• Keine Ergebnisse gefunden

Sichtbarkeit der Geschichte

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Sichtbarkeit der Geschichte"

Copied!
66
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Historisches Forum

5 • 2005 ISSN: 1612-5940

Historische Bildforschung stellt ein Arbeitsgebiet dar, in dem sich Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen unterschiedlichster Spezialisierung aufgrund ihres Interesses am Kulturobjekt "Bild" begegnen können.

Da das Netzwerk für Kunstgeschichte im H-Net H- Arthist und der geschichtswissenschaftliche Fach- informationsdienst H-Soz-u-Kult gemeinsam per Mail wohl die weltweit größte an Fragen historischer Bildforschung interessierte Öffentlichkeit erreichen, lag die Idee zu einem gemeinsamen, disziplin- übergreifenden Publikationsprojekt nahe.

Die im Historischen Forum Nr. 5 versammelten

"Beiträge zu einer Historiografie der Bilder" sind Sta- tements und Reflexionen zum Stand der Historischen Bildforschung. Sie geben einen Eindruck von der Viel-

nicht den Anspruch von empiriegesättigten Studien oder umfassenden Handbuchartikeln.

ISBN: 3-86004-185-1

Sichtbarkeit der Geschichte

Beiträge zu einer Historiografie der Bilder

Herausgegeben für H-ArtHist und H-Soz-u-Kult von Matthias Bruhn und Karsten Borgmann

http://edoc.hu-berlin.de/e_histfor/5 Veröffentlichungen von Clio-online, Nr. 2

(2)

Historisches Forumisteine ReihevonThemenheften desvon derDeutschen Forschungsgemeinschaft geförderten historischen Fachportals Clio-online (http://www.clio-online.de)und seinerKooperationspartner.Die Reihe bün- deltausgesuchte Beiträge geschichtswissenschaftlicherOnline-Foren und her- ausragendeArtikel,Debattenbeiträge,Kontroversen und Berichte zu ausge- wählten historischen Fragestellungen.Sie erscheint in Kooperation mitden Verbundpartnernvon Clio-online und derHumboldt-Universitätzu Berlin.

Jedes Heftwird von einem oder mehreren Herausgebern redaktionell be- treut und enthält außereiner Einführungin dasThema auch ergänzende Verweise aufdie Forschungsliteraturund andereInformationsquellen.Die Veröffentlichung erfolgtüberdenDokumenten-und Publikationsserverder HUB: http://edoc.hu-berlin.de/e_histfor/.

[Historisches Forum]

Historisches Forum. -Berlin:Clio-online und Humboldt-Universitätzu Berlin Gesamttitel: Veröffentlichungen von Clio-online, Nr. 2

ISSN: 1612-5940

Erscheinungsweise: ca. 3-4 Hefte pro Jahr.

Bd. 5:„Sichtbarkeit der Geschichte“. Beiträge zu einer Historiografie der Bilder / hrsg. für H-Arthist und H-Soz-u-Kult von Matthias Bruhn und Karsten Borgmann/ (Historisches Forum:Bd. 5) -Berlin:Clio-online und Humboldt-Universität zu Berlin, 2005

ISBN: 3-86004-185-1

Dieses Werk einschließlich allerAbbildungenisturheberrechtlich geschützt.

Es unterliegtden Nutzungsbedingungen desDokumenten-und Publikations- servers derHumboldt-UniversitätBerlin(http://edoc.hu-berlin.de).Es darf und sollzu wissenschaftlichen Zwecken und zum Eigengebrauch kopiertund ausgedrucktwerden.Die weiteren Rechte an den einzelnenTextenverblei- ben bei denAutoren. Jede kommerzielle Nutzung derDokumente, auch von Teilen undAuszügen, istohnevorherige Zustimmung undAbsprache mit den Serverbetreibern und denredaktionell verantwortlichen Herausgebern ausdrücklich verboten.

Redaktionsschluss undletzte Überprüfung der Internet-Adressen:30.01.2005

Geschäftsführende Herausgeber:

Rüdiger Hohls – Wilfried Nippel

inVerbindung mitClio-online(Max Vögler),H-Soz-u-Kult (Karsten Borgmann – Vera Ziegeldorf)und Zeitgeschichte-online (Jürgen Danyel – Jan-Holger

Kirsch).

