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Der Psalm hat unverkennbar ein führendes Metrum: den Doppeldreier, anscheinend stellenweise mit dem Sechser durch¬ setzt

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Psalm 2.

Von Lie. E. Baumann.

Wer ein Interesse daran hat, das Recht und die Eichtigkeit

metrischer Betrachtung innerhalb des alttestamentlichen Schrifttums

zu erweisen, tut gut, vor allgemeinen theoretischen Erörterungen

die Untersuchung der Einzelfitlle nicht zu kurz kommen zu lassen.

Gerade der Einzelfall lehrt am besten, wie die metrische und sonstige

kritische Untersuchung auf einander angewiesen sind und sich gegen¬

seitig fördern; wie der klare Einblick in das Metrum auch einen

Gewinn für Text- und Literarkritik, Exegese, Sprach- und Religions¬

geschichte u. a. m. bedeutet. Der 2. Psalm ist ein besonders ge¬

eignetes Beispiel, da einerseits seine metrischen Verhältnisse relativ durchsichtig imd andrerseits die in ihm liegenden Probleme besonders brennende sind.

Der Psalm hat unverkennbar ein führendes Metrum:

den Doppeldreier, anscheinend stellenweise mit dem Sechser durch¬

setzt.^) Die Stellen, an denen Unregelmäßigkeiten begegnen, sind

V. 2 c als überzähliger, einzelner Dreier, v. 7 f. 12, wo die metrische

Gliederung Schwierigkeiten macht, und endlich v. 6b und IIb,

wo je eine Hebung fehlt. Pür den, der in der Erscheinung des

Mischmetrums an sich nichts auffälliges findet, wären die Pünfer

V. 6 und 11 unbedenklich. Aber, wie im Laufe der Untersuchung

sich zeigen wird, ist v. 6 überhaupt versehrt und dem Sinne nach

problematisch, v. 11 b aber eine anerkannt wunde Stelle. Wichtiger

sind zunächst die andern Anstöße. Ist der Psalm auch auf ein

Strophenmetrum angelegt? Allgemein ist der Eindruck von der

ganz auffallend scharfen Sinnes- und Situationsgliede¬

rung des Psalms, die ihn in vier Gruppen (v. 1—3. 4—6. 7—9.

10—12) zerlegt. Aber das Ebenmaß der Porm wird vermißt, das

für eigentliche Strophen gefordert werden muß. Wir werden finden,

daß dieses Ebenmaß sich zugleich mit der Beseitigung

1) Vgl. Sievers, Stadien z. hebr. Metrik II, S. 501—503; B&ethgen, Kom¬

mentar'; Grimme, Psalmenprobleme S. 20: und auch Duhm, Kommentar.

38*

(2)

588 Baumann, Psalm 2.

der Textschäden ungesucht ergeben wird. Vorweg aber

sei festgestellt, daß für den unbefangensten Blick im überlieferten

Text Gruppe 2 und 4 auf je drei Langverse angelegt erscheinen

(von denen nur v. 12 übermäßig lang und v. 6 etwas kurz ist),

und daß damit verglichen Gruppe 3 einen Langvers, Gruppe 1

aber einen Halbvers überzählig hat.

Nun zu den einzelnen Anstößen! Was v. 12 betrifft, so ist

der Passus "13 ■'Oin-bs ■''iltN nur ein liturgischer und zwar euphe¬

mistischer Nachti-ag, wie er innerhalb des Psalters besonders häufig

ist 1); er ist im Gedanken nach denen des Psalms trivial und matt,

mit seiner IndividuaUsierung deplaciert und syntaktisch ganz lose.

Aber auch die Anfangsworte la-ipic:, diese erstklassige crux inter¬

pretum, sind zu tilgen, weil sie lediglich eine Variante zu ^^•'i

mynn v. 11 darstellen ,2) die den Schaden dieser Textstelle verrät

und zu dessen Heilung möglicherweise verhelfen kann. Was v. 12

bleibt, ist ein gefälliger Doppeldreier (gleich v. 10

und 11), inhaltlich und syntaktisch ohne Tadel, als Abschluß des

Psalms durchaus am Platz. Das Subjekt ist das v. 11 genannte

und sachlich allein mögliche: Jhwh.

