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Storch, Günther:
Deutsch als Fremdsprache. Eine Didak- tik. München: Fink, 1999 (UTB 8184). – ISBN 3-8252-8184-1. 368 Seiten, DM 42,–
(Gerhard Bickes, Mainz)
Storchs Buch liefert eine ausgezeichnete Einführung in die wichtigsten Gegen- standsbereiche der Fremdsprachendi- daktik, wobei sich die Schwerpunktset- zung auf Deutsch als Fremdsprache eher der ausgewählten Literatur (insbeson- dere den ausschließlich DaF-bezogenen Lehrwerkbeispielen) als dem theoreti- schen Grundansatz verdankt. Dieser schließt nämlich auch bedeutende Bei- träge der angloamerikanischen Fremd- sprachendidaktik ein und würdigt somit den starken Einfluß und die historische Vorreiterrolle der EFL-Didaktik bei der Konzeption eines kommunikativen Fremdsprachenunterrichts. Letzterer ist es, dem sich Storchs Didaktik verpflichtet fühlt, wie aus dem ausführlichen und übersichtlich strukturierten Vorwort her- vorgeht. Damit wird auch deutlich, daß es sich bei dem vorliegenden Buch in der Tat um eine von möglichen vorstellbaren Didaktiken des Deutschen als Fremd- sprache handelt, wie der Titel zutreffend präzisiert. Ausgeklammert hat Storch nach eigenem Bekunden die Bereiche
»Literatur im DaF-Unterricht, Spielen und Spielübungen, neuere Medien […], Testen, Lehrwerkbeurteilung und -kri- tik« (12). Zu ergänzen ist, daß auch die sogenannten alternativen Lehr- und Lernformen weitgehend unberücksich- tigt bleiben – vielleicht, weil ihre Verbrei- tung in der Unterrichtspraxis im Ver- gleich zu dem von Storch fokussierten kommunikativen Ansatz als marginal einzustufen ist.
Selbst wenn man konzediert, daß Storchs Didaktik gewissermaßen dem fremdspra- chendidaktischen mainstream folgt, so ist dies angesichts der faktischen Bedeutung
dieses Ansatzes samt seiner – wie Storch treffend feststellt – »sinnvollen Erweite- rungen und Fortentwicklungen« (12) nicht als Nachteil zu werten. Zu diesen neueren Entwicklungen zählt Storch bei- spielsweise die Bereiche interkulturelle Landeskunde, Lernerautonomie, Prozeß- orientierung oder die Reflexion über Lern- und Kommunikationsstrategien. Durch die umfassende, theoretisch begründete, mit Hilfe gut ausgewählter Lehrwerkbei- spiele jederzeit anschauliche, wo nötig historisch reflektierende und zumeist zu- rückhaltend kommentierende/wertende Darstellung seines äußerst komplexen Untersuchungsgegenstandes ist Storch eine Gesamtschau gelungen, die durch ihre theoretische Fundiertheit, interdiszi- plinäre Ausrichtung und unterrichtsprak- tische Umsetzbarkeit gleichermaßen über- zeugt.
In insgesamt zehn Kapiteln schlägt der Autor den weiten Bogen von den Grund- lagen kommunikativen Handelns und der Psycholinguistik des Fremdspra- chenlernens über die zugrundeliegenden sprachlichen Mittel, die zu entwickeln- den rezeptiven und produktiven Fertig- keiten, die einsetzbaren Medien und die vorliegenden landeskundlichen Kon- zepte bis zur Interaktion im DaF-Unter- richt und den Möglichkeiten der Lerner- motivierung. Dabei behält der Autor immer die Unterrichtspraxis im Blick, wie sich an den wiederkehrenden an- schaulichen Vorschlägen zur konkreten Unterrichtsgestaltung und den zahlrei- chen Auszügen aus ca. 30 DaF-Lehrwer- ken zeigt. Auch der/die erfahrene Sprachlehrer/in findet angesichts der Fülle des Materials viele neue Anregun- gen für den Unterricht; für Lehrende mit noch geringer Praxiserfahrung ersetzt das Buch förmlich ein umfassendes Ein- führungsseminar zur Methodik und Di- daktik des DaF-Unterrichts. Angesichts der immer noch großen Zahl weitgehend
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auf sich selbst gestellter DaF-Lehrender ist dies ein nicht zu unterschätzender Vorteil von Storchs Didaktik und eine äußerst nützliche Bereicherung der schon vorhandenen Literatur.