Technische Leitung:

Daniel Burckhardt

Verantwortliche Redakteure und Herausgeber für dieses Heft:

Matthias Bruhn H-Arthist Redaktion

c/o Humboldt-Universität zu Berlin

Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik Abt.: Das Technische Bild

Unter den Linden 6 D-10099 Berlin

Telefon: ++49-(0)30/2093-2730

E-Mail: matthias.bruhn@staff.hu-berlin.de Web: http://www.arthist.net

Karsten Borgmann H-Soz-u-Kult Redaktion

c/o Humboldt-Universität zu Berlin Philosophische Fakultät I

Institut für Geschichtswissenschaften Unter den Linden 6

D-10099 Berlin

Telefon: ++49-(0)30/2093-2543

E-Mail: borgmannk@geschichte.hu-berlin.de Web: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de Umschlaggestaltung:

Christina Dicke

© 2005 Clio-online

(3)

Historisches Forum

Veröffentlichungen von Clio-online, Nr. 2 ISSN: 1612-5940

c

c

http://edoc.hu-berlin.de/e_histfor/

Historisches Forum 5·2005

„Sichtbarkeit der Geschichte“

Beiträge zu einer Historiografie der Bilder

Herausgegeben für H-ArtHist und H-Soz-u-Kult von Matthias Bruhn und Karsten Borgmann

c

H | Soz | u | Kult

Humanities. Sozial- und Kulturgeschichte

H | Soz | u | Kult

H| Soz | u| Kult

Humanities. Sozial- und Kulturgeschichte

H| Soz | u| Kult

ISBN: 3-86004-185-1

(4)

Editorial 1

Beiträge 5

Matthias Bruhn

Historiografie der Bilder. Eine Einführung . . . 5 Heinrich Dilly

Bildgeschichten und Bildkritik der traditionellen Kunst- geschichte . . . 15 Marc Schalenberg

Bastardschwestern und Banausen.Wissenschaftshistori- sche Bemerkungen zumVerhältnisvon Kunstgeschich- te und Geschichte . . . 27 Anna Schober

Verführung durchvisuelle Kultur.Zuraktuellen Selbst- befragung von Geschichte und Kunstgeschichte . . . . 35 Habbo Knoch

Renaissance derBildanalysein derNeuen Kulturge- schichte . . . 49 Klaus Sachs-Hombach

Bildwissenschaft als interdisziplinäres Unternehmen . 63 Oliver Grau

MedienKunstGeschichte.Füreinetransdisziplinäre Bild- wissenschaft . . . 73 Ulrike Mietzner, Ulrike Pilarczyk

Zeitgeschichtevor ihrerAufgabe.Fotografien als Quel- len in der erziehungswissenschaftlichen und histori- schen Forschung . . . 85 Benjamin Burkhardt

Politikwissenschaftliche Bildforschung - eine Skizze . . 101 Astrid Auer-Reinsdorff

Urheberrechtund wissenschaftlichesArbeiten.Forschung mit und an Bildern in der Geschichtswissenschaft . . . 111

Literatur 121

Arbeitskreis Historische Bildforschung

Literatur zum Einstieg in die Historische Bildforschung 121

Abbildungsnachweis 123

(5)

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

„Historische Bildforschung“, „visual studies” oder schlicht „Bild- wissenschaft“:Das anhaltend großeInteresse an derBeschäftigung mit Bildern unter verschiedenen Begriffen undinverschiedenen Bereichen derGeistes-und Sozialwissenschaftenlässtsich schon an derFrequenz von Mitteilungen ablesen,die überOnline-Netzwerke wie H-Arthist oderH-Soz-u-Kultpubliziertwerden.1AlleinimLaufe desJahres 2003 verschickten beide Mail-Foren eine annähernd dreistellige Zahl von Ankündigungen, Berichten und Rezensionen von Veranstaltungen und Neuerscheinungen, die sich als Beiträge zu einer „Historiografie derBilder“ verstehenlassen.DasInteresse an derAuseinandersetzung mitBildernjenseits des klassischen Kunstwerks und alsvielschichtige historische Quelle wächst und schlägt sich auch in einer Vielzahl ver- streuterEinträgeim World Wide Web nieder.Zugleichist „Historische Bildforschung“ein Arbeitsgebiet, in dem sichGeistes-und Sozial- wissenschaftler/innen unterschiedlichsterAusrichtung und Speziali- sierung aufgrundihresInteresses am Kulturobjekt „Bild“begegnen können.Da H-Arthistund H-Soz-u-Kultgemeinsam perMailwohl die weltweitgrößte an Fragen historischerBildforschunginteressierte Öffentlichkeiterreichen,waresfürdie beiden Redaktionen deshalb nurein kleinerSchritthin zu diesem gemeinsamen,disziplinübergrei- fenden Publikationsprojekt.