Der überzählige Dreier v. 2 c ist allein als solcher schon ver¬

dächtig,^) hier aber besonders als einziger innerhalb eines sorg¬

fältig durchgeführten und ausgesprochenen parallelismus membrorum, der V. 1 a mit 1 b, v. 2 a mit 2 b, v. 3 a mit 3 b zu Doppeldreiern

verknüpft. Dazu verhält er sich gegen die dreihebige Lesung in¬

sofern spröde, als eine Hebung auf das zweite by (eine Präposition)*)

fallen muß. Vor allen Dingen aber ist gegen den Passus einzu¬

wenden, daß er das Haupthindernis für das Erfassen

der im Psalm vorausgesetzten einfachen Situation

bildet. Letztere erscheint bis heute kompliziert , indem kein Ein¬

verständnis über die Frage zu erzielen ist, wer im Psalm rede und

wer alles im Verlauf desselben redend eingeführt werde. — Wir

sehen nun an v. 1 f . in bezug auf v. 3, an v. 4 f. in bezug auf

V. 6 und äuch an (dem nicht einwandfreien) v. 7 a in bezug auf

V. 7 b —9, daß andere als der Psalmist nur unter aus¬

drücklicher Einführung zu Worte kommen, haben also

als sicber anzunehmen , daß , wo solche Einführung fehlt (v. 10,

V. 7 für moON), niemand anderes als der Psalmist redet. Bei

V. 10 ist das nie bestritten worden ; warum bei v. 7 ? Aus keinem

andern Grunde, als weil von dem Subjekt des mcDN, dem

1) Vgl. Grimm, Euphem. Liturg. Appendixes etc.; Ps. 84, 13.

2) Lies 'ia (als Abkürzung von myia) ipiöJ. In der Erkenntnis

dieser Sachlage bin ich mit Marti-Duhm zusammengetroffen.

3) Es ist bezeichnend, wie häufig auch Baethgen^ bei aller Zurückhaltung die überzähligen Halbvorse als solche beanstandet. Vgl. z. B. 21, 10. 52, 7.

55, 16. 89, 20. 104, 8 a u. s.

4) Vgl. Sievers a. a. 0 § 145. 144, 1. 143, 3.

(3)

Sohne Jhwhs, der als Erbe Jhwhs die Völker niederschlagen soll,

in V. 2 c und — wie manche gemeint haben — v. 12 Anf. als

dem Messias oder „Sohn' in der 3. statt in der 1. Person die

Eede ist. Danach führe v. 7 niDON der vom Psalmisten zu unter¬

scheidende Messias das Wort. Der Zwang zu dieser prekären Ver¬

legenheitsauskunft Mit mit der Autorität der genannten beiden

Stellen. Die Übersetzung „Sohn« ist v. 12, ob man nun -la-ip«:

festhält oder nicht, aus bekannten zwingenden Gründen ausge¬

schlossen. V. 2 c bleibt also allein. Ohne diesen Passus wäre es

evident, daß Gottes Sohn und der Völker Besieger (der Sache

nach also der Messias) mit dem Psalmisten identisch ist. Das

geht auch , wie aus dem übrigen Psalm , gerade aus v. 1—3 her¬

vor, wenn wir uns v. 2 c fortdenken. Ausdrücklich wird dann

nicht gesagt, gegen wen sich der Angi-iff richtet. Es braucht

auch nicht gesagt zu werden, wenn der Pragende selbst der

Bedrohte ist, was eine höchst lebensvolle und hochpoetische

Situation ergibt.

Doch hier entsteht sofort ein Einwurf: Wird nicht der von

uns eliminierte Passus in den Pluralsuffixen v. 3 vorausgesetzt und

folglich durch sie gestützt ? — Wenn die Suffixe zu Recht bestehen, ist allerdings fraglos, daß es sich um eine Mehrzahl von Angegriffenen

handelt, doch nicht, daß es gerade zwei sein müssen. Daß es aber

Jhwh und der Messias sind, ist ausgeschlossen, weil die Nennung

dieser beiden in v. 1—3 gegen die Pointe des ganzen Psalms

verstößt.

