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Krsna-Dramen.
Von M. Wintemitz.
1. Das Mahäbhäsya und das Ersna-Drama.
Man hat bisher immer geglaubt, in der berühmten, zuerst von
Albrecht Weber*) ans Licht gezogenen und seither oft und
oft zitierten Stelle in Patafijalis Mahäbhäsya (zu Päiaini III, 1, 26
Värttika 15), wo von den Öaubhikas (oder Öobhanikas) und Gran¬
thikas die Rede ist, die ersten sicheren Zeugnisse für das Vorhanden¬
sein einer Art Drama in Indien sehen zu dürfen. Die Saubhikas,
glaubte man, seien „Schauspieler", die solche Szenen, wie die „Fesse¬
lung des Bali" und „die Tötung des Kaipsa', „leibhaftig" auf einer
Bühne darstellten, während die granthikas Rezitatoren waren, die
dieselben Geschichten nicht nur lebendig vortrugen, sondern dabei
auch in zwei Gruppen geteilt waren, von denen die einen sich das
Gesicht rot, die anderen schwarz geförbt hatten. Auch ein solcher
dramatischer Vortrag wäre von einem „Drama" nicht mehr weit
entfernt. In den von PataSjali angeführten Beispielen glaubte man
einen glänzenden Beweis für die schon yon Chr. Lassen*) auf¬
gestellte Hypothese zu sehen, daß das indiscbe Drama aus dem
Kult des Visnu-Kfsna hervorgegangen sei.
H. Lüders*) hat aber kürzlich gezeigt, daß die — allerdings
sehr schwierige — Stelle im Mahäbhäsya bisher immer falsch vei--
standen worden ist. Nach ihm wäre die von den Öaubhikhas und
Granthikas handelnde Stelle (Mahäbhäsya, ed. Kielhom, vol. 2, p. 36)
folgendermaßen zu übersetzen: „Was zunächst diese sogenannten
Saubhikas betriflft, so erzählen sie die Tötung eines vor Augen
stehenden Kamsa und die Fesselung eines vor Augen stehenden Bali.
Inwiefern (ist das Präsens in Kamsam ghätayati richtig, wenu die
1) Ind. Stttd. 13, 1873, 488 £f.; vgl. Bhandarkar, Ind. Ant. 8,
1874, 14 fif.
2) Indische Altertumskunde II, 504 und seino Gitagovinda-Ansgabe,
Prolegomena, p. VII. Vgl. L. von Schroeder, Indiens Literatur und
Kultur, Leipzig 1887, 8. 578 ff.
3) Die Saubhikas. Ein Beitrag zur Geschichte des indischen Dramas (Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1916, XXXIII), 8. 714 ff.
Wintemitz, Krfna-Dramen. 119
Geschichte der Tötung des Kaipsa) vor Bildern (erzählt vrird)?
Auch in den Bildern sieht man das Ausholen zum Schlage und
das Niedersausen der Hiebe und das Schleifen des Kamsa. Inwie¬
fern (ist der Gebrauch des Präsens in Kamsam ghätayati usw.
richtig), wenn es sich um Granthikas (Vorleser) handelt, bei denen 5
(doch) nur die Verbindung von Worten beobachtet wird? Auch
diese lassen, indem sie die Schicksale jener (Kamsa, Bali, Väsudeva)
von ihren Anfängen bis zu ihrem Ende auseinandersetzen, sie als
gegenwärtig in der Vorstellung (der Hörer) existierend erscheinen.
Und darum (sage ich:) , gegenwärtig existierend', weil sich auch lo
Parteien zeigen. Die einen nehmen für Kamsa Partei, die anderen
für Väsudeva. Sie zeigen ja auch Wechsel der Gesichtsfarbe; die
einen werden rot im Gesicht, die anderen schwarz" ').
Danach wären sowohl die Saubhikas als auch die Granthikas
Rezitatoren gewesen, und zwar die Saubhikas solche, welche die 16
Sagen von Visnu, Öiva usw. unter Vorführung von Schattenbildern
oder zur Erklärung von festen Bildern oder vielleicht auch zu den
Aufführungen stummer Schauspieler*) erzählten, während die
Granthikas Vorleser waren, die dieselben Sagen aus Büchern (Hand¬
schriften, grantha) vorlasen. so
A. Hillebrandt*) le.hnt die Erklärung von dauhhika als
, Schattenspieler' ab und versteht — in Anlehnung an die Kom¬
mentatoren — darunter einen „Spielleiter', wenig oder gar nicht
verschieden von dem sütradhära oder sthäpaka auf dem Theater.
Nach ihm hätte also Pataüjali wirkliche Aufführungen von Dramen «5
im Sinne gehabt, bei denen der Saubhika den Zuschauern den In¬
halt des kommenden Stückes (,Die leibhaftige Tötung des Kamsa')
angekündet hätte. Diese Auffassung ist nicht weit entfernt von
der alten Erklärung der Saubhikas als „Schauspieler", die Lüders*)
mit guten Gründen als unricbtig erwiesen hat. Wenn Patanjali so
sagt, die Saubhikas erzählen die Tötung des Kamsa, so wird es
sich eben nicht um dramatische Aufführungen, sondern nur um
Rezitationen handeln. Ein Spielleiter aber, „der die Rollen inter¬
pretieren lehrt", ist doch kein Rezitator. Auch würde, wenn Hille¬
brandt's Erklärung richtig wäre, eher das Futurum als das Präsens ss
am Platze sein ; denn der Saubhika (= Sütradhära) würde nicht
die Tötung eines leibhaftig vor Augen stehenden Karnsa erzählen,
sondern er würde nur ankündigen, daß Kamsa getötet werden wird.
Auch ich vermag Lüd ers in der Erklärung der Stelle über
die Saubhikas nicht ganz zu folgen , wenn ich auch weniger von lo
ihm abweiche, als Hillebrandt. L. hat es rait Recht auffallend
gefunden, daß in den Worten citresu katham von „Bildern" und
nicht wie bei den Öaubhikas und Granthikas von den sie vorführen¬
den Künstlern gesprochen wird. Er verwirft daher die ältere Er¬
klärung, wonach citresu sich auf Maler beziehen sollte, die ihre 45
1) Lüders a. a. O., S. 720, 722, 729f. 2) A. a. 0., S. 736.
3) ZDMG. 72, 1918, 227 ff. 4) A. a. 0. 719 f.
120 Wintermtz, Kifria- Dramen,
Bilder erklaren, nnd nimmt an, daß Patafijali von zweierlei Öau-
bhikas spricht, von denen die einen Schattenbilder vorführten und
die anderen feste Bilder zeigten. Nach der Übersetzung von L.
setzt also PataSjali die Tätigkeit der Öaubbikas einfach äls bekannt s voraus und sagt nur, daß sie die Tötung eines vor Augen stehenden
Kaipsa erzählen. Dann fällt ihm ein, daß es auch Saubhikas gebe,
die feste Bilder zeigen, und über diese spricht er ausführlicher. Es
ist nicht recht erfindlich, warum er von den Öaubhikas, die nach
L. Schattenspieler sein sollen, nicht auch mit einem Wort angedeutet
0 haben soll, wieso diese die Tötung eines ,vor Augen stehenden'
Kamsa erzählen, wie er es bei den Bildersängem und Granthikas
getan hat. Ich meine daher, daß Patanjali überhaupt nicht von
drei, sondern nur von zwei verschiedenen Arten von Rezitatoren
spricht, von Bildersängern und Granthikas. Und zwar möchte ich
5 übersetzen: »Was zunächst die bekannten Saubhikas betrifl't,'so kann
man von diesen sagen, daß sie den vor Augen stehenden Kamsa
töten und den vor Augen stehenden Bali fesseln lassen, (nämlich)
in den Bildern. Wieso?*) Auch in den Bildern (die sie zeigen
und durch ihre Erzählungen erklären) sieht man, wie zu Schlägen
0 ausgeholt wird, wie die Schläge niederfallen und wie Kamsa auf
dem Boden dahin geschleift wird'.
Schwieriger ist die Stelle von den Granthikas. Doch glaube
ich, daß Lüders die Stelle im ganzen richtig aufgefaßt hat, wenn
auch nicht alle Schwierigkeiten beseitigt sind. Hillebrandt*)
iS findet es bedenklich, daß Lüders einen Wechsel des Subjekts
annimmt , indem er die Worte kecit Karnsabhaktä bhavanti usw.
auf die Zuhörer bezieht, während der Text nur von den Vorlesern
spricht. Ferner meint er, daß „eine Parteinahme von selten des
Hörers für den bösen Kamsa doch wohl dem indischen Empfinden
so widerspräche', während er es begreiflich findet, „daß Vorleser mit
verteilten Rollen sich in die Partei des Krsna und des Kaipsa
spalten'. Er kehrt daher zur alten Erklärung zurück, wonach sich
die Granthikas „zur Belebung des Vortrages und zum Verständnis
des Publikums ihre Gesichter mit Farben und zwar, den verschie-
36 denen Rasas entsprechend, hier rot und schwarz, bemalt haben:
rot, das Zeichen des raudra rasa, das dem Charakter Kamsas
des Kj-snafeindes, entspricht; schwarz, das Zeichen des bhayä¬
naka rasa, dem des verfolgten Kfsna gemäß'.
Gegen diese Anffassung hat schon L ü d e r s *) gute Gründe
40 angeführt: 1. daß in den Worten yatra dabdagadumätrarn laksyate,
was immer in dem verderbten gadu stecken mag, jedenfalls der
Sinn liegt, daß die Granthikas nur mit Worten erzählen, womit
es in Widerspruch stünde, wenn gesagt wäre, daß sie sich in zwei,
durch verschiedene Gesichtsfarbe gekennzeichnete Parteien teilen ;
45 2. daß kein Grund ersichtlich ist, wamm Karpsa rot bemalt sein
1) Zn lesen : cUrefu \ katham \. 2) A. a. O., S. 228 f. 8) A. a. O., S. 727.