Mitden hierzusammengestellten Beiträgen,dieAnfang 2004be- reits perMailundjetztnoch einmalals E-Publikation aufdemDoku- mentenserverderHumboldt-Universität veröffentlichtwerden,wol- len wirunterschiedliche disziplinäre Perspektivenvorstellen.DieAu- tor/innen des Forums haben wirdeshalb gebeten,Statements und Re- flexionen zum Stand der „Historischen Bildforschung“ausihrerSicht

1Aktuelle Einträge beiH-Soz-u-Kultunter folgenderAbfrage:http://hsozkult.

geschichte.hu-berlin.de/suchen/type=suchen&geschichte=149

einzureichen. Die Beiträge geben einen Eindruck von unterschied- lichen Wegen der fachlichen Beschäftigung; sie erheben nichtden Anspruchvon empiriegesättigten Studien oder vollständigen Hand- buchartikeln.Dennoch hoffen wir,mitder Veröffentlichungin derRei- he„Historisches Forum“einem weiten KreisvonInteressent/innen einleichtzugängliches,stabiles und zitierfähigesArbeitsmittelzum Einstiegin dieDiskussion übereine„Historiografie derBilder“zur Verfügung stellen zu können.

Das Forum wird miteinerEinführungvon Matthias Bruhn eröffnet, dereinige aktuelleTrends und Entwicklungen derBildforschung zu- sammenfasst.Esfolgen Beiträgevon HeinrichDillyund Marc Schalen- berg, die sich jeweils mit Traditionen der Bildforschung in der Kunst- geschichte beschäftigen.Des Weiterenveröffentlichen wirReflexionen vonAnna Schoberund Habbo Knoch,u.a überdie oppositionellen Aspekte einerBildforschung gegenüberden etabliertenDisziplinen Kunstgeschichte undGeschichtswissenschaft.Fortgesetztwird der Band dann mit TextenvonOliverGrau und Klaus Sachs-Hombach, in denen Perspektiven undThemen einer interdisziplinären Organisati- on derErforschungvon Bildern zurSprache kommen.Zweiweitere Beiträge stellen solche HerangehensweisenjenseitsvonGeschichte, Kunstgeschichte undculturalstudies vor:Ulrike Mietznerund Ulrike Pilarzcyk schreiben überFotografien alsQuellenin dererziehungswis- senschaftlichen Forschung;Benjamin Burkhardtstellteininteressantes Projektderpolitikwissenschaftlichen Beschäftigung mitBildernvor.

ZumAbschluss folgen zwei Texte mit unmittelbar praktischer Be- deutungfüralle,die sichforschend mitBildern auseinandersetzen wollen.Zum einen eine kurze,aberkompetentausgewählteLiteratur- liste zum„Weiterlesen“,beigetragenvom„Arbeitskreis Historische Bildforschung“ der Universität Hamburg. Zum anderen eine Zusam- menstellung urheberrechtlicher Tatbestände,die beiderNutzungvon Bildernin nicht-kommerziellen wissenschaftlichen Publikationen, ins- besondereimOnline-Bereich,zu beachten sind.RechtsanwältinAstrid Auer-Reinsdorffsei für diesen informativen Textherzlich gedankt.

(6)

Karsten Borgmann

Ebenso seiallen anderenAutor/innenfür ihre mitEngagementge- schriebenen Beiträge undihre spontane BereitschaftzurMitwirkung ein herzlicher Dank ausgesprochen.

Mitunserer Initiative wollen wirdie Möglichkeiten ausloten,die sich aus der elektronischen Vernetzung der Leserinnen und Leser unsererNetzwerkefürdie wissenschaftlicheArbeitergeben.Ergän- zungen oder Kritik zu den hier publizierten Beiträgen sind weiterhin willkommen und werden in geeigneter Form veröffentlicht werden.