Sollen nämlich die Ausführungen v. 4 ff. überhaupt einen Sinn

und Zweck haben, so wird hier erst festgestellt und feierlich kund¬

getan, was die Pürsten und Völker v. 1—3 noch nicht wissen,

daß ihr Untemehmen ein Unternehmen gegen den Himmelsherrn

wäre, daß ihr Angriff gegen Zion ein solcber gegen einen heiligen,

sakrosankten Berg wäre, und daß ihr Beginnen eitel ist, weil es

sich gegen jemanden richtet, dem Gott Schutz und Sieg zugeschworen

hat. Eben von dieser Eröffnung erwartet der Psalmist v. 10—12

sofortige Sinnesänderung. Kann etwas deutlicher sein? Man darf

V. 2 c geradezu als den auf kurzen Ausdrack gebrachten Inhalt von

V. 4—9 bezeichnen: Ihr kämpft «gegen Jhwh und seinen Ge¬

salbten'. Nimmt man also v. 2c, wie es natürlich ist, subjektiv

als im Bewußtsein der Rüstenden liegend, so ist er ein unlöslicher

und unleidlicher Widerspruch zur Pointe des Psalms. Paßt man

V. 2 c, was immerhin anginge, objektiv, so läge darin eine Vorweg¬

nahme , die das Folgende um seine eigentliche Wirkung brächte.

Insbesondere streitet n-^W v. 2 mit v. 7—9 als einem bisher ge¬

heim gehaltenen , intimen Gottesspruch , und das dürre mir« v. 2

mit der poetischen Umschreibung D^Jaioa aiÖT', nach der Jhwh

bisher nicht genannt ist.

Es sind nach alledem gleich starke innere und äußere Gründe,

die V. 2 c unmöglich machen. Entstanden dürfte der Passus als

(4)

590 Baumann, Psalm 2.

Lesefrucht aus v. 4 ff. sein , die am Rande vermerkt wurde , oder

auch als Inhaltsangabe fiir den ganzen Psalm („Über Jhwh und

seinen Gesalbten*). In den Kontext gekommen ware er als will¬

kommene Beziehung der Pluralsuffixe v. 3, die sonst unerklärlich schienen, möglicherweise aber auch ganz ohne solchen Zwang, seiner¬

seits erst die Pluralsuffixe für ui-sprüngliches i-i- (oder 13"«-) ver¬

anlassend. Da indessen die Suffixform TO">- auch sonst im Psalm

verwendet ist, könnte seine Beanstandung v. 3 willkürlich und be¬

fangen erscheinen. Sehen wir somit von jeder Änderung ab, dann

ist der Schluß unvermeidlich, daß der sich selbst als Sohn und

Schützling Jhwhs fühlende Psalmist ein Kollektivum, eine Emheit

von Vielen ist. Da dies Kollektivum in Zion seinen Stützpunkt

hat, ist es die Volksgemeinde Zions, genau wie in den Psalmen 48

und 83, wo abgesehen von der ganz gleichen Situation auch über¬

raschend ähnliche Gedanken und Ausdrücke begegnen. *) üm dieser

starken Gleichartigkeit willen haben wir Pug und Recht, den dort

inne gehaltenen Plural dem Singular hier gleichzusetzen. Es ver¬

schlägt dabei nicht viel, daß das Volk dort nicht als Sohn Gottes

und Völkerbeherrscher auftritt. Die Gottessohnschaft des Volkes

ist ja ein altüberkommener Begriff (vgl. Hosea. Dt. 32, 6. Jes. 63,16.

64, 7. Jer. 31, 9 u. s.; R. Smith, D. Rel. d. Semiten S. 27 ff.), wie das Königtum Gottes (v. 6). — Indessen scheint doch die Erwähnung

Zions V. 6 darauf zu deuten, daß an das davidische König- und

Messiastum gedacht sei, dessen Sache auch des Volkes Sache ist.

Ohne Prage blicken Ps. 89, 20—52 (vgl. v. 2—5) und Ps. 132,1—5.