Wintemitz, Krf na- Dramen. 121
soll; 8. daß die Teilung in zwei Parteien und die Färbung der
Gesiebter für den Gebrauch des Präsens nichts beweisen würde,
worauf es doch dem Patafijali ankommt. Nur auf den zweiten Ein¬
wand geht Hillebrandt ein, indem er auf die Rasa-Farben hin¬
weist. Aber die Stelle im BhäratTya-NätyaÄäslra (VIII, 159—162, 5
ed. Grosset), die H. im Auge zu haben scheint, handelt nicht vom
Bemalen des Gesichts, sondem von den Verändemngen der Gesichts¬
farbe zum Ausdruck verschiedener Stimmungen. Es heißt hier:
vtraraudramadsdyesu raktah^) syät karune tathä |
bhayänake sahibhatse äy ämarn sarnjäyate mukham \ lo
Das Gesicht des Schauspielers soll also rot werden, wenn die
Gefühle und Stimmungen der Heldenhaftigkeit, der Furchtbarkeit,
des Stolzes oder des Mitleidens ausgedrückt werden sollen, und
schwarz*), wenn Angst oder Ekel auszudrücken sind. Ich glaube
nicht, daß diese Stelle überhaupt hier herangezogen werden kann, is
Will man aber an die Rasa-Farben denken, wie sie im Nätyasästra
VI, 42 f. (ed. Grosset) aufgezählt sind : äyämo bhavati ärhgärah ...
rakto raudrah prakirtitäh . . . krsnah caiva bhayänakah \ so läßt
sich auch diese Stelle schwer auf unseren Fall anwenden. Die
Farben sollen ja den Rasas und nicht den Charakteren entsprechen, so
Und wenn schon die rote Farbe für den schrecklichen Kamsa
angemessen wäre, wenn er den Kj-sna bedroht, so paßt die schwarze
Farbe wenig für den Helden Kfsna, der nach der Sage Furcht
überhaupt nicht kennt*), alle Dämonen vernichtet und schließlich
den bösen Katnsa von der Tribüne herabzerrt und tötet. Wäre is
aber in der Mahäbhäsyastelle vom Schminken die Rede, so würde
man eher erwarten, daß Kainsa und seine Anhänger sich das Ge¬
sicht schwarz färben, denn Katnsa ist ein Räksasa und nach dem
Nätyasästra (XXI, 77. 85) sollen die Raksasas und böse Wesen über¬
haupt durch schwarze Farbe gekennzeichnet sein. so
Der Wechsel des Subjekts ist anffällig, -erscheint aber doch
durch buddhivisayän gerechtfertigt; denn buddhi erfordert einen
Genitiv wie ,der Zuhörer' als Ergänzung, woraus sich dann das
neue Subjekt ergibt. Auch die folgenden Sätze: iraikälyam khalv
api loke laksyate | gaccha hanyate Kamaah usw. beziehen sich ss
auf Gespräche unter den Zuhörern.
Gerechtfertigt scheint das Bedenken Hillebrandt's dagegen,
daß sich im Publikum eine Parteinahme für den bösen Dämon
Kainsa zeigen soll. Und waram sollen diejenigen, die für Kaipsa
Partei ergreifen , rot im Gesicht werden und diejenigen , die für 40
Kf^a Partei nehmen, schwarz? Wir können uns nur denken, daß
1) Viz. mukharägah.
2) Gemeint ist wohl .schwarzgrau', .aschfarben'. Belege dafür, dafi bei den Indern auch soust Rotwerden als Zeichen des Zomes, Schwarzwerden als Zeichen der Angst gilt, gibt LUders a. a. O., S. 728.
3) Siehe unten S. 131.
122 Wintemitz, Krsna-Dramen.
in dem Augenblick, wo die Tötung des Kamsa durcb Kf§na erzählt
wird, manche der Zuhörer insofem für Kamsa Partei nehmen, als
vor ihrem geistigen Auge Kamsa steht, wie er von Kfsqa in die
Arena hinabgezerrt , auf dem Boden dahingeschleift und getötet
5 wird, und daß sie deshalb rot vor Zorn werden, während in der
Vorstellung der anderen nur Krsfla gegenwärtig ist, für dessen
Leben sie fürchten, und daß sie deshalb schwarz vor Angst werden.
Aber es würde vielleicht einen besseren Sinn geben, wenn wir mit
der Benares-Ausgabe die Worte raktamukhäk und kälamukhäh um-
10 stellen könnten. Der Sinn wäre dann : Diejenigen, die bei dei' Er¬
zählung von der Tötung des Kamsa unwillkürlich für diesen Partei
ergreifen*) und um ihn Angst haben, werden schwarz im Gesicht,
während diejenigen, die nur an Krsna denken, sich den helden¬
mütigen Jüngling im Geiste vorstellen und deshalb — dem vira-
15 rasa entsprechend — rat werden.
Wenn sich also auch bei beiden Auffassungen der Mabäbhäsya-
stelle Schwierigkeiten ergeben , so scheint es mir doch , daß . die
von L ü d e r s gegen die alte Auffassung erhobenen Einwände stärker sind, als die gegen die neue Auffassung gerichteten Bedenken.
80 Was also Patafijali sagt, ist folgendes. Er spricht zunächst
davon, daß man das Kausativum gebrauche, wenn eine Handlung
in einer Erzählung berichtet wird. Man sagt z. B. von einem, der
die Fesselung des Bali durch Visnu oder die Tötung des Kaipsa
durch Krsna erzählt: ,Er läßt den Bali fesseln" oder ,Er läßt
S5 den Kamsa töten". Der Grammatiker wirft dann weiter die Frage
auf, wieso man denn in diesen Fällen das Präsens gebrauchen könne,
da ja schon vor langer Zeit Bali von Visnu gefesselt und Kaipsa
von Kfsna getötet worden ist. Das Präsens, sagt er, ist hier ganz
richtig. Da sind zunächst die sogenannten äaubJlikas'^), die solche
»0 Geschichten an der Hand von Bildern erzählen. Bei diesen ist es
ganz klar, daß man sagen kann, daß sie einen (im Bilde) vor Augen
stehenden Kamsa töten lassen. Aber aucb bei den granthikas, den
Vorlesern, die mit Benutzung von Büchern (grantha) ihre Erzäh¬
lungen nur durch das Aussprechen von Worten*) vortragen, ist
35 das Präsens gerechtfertigt. Denn indem diese die Geschicke ihrer
Helden erzählen , bewirken sie , daß das Erzählte im Bewußtsein
ihrer Hörer gegenwärtig ist. So sehr ist dies der Fall, daß die
Hörer sogar Partei ergreifen, die einen für Kamsa, die anderen für
Kfsna, was sich selbst in ihrer Gesichtsfarbe ausdrückt, indem die
40 einen rot vor Zorn, die anderen schwarz*) vor Angst werden. »Die
1) Auf Iceinen Fall dürften die Worte kamsabhaktäh und väsudeva- hhaktäh hier in dem Sinne von eigentlichen .Verehrern", .Anhängern* oder .Parteigängern" des Kamsa, bezw. des Krsna zu verstehen sein.
2) Mach LUders a. a. O., S. 716 A. 1 bessere Lesart als die von Kiel¬
horn gegebene: iobhanika».'
S) Könnte nicht iabdagadanamätram für iabdagadu° gelesen werdeu?
4) Siehe oben.
Wintemitz, Krfna- Dramen. 123
drei Zeiten', fügt Patanjali hinzu, .werden ja auch im Gespräch
der Leute beobachtet (wenn man Keden, wie die folgenden, hört):
,Geh, Kamsa wird getötet', ,Geh, Kaipsa wird getötet werden', ,Wa3
soll ich gehen, Kamsa ist schon getötet worden".
Aus der Stelle im Mahäbhäsya folgt also nur, daß es littera- 5
rische Bearbeitungen der Sagen von den Dftmonenkämpfen des Visnu
und von der .Tötung des Kamsa'*) durch Kfsna im 2. Jahrhundert
y. Chr. gegeben hat, daß diese unter Vorzeigung von Bildern oder
mit Benutzuug von Handschriften einem größeren Publikum vor¬
getragen wurden und daß man gerne kam , diese Rezitationen an- le
zuhören. Daß sie einen religiösen Charakter hatten , kann wohl
angenommen werden. Denn wir wissen aus dem Mahäbhäsya (zu
Pänini IV, 3, 98 f)*), daß es einen Krsnakult zur Zeit des Patanjali
gegeben hat. Nach Lüders' Auffassung hätten die Saubhikas zu
ihren Rezitationen auch Schattenspiele aufgeführt. Wenn diese i&
Auffassung richtig wäre, so hätten wir immerhin für das 2. Jahr¬
hundert V. Chr. schon eine Art dramatischer Aufführungen von
Szenen aus der Krsnalegende anzunehmen. Aber Lüd ers muß
selbst zugeben, daß sich aus dem Mahäbhäsya der Beweis nicht
erbringen lasse, daß die Saubhikas Schattenspiele zeigten*). Daß w
die Saubhikas des Kautiliya-ArthaSästra, die Sobhiyas in den Jätaka-
Gäthäs und die ^obhikas im Mahävastu mit den Saubhikas des
Mahäbhäsya identisch sind, wird niemand bezweifeln. Aber keine
dieser Stellen gibt über die Tätigkeit der erwähnten Künstler irgendr
eine Auskunft. Auch das im Brahmajälasutta 1, 13 vorkommende «&
sobhanaka (wenn dies die richtige Lesart ist), das Lüders*) mit
einiger Wahrscheinlichkeit als Bezeichnung der Kunst der Sobhiyas
erklärt, läßt sich (wie L. selbst zugibt) nicht als Schsittenspiel erweisen.
Tatsächlich bezeugt sind Schattenspiele in Indien nicht vor so
dem 13. Jahrhundert''). Lüders ist geneigt, mit Pischel in
der Erklärung von Mahäbhärata 12, 295, 5 dem Nllakantha zu
feigen, der rüpopajivana als .Vorführung von Schattenbildern' zu
erklären scheint. Keinesfalls ist diese Erklärung sicher, es sind —
wie L. selbst zugibt — andere Erklämngen ebensogut möglich. s&
Außerdem würde uns die Stelle des Mahäbhärata in kein besonders
1) Es ist zum mindesten nicht sicber, dafi auch die ganze Jugendgeschichte des Krsna, wie sie die Legende als Einleitung zur .Tötung des Kamsa' erzählt, zu Patanjalis Zeit schon bekannt war. Nach R. 6. Bhandarkar, Vaisna- vism, Saivism and Minor Jieligious Systems (Grundrifi III, 6, 1913) p. 35 wäre dies nicht anzunehmen.
2) Es heifit hier, dafi unter Väsudeva in dem Sütra des Pänini nicht der Ksatriya Väsudeva, sondern der Gott gemeint sei.
3) A. a. O., S. 720.
4) A. a. 0., S. 732 if. Aufier sobhanakam bieten die Hss. eine ganze Reihe anderer Lesarten, sobhanagarakam usw.