VielSpaß beider Lektüre wünschenim Namen derRedaktionen von H-Soz-u-Kult und H-ArtHist

Karsten Borgmann und Matthias Bruhn (Februar 2005)

(7)

Beiträge

Historiografie der Bilder Eine Einführung von Matthias Bruhn Kunst-Geschichte

ObwohlmaninletzterZeitbeobachten kann,dass die Begriffe„Histo- rische Bildwissenschaft“, „Historische Bildkunde“und„Historische Bildforschung“zunehmend synonym verwendetwerden,sind die- se doch von ihrer Entwicklung und methodischen Bedeutung her verschieden. ImGespräch mit VertreterInnen derGeschichte,Kunst- und Kulturwissenschaftwird trotzinterdisziplinärer Bemühungen und zunehmenderÜberschneidungenininhaltlicherund begrifflicher Hinsicht deutlich,dass man aus kunsthistorischerPerspektive das Themenfeld„Historische Bildwissenschaft“anders gliedern würde als aus geschichtswissenschaftlicherSicht.Das bedeutetnicht,dass es sich um grundlegend widerstreitendeAnsätze undAnliegen handeln muss,wohlaber,dass es derKlärung bedarf,was die Begriffejeweils für eine Verwendung finden.

Auch wenn sich KunsthistorikerInnen wahrscheinlich aminten- sivsten mitderProblematik des historischen Bildes auseinanderge- setzt haben, war die Beschäftigung mit diesem nie eine exklusive Do- mäne derKunstgeschichte.Beiträge derFotogeschichte,Politologie, Journalistik oderMedienwissenschaft,beispielsweise zurGeschichte von Propaganda,Krieg und Werbung,zeigen einen kritischen Um- gang mit Bildern an,der über eine „illustrative“ Verwendungvon Bildmaterial in derwissenschaftlichen Publikation deutlich hinaus- geht.1Hinzu kommen dievielfältigen Bereiche bildwissenschaftlicher Forschung etwain derArchäologie,Soziologie, Literaturwissenschaft, in derComputervisualistik undin anderenGebieten,die sichimmer

1Vgl.die Kritik am nach wievor illustrativenGebrauchvon Bildern beiRoeck,Bernd, Visual Turn.Kulturgeschichte und die Bilder, in:Geschichte undGesellschaft29(2003), S. 294-315.

Historiografie der Bilder

wiederauch mitderhistorischen Seitevon Bildlichkeit,Sichtbarkeit und Sehen beschäftigen.

Gerade die akademischverfasste Kunstgeschichtein Deutschland hat frühereiniges dafürgetan,um sich den Rufeiner rückwärtsge- wandten,zunehmendvölkisch gesonnenenDisziplin zu erarbeiten, die auchvorKriegspropaganda,Chauvinismus und Rassismus nicht zurückschreckte;dieserRufhat ihrenAnspruch nachhaltig beschädigt, invisuellenAngelegenheiten so etwas wie eineDeutungshoheitzu besitzen. Auch die Überführung des visuellen Objektes in die Sphäre der „Kunst“,seine Überfrachtung mitabendländischen Bildungsvor- stellungen und die Überdehnung derbiografischen Methode zu einer Geschichte des„Genies“und der „Meisterwerke“haben dazu beige- tragen,dass Kunstwissenschaftnicht immerals eine Bildwissenschaft, sondern eherals eine hohepriesterlicheLehrevon den unsichtbaren Geheimnissen der Geschichte wahrgenommen wurde.

Zugleich hatdie Kunstgeschichte durchihre Sammlungs-undIn- ventarisierungsbemühungen, ihrefotografischen Kampagnen und Pu- blikationsprojekte einenApparat von visuellem Wissen hergestellt und öffentlich zugänglich gemacht,dessen Bedeutung erstnach und nach, vorallem aus derwissenschaftsgeschichtlichen Perspektive deut- lich wurde.2 „Bildwissenschaft“spieltnichtnur fürdie Hervorbrin-

2DieGeschichte derkunsthistorischen Fotokampagnen und Bildmedien kann hier nichtausgebreitetwerden,als neuere Publikationen seien benannt:Freitag,Wolfgang M.,EarlyUses ofPhotography inthe HistoryofArt, in:Art Journal39(1979/80),2, S. 117-123;Fawcett, Trevor,Graphicversus Photographicinthe Nineteenth-Century Reproduction, in:Art Journal39(1986),9,S. 185-211;Fraenkel, Jeffrey (Hg.), The Kiss ofApollo:PhotographyofSculpture1845 to Present,San Francisco1991;Dilly,Hein- rich,Die Bildwerfer: 121 Jahre kunstwissenschaftliche Projektion(1994), in:Hemken, Kai-Uwe(Hg.), Im Bann derMedien. Texte zur virtuellenÄsthetikin Kunstund Kultur, Weimar 1997 (CD-ROM),S. 134-164;Roberts,Helene E.,ArtHistory Throughthe Ca- mera’sLens.DocumentingtheImage,Amsterdam1995; Villiger, Verena,DerFotograf zwischen Kunstwerk und Kunstgeschichte.Aufnahmenvon Skulpturen des Mittel- alters und der frühen Neuzeit, in:Skulptur imLichte derFotografie: Von Baynard bis Mapplethorpe,Ausst.Kat.,WilhelmLehmbruck Museum u.a.,Bern1997,S. 59-69;