Ilff. auf den Vorgang zurück, den 2 Sam. 7 schildert. Aber auch

in ihnen kann ich die Erwartung eines persönlichen Davididen nicht

finden. Das Volk ist ideell der Erbe aller Würden Davids.*)

Psalm 2 aber ist keineswegs irgendwie von 2Sam. 7

abhängig. Dazu ist schon die Sprache v. 7 ff. viel zu nrsprüng¬

lich und kraftvoll, verglichen mit dem diffusen Stil der Samuelis-

stelle. Wenn also der Gedanke an Davids Verheißungen hier eine

Rolle gespielt haben soUte, dann nur ganz abgeblaßt. Das erhellt

noch mehr aus der Deutung von v. 6, die m. E. allein mögUch ist.

Jhwh redet hier von Zion als seinem Königssitz , der als solcher

unantastbar ist, genau wie im nächstverwandten Psalm 48, 2 f.

(vgl. 83, 13) und Ps. 132, 13 f

Sehen wir wieder auf die Gliederung des Psalms, so ist klar,

daß V. 1—3 die Völkerfürsten gegenüber dem Psalmisten, v. 10—12

1) Die den Hessiasnamen bietenden Psalmen, insbesondre die Stellen 28, 8. 84, 10. 89, 39. 52. (105, 15.) 132, 10 (vgl. 2 Cbr. 6, 42). 132, 17 (1 Sam. 2, 10. Hab. 3, 13), sind hier nicbt heranzuziehen, da einerseits Psalm 2 nach unserer Darlegung die Hessiasbezeichnung nicht enthält, und andrerseits alle jene Stellen schillern, was darauf beruht, daß sie entweder selbst nur Nach¬

träge (so m. E. sicher 28, 8 f. 1 Sam. 2, 10 c) sind oder zu literarischen Oebilden höchst komplizierter und problematischer Natur gehören.

2) Ob nun ein irdischer König vorhanden ist oder nicht.

(5)

der Psalmist gegenüber den Völkerfürsten auftreten ; v. 4—6 aber

Jhwh mit den Völkerfiirsten wie v. 7—9 mit dem Psalmisten

handelt. Aus dem Ebenmaß der Gruppierung geht unzweideutig

hervor, daß v. 6, weil er zur zweiten Gmppe gehört, Jhwh redet

und zwar nur von sich, nicht vom Psalmisten, .zu dessen besondrer

Würde erst v. 7—9 der Gedanke fortschreitet. Jhwh erklärt

(eingeführt durch v. 4 f ) den Rüstenden , daß sie sein König¬

reich angreifen, wenn sie Zion angreifen; daß sie es mit ihm

zu tun bekommen, wenn sie seinen heiligen Berg bedrohen. Diese

Sachlage bezeugt auch noch der Text, so sehr er gelitten hat.

Von „meinem heiligen Berge" kann niemand anders reden, als

Jhwh selbst.') Und wer LXX folgend iionp liest, macht den

'Schaden nur schlimmer, da die Ändemng der Suffixe eine der

bekannten Verlegenheitsauskünfte der alten Übersetzer an schwierigen Stellen ist.

Ist somit die Meinung des Verses im Grunde festgestellt,

könnte der ursprüngliche Wortlaut dahingestellt bleiben. Die Her¬

stellung ist nur hypothetisch. Indessen wissen wir doch un¬

gefähr, wie einzusetzen ist: ■'Sba ist im Munde Jhwhs befremdend

und unannehmbar, tsdj rätselhaft; vor aUem aber erscheint der

bisher innegehaltene parall. membr. zerstört. Seine Elemente ge¬

winnen wir aus der Gegenüberstellung von ivs und •^np-in,

TiDOi? und -DbJO? wieder. Dunkel bleiben wesentlich die Prä¬

dikate. Man lese etwa •'fflip-in TSbnn i iiijt-by iND5 ■'3N, wo¬

bei die absolute Voranstellung des ■'rt* in dem auf ihm liegenden

Akzent^) seine Begründung hätte, oder ■'nbo (oder -"nnäi) -liN

'•»"rp—iina "^b^NT l irX-by. In beiden Fällen läge ein Doppel¬

dreier vor.