Strzelczyk, Florentine:
Un-Heimliche Heimat. Reibungsflä- chen zwischen Kultur und Nation.
München: iudicium, 1999. – ISBN 3- 89129-601-0. 310 Seiten, DM 48,–
(Jürgen Joachimsthaler, Opole / Polen) In Variation eines Titels von W. G. Sebald (1991) will diese Dissertation (University of British Columbia, Vancouver, Kanada) das deutsche Ideologem »Heimat« vor dem Hintergrund der aktuellen (postmo- dernen) Nationalitätstheorien anhand verschiedener Texte und des Filmzyklus Heimat von Edgar Reitz analysieren.
Theoretische Ausgangsbasis ist dabei die Einsicht in die Konstruiertheit der Natio- nen (Anderson 1991) und der Alterität des konstruktionsnotwendigen »Ande- ren«, welch letztere die inneren Wider- sprüche eines jeden künstlich vereinheit- lichten Kollektivs auf binärlogisch not- wendige »Andere« (Außenseiter, äußere Gegner und als Minderheiten marginali- sierte Gruppen im Kollektiv bzw. am Rande desselben) projiziert. In ihrer pro- grammatischen Einleitung (9–42) synthe- tisiert die Verfasserin den aktuellen For- schungsstand zu einer geschickten, intel- ligenten und lesenswerten Synthese aus Derrida, Foucault, Kristeva, den Mit- scherlichs u. v. a., von der aus sie den deutschen Begriff »Heimat« ideologiekri- tisch rekonstruiert. Ihm setzt sie die postmoderne Vorliebe für Hybridität und eine ambige, in sich (offen) widersprüch- liche, global vagierende Identität ober- halb der Zwänge, die immer noch die Mehrheit der Menschheit in ihre zufälli-
gen Geburtsumstände einkerkert, entge- gen, um von der Beobachtung aus, daß nationale Identität Ergebnis eines verein- heitlichenden Meta-Diskurses oberhalb intranationaler Unterschiede ist, einen alternativen Heimatbegriff zu entwerfen, für den Heimat »eine konkurrierende Gleichzeitigkeit bestimmter Sätze sozia- ler Beziehungen und deren Auswirkun- gen […], aber auch aus denjenigen sozia- len Beziehungen, die über den jeweiligen Ort hinausreichen« (29), darstellt.
In der konkreten Anwendung jedoch scheint die Verfasserin ihrem eigenen Ansatz nicht ganz gewachsen zu sein, entfaltet sie ihre Ausführungen doch ar- gumentationslogisch als einen dem natio- nalen nicht unähnlichen und nun im Namen der »Ambiguität« vereinheitli- chenden Metadiskurs, der seine Gegen- stände binärlogisch in solche Bestandteile aufteilt, die offensichtlich diskurskompa- tibel, und solche, die als das »Andere« der diskursimmanenten Wertvorstellungen aus jedem Verständnis eskamotiert wer- den. So vereindeutigt sie die Vieldeutig- keit fiktionaler Kunstwerke überall dort, wo auf der Oberfläche der expliziten Äußerungen von Figuren im Werk diese nicht der political correctness folgen, zu der die Postmoderne in diesem Buch zusam- menzuschmelzen droht. Das Verhalten der literarischen oder filmischen Gestalten wird deren Autoren dann zum persönli- chen Vorwurf gemacht (z. B. 73ff., 201), Verständnis für Ironie oder paradoxe For- men des Eingedenkens von Völkermord und Holocaust als darstellungstechnische Mittel (vgl. Butzer 1998: 59) fehlen völlig, die ins geradezu entlarvend Skurrile ge- steigerte politische Naivität der jungen Künstler in Edgar Reitz’ Die Zweite Heimat z. B. wird als programmatische Apolitizi- tät des Filmemachers mißverstanden und verurteilt.
Der Wille zur polit(opportunist)ischen Korrektheit überdeckt so nicht nur die