5) Über das Hänumannätaka, das uns mindestens 400 Jahre weiter zurück¬
fuhren wiirde, s. weiter unten.
1 2
124 Wintemitz, Krfna-Dramen.
hohes Alter zurückführen. Zweifelhaft ist auch die Erklämng von
rupparüpakam in Therigäthä 394, jedenfalls eine zu scljwache
Grundlage, um das Schatt«nspiel der vorchristlichen Zeit zuzuweisen
und die Brücke vom 13. Jahrhundert n. Chr. bis zum Mahäbhäsya
Ii des Patanjali zu schlagen.
Wenn aber die ^aubhljps des Mahäbhäsya sich nicht als
Schattenspieler erweisen lassen, und wenn die Granthikas ihre
Rezitationen nicht mit verteilten Rollen und gemalten Gesiebtem
hielten, wie man bisher glaubte, so entfällt die Möglichkeit jeder
10 Berufung auf das Mahäbhäsya für die Anfänge des indischen Dramas.
Es kann daher auch nicht mehr Patanjali zum Zeugen dafür an¬
geführt werden, daß das indische Drama aus dem Kj-snakult hervor¬
gegangen sei.
Über die Hinfälligkeit des luftigen Hypothesengebäudes, das
18 A. B. Keith*) über den ürspmng des indischen Dramas gerade
auf Grund dieser Mahäbhäsyastelle errichtet hat, ist es kaum nötig, noch mehr Worte zu verlieren*).
Daß es trotzdem schon in vorchristlicher ^eit Tanzspiele ge¬
geben haben kann, in denen der Held und Hirtengott Krsna ge-
so feiert wurde, soll damit nicht geleugnet werden. Die längst be¬
merkte Tatsache*), daß unter den im Drama verwendeten Präkrit¬
dialekten die ÖaurasenT, der Dialekt von Öürasena in Mathurä, im
Vordergrund steht, scheint ja auf eine besondere Beziehung des
Dramas zu Mathurä, der Heimat des Krsnakultes, hinzuweisen.
S.'I Andererseits ist es auffällig , daß die Dichter der klassischen
und nachklassischen Periode immer wieder die Rama¬
sage dramatisch bearbeitet haben, während die Kfsnasage erst
im 15. und Igj Jahrhundert, insbesondere unter den Jüngem des
Caitanya, im Drama behandelt wurde. Denn den Gitagovinda des
90 Jayadeva können wir doch nicht zur dramatischen Dichtung rechnen.
Im 15. Jahrhundert soll das Drama {nSfika) Vrsabhänujä*') von
Mathurädäsa verfaßt sein, 'das die Liebe von Kfsna und.Rädhä
behandelt. Rüpa Qosvämin, ein Jünger des Caitanya (16. Jahrb.)
verfaßte die Kfsnadramen Lalitamädhava (in 10 Akten), Vidag-
s: dhamädhava'') (in 7 Akten) und den Bhäna Dänakdikaurnudi.
Im 16. Jahrhundert verfaßte Sesa Krsna, ein Zeitgenosse des
Kaisers Akbar, ein siebenaktiges Drama Kamsavadha^), das die
1) ZDMG. 64, 1910, 534 ff.; JRAS. 1912, 411 ff.
2) 8. meine Bemerkungen in Österr. Monatsschrift für den Orient 41, 1915, 8.178 und Lüders a. a. O., 717 ff.
3) Weber, Ind. Stud. 13, 491; 8. Livi, Thiatre Indien, 331 f. Über einige andere Beziehungen des Dramas zu Kffpa s. Livi 1. c. 299. 326 ff.
332 f. 335.
4) Herausg. im Pandit, Vol. 3—4 und in KSvyamälä 46, 1895. Vgl.
8. Livi, Thiatre Indien 248.
5) Herausg. in Ktvyamälä 81, 1903.
6) Herausg. in KSvyamUS 6, 1888.
1 2
Winternitz, Krsna-Dramen. 125
Tötung des Kamsa durch Kfspa und die vorhergehenden Ereignisse
nach dem X. Buche des Bhägavatapuräna behandelt. Ein philo¬
sophisch-allegorisches Kfsna-Drama ist der Caitanyacandrodaya des
Bengalen Kavikarnapüra, der 1524 geboren ist*). Ein sonderbares,
aber auch ganz modernes Drama ist der Bbä^a Mukundänanda^) des 6
Käiipati Kaviräj, in welchem Kjsna sich kaum von den' vitas
unterscheidet, wie sie in anderen Bhänas auftreten.
Unter diesen Umständen ist es jedenfalls sehr wichtig, daß
der Dichter Bhäsa nicht nur zwei Bäma-Dramen {AbhisekaniUaka
und Pratimänäiaka) , sondern auch ein Kffna-Drama verfaßt hat. lo
2. Bhäsas Bfilacarita.
Das älteste uns erhaltene Drama, das die Krsnalegende zum
Gegenstande hat, ist das Bälacarita, ,Die Abenteuer des Knaben
(Kfsna)', von Bhäsa. Es ist dies durchaus kein primitives .Mysterien¬
spiel" etwa nach Art der bengalischen Yäträs, sondern ein regel- i6
rechtes fünfaktiges Drama, in dem sich Bhäsas dramatisches Talent
glänzend bewährt, wenn es auch als dichterisches Erzeugnis nicht
so hoch steht, wie das Svapnaväsavadatta, das unstreitig des
Dichters Meisterwerk ist. In geschickter Weise hat Bhäsa aus den
bekannten Legenden die dramatischen Elemente heraus^holt und iO
manches um der dramatischen Wirkung willen dazu erfunden. Alle
Wundertaten des göttlichen Helden bringt er teils wirklich auf die
Bühne — oft in einer Weise, die spätere Dichter als einen argen
Verstoß gegen die Regeln der Dramatik angesehen haben würden —,
teils läßt er sie in kurzen, lebendigen, nie allzu breit ausgesponnenen «6
Berichten erzählen. Bhäsa ist aber auch ein überaus frommer Kfspa-
verehrer, der den Zuhörer keinen Augenblick vergessen- läßt, daß
sein Held nicht nur ein Gott, sondem das höchste göttliche Wesen
ist. Er geht in dieser Beziehnng oft noch weiter als selbst der
HarivainSa nnd das Vispupuräna nnd erinnert manchmal an jüngere so
Werke der Kfsnareligion. Ein Überblick über den Inhalt des
Dramas dürfte daher nicht nur für die Geschichte des indischen
Dramas , sondern auch für die Geschichte des Kfsnakultes nicht
ohne Wert sein.
Wie in allen Dramen des Bhäsa ist auch im Bälacarita das S6
Vorspiel ganz knrz. Der Schauspieldirektor tritt auf und sagt
einen Segensspmch, in dem der Gott, der im Kftayuga Näräyana,
im Tretäyuga Vis^u, im Dväparayuga Räma war und im Kaliyuga
als Dämodara (d. i. KfSiia) erschienen ist, um Schutz für die Zu¬
hörer angerafen wird. Nachdem er mit wenigen Worten die An- «o
kunft des göttlichen Sehers Närada, der aus den Lüften herbei¬
geflogen kommt, gemeldet hat, beginnt auch schon der I. Akt.
1) Vgl. 8. Livi, Thiatre Indien 237 ff.
i) Herausg. in KivyamilS 16, 1889.
126 Wintenatz. Krfna-Dramen.
Närada tritt aaf mit den Worten:
.Ich bin der weltberühmte Lüftewandrer Närada,
Der Frennd des Streits, und komme aus der Himmelswelt des
Brabman".
s Er er^hlt, daß er, seitdem der Kampf zwischen Göttern und Dämonen
aufgehört hat, Langeweile empfinde, da er in den Pausen des Veda¬
studiums nur am Saitenspiel und an Streit und Zank seine Freude
habe. Darum sei er auf die Erde gekommen, um den erhabenen
Gott Näräyana zu schauen, der in der Vvsnifamilie als Sohn der
10 Devaki und des Vasudeva eben zur Welt gekomraen ist, um zura
Heil der Welt den Kaipsa zu töten. Da erblickt er das Kind im
Arme seiner Mutter und ruft aus: .Da ist er, da ist er, der er¬
habene Näräyana —
Des Heldenmut unendlich ist, der lange Lotusaugen hat,
15 Der Herr der Götterfürsten, der die Kraft der Asuras gebrochen.
Der Dreiwelt Banner, aller Wesen Schöpfer,
Der Herr der Menschen, Purusa, der Alte.
Hei! Nun ist die Wurzel des Streites entstanden. So will ich
denn den erhabenen Näräyana ehrfürchtig umwandeln und dann
20 wieder in die Brahmanwelt zurückkehren". Mit einem gereimten
Vers (I, 8) zur Verehrung des Näräyana verschwindet er.
Devaki, mit dem Kind im Arra, und bald darauf auch Vasu¬
deva treten auf. Die beiden sind in banger Sorge um das Lebgi
des neugeborenen Knaben. Zwar war die Geburt des Knaben von
25 einer Reihe guter Vorzeichen begleitet und Vasudeva ahnt, daß
Visnu selbst auf die Erde herabgekommen ist. Aber Kamsa hat
ihnen schon sechs Söhne genommen, darum trachten sie den sie¬
benten*) vor dem Ruchlosen zu retten, ünter dem Schutze der
Nacht will Vasudeva den Knaben fortschaff'en. Mit einem zärtlichen
so Blick nimmt Devaki von dem Kind Abschied und übergibt es
schweren Herzens dem Gatten :
.Devaki : So geh ich denn, ich Arme ! (Ab.)
Vasudeva : Da geht sie hin, die arme Devaki,
Hier mit dem Herzen, mit dem Körper dort,
S5 Entzwei geteilt; sie gleicht der Mondessichel,
Die zwiefach ist, am Himmel und im Wasser".
Er trägt das Kind zum Stadttor hinaus. So schwer ist es in seinen
Armen, als trüge er den Berg Mandara. Es ist finstere Nacht —
.Es ist, wie wenn das Dunkel die Glieder des Körpers schwarz
40 bestriche.
Als wenn vom Himmel schwarze Augensalb' als Regen fiele:
Das Schauen nützt so wenig, wie der Dienst bei schlechten
Menschen"*).
1) Das ist merkwürdig. In allen anderen Quellen (Harivamsa, Visnu- pnrSna, Bhägavatapuräna) ist Krsna das achte Kind der Devaki.