Es bleiben die Schwierigkeiten innerhalb v. 7 f Auch hier

hat der Text gelitten : das Pluralsuffix v. 9 muß wie auf r^M auf

das anscheinend parallele yiN-'DDN zurückbezogen werden. Es ist

aber nicht recht vorstellbar, wie die Enden der Erde (gleich den

Völkem) zerschlagen werden sollen. Eine Lässigkeit der Ausdmeks¬

weise dürfte in diesem ganz Anschaulichkeit und Plastik atmenden

Psalm ausgeschlossen sein. Zudem war v. lf , auf welche Verse

hier zurückgegriff'en wird, von Völkern und Fürsten, aber nicht von

den Enden der Erde die Rede. Unter Beachtung von v. 10 Schi,

könnte man etwa yiN—'tSDiä herstellen, wenn die Wiederholung

desselben Ausdrucks kurz hintereinander nicht ganz unwahrschein¬

lich wäre. Eher dürfte der Fehler auf Dittographie beruhen. Diese

wäre von v. 10 Schi, nach v. 8 Sehl, geraten und dort in 'n-idbn

geändert worden.«) Tatsächlich bleiben in v. 8 nach Abstrich von

1) Vgl. 48, 2 (weiterhin Jes. 14, 13. Ez. 28, 16).

2) Meine Majestät wird heleidigt, wenn Zion angegriffen wird.

3) Man könnte zur Stütze von '«"'ODN Ps. 48, 11 und 83,19 heran- Biehen. Aber 83, 18 f. ist Dublette za v. 17 und wie 59, 14 (vgl. den wider-

(6)

592 Baumann, Psalm 2.

gerade sechs Hebungen. Der überlieferte Text fordert, als

Sechser gelesen zu werden; an sich einwandfrei, wäre dieser doch

bisher der einzige im Psalm. Syntaktisch fällt auf, daß a-'ia nicht

schon auf bNiÖ folgt. Es ist wohl möglich, daß der Zusatz am

Schluß eine neue .Wortfolge verursacht hat. Indem ich D'«na und

njnNi umstelle, gewinne ich einen glatten Doppeldreier.i) — Gegen

V. 7 a sind die Einwendungen zu machen, daß ied c. eine sonst

nicht vorkommende Konstruktion ist; daß statt ?nrTi passender ein

Pronomen stände, da von Jhwh seit v. 4 die Rede ist; daß die

Selbstaufforderung mcoN , überflüssig wie sie ist, dem Stil des

Psalmisten gar nicht entspricht; daß endhch das Wichtigste un¬

gesagt bleibt, nämlich wem der Beschluß Jhwhs gilt. Denn die

Worte •'bs sind als ' lediglich dem Verständnis des Lesers

dienende, ganz prosaische Markierang der direkten Rede kein ur¬

sprüngliches Textelement.-) Man muß sich sogar ernstlich fragen,

wie weit nicht der ganze voraufgehende Teil von v. 7 in Prage

gestellt ist. Daß ':3 Worte Jhwhs an den Psalmisten sind, wäre

auch ohne jede Einführung deutlicb. Doch sind zwingende Gründe,

von den Einführungsworten ganz abzusehen, nicht vorhanden; und

pn erscheint gesichert, da tatsächlich ein Gottesbeschluß folgt. Nur

darf dann auch die Angabe des Adressaten nicht fehlen. — Für

die Reduktion des Textes bestehen danach verschiedene Möglich¬

keiten; man lese etwa '^■'mb'' DT'n i nnn -^ia i ipn •'bs>T (sechs¬

hebig). Aller Probleme ungeachtet, dürfte doch daräber kein

Zweifel sein, daß auch v. 7—9 ursprünglich eine den andem drei

Gruppen gleichgestaltete Strophe von drei secbshebigen Perioden

gebildet haben.