Bruhn,Matthias,Darstellung undDeutung.AbbilderderKunstgeschichte,Weimar 2000;Peters,Dorothea,Photographie alsLehr-undGenussmittel.Zur frühen Kunstre- produktion durch Fotografien.Wilhelm Bode und die Photographische Kunstanstalt

(8)

Matthias Bruhn

gungen des 20.und 21. Jahrhunderts,mit ihrerzunehmend durchläs- sigenGrenze zwischen Hoch-und Populärkultur,eine wichtige Rolle.

Auchfürdas Altertum,Mittelalterund die Frühe Neuzeitwurdenin derKunstgeschichte schonvor langerZeitallgemeinere medien-und bildwissenschaftliche Fragestellungen entfaltet,die das alltäglicheGe- brauchsgutneben die kanonischen Werke derKunstgeschichte stellten.

Aus derbescheidenen„Archäologie des Mittelalters“ istso allmählich eine„Kunstwissenschaft“geworden,aus dem nebensächlichen bau- lichenDetaileinAnschauungsobjekt,das durch seine Reproduktion, durch seine stilistische undikonografische Einordnung mitdemTafel- bild gleichzog.Hierdurch wurde auch die Kultur jenerZeit insgesamt in einer anderen Weise anschaulich und sichtbar.

Als eine Summe ästhetisch-bildkritischerErfahrungen und aufder Grundlage eines materiellgewordenen Erfahrungsschatzes hatdie Kunstgeschichte heutevieles anzubieten,was den Interessen einer jüngeren Kulturgeschichtsschreibung entgegenkommt,zumalwenn sieihre Methoden als Ergebnisse eineslangen Erschließungsprozes- sesverständlich macht.3WennvonverschiedenerSeite dafür votiert wird,die Kunstgeschichteim Sinne einer „Historischen Bildwissen- schaft“neu zufassen,so sollte dahernichtübersehen werden,dass sich die akademische Kunstgeschichte schon sehr früh überdieAus- dehnungihrerGegenstandsbereiche,überdasInkorporieren neuer Objekte definierthat -mit jeder Inventarisierung wurden neue kultur- geschichtliche Schätze ausgehoben;selbstwenn dies manchmalnur

Adolphe BrauninDornach, in:Fotogeschichte 20 (2000), 75,S.3-32;Die Bildmedien der Kunstgeschichte. Themenheftder „Kritischen Berichte“ 1 (2002).EineDissertation unter demTitel „FotografierenistSehen.Die Fotografie als Bildmedium derKunstgeschichte und dieAnfänge des Bildarchivs Foto Marburg(1870-1930)” vonAngela Matyssekist derzeit im Entstehen.

3Einige Beispiele:Haskell,Francis,DieGeschichte undihre Bilder.Die Kunstund dieDeutung der Vergangenheit,München1995;Diers,Michael,Schlagbilder.Zurpo- litischenIkonographie derGegenwart,Frankfurtam Main1997;Stoichita, Viktor,Das selbstbewusste Bild. Vom Ursprung derMetamalerei,München1998;Wolf,Gerhard, Schleierund Spiegel. Traditionen des Christusbildes und die Bildkonzepte derRe- naissance,München 2002;zuletzt:Burke,Peter,Augenzeugenschaft.Bilderals histori- sche Quellen, Berlin 2003 (engl. 2001).

Historiografie der Bilder

gegen eineVielzahl voninneren Widerständen möglich war,so wur- den Bücherüberdie Elfenbeinschnitzkunst,den Holzschnittoderdie Miniaturmalereizu den selbstverständlichenLehrwerken des Faches.