2) Das ist der bekannte Vers (I, 15) limpativa usw., der ahch im Dari-
Wintemitz, Krfna-Dramen. 127
Kaum findet er seinen Weg durch die Finsternis der Nacht.
Da siebt er plötzlich ein Licht, wie von einer Lampe. Er erschrickt,
— ob es nicht Kamsa ist, der ihn verfolgt? — er greift zum
Scbwert. Aber nein, niemand ist zu sehen. Wahrscheinlich ist es
der Wunderknabe, der den Lichtschein verbreitet, damit er seinen 5
Weg finde. Er gelangt zur Yamunä, die vom Regen angeschwollen
ist: Unmöglich ist es, hinüberzuschwimmen. Aber ein Wunder
geschieht. Der Strom teilt sicb, die Wasser stehen, nnd er gelangt
trockenen Fußes ans andere Ufer. Da hört er Rindergebrüll. Er
befindet sich in der Nähe einer Hirtenstation. Um die Hirten nicht lo
zn erschrecken, gedenkt er unter einem Feigenbaum den Anbruch
des Morgens zu erwarten und betet zu den Baumgottheiten : .Wenn
dieser Knabe hier zum Heil der Welt bestimmt und zur Tötung
des Katnsa in der Vrsnifamilie geboren ist, dann soll jemand aus
der Hirtenstation herauskommen — nein, nein, nur mein Freund, 16
der Hirte Nanda, soll kommen'. Kaum hat er diese Worte ge¬
sprochen, so erscheint der Hirte Nanda. Mit einem neugeborenen,
toten Mädchen im Arm kommt er jammernd herbei :
.Mägdlein ! Mägdlein ! Warnm hat es dir bei unseres Hauses
Schutzgöttin nicht gefallen, daß du fortgehst und von uns nichts «o
wissen willst ? Ach ! Was ist das jetzt für eine schreckliche Finster¬
nis, als wenn eine Herde Von hundert Büffeln zusammenströmte.
Des Mondes Licht verscheucht umwölkter Himmel,
Es schwinden alle Formen und Gestalten :
Der Hirtin, die, in ihren dunklen Mantel «*
Gehüllt, zum Schlaf sich leget, gleicht die Nacht.
Heut um Mitternacht hat meine Frau YaSodä dies arme Mädchen
geboren, das, kaum daß es zur Welt gekommen, seinen Geist auf¬
gab. Morgen wird in unserer Hirtenstation das übliche Indraopfer-
fest gefeiert. Damit nun die Hirten von diesem Unglück nichts »o
erfahren, bin ich allein mit diesem Mädchen hinausgegangen. Schwer,
wie.mit Ketten beladen, sind mir dabei die Füße geworden. Die
arme Yaäodä aber ist in eine Ohnmacht gefallen, so daß sie nicht
einmal weiß, ob sie einen Knaben oder ein Mädchen geboren hat.
Mägdlein! Mägdlein!' ss
An der Stimme erkennt Vasudeva seinen Freund, den Hirten
Nanda. Dieser hat zwar etwas Angst vor seinem Herrn und Wohl-
täter^ denn vor einiger Zeit hat er ihn auf Befehl des Kainsa wegen
irgend eines Vergehens züchtigen lassen. Aber er nähert sich dem
Herm doch uud erzählt ihm nach einigem Widerstreben, was es 40
dracSrudatta des BbSsa und im Hrcchakatilca 1, 26 vorlcommt und in Dandins KSvySdarsa 2, 226 zitiert wird (als Beispiel der Utpreksä). Vgl. T. Ganapati Sästri, Svapnaväsavadatta, Introd. p. XXIII. Wie hier und im Daridracärudatta, so schildert Bhäsa auch im III. Akt des Avimäraka eine finstere Macht, offenbar ein Lieblingsthema des Dichters (und mit ein Beweis dafür, dafi die drei Dramen denselben Verfasser haben).
1 2 ♦
128 Winternitz, Krfna-Dramen.
mit dem Kind ftir eine Bewandtnis habe. Nun macbt ihm Vasu¬
deva. den Vorschlag, er möge ihm das tote Mädchen für den Knaben
geben, damit dieser vor Kamsa gerettet werde. Nanda fürchtet
zwar Kamsas Rache, aber da ihn Vasudeva an ehemalige, ihm er-
i wiesene Wohltaten erinnert, übernimmt er das Kind. Vorher will
er zur Yamunä gehen, um sich von der Unreinheit, die er sich
durch das Tragen einer Leiche zugezogen, zu reinigen. Aber Vasu¬
deva sagt: »Freund! Durch das Leben in der Kuhhürde bist du
von Natur aus rein". Nun will Nanda die in der Hürde übliche
10 Reinigung mit Staub vollziehen. Sowie er aber mit den Händen
die Erde aufgräbt, springt ein mächtiger Wasserstrahl hervor. Nach¬
dem er sich gereinigt, übergibt ihm Vasudeva den Knaben, aber
seine Arme vermögen ihn nicht zu halten. Und doch ist Nanda
so stark, daß er den wilden Stier bei den Hörnern zu packen und
i& anzubinden und den schweren Ochsenkarren aus dem Sumpfe zu
ziehen vermag.
In dem Augenblicke erscheinen die fünf Waffen des Kfsiaa
und sein Reittier, der Vogel Garuda. Jede dieser personae dra-
matis stellt sich mit einer Strophe vor: »Ich bin der Vogel Ga¬
se mda" usw., »Ich bin der Diskus des Krsna" usw., »Ich bin der hörnerne Bogen" usw., »Ich bin Haris Keule KaumodakI" usw.,
»Ich bin die von Visnu selbst aus dem Milchmeer hervorgeholte
Muschel" usw., »Ich bin das Schwert Nandaka" usw.'). Sie .be¬
schließen, als Hirten verkleidet, dem Visnu auf Erden Dienste zu
S6 leisten. Nachdem Nanda auf Vasudevas Geheiß das göttliche Kind
verehrt hat, bittet der (personifizierte) Diskus den Krsna sich leicht
zu machen, und nun erst ist Nanda fähig, das Kind in den Armen
zu halten. Er verspricht, für den Knaben gut zu sorgen, und
Vasudeva geht mit dem Mädchen wieder zurück. Plötzlich hört
so er Weinen und entdeckt, daß das scheinbar tote Mädchen wieder
zum Leben erwacht ist. Auch dieses Kind wird schwer in seinen
Armen und wieder weicht die Yamunä zurück, so daß er trockenen
Fußes hinüberschreitet, noch vor Tagesanbruch in der Stadt Mathurä
ankommt und sich zu Devaki begibt.
S6 Der II. Akt beginnt mit einer packenden Szene im Schlaf¬
gemach des Königs Kamsa, den grausige Spukgestalten umschwärmen.
Schwarzgekleidete Candälajungfrauen stürmen auf ihn ein und for¬
dern ihn auf, mit ^ihnen Hochzeit zu feiern. Sie bilden das Ge¬
folge des Fluches (Säpa) des Rsi Madhuka. Auch dieser Fluch
40 tritt in der Tracht eines Caijdäla auf, mißgestaltig und grausig,
mit einem Kranz von Totenschädeln und buntem Gewande. Drohend
steht er dem Kamsa gegenüber. Dieser sucht sich der Gespenster
zu erwehren und schläft wieder ein. Nun ruft der Pluch die
1) Im DütavSkya \iät Bhisa nur den Diskus (unter dem Namen Sudar¬
sanä) wirklicli auftreten, wahrend Hombogen, KaumodakI, Päncajanya (so heißt hier die Muschel) und Nandaka nur als imaginäre Personen angesprochen werden.
1 2 *
Winternitz, Krsna-Dramen. 129
CaQ^Sl^ju^g^i'^^n — sie heißen Alak^mi (»Unglücksgöttin'), Khalati (»Kahlköpfige'), KälarätrI (»Schwarze Nacht', d. h. Todesnacht oder
die Schreckensnacht beim Weltuntergange), Mahänidra (»Großer
Schlummer', d. h. Todesschlaf) und Piügaläksl (»Rotäugige') —
zu sich, um mit ihnen in das Innere des Palastes einzudringen, g
Bcyaäri, des Königs Fortuna, versperrt ihnen den Weg. Aber der
Fluch erklärt ihr, daß sie auf Visnus Befehl gekommen seien. Da muß
RäjaSrI zurückweichen, und der Fluch mit den weiblichen Unheils¬
gestalten nimmt Besitz vom Palast nnd von Kamsa mit den Worten :
»Ich umschlinge dich fest, dich, der du Unrecht stets geübt, lo
Ich, des Weisen Fluch, ich balte dich in meiner Macht:
Binnen Kurzem harret dein der Untergang*.
Nach diesem Zwischenspiel treten der König, die Pförtnerin
nnd der Kämmerer auf. Von seinen nächtlichen Traumgesichten
und bösen Vorzeichen — außer den .Spukgestalten auch Erdbeben, 16
Sturm und Flammenregen — beunruhigt, läßt Karnsa den Astro¬
logen und den Purohita befragen, was diese Gesichte und Zeichen
bedeuten. Diese lassen ihm melden, es seien dies Anzeichen, daß
ein göttliches Wesen in der Welt der Menschen geboren sei. Er
bringt dann in Erfahrung, daß in der Nacbt Devaki ein Töchterchen «o
geboren habe. Darauf läßt Kainsa den Vasudeva rufen, fragt ihn,
was für ein Kind ihm in der Nacht geboren worden sei, und dieser
entschließt sich schweren Herzens zu der Lüge, daß es ein Mädchen
sei. Kamsa befiehlt ihm, das Kind zu bringe:
»Sei's Mädchen oder Knabe, jedenfalls soll es getötet werden! »s
Ich will durch Menschentat das Schicksal überlisten, und ich
werd' es*.
Vergebens sind alle Bitten, das Leben des Mädchens zu schonen.
Die Amme bringt das Kind herbei (die Handlung schreitet wie ge¬
wöhnlich bei Bhäsa sehr rasch vorwärts), Kamsa nimmt .es und so
schleudert das vermeintliche siebente^) Kind der Devaki auf den
»Kamsafeisen*. Aber nur ein Teil des kindlichen Körpers ist auf
die Erde gefallen, der andere Teil hat sich zum Himmel erhoben;
und vor dem König steht drohend die schreckliche Gestalt der
Göttin Kärtyäyanl mit blitzenden Wafi'en in den Händen, und zu- 35
gleich mit ihr erscheinen ihre Diener Kundodara (»Topfbauch'), Öüla
(»Spieß'), Nila (»Dunkelblau') und Manojava (»Gedankenschnell').