Was V. IIb betrifft, so hat die Ergänzung von ib hinter

ib'l (Wellh.) viel für sich, weniger wegen des Zeugnisses der

LXX Hier., das sehr zweifelhaft ist, als wegen Kenn. 309 und der

voraufgehenden gleichlautenden Buchstaben. Der Metriker könnte

die Ergänzung ohne weiteres akzeptieren (Sievers, Baethgen''), um

die fehlende Hebung zu gewinnen, obwohl die Konstruktion auf¬

fallend wäre. Aber die Beischrift der Variante 'na ipüJD (v. 12)

streitenden v. 12) unecliter Naclitrag. 48, 11 denkt an den Weltruhm, aber

nicbt an die Weltherrschaft Jhwhs. Daß die genannten Psalmstellen

auf die Entstehung der Lesart 2, 8 von Einfluß gewesen seien , ist nicht aus¬

geschlossen.

1) Bei Auflösung dor scriptio continua könnte H fölschlich zu "jnttT statt

zu D'13 gezogen sein. Das objektive Futurum wäre meinem Gefühl nacb

kraftvoller als das subjektive Kohortativum. Der Artikel vor 's wäre passend, da es sich ja um die schon v. 1 ff. genannten Völker handelt. D"'3ba v. 10 könnte seinen Artikel nach In(nyi) eingebüßt haben. Indessen scbeint doch daS' Fehlen de» Artikels trotz der Determination dem Psalm eigentümlich zu sein.

2) Jedenfalls stehen sie außerhalb des Metrums, vgl. Sievers § 241.

(7)

sowohl wie das parallele ina? v. IIa zeigen, daß ib^a zu be¬

anstanden ist.

Zur Wiedergewinnung des ursprünglichen Ausdrucks könnte

einmal die Beobachtung verhelfen, daß in v. 10 ff. Paronomasien

zu V. 3 entsprechend der sachlichen Rückbeziehung der 4. auf die

1. Strophe beabsichtigt zu sein scheinen: vgl. nb-iDbn v. 10 mit

riDi^fflST V. 3, Tioin V. 10 mit la^miom v. 3, mas v. 11 mit

W>nay V. 3, endlich ipi2j3 v. 12 mit npnii. /p^ ist aller¬

dings nicht weniger unbrauchbar als /bij. Aber es wäre doch

erwiesen, daß der ursprüngliche Ausdruck in der Variante durch¬

schimmert, wenn irgendeine Emendation sich ungesucht darböte.')

Zum andem empfiehlt sich die Heranziehung verwandter Psalmen.

Aber so richtig es an sicb ist, vor allem Ps. 48 zu vergleichen,

ist doch die Emendation ibin für ib^a nach 48, 7 völlig verfehlt;

aus Gründen der Sache; denn, daß die Peinde über der Eröffnung

des Psalmisten in Schrecken geraten, ist Voraussetzung seiner

"^dahnung. Und aus Gründen der Methode; denn 48, 7 steht nom.

b^n parallel niTI (wie 2, 11 riN-i-), während von einer Auffordemng

zur Unterwerfung gar keine Rede ist. — Ein sachlich vorzüglich

passendes Analogon zu na? ergibt sich, wenn wir ib iVri (vgl.

Ps. 45, 13) sc. vrs lesen. Die Palte kündet den Zom v. 12.' Ge¬

danke und Ausdruck wären nicht zu kühn.

Nur in losem Zusammenhang mit der metrischen Betrachtung

steht die Frage der Intaktheit der Prädikate in v. 1 f. Hier führt

uns die Beachtung des Parallelismus und der verwandten Psalmen

weiter. Man muß zugeben, daß noir nach las^ni auffallend ist.

Das gilt aber auch für iin' nach räii. Nach v. 1 a und 2 a be¬

merkt der Psalmist bereits feindliches Handeln, nach v. 1 b und

v. 2 h geheimes Überlegen und Planen. Wer das für nicht an¬

gängig hält, ist also zu zweimaliger Emendation gezwungen. Was

raten die Parallelpsalmen? Ps. 83, 4 gibt keine Stütze für noir

gegen laST"' ab; denn er ist mit v 5 ein Einschub, der die

strophische Ordnung des Psalms gestört hat, inhaltlich Dublette zu

V. 6. Die Instanz des i'^s-ii v. 6 aber ist dadurch erschüttert, daß

eine Einwirkung des Einschubs wahrscheinlich ist, durch die ur¬

sprüngliches nyir (vgl. v. 3) geändert vrarde. Der.mit Ps. 2 am

«ngsten verwandte Ps. 48 nun schildert nur die Aktion (vgl. vor

allem Viyir v. 5). Und weiterhin bemerken wir, daß in Ps. 46, 7.