Kultur in Bildern

Insbesondere derBegriffder „Kultur“hat im19. Jahrhundertzu einer methodischen NeuausrichtungvielergeisteswissenschaftlicherFächer und zur Ausdifferenzierung neuerDisziplinen geführt.Die Kunst- geschichte hatdiese Entwicklung durchihrenAufstieg zu einer ei- genständigen wissenschaftlichenDisziplin befördert,wie sie dadurch auch selbst inihrem Fortgang beeinflusstwurde.Den deutlichsten Ausdruckfand das Paradigma derKultur,die sichin allenihren Er- zeugnissen abzeichnet, in eineminterdisziplinären Forschungspro- gramm,dasvonAbyWarburg unterdemTitel „Kulturwissenschaft“

vorangetrieben wurde und das als eine erweiterte Form„historischer Bildwissenschaft“zuverstehenist. Im Mittelpunktdieses Programms stand die ikonologische Methode,die die Funktion von Bildern in derGesellschaft,deren Fortwirkung,Eigenleben und Psychodynamik untersucht.Die Weiterentwicklung dieserMethodeim deutschspra- chigen Raum wurdejedoch durch den Nationalsozialismus und die Nachkriegs-Amnäsie unterbrochen und späterzu einerstarktextori- entiertenLehre derBild-Erkennungverkürzt,und mancherKunsthis- torikermuss gelegentlich daran erinnertwerden,dass Bildzeugnisse jenseitsihrer reduzierten Reproduktion noch andere Wirkungsdimen- sionen aufweisen.

SeiteinigenJahren wird dieTradition Warburgs wiedermitgroßer Begeisterung aufgegriffen. Hierzu dürfte sicherlich die allgemeine Wahrnehmung beigetragen haben,dass die globalisierteGesellschaft eineikonische oder bildliche Wendevollziehe (W. J. T. Mitchell,G.

Boehm),welche miteinschneidendenVeränderungenin unserem über- lieferten Bilderhaushalt und mit einer aggressiven Expansion der „vi- suellen Kultur“einhergehe.WarburgsinterdisziplinärerAnsatzistsi- cherlich das derzeit faszinierendste Konzept,um populäre Bildmedien und abendländische Traditionen miteinander in Beziehung zu setzen

(9)

Matthias Bruhn

undlädtwegen seinerdie Fachgrenzen sprengenden Weitgespannt- heitzu etlichen Neuinterpretationen ein.Andererseits wird durch den jüngsten„Warburg-Boom“dieIdee und Entwicklung der „Kulturwis- senschaft“oftaufdiese eine Forscherpersönlichkeit verkürzt,werden auchviele dermethodischen Probleme,die sich mitWarburgs Zusam- menschau unseres kollektiven Bildgedächtnisses ergeben,außerAcht gelassen.

Immerhinistes aberwohlzulässig, im Zuge dieserEntwicklun- gen auchin derdeutschsprachigen Kunstwissenschaft von einerArt

„turn“ in methodischerHinsichtzu sprechen,wie er in anderen Fä- chernvollzogen wurde.DerAnspruch derKunstgeschichte,überdas entscheidende methodische Repertoire zurDeutung von„Bildern“

und nichtnur von autonomen Kunstwerken zuverfügen,begründet sich nun nichtmehrmitderAutoritäteines bürgerlich-idealistischen Kunstbegriffs,sondern mitderKompetenz des Faches,Bilderkritisch lesen zu können.Die Kunstgeschichte bringtheute Erkenntnisse zur Repräsentation und KonstruktionvonvisuellenArtefakten ein,die aufgrund derästhetischen Praxis odereinersozialen,politischen oder geschlechterspezifischen CodierungAusdruck eines bestimmten Se- hens sind, in welchem„Kunst“und„Bild“ invielenTeilen zusammen- fallen.DasVisuelle,die historischen Blick-Ordnungen gehörenin das Aufgabenfeld eines Faches, wenn seine Gegenstände - seien dies nun Kunstwerke oderBilder,Apparaturen oderGebrauchsgegenstände- die Geschichtlichkeit der Sinne dokumentieren.

