4 Elementare Funktionen und ihre Umkehrungen
In diesem Abshnitt diskutieren wir elementare Funktionen, wie etwa die Exponenti-
alfunktion, den Logarithmus, dieSinus- und Cosinusfunktion, sowie Potenz und Wur-
zelfunktion fur komplexeArgumente z 2C.
Wahrend inder reellenAnalysisder maximaleDenitionsbereiheiner Umkehrfunkti-
onzu einergegebenenFunktionoftleihtanzugebenwar,istdies imKomplexenmeist
shwieriger. Betrahtet man zum BeispieldieFunktion z 7!z 2
,so existieren zu jedem
w 2C nf0g eine Umgebung U von w und zwei auf U holomorphe Funktionenf
1 und
f
2
mit f
1 (z)
2
= f
2 (z)
2
= z, aber keine auf ganz C nf0g holomorphe Funktion, die
jedem z eineWurzelvonz zuordnet.DiesesVerhalten istfurdieUmkehrungallerlokal
injektiven holomorphen Funktionen typish. Wir werden sehen, dass alle Eigenshaf-
ten der Umkehrfunktion der Potenzfunktion auf das Verhalten des Logarithmus, der
Umkehrfunktionder Exponentialfunktion, zurukgefuhrt werden kann.
Wir beginnen daher mit einer Erinnerung an die Exponentialfunktion . Diese ist fur
allez 2C deniert durh
expz :=
1
X
n=0 z
n
n!
; z 2C:
DerSatzvonWeierstra,Satz2.9(oderBeispielI.1.6b))impliziert,dassdieExponenti-
alfunktioneineaufganzC holomorpheFunktionist.Esgiltweiterdas Additionsgesetz
der Exponentialfunktion
exp (z+w)=exp (z)exp (w); z;w2C:
Dies kann man zum Beispielauhwie folgteinsehen. Es seien g undh Funktionenauf
C deniert durhh(z)=exp (z+w) bzw.g(z)=exp(z)exp (w).Dann stimmeng und
h auf R
uberein und der Identitatssatz impliziert,dass h=g auf ganz C gilt.
Die Funktionen sin und os werden auf C ebenfalls durh ihre Potenzreihe deniert,
und zwar durh
sinz :=
1
X
n=0
( 1) n
(2n+1)!
z 2n+1
; z 2C;
osz :=
1
X
n=0 ( 1)
n
(2n)!
z 2n
; z 2C:
Wiederum impliziertder Satz von Weierstra, Satz 2.9, dass die Sinus- und die Cosi-
nusfunktion holomorphe Funktionenauf ganz C sind. Weiter giltdieBeziehung
osz+isinz =e iz
; z 2C; ( Eulershe Formel ):
Ersetzt man in obigerDarstellung z durh z, so ergibt sih
osz = 1
e iz
+e iz
; sinz = 1
e iz
e iz
:
Ferner gilt
(sinz) 0
=osz; (osz) 0
= sinz; z 2C:
Die Tangens und Cotangensfunktionen sind ferner deniert als
tanz :=
sinz
osz
; z 2C nf(k+ 1
2
);k 2Zg;
otz :=
osz
sinz
; z 2C nfk;k2Zg:
Furihre Ableitungen gilt
(tanz) 0
= 1
os 2
z
=1+tan 2
z; bzw. (otz) 0
= 1
sin 2
z
= (1+ot 2
z):
ShlielihlassensihauhdieHyperbelfunktionenaus der reellenAnalysisinnaturli-
her Weise zu holomorphen Funktionen in der komplexen Ebene fortsetzen. Genauer
setzen wir
sinhz :=
1
2 (e
z
e z
); oshz :=
1
2 (e
z
+e z
);
und die Eulershe Formel liefert
sinhz = 1
i
siniz; oshz =osiz:
Furz =x+iy ergibt sih
e z
=e x
e iy
=e x
(osy+isiny):
Insbesondere gilte 2i
=1und somit e z+2ki
=e z
furalle k 2Z und allez 2C. Somit
besitzt die komplexe Exponentialfunktion diePeriode 2i.
Fura2R denieren wir den StreifenS :=fz 2C :a Imz <a+2g, d.h.
DannistdieExponentialfunktionbijektivvonSaufC
:=C nf0g,denn dieGleihung
e w
=z hat genau eine Losung w gegeben durh w=logjzj+iargz.
4.1 Denition. (komplexer Logarithmus). Fur allez 2C
existieren unendlih viele
w2C mite w
=z,namlihw=logjzj+iargz. Jedes solhe w heitLogarithmusvon
z.
Ist G ein den Nullpunkt niht enthaltendes Gebiet, so kann man naturlih viele Ab-
bildungen denieren,die einerZahl z 2Geinen ihrer Logarithmenzuordnet. Deutlih
shwieriger ist eszu entsheiden,ob man dieZuordnung sotreen kann, dass dieent-
4.2 Denition. Es sei G C
ein Gebiet. Eine stetige Funktion f : G ! C mit
e f(z)
=z furallez 2G heit Zweig des Logarithmusauf G.