83, 3. Jes. 17,12 (Jer. 5, 22), wo überall die gleiche Situation |

1) Man könnte glauben, daß die Feinde aufgefordert werden, zum Zeichen ihrer bedingungslosen Unterwerfung im pia zu erscbeinen. Aber ein solches Denominativ existiert nicht. Sachlich wäre der Gedanke in dem zuversichtlich triumphierenden Psalm außerordentlich passend. Vsp^ heranzuziehen, geht

kaum au.

(8)

594 Baumann, Psalm 2.

vorliegt, Vmzi^ begegnet. Es wird danaeb 2,1 tom-'*) und 2,2

inyiD herzustellen sein. —

Unsre hier vorgetragenen Beobachtungen, sind nun von nicht

unwesentlichem Einfluß auf die religionsgeschichtliche Auffassung

des Psalms. Über den eschatologischen Charakter kann kein Zweifel

sein. Aber eschatologische Erwartung in dem Sinne, daß Jhwh

an seinem „Tage" für das Volk als sein Volk helfend eintritt, sicb

als sein Vater und König durch Gerichtstaten kundtut, hat es zu

jeder Zeit der israelitischen Geschichte gegeben (vgl. namentlich

Am. 1, 2 ff. 5, 18). Messianisch im besondern Sinne des Wortes

ist unser Psalm nicht, weil ein messianischer König nicht begegnet,

weil keine wunderbare Zukunft, sondern nur eine „Steigerung gegen¬

wärtiger Zustände" erhofft, und weil Weltherrschaft im Vollsinn des Wortes nicht beansprucht wird. . yiN-'DDi< v. 8 erkannten wir

als sekundär, die Peinde aber werden Erdenkönige, Erdenrichter

im Gegensatz zum Himmelskönig genannt, zur Bezeichnung ihrer

Ohnmacht. Wie die verwandten Schriftstücke Ps. 83 und Num.

24, 15ff.2) denkt unser Psalm nur an einen beschränkten Kreis

von Völkern, im wesentlichen an die Nachbarvölker. Weiter hat

Duhm recht, daß der Psalm „mehr noch einen politisch-weltlichen, als einen eigentlich theokratischen Eindruck" macht. Mit voller

Wucht vertritt der Psalm nationale Ansprüche, wie sie von den

älteren Propheten bereits vorgefunden und bis zu gewissem Grade

bekämpft wurden, wie sie aber in der gesetzesfrommen nachexilischen Stimmung gleichsam verklärt wieder auflebten.

Psalm 2, gleich seinen Verwandten nachexilisch, ist entstanden,

als es einen König nicht mehr und noch nicht gab. So muß

man schließen. Denn wenn die Himmel und Erde, Vergangenheit

und Zukunft umspannende Szenerie , der wir hier begegnen , auch

visionärer Art ist, hat der Psalm doch geschichtliche Vorgänge

zur Voraussetzung. Der Gedanke an den Makkabäer-Aufstand wird

das Richtige treffen. Bei v. 7 ff. kann man an die ürzeit als die

Geburtsstunde des Volkes^) oder an die Rückkehr aus Babylon als

die Stunde der Wiedergeburt denken.

Was die Verwendung der formalen Indizien für die Datierung

betrifft, so spricht die großartige Geschlossenheit und Einheitlich¬

keit des Psalms samt der urwüchsigen Kraft und Anschaulichkeit

der Sprache, die ihn als eines der vorzüglichsten Erzeugnisse der

hebräischen Poesie erscheinen lassen, für eine nicht zu späte Zeit.

1) Wie icil seile, nimmt dies auch Gunliel (Ausgewählte Psalmen 1904) an, freilich v. 2 umgekehrt verfahrend, als wir für richtig halten.