Auch diese Gestalten treten (ähnlich wie die Wafi'en des Krsna im
I. Akt), jede mit einem Vers auf und erklären, daß sie zur Ver¬
nichtung des Kamsa bestimmt sind. Sie alle wollen mit Kärtyä- *<>
yani als Hirten verkleidet zur Hirtenstation hinabsteigen, »um an
dem Kindheitsleben des Visnu teilzunehmen'.
Kamsa äußert die Absicht, eine Sühnezeremonie zu voUziehen.
Im Zwischenspiel des III. Aktes treten die Hirten auf und
1) Siehe oben S. 126.
ZaiUohi. dar D. Morgenl. Gu. Bd. 74 (1930). 9
130 Wintemitz, fCfma-Draiaen.
einer von ihnen erzählt, wie, »seitdem der Sohn des Hirten Nanda
geboren ist", in der Hirtenstation alles so wohlbestellt ist. *Seit-
dem ist unser Rinderschatz von aller Krankheit befreit. Es wächst
die Freude aller Hirten. Und noch etwas: Wo immer man gräbt,
» findet man Wurzeln, an jedem Strauch wachsen Früchte, und je
mehr man die Kühe melkt, desto mehr Milch geben sie"^). Dann
erzählt ein alter Hirte (in einer langen Prakritrede) von den Wunder¬
taten des Knaben Krsna. Zehn Tage nach der Geburt hat er die
Dämonin Pütanä, die ihm in Gestalt der Frau des Hirten Nanda*J
10 eine giftgefüllte Brust reichte , erkannt und getötet. Kaum einen
Monat war er alt, als der Dämon äakat,at'') die Gestalt eines Karrens
annahm, aber auch von dem göttlichen Kind erkannt und mit einem
Fußtritt zermalmt wurde. Und wie er über einen Monat alt war,
lief er in den Häusern der Hirten herum, naschte da von der Milch,
16 dort von dem Quark, in einem anderen Haus von der frischen
Butter, wieder anderswo von dem Milchreis oder der Buttermilch*),
so daß die Hirtenfrauen sich bei der Frau des Nanda beklagten.
Da nahm die erzürnte Frun einen Strick , band ihn dem Knaben
um den Leib und befestigte ihn mit dem anderen Ende an einen
20 schweren Mörser. Als er den hin und her stoßenden Mörser be¬
merkte, warf er ihn auf zwei Dämonen, namens Yamala und A*juna,
da verwandelten sich diese beiden in Bäume*). Hierauf ging der
Knabe zwischen den beiden Bäumen hindurch und zerschmetterte
sie mit dem an sie anstoßenden Mörser samt Wurzeln und Asten:
1) Uas muß der Sinn der verderbten Worte: maikettiam evam dud- dhadi kkhlrom tattaam ehnidam, sein.
2) Im Harivaipsa 63 kommt die Hexe PütanS in Vogelgestalt einher ge¬
flogen, im BhSgavatapurSna X, 6 als schöne Frau. Auch Visnupur. V, 5 weiß nichts davon, daß Pütanä in der Gestalt der Yasodä erscheiut.
3) Im Harivamsa 62 wird die Geschichte ungemein natürlich erzählt.
Yasodä geht fort und läßt den Kleinen unter dem Wagen schlafend liegen.
Dieser strampelt nach Kinderart und stößt mit einem Füßchen, das er empor¬
streckt, den schweren Lastwagen um. Der Schrecken und dann das Staunen der Eltern, wie sie von den Kindern erfahren, daß der Knabe den Wagen um¬
gestürzt hat, werden sehr hübsch geschildert. Von einem Dämon »Karren" ist weder hier, noch im Vi.^nupur. V, 6 die Bede. Auch Bhäg.-Pur. X, 7 kennt einen solchen Dämon nioht. Erst in so späten Werken wie dem Näradapanca¬
rätra (IV, 1, 20 und 8, 76) finden wir unter den Namen des Krsna auch den Namen »Zerschmetterer des Asura Sakafa' (gakatämrabiiahjana). Im Hindi Prem-Sägar (Kap. 8) setzt sich ein Dämon auf den Wagen (weshalb er iakatä- sura »Wagendämon" heißt) und das strampelnde Kind stürzt den Wagen um,
wobei der Dämon umkommt. Hemacandra kennt das Wort Nakata als Namen
eines Dämonen (BR. s. v.). In Sesakrsnas Kamsavadha V, 16, wo die Taten der beiden Brüder Räma und Krsna gerühmt werden, heißt es: »Von denen der Asura äaka^a zerschmettert wurde". Sisupälavadha 15, 22 ist iakata Neutrum, daber nicht anzunehmen, daß der Asura gemeint sei (wie ein Kommentator, nicht Mallinätha, nach Böhtlingk Wörterb. s. v. wilD
4) Ahnlich nur im Prem-Sägar, Kap. 9.
5) Es wird wohl rukkhT oder rukkhe statt ekki° zu lesen sein.
Winternitz, Krsna-Dramen. 131
sie wurden dann wieder zu Dämonen und starben *). Von da an
nennen die Hirten den Kfsna Dämodara („der mit dem Strick um
den Leib'). Das nächste Abenteuer war das mit dem Dämon Pralamba,
der als Hirte Nanda verkleidet herankam und von Krsnas Bruder
Samkarsana getötet wurde. Wieder ein anderes Mal ging der Knabe, &
von den Hirten begleitet, in den Palmenwald, um Nüsse zu holen.
Da stellte sich ihnen der Dämon Dhenuka in Eselsgestalt entgegen.
Dämodara erkannte ihn, packte ihn beim linken Fuß, schleuderte
ihn auf den Palmen bäum und warf mit ihm Nüsse herab, bis er
tot war. Dem Dämon Keäin, der Pferdegestalt angenommen hatte, lo
fuhr er mit dem Ellbogen ins Maul und riß ihn in zwei Stücke.
Nach diesem Bericht erinnert der Hirte Dämaka daran , daß
heute Dämodara in den Vyndawald komme , um mit den Hirten¬
mädchen das i/a^^Jsafca-Tanzspiel aufzuführen. Die Hirten begeben
sich zum Tanz, den der alte Hirte mit dem Vers einleitet: is
,Ehe die Sonne aufgegangen.
Neiget in Ehrfurcht euer Haupt,
Vor den Kühen, den Müttern der Welt,
Den mit Nektar vollgefüllten'.
Von dem alten Hirten gerufen , treten die Hirtenmädchen Ghosa- f>
sundari, Vanamälä, Candralekhä und Mi.-gäksl auf und alsbald er¬
scheinen auch Dämodara und Sarnkarsana. Mit Gesang, Flötenspiel
und Trommelschlag beginnt der fröhliche HallKakatanz , von dem
selbst der alte Hirte so entzückt ist, daß er lachend ausruft: ,Hi!
Hi ! Gut gesungen ! Gut gespielt ! Gut getanzt ! Da will ich doch 25
gleich aucb einmal tanzen. Wär' ich nur nicht so müde!'
In dem Augenblick erscheint ein Hirte und meldet, daß Arist»,
der furchtbare Stierdämon, herankomme. Das Tanzspiel wird unter¬
brochen , Dämodara ordnet an , daß Samkarsana mit den Mädchen
und Burschen einen Berggipfel besteige und seinem Kampf mit so
dem Dämon zuschaue. Sogleich tritt auch schon mit donnergleichem Gebrüll der Stier Arista auf:
„Mit seinen Hufen die Erde zerstampfend, Mit seinen Hörnern Hügel aufwerfend.
Kommt brüllend der Stiere Herr gerannt, ss
Und furchtsam starren die Hirten ihn an'.
Es folgt das übliche Wortgefecht zwischen dem Dämon und
seinem Besieger. Arista wundert sich, "daß der Knabe weder Furcht noch Staunen zeige.
, Dämodara : *•
Furcht, sag an, was ist das für ein Won, das heut ich von dir höre?
Fürchtenden die Furcht zu nehmen, bin ich in die Welt gekommen.
1) Wieder erzäiilen Harivamsa 64 und Visnupur. V, 6 die Geschichte ein¬
fach von zwei dicht nebeneinander wachsenden ArjunabSumen (yamaläbhyäm pravrttäbhyäm arjunäbhyäm niväritah, Hariv.). Im Bhäg.-Pur. X, 9 sind dio
132 Wintemitz, Krfna-Dramen.
Der Stier Arista: Ei, du bist ein Knabe. Deshalb nur kennst da
keine Furcht.
Dämodara: Ei du gemeiner Stier! Weil ich ein Knabe bin, darum
wagst du dich an mich heran?
6 Wird nicht ein Mensch von einer jnngen Scblange auöb
getötet ?
ünd hat der Knabe Skanda nicht den Krauficaberg zer¬
schmettert ?"
Dann fordert Krs^a den Stierdämon auf, ihn, während er auf
10 einem Fuße stehe, von der Stelle zu bewegen. Der Stier macht
vergebliche Anstrengungen und fällt schließlich bewußtlos zu Boden.
Nachdem er wieder zu sich gekommen, sagt er zu sich selbst:
^ch, wie schwer zu bewältigen ist doch dieser Knabe!
Er mag wohl Rudra oder Öakra sein,
15 Vielleicht gar Visnu selbst; — ja, ganz gewiß,
Kein Zweifel mehr, es ist der höchste Gott
Ach! Wo immer wir geboren sind, dort ist
Zu unsrer, der Dämonen, Tötung auch
Der Welterhalter Visiju stets erstanden.
»0 Es sei drum. Auch wenn ich von Visnu getötet werde, wird mir
die unvergängliche Welt zuteil werden. Darum nehme ich den
Kampf auf*.
Nach diesem merkwürdigen Selbstgespräch*) stellt sich Arista
neuerdings zum Kampf und wird von Kfsna zu Boden geschmettert.
25 Kaum ist der Stier Arista gefallen, so meldet ein Hirte, daß der
Näga Käliya am Ufer der Yamunä erschienen ist, Kühe, Brahmanen
und alle Geschöpfe bedrohend, und daß Samkarsana ihm entgegen¬
gegangen ist.
Zu Beginn des IV. Aktes sehen wir die geängstigten Hirten-
80 mädcheu, die Dämodara zurückhalten wollen, der im Begriffe ist,
in den Teich hinabzusteigen, in dem das Schlangenungeheuer haust.
Sie bitten auch den Samkarsana, seinen Bruder zurückzuhalten.
