Bodde S. 27) erweist sich als ungleich¬

mäßiger mit 6, 6, 4,4 Worten, vielleicht deshalb jüngere Fassung, doch reimen

auch dort B# *di9g M *li9g ^ *16g *ti8g. — Boddes „unicorn" beruht auf

eüiem Druck- oder Lesefehler ^ statt |

^IL 2, 16a om. f)\ und ß,.

* shih.

(30)

Die Geschichte des Prinzen Tan von Yen 433

Reich. Sein Herz ist Euch zugetan und ich möchte, daß Ihr ihm nicht

mißtraut". Ching K'o sagte darauf: „Zwar bin ich niedrigen Sinnes,

doch sage ich mir ständig: Wer im Herzen mir zugeneigt ist, dem gebe

ich mich hin ohne lang zu fragen. Wer innerlich anders geartet, für den

würde ich mir nicht ein einziges Haar ausreißen'. Wenn Ihr, der Früher¬

geborene, mir befehlt, den Kronprinzen zu treffen, da gehorche ich voll

Ehrfurcht und handle nicht zuwider". T'ien Kuang sagte zu Ching K'o:

„Ich habe vernommen: Einem Ritter sollte keiner mißtrauen. Als mich

aber der Kronprinz hinausgeleitete, sagte er ,Dies ist ein Staatsgeschäft.

Ich wünsche, daß nichts davon nach außen dringe'. Daß ich Mißtrauen

erfahre^ und doch in der Welt weiterleben sollte, dessen schäme ich mich",

sprach's, erstickte sich^ angesichts des Ching K'o und starb. K'o aber

ging darauf nach Yen.

Drittes Kapitel.

Als Ching K'o nach Yen ging, da lenkte der Kronprinz selbst den

Wagen und ließ den Ehrenplatz zur Linken für ihn frei. K'o verhielt sich

lässig und gab dem Prinzen nicht den Vortritt.

Als sie nun saßen* imd auch die anderen Gäste und Gefolgsleute ihre

Plätze eingenommen hatten, sprach K'o die Worte: „T'ien Kuang hat

mir das menschenfreundliche Wesen des Kronprinzen gerühmt* und von

seiner nicht alltäglichen Art erzählt. Sein hoher Wandel dringt bis zum

Himmel, sein Lob und Preis erfüllt die Ohren. Als ich die Hauptstadt von

Wei verließ und die Straße nach Yen betrachtete, da hielt* ich ihre Eng¬

pässe nicht für beschwerlich und die Länge des Weges nicht für zu weit.

Nun hat heute der Kronprinz mir Höflichkeit erwiesen so huldvoll wie

1 S setzt die Fassung P 33, 3a ein: (äl ^ $jr ^ M'fn ~ ^

^ öl" Die Version des Yung-lo ta-tien mit vier Versen zu vier Worten scheint jedoch klarer imd deshalb vorzuziehen.

2 CI 7, 8 a liest ^ statt ^^

^ § 'S" „verschluckte seine Zunge". P'ei-wen yün-fu (ed. Comm. Press)

S. 3767 III zit. den Yen Tan-tzu zu dieser Redensart, sowie Chiang Yens

(444—505) Brief aus dem Gefängnis, W. 39, 29a, wo auoh unser Text im

Kommentar zitiert wird (das Zitat ist im Harvard-Index zum Wen-hsüan

nicht aufgeführt). Die Textworte ffl" □ | | (im Brief „den Mund knebeln

und die Zunge verschlucken" deutet der Kommentator (Li Chou-han ^ ^

^) als „nicht sprechen". Es kann sich aber auch um eine Art des Selbst¬

mordes handeln. Wie mir P. Thiel S. V. D. mitteilt, hält das Landvolk von

Shantung das Abbeißen der Zunge heute noch für eine Weise, sich zu ent¬

leiben.

* g Scorr. statt

' IL 2, 16a: * ± ^ •

^ IL 2, 16a om. 1^ zweimal.

28 ZDMG 107/2

Abbildung

TAFEL I 1^ &lt; /X |i ^ 1^ ^% H\ K ^ &lt; 7^'\^ ^ ^ ^ //r ^lA i)^A-^«•o^'^c^ 4? &#34;if f^ -th-M?Mf&gt;&lt;?7^&lt;L-f4sMl4 'S 'f^ &lt;:t ^ ■^.J^J^A f m /-^ &#34;t i^^^ rkl\ ^ ;f-i ;^ A ^^/^ 'r, A -Ä- A -^^^k^ftK i\^it^4=-mi'^-A4\^M,.&gt;^^-^\^fh^\i)ikj^i/^
TAFEL II
TAFEL III
TAFEL IV
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