2) Auch in den Bileamsprüchen gehört das Interesse dem Volke als dem in Gotteskraft Siegenden und königlich Herrschenden. Auf die Einzelfragen kann hier nicht eingegangen werden.

3) Die Erwähnung Zions hindert daran nicht. Vgl. Am. 1, 2 und 3, 2;

Kum. 23 f. weist auch iu die Urzeit.

(9)

Er hat nichts Epigonenhaftes an sieh, wie er auch literarisch

keinerlei Abhängigkeit zeigt.i) Beachte auch, wie viel sieges¬

gewisser und trotziger die Stimmung ist, als in den Psalmen 83,

89, 132, und auch 46, 48, wo sie überwundene Bangigkeit und

errungene Zuversicht ist. Endlich auf den Gebrauch aramäischer

oder späthebräischer Ausdrücke, selbst wo diese als solche erwiesen

sind , darf nicht allzuviel Gewicht gelegt werden in einem Liede

profanen Ursprungs und ev. langen profanen Gebrauchs. Die Auf¬

nahme in den Psalter ist ja sehr jung. So ist wohl anzunehinen,

daß er eine nicht gerade sorgsame Behandlung des ursprünglichen

Wortlauts und der Orthographie erfahren hat (vgl. pnisi st. pHSi,

DSin st. DSin u. a.).

1) Vgl. dagegen die Machwerke Ps. 83, 89, 132, auch 46 und 48.

So wahrscheinlich es ist, daß Ps. 2 und 83 um die gleiche Zeit entstai^den sind, so falsch ist es, mit Duhm in Ps. 2, 1 f. eine Nachahmung von Ps. 83 zu sehen.

(10)

596

Noch ein Wort zu Richard Schmidt's Ausgabe von

Harihara's Ratirahasya.

Von Ernst Lenmann.

Das oben p. 361 f. von Richard Schmidt Gesagte nötigt mich

zur folgenden Gegenäußerung. Nicht die .Keckheit, weil er einen

so fragmentarischen Text wie den des Harihara herausgegeben habe",

hat meine Verwunderung erregt, sondem die Keckheit, daß er diesen

Text den Lesern unserer Zeitschrift in so wenig lesbarer Form

vorgesetzt hat. Um für eine derartige Publikationsstelle das Nötige zu tun, wäre, wie ich sagte, eine Abschrift aus Tanjore zu beschaffen

gewesen. Daß außerdem auch mittelst einigen Nachdenkens manches

hätte in Ordnung gebracht werden können, mochten meine Berich¬

tigungen erraten lassen. Diesen Berichtigungen gegenüber gibt sich

nun freilich Sohmidt den Anschein, als ob es ihm auf einen korrekten

Text eigentlich gar nicht sehr ankomme ; denn er lehnt zwei davon

ab, die man so wenig wie die andem im Ernste anzweifeln kann.

Man höre: An zwei Stellen, die unbedingt das Wort „willenlos'

[= willföhrig = botmäßig*) = skt. a-vaäa] erfordern, druckt

Schmidt bloß „willen" und beharrt meiner Ergänzung zu trotz

bei seiner verstümmelten Lesung, indem er ihr die Bedeutung

„willenlos" zuspricht ! Dabei ist nichts natürlicher , als daß

im Indischen die dem ,-los" entsprechende Silbe verloren gehen

konnte, da sie im einen Fall elidiert wird und im andem das Schrift¬

bild nnr wenig verändert. Es handelt sich ganz einfach um zwei

Textverderbnisse von der Art, wie sie in Durchschnittshandschriften

und in schlechten Ausgaben dutzendweise vorkommen. 2)

1) Dieses Synonym wählt Schmidt p. 362, 8; in dor vorhergehenden Zeile setzt er im gleichen Sinne .gewonnen".

[2) Damit ist diese Kontroverse für die ZDMG. erledigt.

Der Redakteur.]

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Es wird uns gut gehen, wir werden Barmherzigkeit finden - und wir leben im Hause des Herrn, für jetzt und für immer. Gott ist der Hausherr – und er