Aber Satnkarsana beruhigt die Mädchen: «Nur keine Angst, keine
Verzagtheit! Ihr beweiset allerdings eure Anhänglichkeit. Aber
lb sehet doch
Unheilvolle Flammen feurigen Giftes schießen empor
Aus des Ungeheuers Rachen, sie färben rot des Himmels
Rund, — doch furchtsam beugt der grausige Drache nieder das
Haupt
M Zwischen die Ringe, sobald er den stürmisch! nahenden Kfs^a
bemerkt'.
Bäume die durch einen Fluch verzauberten Ouhyakas Nalakübara und Manigrlva, die von Krsna befreit werden. Ebenso im Prem-Sägar.
1) Von dieaer frommen Resignation des Stierdämons weiS keine der anderen Quellen (Harivaipsa 78, Visnupur. V, 14, Bhäg.-Pur. X, 36) etwas.
Wintemitz, Krsna-Dramen. 133,
Mit den Worten: ,Zum Heil aller Geschöpfe will ich schleunigst
den Drachen in meine Gewalt bringen', steigt Kfsna in den Teich
hinab. Der alte Hirte klettert auf einen Baum, um das Eingen
des Gottes mit dem Dracben Käliya zu schauen und zu schildern.
Bald erscheint aber Dämodara selbst, bringt die ungeheuere fünf¬
köpfige Schlange ans dem Teich herausgeschleppt und höhnt sie,
indem er zwischen ihren Windungen den HallTäatanz aufführt und,
auf ihren fünf Hauben hemmtretend, Blumen pflückt.
Es folgt dann wieder ein Wortgefecht zwischen den beiden
Kämpfenden. Dann sagt Dämodara: .Käliya! Wenn du die Kraft
hast, verbrenne nur einen meiner Arme!'
, Käliya: Ha! Ha! Ha!
Die ganze Erde kann ich verbrennen Samt ihren Meeren, ihren vier.
Und ihren sieben großen Bergen,
Wie sollt' ich deinen Arm nicht verbrennen?
Ha! Warte nur! So mache ich dich zu Asche. (Er sendet Flammen
von Gift aus.)
Dämodara: Wohlan denn! Hast du deine Kraft gezeigt?
Käliya: Verzeih, verzeih, erhabener Näräyana!
Dämodara: Auf diese Kraft bist du stolz?
Käliya: Verzeih, Erhabener!
Mit diesem Arm, dem unvergleichlich starken.
Hast du den Berg Govardhana gehoben,
Auf diesen Arm, o Herr der Welten, stützen
Die Menschen alle sich; — wie könnte ich,
0 Weltenherr, verbrennen diesen Arm,
Der stark und kräftig wie der Mandara?
Erhabener! Aus Unwissenheit habe ich mich vergangen. Mit
allen meinen Frauen begebe ich mich in deinen Schutz*.
Auf Dämodaras Frage erklärt ihm Käliya, daß er nur aus
Furcht vor dem Garuda in den Yamunäteich gegangen §ei, und
hittet ihn um Schutz vor diesem. Dämodara macht ihm mit seinem
Fuß ein Zeichen auf den Kopf, indem er bemerkt, der Vogel Garuda
werde, wenn er dieses Zeichen sehe, ihm nichts anhaben. Er warnt
ibn noch, den Geschöpfen, vor allem den Kühen und den Brahmanen,
etwas zuleide zu tun. Käliya verspricht, das Gift zusammenzufassen
und den Yamunäteich auf immer zu verlassen*). Die von dem Gift¬
hauch berührten Blumen, die Dämodara gepflüqkt und die durch
1) Nach der Bühnenanweisung geht hier Käliya j,mit dem Gefolge* ah (saparyano niskräntali). Vorher ist aber von diesem Gefolge nicht die Sede, man müßte denn aus den Worten ,mit allen meinen Frauen* {säntahpurah, p. 53) schließen, daß Käliya von Anfang an mit Gefolge erscheint. In der Bühnenanweisung ist jedenfalls nicbts davon gesagt, sondern Käliya wird allein auf die Bühne gebracht. Jedoch ist in Harivamsa 68 f., Visnupur. V, 7, Bhäg.- Pur. X, 16 KSliya von einem großen Gefolge von Schlangen umgeben.
m Winteriiäz, Krfna-Drämen.
seine Berührung unschädlich geworden sind , verteilt er unter die
Hirtenmädchen.
Am Schluß d^ Aktes tritt ein Herold auf, der die Aufforde¬
rung des Kamsa an die beiden Brüder Dämodara und Samkarsana
5 überbringt, zum Bogenfest {dkanurmaha) in Mathurä zu erscheinen.
Sie beschließen der Aufforderung Folge zu leisten, und Dämodara
gibt seinen Entschluß kund, den Kamsa niederzuschlagen, ,wie der
Löwe den übermütigen Elefanten'.
Zu Beginn des V. Aktes eröffnet Katnsa seine Absicht, den
10 Krsna durcb einen Ringkämpfer töten zu lassen. Dann erscheint
ein Herold und berichtet, wie Dämodara in Begleitung des Sarn¬
karsana und anderer Hirten in Mathurä eingezogen ist und allerlei
Streiche verübt hat. Den königlichen Wäschern hat er die Kleider
weggerissen. Als der Mahämätra*) davon hörte, ließ er den brün-
16 stigen Elefanten Utpaläpida^) gegen ihn herantreiben, um ihn zu
töten. Aber der Knabe riß dem Elefanten den Stoßzahn aus und
erschlug ihn damit. Am Tor des Königspalastes nahm er der
buckeligen Zofe Madanikä eine Dose mit Wohlgerüchen aus der
Hand, bestrich sich damit die Glieder, fuhr mit der Hand über den
so Körper der Buckeligen und machte sie gerade. Von den Gärtner¬
buden nahm er die Blumen weg, um sich zu schmücken. Dem
Wächter der Bogenhalle, der ihn anhalten wollte, gab er eine Ohr¬
feige, nahm einen Bogen und zerbrach ihn. Jetzt kommt er eben
zum Audienzsaal. Der König ist durch alle diese Mitteilungen
26 ziemlich beunruhigt und ordnet an, daß die Vorbereitungen zum
Ringkampf getroffen werden. Er läßt die beiden Ringkämpfer Cänüra
und Mustika rufen. Diese treten auf.
«Cänüra:
Hier bin ich, zum Kampf bereit, wie der stolzerfüllte Brunstelefant,
30 Den Knaben Dämodara zerschmettre ich heut hier auf der Bühne.
Mustika : Ich bin der Mann mit der Eisenfaust —
Der grimme Fäustling*) heiß ich auch —
Den Räma bring ich heut zu Fall,
Wie Bergesgipfel der Donnerkeil'.
35 Der König erinnert sie an ihre Aufgabe, und sie versprechen,
ihre Pflicht zu tun. Darauf werden Dämodara und Samkarsana in
die Arena geführt. Der erstere gelobt, den Kamsa zu töten, Räma
will mit seiner Faust den Mustika-mit der eisernen Faust erschlagen.
Kamsa bewundert die Schönheit der beiden Jünglinge und gibt
40 das Zeichen zum' Beginn des Kampfes. Unter Trompeten- und
Paukenschall beginnt der Ringkampf und bald liegen Cänüra,und
Mustika mit zerschmetterten Gliedern auf dem Boden.
1) Elefantenlenker oder Polizeiminister?
2) In den anderen Quellen heißt der Elefant Kuvalaytplda. Utpala ist synonym mit Kuvalaya. Der Mame bedeutet ,LotusblQtenkranz'.
3) Hustika von musti ,die Faust*.
Wintemitz, Krsna-Dramen. 135
, Dämodara: ünd auch den Dämon Katnsa send ich
Sogleich in Yamas Welt hinab.
(Steigt auf die Terrasse, packt den Kanisa beim Kopf und schlendert ibn zu Boden.)
Hier, hier liegt der böse Kamsa — 5
Das Antlitz überströmt von Blut, die Augen herausgequollen,
Zerschmettert Schultern , Hals und Hüfte , Hände , Knie und
Schenkel,
Zerbrochen des Halses Kette, herabgefallen das Armgeschmeid,
Der Gürtel hängend, — gestürzt wie ein Berg, des Gipfel der 10
Blitz zerschmettert."
Man hört einen großen Lärm hinter der Bühne. Soldaten
wollen den Tod ihres Königs rächen. Die Brüder rüsten sich zum
Kampf. Da erscheint Vasudeva und fordert die Bewohner von
Mathurä auf, von Gewalttätigkeit abzulassen. Er erklärt, daß die is
beiden Jünglinge seine Söhne Räma und Krsiia seien und daß der
letztere Visnu selbst sei, gekommen, tim den Kainsa zu töten. Die
beiden Knaben begrüßen ihren Vater. Vasudeva gibt Befehl, die
Leichen wegzuschaflFen. Dann wird auf seine Anordnung Ugrasena,
der Vater des Kamsa , aus dem Gefängnis befreit und zum König 20
gesalbt.
.Vasudeva: Ei,
Göttermusik ertönt, ein Blumenregen fällt vom Himmel —
Kamsas Töter zu ehren, sind sicher die Götter alle gekommen.
(Hinter der Szene.) 2S
Der ruhmgekrönte Sieger über die drei Welten, der beste der
Götter,
Der Herr der dreißig Götter, der Gott mit langgestreckten
Lotusaugen,
Beschütze Mathurä, die Stadt mit ihrem Kranz von gold- so
- geschmückten
Palästen , Fürstenschlössern , ausgedehnten Märkten , Toren und
Türmen'.
Ugrasena wird znm König ausgerufen. Er tritt auf, um dem
Kfsna Dank zu sagen und Huldigung darzubringen. Zum Schluß ss
erscheint wieder der göttliche Rsi Närada. Er kommt mit Gan¬
dbarvas und Apsaras*), um dem Kfsna zu huldigen.
,Die Gandbarvas und Apsaras singen :
Heil dir, Näräyana! Die Götter neigen sich vor dir.
Du hast die Asuras vernichtet: Gerettet ist die Erde. 40
Dämodara: Göttlicher Seherl Ich bin hocherfreut. Was kann ich
dir nocb Liebes erweisen ?
t) Auf der Bühne erscheint nur NIrada. Die Gandbarvas und Apsaras bleiben hinter der Szene.
186 Winternüi, Krtna-Dramen.
NSrada: Ist Vi^pu über mich erfreut,
So ist mein Mühen reich belohnt.
Laß mit den Göttem insgesamt
.Zurück zur Himmelswelt mich gehn.
t Dämodara: Geh, Herr, anf Wiedersehen!