Das Bild in den Geschichtswissenschaften

Das Fehlen konkreterQuellen kann ebenso wie deren Überfülle zu ei- nem Bedarfnach„anschaulichen“Darstellungenführen,die durch die LogikihrerBeschreibung historischen Sinn erzeugen.Das Erzählen vonGeschichteistStoffbeherrschung und Materialregiein allenihren Teilen undAspekten.Dies wurde auchin denDisputen derGeschichts- wissenschaftseitdemfrühen19. Jahrhundertdeutlich-Geschichteist dort „Vergegenwärtigung“ vonVergangenem,sie stelltgeschichtliche WirklichkeitenvorAugen, indem sie eine Gegenwartherstellt,die

Historiografie der Bilder

den Sinn menschlicherHandlungin einerGesamtschau dekonstruiert und neu zusammensetzt.4BildlicheQuellen sind dabeiderBrennstoff fürdie wissenschaftliche Phantasie,die selbstdentrockenstenGelehr- ten in seinen jahrelangen Recherchen antreibt. Bildlichen Zeugnissen, insbesondere Werken derabendländischen HistorienmalereioderBild- niskunst, kommt nicht nur die Funktion einer Informationsquelle zu, sie sind Ideengeber von Wissenschaft.

Wie die archäologischen oder volkskundlichenDisziplinen hat sich auch dieGeschichtswissenschaftspäterdarum bemüht,bildliche Zeugnisse zugleich als eigenständigeDokumente historisch-sozialer Entwicklungen anzuerkennen undfürdas Studium zu nutzen.Durch die „Bildkunde“ wurden Werke der Hochkunst ebenso wie populäre Bildmedien,etwaDruckgrafiken und Fotografien,zuQuellen derhis- toriografischenArbeit.5MitderAufnahme diesesQuellentyps kommt

4Walther,Gerrit, ’Vergegenwärtigung’.Forschung undDarstellungin derdeutschen Historiographie des19. Jahrhunderts, in:Freitag,Werner (Hg.),Halle und die deut- scheGeschichtswissenschaftum1900.Beiträge des Kolloquiums’125 Jahre Historisches Seminaran derUniversitätHalle’am4./5.November2000,Halle 2002,S. 78-92; vgl.

ebd. S. 65-77 den Beitrag von Hettling, Manfred,Geschichte als Lehrmeisterin der ’Per- sönlichkeit’?,dersich mitderFormung unseres„Bildes“ vom19. Jahrhundertdurch die bildende Kunst und die Kunstgeschichtsschreibung beschäftigt und dies zum Aus- gangspunkt für eine vergleichende Methodendiskussion macht.

5LiteraturzurHistorischen Bildkunde:Bernheim,Ernst, Lehrbuch derhistorischen Methode und derGeschichtsphilosophie.MitNachweis derwichtigstenQuellen und Hilfsmittelzum Studium derGeschichte, 5./6.Aufl.,München1914;Milton,Sybil, Argumentoder Illustration.Die Bedeutungvon Fotodokumenten alsQuelle, in:Fo- togeschichte 8(1988),28,S.61 -90; Tolkemitt,Brigitte;Wohlfeil,Rainer (Hgg.),Histo- rische Bildkunde.Probleme-Wege-Beispiele(Zeitschrift fürHistorische Forschung, Beiheft 12),Berlin1991; Talkenberger,Heike, Von der Illustration zur Interpretation.

Das Bild als HistorischeQuelle.Methodische Überlegungen zurHistorischen Bild- kunde, in:Zeitschrift fürHistorische Forschung 3(1994),S.289-313;Kämpfer,Frank, Propaganda.Politische Bilder im 20. Jahrhundert.Bildkundliche Essays(20th Century Imaginarium1)Hamburg1997; vgl.Bd.2 derselben Reihevon Eisermann, Thilo u.a., Propaganda. Von derMachtdes Wortes zurMachtderBilder,Hamburg1998[online unterhttp://www.uni-muenster.de/Propaganda/ (27.01.2005)];Oexle,OttoG. (Hg.), DerBlick aufdie Bilder.Kunstgeschichte undGeschichteimGespräch(GöttingerGe- spräche zurGeschichtswissenschaft 4),Göttingen1997; Treml,Manfred,Überlegungen zurHistorischen Bildkunde, in:Geschichtein Wissenschaftund Unterricht 48(1997),S.

279-294;Das Photo als historischeQuelle,Entschließung dergleichnamigenTagung des Hamburger Instituts für Sozialforschung und des Bundesarchivs Koblenz, abgedruckt

(10)

Matthias Bruhn

aberwiederum die Frage auf,wie BilderalsQuellen überhaupt ver- fügbarwerden und welche Rolle dabei ihre Sammlung und Reproduk- tion,Beschriftung und Klassifikation,Beschreibung undVergleichung spielt. Jede dieser Transformationen setztbesondere Kenntnisse und Kompetenzen voraus,die zum Teil durch andere Disziplinen und durch bestimmte historiografischeVorstellungen geprägtsind.Zufra- gen wäre,welche Bilderzum Gegenstand der Interpretation werden, welchen Weg sie bis dahin durchlaufen undfürwelche gesellschaftli- chen Erwartungen und Entwicklungen sie standen und stehen.