Ist f einZweigdes Logarithmusauf G,so sind dieFunktionenf
k
deniert durh
f
k
(z):=f(z)+2ik
fur jedes k 2 Z ebenfalls Zweige des Logarithmus. Dies sind aber auh alle Zweige,
denn: Sei g : G!C ein weiterer Zweigdes Logarithmus. Dann gilte
f(z) g(z)
= z
z
= 1
und somit f(z) g(z) = 2ik(z) fur eine stetige Funktion k. Daher ist k stetig und
nimmtnurganzzahlige Werte an. Alsoist k konstant.
Analogzur Situationdes Logarithmus,besitztdieArgumentfunktion ebenfallsZweige.
Hierzu sei G C
einGebiet. Eine stetige Funktion ': G! R mit '(z) =argz fur
allez 2G heit dann Zweig der Argumentfunktion.
4.3 Bemerkung. Ist GC
einGebiet, soexistiert eine Zweig des Logarithmusauf
G genau dann,wenn einZweigder Argumentfunktion auf Gexistiert.
Dieseinzusehen istnihtshwierig.Ist'einZweigderArgumentfunktionaufG,soist
f deniertdurhf(z)=logjzj+i'(z)stetigaufG,alsoeinZweigdesLogarithmusauf
G.Ist umgekehrtf einZweigdes Logarithmusauf G,sogiltz=e f(z)
=e Ref(z)
e iImf(z)
und somit jzj=e Ref(z)
.Daher istz 7!Imf(z)ein Zweig der Argumentfunktion, da f
stetig ist.
4.4 Satz. Fur ein Gebiet GC
gelten die folgendenAussagen:
a)ExistierteinZweigf desLogarithmusaufG,soistf holomorphundesgiltf 0
(z)= 1
z
fur alle z 2G.
b) Auf G existiert genau dann ein Zweig des Logarithmus, wenn die Funktion z 7!
1
z
eine Stammfunktion auf G besitzt.
Den Beweis
uberlassen wir als
Ubungsaufgabe.
4.5 Bemerkungen. Es seiGC
einGebiet.
a) AlleZweige des Logarithmusauf Gsind durh
f(z)= Z
1
d+loga
gegeben, wobeia2G giltund einen a und z verbindenden Integrationswegbezeih-
net.
WaredieseBehauptungfalsh,sowurdenahSatz4.4dieFunktionz 7!
1
z
eineStamm-
funktion besitzen.Also wurde R
Kr(0) 1
z
dz =0 fureinen Kreis K
r
(0)gelten, imWider-
spruhdazu, dass R
Kr(0) 1
z
dz =2i gilt.
)EsseiG:=C nfz 2C :Rez0g,diesogenanntelangs dernegativenreellenAhse
"
geshlitzte Ebene\.Der durh
logz :=
Z
[1;z℄
1
d
denierte Zweig des Logarithmus ist insofern ausgezeihnet, da seine Beshrankung
aufdiepositivereelleAhse mitder Logarithmusfunktionder reellenAnalysis
uberein-
stimmt.Dieser Zweigwird auhals Hauptzweig des Logarithmus bezeihnet.
In der AnalysisI denierten wir fura >0 und b 2R die Potenz a b
durh a b
:=e bloga
.
Wir
ubertragen diese Denition insKomplexe.
4.6 Denition. Ist a2C
, b2C und loga einLogarithmus von a, soheit
a b
:=e bloga
einWert der b-ten Potenz von a.
4.7 Bemerkungen.
a) Bei der Shreibweise a b
kommt dieAbhangigkeitvonder Wahlvon loga niht zum
Ausdruk. Je zwei Werte von a b
untersheiden sih jedoh um einen Faktorder Form
e 2ikb
mitk 2Z.
b)Istb irrational,soerhaltenwiralsounendlihvieleWertevona b
.Isthingegenb 2Z,
so besitzt a b
nur einen Wert, da indiesem Falle 2ikb
=1gilt.
)Istb= 1
n
furn =2;3;:::,sogilte 2i
k
n
=e 2i
k 0
n
genaudann,wennk k 0
einVielfahes
vonn ist.Daher nimmt e 2i
k
n
genau n Werte an. Diese sind durh
z 1
n
=e 2i
n
; z 2
n
=e 4i
n
; :::; z n
n
=e 2ni
n
=1;
gegeben.
d) Fur n2N und a2C
nimmta 1
n
also genaudie nWerte
1e 1
n loga
; e 2i
n
e 1
n loga
; :::; e 2(n 1)i
n
e 1
n loga
an.
e) Gilta=1und b= 1
, soheien a b
dien-ten Einheitswurzeln.