Närada: Wie dei*erhabene Näräyana befiehlt. (Ab.)
(Schauspieler-Schlußsegen *):)
Die meeramgürtete Erde, die Himälaya und Vindhya
Als Ohrgehänge trägt, beherrsche unser Herr und König,
10 Der Löwenstarke, unter eines Sonnenschirmes Schutz*^).
Sicher sind manche der Abweichungen von den bekannten
Fassungen der K;^qalegende Bhäsas eigene Erfindung; so das Auf¬
treten der Spukgestalten im II. Akt und allerlei Einzelheiten im
IIL und IV. Akt. Dennoch wird man annehmen müssen, daß der
16 Dichter nicht derselben Qnelle folgte, aus der die Darstellungen im
HarivsipSa , Visnupuräna und Bhägavatapuräna geflossen sind. Es
ist anffallend, daß die Wunder, die in Bhäsas Drama gleich nach
der Geburt des Kfsija geschehen (das Schwerwerden des Kindes,
das Ausstrahlen des Lichtes, der aus dem Sande emporschießende
}o Wasserstrahl), weder im HarivaipSa, noch im Visnupuräna, noch im
Bhägavatapuräna vorkommen. Auch die Reihenfolge der Abenteuer
und Wundertaten des Knaben K^sna ist im Drama eine andere als
in den Puränas. So scheint es, daß Bhäsa mehr den volkstümlichen Überiieferangen*), als irgendwelchen heiligen Texten folgte.
15 Bemerkenswert ist aber, daß in Bhäsas Bälacarita die erotische
Seite des Kfsnakultes ebensowenig hervortritt, wie im Harivatpäa
und im Visnupuräna *); trotzdem auch im Drama wie in den beiden
Puränas der HallTSatanz erwähnt wird, gibt er doch keinen Anlaß
zu erotischen Schildemngen von der Art, wie wir sie im Bhägavata-
to puräna oder im Gitagovinda finden. Auch von Rädha ist bei Bhäsa
noch keine Rede. Sie fehlt ebenso wie im Harivamäa und im
Visnupuräna.
Darüber, daß das Drama des Bbäsa ein für die wirkliche Bühne
berechnetes Stück ist, kann wohl kein Zweifel sein. Es ist weder
g( an ein Puppenspiel, . noch an ein Schattenspiel zu denken, noch auch
an Bezitationen von der Art, wie sie Patafijali an der oben be¬
sprochenen Stelle im Auge hat. Auch mit den volkstümlichen Yäträ-
1) Dieses BharatavSlcyain ist dasseiCe, wie in dem Drama SvapnavSsa- vadatta.
2) D. b. ,als Alleinherrscher*. BbSsa liebt den Ausdruck ,die von einem Sonnenschirm beschattete Erde*, s. aucb Bälacarita 5, 9; Avimäraka I, 1; Düta- vlkya 56; Pratimänäiaka VH, 1.
' 8) Daher vielleicht die ohen erwähnten Übereinstimmungen mit so mo¬
demen Werken, wie Prem-Sägar.
4) Vgl. E. Windisch in den Berichten der k. sächs. Geselischaft der Wissenschaften, Pbil.-hUt. Cl. 1885, S. 441.
Wintemüt, Krfna-Dramen. 137
spielen unserer Tage hat es ebensowenig gemein, wie mit dem
lyrisch-dramatischen Gitagovinda oder mit den halb epischen, halb
dramatischen Stücken nach Art der unten zu besprechenden Gopäla-
kelicandrikä. Das Bälacarita ist ein regelrechtes Drama, freilich
kein Drama nach den Regeln der uns bekannten Lehrbücher der 6
Dramaturgie. BhäratTya-Nätyaöästra (18, 19), Daäarüpa (3,89) und
Sähityadarpana (§ 278) stimmen darih überein, daß solche Dinge
wie Kämpfen oder Sterben nicht auf der Bühne yor den Angen
der Zuschauer stattfinden sollen. Im Bälacarita schlendert aber
Kamsa das Mädchen auf einen Felsen, kämpft Kjsna mit dem Stier- lo
dämon Arista und wird Arista auf der Bühne erschlagen. Ebenso
findet' die Tötung der Ringkämpfer Cänüra und Mustika, sowie des
Kamsa selbst, auf der Bühne statt *). Wie dies und vieles andere
dargestellt worden ist, können wir uns allerdings nicht immer gnt vor¬
stellen. Gewiß wurde bei der Darstellung der verschiedenen Wunder i6
vieles der Phantasie des Zuschauers überlassen. Aber das Auftreten
von Visnus Waffen und des Garuda im I. Akt, der Spukgestalten im
II. Akt, des Stierdämons Arista und der Schlange Käliya wird wohl
kaum obne Kosttime (und vielleicht auch Masken?)^) zu denken sein.
3. B&mäkrsnas Oopälakelioandrikä. *o
Unter den Handschriften, die der verstorbene hochverdiente
holländische Gelehrte H. Kern der Leidener Universitätsbibliothek
geschenkt hat, befindet sich eine — leider lückenbafte — Hand¬
schrift einer bisher unbekannten dramatischen Dichtung Oopäla-
kelicandrikä von dem gleichfalls noch nicht bekannten Dichter n
Sämakrsna, Sohn des Devajiti, aus Gujarat. Das Werk ist in
mehrfacher Beziehung sowohl religionsgeschichtlich als anch literar¬
historisch von Interesse, und wir haben allen Grnnd, Caland da¬
für dankbar zu sein, daß er es näch der einzigen Handschrift heraus¬
gegeben hat'). Obgleich es sich ein Nätaka nennt, ist es doch »o
ebensowenig ein eigentliches Drama, wie das Hänumannätaka, mit
dem es unter den bekannten dramatischen Dichtungen die größte
1) So ist es aucli in anderen Dramen des BhSsa. Im Drubbanga stirbt Duryodbana, im PratimSnitaka Dasaratha auf der Bühne.
2) Vielleicht schlieSt das Wort vefa nicht nur Kostüme, sondern auch Hasken ein. Dafi es in den königlichen Palästen in der Konzerthalle (tam- gitaiälä) auch eiue Theatergarderobe mit Kostümen gab, wiesen wir aus BhSsas PratimSoE^aka , wo eine Zofe der SitS dieser ein Bastgewand aus der Theater- garderobe bringt. Uasken werden allerdings nirgends erwähnt, und bei der ungeheueren Bedeutung, die dem Mienenspiel in der indiscben Dramatik zu¬
kommt, ist es nicht wahrscheinlich, dafi Masken im Theater jemals regelmäßig verwendet worden sind. Sie könnten immerbin zur Darstellung von Wunder¬
tieren und Ungeheuern gebraucht worden sein.
3) Elen onbekend Indisch tooneelstuk (gopalakelicandrikä). Tekst met inleiding door W. Caland (Verbandelingen der Kon. Akademie van Weten¬
schappen te Amsterdam. Afdeeling Letterkunde. N. K. deel VII Ko. 8).
Amsterdam, Jobannes Müller, Februari 1917. Lex. 8", 158 SS.
138 Wintemitz, Krfna-Dramen.
Ähnlichkeit hat. Es ist ganz in Sanskrit geschrieben, dessen sich
auch die Frauen und die Hirten bedienen. Im Vorspiel tritt die
vom Schauspieldirektor herbeigerufene Schauspielerin auf und fragt
in Prakrit: ajj'aütta ko niyoö, ,was steht zu Diensten, edler Herr?"
5 Aber der Direktor weist sie strenge zurecht, indem er sagt: »Hier
ist nicht der Ort für gemeine Rede (ksudrälapa) , meine Liebe!
Das ist keine Versammlung von gewöhnlichen Fürsten, sondern von
auserlesenen Visnuverebrern (haribhaktdf . Den Einwand der Schau¬
spielerin, wie denn ein Drama ohne Prakrit möglich sei, beantwortet
10 der Direktor mit dem Hinweis auf die ,von großen Dichtem ver¬
faßten Werke Hänumannätaka u. a.". Wie das ausschließlich in
Sanskrit abgefaßte Hänumannätaka ist auch die Gopalakelicandrikä
ein Mittelding zwischen Drama und Epos, indem zahlreiche Verse
und auch Prosastellen vorkommen, die nicht in den Mund der
15 anftretenden Personen passen, sondern ganz im Erzählungston ge¬
geben sind. Diese Stellen sehen oft aus wie episch ausgeführte
Bühnepanweisungen.
So wird z. B. (S. 53 f.) das Auftreten des Hirten Jayanta, der
die Stelle der lustigen Person in dem Stücke vertritt (ohne aber
so ein Vidüsaka zu sein), zuerst in Prosa mit den Worten angekündigt:
,Dann tritt Jayanta herein, Vorräte auf dem Kopfe tragend, mit
lahmem Fuß, auf einen Stock gestützt". Das wird dann in der
folgenden Särdülavikrldita-Strophe ausgeführt: ,Die beim Nieder¬
setzen der Füße herausspritzenden Tropfen saurer Milch von seinem
«5 Gesicht ableckend*), alle guten Leute durch das von ihm ausgehende
Gekenche erschreckend, mit unsteten Augen, den Turban auf der
Seite, einen Haufen gekochtes Gemüse auf die Schulter geladen,
Reismus in einem Holznapf auf dem Kopfe tragend, bepackt^) wie
ein tüchtiges Elefantenkalb, also kam Jayanta daher".
so An einer Stelle (S. 76) wird auch gesagt, wer solche episch¬
beschreibende Strophen sprechen soll. Es heißt da: ,Der sücaka
zu den Festteilnehmern {sücakah sämäjikän prati) :
,In der Hand die Flöte haltend.
Auf der Schulter den Bambusstab,
S5 Mit den Augen zärtlich blickend.
Mit den Ringen, hängend vom Ohre,
Seine vollen Wangen schmückend —
Also trat der geliebte Krsna Lieblich aus der Laube hervor'."
40 Sücaka ist nach Hemacandra ein Synonym für sütradhära.
Caland meint, daß es hier etwas anderes bedeute, nämlich den
.Erklärer", und denkt an eine Person, die wie bei unserem Bioskop
1) pädanyasatamuccaladdadhikanatidhananali, schwerlich, wie Ca¬
land (8. 16) Ubersetzt: ,zijn gezicht was besmeerd met de druppels zare melk*.
2) Das wird wohl samvalitah heißen. Caland vermutet tamcaUtah und übersetzt: .waggelend*.
Wintemitz, Krsna-Dramen. 139
die Erläuterungen zu den Bühnenvorgängen gibt. Das ist ja mög¬
lich. Ich glaube aber doch, daß Hemacandra recht hat und daß
der Schauspieldirektor, ebenso wie er im Prolog bald sütradhära,
bald napi genannt wird, zur Abwechslung einmal auch sücaka
heißt. So heißt es im Prolog auch (S. 49): natah sämäjikän 6
prati und nato varnayati.
Wir berühren damit die'Frage, wie wir uns die Aufführung
oder Darstellung des Stückes zu denken haben. Caland denkt
an die Möglichkeit, daß es ein Stück von der Art ist, wie sie
Growse in seinem Buch über Mathurä schildert, wo bei volks-"lo
tümlichen Krsnaspielen die Schauspieler Kinder sind, die kein Wort
sprechen, sondern zu deren Handlungen ein räsadhärin, d. i. ein
Brahmane, der mit einer Truppe von Sängern und Musikern die
Aufführung ländlicher Mysterienspiele leitet, die Reden rezitiert.
Auch die Möglichkeit, daß wir es mit einem Schattenspiel zu tun 15
haben, zieht er in Erwägung. Doch hält er es für wahrscheinlicher,
daß es ein Mysterienspiel nach Art der Yäträs isti J. Hertel*)
schließt sich dieser Ansicht ^n, möchte aber lieber die Swärig, die
volkstümlichen Mysterienspiele Nordwestindiens, mit unserem Werke
vergleichen*).' Eine Art Mysterienspiel ist das Stück auf jeden »0
Fall. Das zeigt der ganze Inhalt der Dichtung.
Anmutige Szenen aus dem Hirtenleben, in denen der jugend¬
liche Kfsna mit seinen Genossen und seine geliebte Rädhä mit ihren
Freundinnen auftreten, werden teils in Liedern, teils in Dialogen
und epischeh Stropben breit ausgesponnen, in den Szenen, wo S5
Jayanta auftritt, nicht ohne Humor. Aber andererseits wird der
religiöse, mystische Zweck der Dichtung deutlich genug hervor¬
gehoben. Es wird ausdrücklich gesagt, daß das Stück in einer
Festversammlung von Bhäktas, von Visnuverebrern, aufgeführt wer¬
den soll. Und beim ersten Auftreten des Hirten Krsna fordert der so
Schauspieldirektor die Schauspielerin auf, das Geräte zum Niräjana
für den Gott berbeizubringen. Dann heißt es weiter:
.Die Schauspielerin tut, wie er befiehlt; und sie naht singend mit dem Niräjana-GeVl&, das mit seinen mondfleckenartigen Dochten
der Mondscheibe gleicht. S5
Schauspieler:
Wie du mit Freudentränentropfen rings die Lampe besprengst,
verehrst du.
Scheint es, Geliebte, wie mit Lotusblütenblättern mehr noch den
Gott. 40
1) Literarisches Zentralblatt 1917, 8. 1198 ff.
2) Nach B. C. Temple, The Legends of the Panjäb, Vol. I, p. VIII und 121 werden die Swäng von einem Geistlichen mit seiner Gesellschaft bei religiösen Festen teils gesungen, teils rezitiert, teils gespielt. Kein erzählende und manche bloä erklärende Strophen sind zwischen den Strophen (die Swäng sind ganz metrisch), die Beden enthalten, eingefiigt. Die verscbiedenen Bollen
140 WnUernitx, Kftna-Dramen.
Tia den Festteilnebmern : Hier ist der Führer znr höchsten Stätte
(der Seligkeit), nm seinen Verehrern Gnade zn bezeigen, persön¬
lich erschienen, von mir herbeigeholt, ünd auf mein Geheiß ist
meine Hausfrau hier mit dem JVtrö/ana-Geföß herbeigekommen.
Mögen die Herren sich selbst überzeugen.
Die Festteilnehmer stehen mit andächtig gefalteten Händen
und gesenkten Häuptern da. Die Schauspielerin zeigt das heilige
Kennzeichen des .?/ir<f/ana-Gef&ßes {nirajanamvdram)^).
Der Schauspieler bescbreibt :
Durch die Strahlen der Dochte, die den Flecken des Mondes
gleichen, glitzert
In Gestalt der Lampe hier der Mond, sich spiegelnd in den
Scheiben
Zwischen dem Scheitelgeschmeide ^, die wie Spiegel von Smaragd
erstrahlen.
Die Festteilnehmer verneigen sich, indem sie einen Blütenregen herabschütten*.
Nach dem im Qabdakalpadruma' zitierten Haribbaktiviläsa ist
das Nlröjana eine Zeremonie, bei der man eine Lampe mit mebreren
Dochten von ungerader Zahl in ein reines Gefäß (das nträjana-
pätra oder nirajanabhäjana) stellt und anzündet, um damit einen
Gott oder ein Götterbild zu ehren, indem man es vor ihm hin und
her schwenkt '). Der Aufführung des Stückes — unmittelbar nach
der hier übersetzten Stelle beginnt der erste Akt des Dramas —
geht also eine religiöse Feier voraus, bei der die !Zuschauer dem
Gott Kr§na ihre Huldigung darbringen. Der den Gott darstellende
Schauspieler vertritt hierbei diesen selbst in derselben Weise, wie
wenn der Gott sonst etwa in der Form eines Idols verehrt wird.
Auch an anderen Stellen, insbesondere gegen Ende des Stückes,
tritt das religiöse Moment deutlich hervor. So werden im III. Akt
der Göttin Vfndä (Laksmi) eine große Zahl von Versen in den
Mund gelegt, in denen sie (S. 105 flf.) die mystische Lehre verkündet,
daß Rädbä und Kfsna in Wirklichkeit eins sind {yoh Krsnah saiva
Rodha vai ya Rädhä Krsna eva sah), daß das Höchste Wesen
(Purusottama) in Hirtengestalt auf die Erde gekommen und seine
äakti als Rädbä erschienen sei. Und die liebliche Szene vom
Kleiderdiebstahl des Kpsna im IV. Akt (S. 122 £F.) wird ganz theo¬
logisch ausgedeutet, wie wenn Kr§na die Hiri^nmädchen nur in
werden von verscliiedenen Schanspielern gesprochen und diese sprechen die er- zfiblenden und erlilärenden Partien ihrer Rollen als Teil ihrer Reden. Beispiele solcher Swäng gibt Temple in Nr. 6, 10, 15, 16, 18 und 30.
1) Das NTräjana-QeRifi ist wohl ein rundes Metallgefäfi mit einer gröSeren Anzahl von Schnäbeln für Dochte. Irgend ein Stempel oder Zeichen {mudrä) kennzeichnet es als ein heiliges Oeßfi.
2) Wohl des Schauspielers, der den KfSna darstellt.
3) Vgl. Petersburger Wörterbuch s.v. ärätrika und Caland, S. 9.
1 3
Wintemüz, Krtna-Dramen.
bezug auf ibre bhakti, ihre Gottesliebe, bätte prüfen wollen. Unter
dem Schutze der Nacht baden die Hirtinnen in der Yamunä und
haben ihre Kleider abgelegt. KfSQa nimmt sie ihnen weg. Am
Morgen verlangen die Hirtenmädchen ihre Kleider zurück, denn
die Sonne sei eben aufgegangen, wie sollten sie nach Hause gehen ? &
Kfsna stellt ihnen die Bedingung, daß sie sich vor ihm verbengen
müssen, bevor er ihnen die Kleider zurückgibt, denn:
.Nicht durch die Vedas, noch durch Askese,
Durch Spenden nicht und nicht durch Opfer
Vennag ein Mensch mich so zu schauen, lo
Wie meine Getreuen, die mich lieben*.
IQer letzte Akt ist fast ganz religiösen Inhalts. Paurnamäsi
nnd Säradi, die Verkörperungen der Vollmonds- und der Herbst¬
nacht, treten auf und beklagen sich, daß die Hirtinnen nicht znm
Räsatanz mit Kysi^a erscheinen. Da erscheint der Hirte KfSQa und is
die beiden erinnern ihn an sein Gelübde. Nun ruft er durch bloßes
Denken seine Dienerin, die Yogamäyä (Zaubermacht) herbei nnd
beauftragt sie, die Bewohner der Hirtenniederlassung zu bezaubern,
um den Räsatanz mit ihnen abhalten zu können. Dann wird er¬
zählt, wie Kffna im vollen Schmuck znr Hirtenstation geht und «o
dort sein Flötenspiel ertönen läßt, dessen, liebliche Klänge die
Hirtinnen von ihrer häuslichen Beschäftigung hinweg zum Räsatanz
in die Herbstmondnacht hinaus locken. Aber auch Götterscharen
kommen mit Musik und Blumenregen vom Himmel herab, um dem
Kfsna zu huldigen. Die Hirtinnen ermahnt Kfsi^a, zu ibren Eltern, «5
Brüdem und Ehemännem zurückzukehren, die blökenden Kälber
zu melken und den schreienden Kindern zü trinken zu geben. Ihn
könne man auch im Geiste verehren. Ziemlich viele Verse sind
hier aus dem Bhägavatapuräna^) entnommen. Schließlich erklären
sich aber doch die Hirtinnen als seine Sklavinnen und bringen ihm so
ihre Huldigung dar, woranf — das wird wieder erzählt — der
Gott in der trefilichen Gestalt eines Tänzers sein Spiel in ihrer
Mitte offenbart. Die Schildereng unterbricht der Sütradhära mit
den Worten: .Doch genug der allzu weitschweifigen Rede! Wir
vermögen nicht die Anmut des mit mannigfachen , unendlichen s6
Kräften ausgestatteten Erhabenen hier darzutun*. Der Schlußvers
lautet: .Rämakfs^a, der als Seele gebrauchte Leib des Hari (d. h.
Rämakrsna, in dem Gott Visnu verkörpert ist), — er hat dieses
Schauspiel (nätaka) verfaßt zur Unterhaltung der Vaisnavas*'.
Wie im Gitagovinda wird Kfsiia auch in der Gopalakelicandrikä 40
oft .der Waldbekränzte* (vanamälin) genannt. Aber sonst hat dieses
Hirtenspiel gerade mit dem Gitagovinda wenig gemein. Sowobl
Jayadevas Gitagovinda, als auch Dichtungen von der Art der Indar-
sabhä des Amänät sind doch Liederzyklen, Wechselgesänge oder
1) Besonders BhSg.-Pur. X, 29 ist stark benutzt.