Es wareninsbesondere die neuerenreproduktiven und fotogra- fischenTechniken dafür verantwortlich,wenn bestimmte„Bilder“ - etwa die Bildnisse derStifterfiguren aus dem NaumburgerDom oder die Reproduktion eines Herrscherbildnisses en miniature- fürdasGe- schichtsstudium herangezogen werden konnten. Mit der technischen Reproduktionvon Bildwerken wurde das BildvonGeschichte stetig verändert.6Besonders in diesem Punkt berühren sich historische Dis- ziplinen wieGeschichte,Archäologie und Kunst,daihreObjekte zu den populärstenIllustrationsobjekten gehörten und gehören.DerAuf- stieg der verschiedenenVariantenvon„Kulturgeschichte“ istnichtzu- letzt vielfach aufgelegtenDruckwerken,wieGustavFreytags„Bildern aus derdeutschenVergangenheit“ (1859),Eduard Fuchs’ „Illustrier- terSittengeschichte“ (1909-12),Georg Hirths„Kulturgeschichtlichem Bilderbuch aus drei Jahrhunderten“ (1881-1890) oder den unzähligen kunsthistorischen und enzyklopädischen Bildatlanten undTafelwer-

in:Geschichtein Wissenschaftund Unterricht 50 (1999),S. 713-714, [online unter:Der Archivar 52,Nr. 4, 1999:http://www.archive.nrw.de/archivar/index.html (27.01.2005);

Hülsen-Esch,Andreavon;Schmitt, Jean-Claude(Hgg.),Die Methodik derBildinterpre- tation / Les méthodes de l’interprétation de l’image. Deutsch-französische Kolloquien 1998-2000, 2 Bde. Göttingen 2002.

6Vgl.hierzu Meier,HansJakob,Die Buchillustration des18. JahrhundertsinDeutsch- land und die Auflösung des überlieferten Historienbildes(Kunstwissenschaftliche Stu- dien 60),München1994;Weissert,Caecilie,Reproduktionsstichwerke. Vermittlung alter und neuerKunst im18.undfrühen19. Jahrhundert,Berlin1999;nach wievormaß- geblichistderAusst.-Kat.: Langemeyer,Gerhard;Schleier,Reinhart (Hgg.),Bildernach Bildern.Druckgrafik und dieVermittlungvon Kunst,WestfälischesLandesmuseumfür Kunst und Kulturgeschichte Münster, Münster 1976.

Historiografie der Bilder

ken zuverdanken,die seitMitte des19. Jahrhunderts erschienen sind.

Diese Breitenwirkung wurde späterdurch den wachsenden Einsatz von Farbabbildungen in Druckwerken und als Lichtbild noch ver- stärkt.7Diese Schlüsselstellung derwissenschaftlichenIllustration bei der Vermittlung komplexer Inhalte undfürunsere Wahrnehmungvon Geschichte gilt heute in noch größerem Maße.

Aus derEinsicht in diese prägenden sozialen,wirtschaftlichen und technischen Konditionen hatsich die Forderung nach einer umfas- senderen„Historischen Bildforschung“ergeben,dieihrAugenmerk auch darauf richtet, in welchen Kontexten bestimmte Bilderentstehen, wen sie adressieren und wie sie darinihre eigenenGesetzlichkeiten entwickeln,die beieinerHeranziehungvon Bildern als„Quelle“ent- sprechend zu berücksichtigen wären.Historische Bildforschung,so wird aus derBibliografie deutlich,dievom gleichnamigen Hamburger Arbeitskreisfürdiese Publikation erstelltwordenist, fungiertals ein Bindegliedvon Kunst-undGeschichtswissenschaftsowie besonderen Abteilungen wie etwa derFotogeschichte.8Dabeiübernimmtund ent- wickelt sie auch Methoden zur empirischen Erhebung vonDaten, die z. B. in der kunsthistorischen Perspektive vernachlässigt werden und eher eine Domäne der volkskundlichen oder literaturwissenschaft- lichen„Massenbilderforschung“ (W.Brückner)geblieben sind.Die Frage nach der „Objektivität“geschichtlicherDarstellungen,wie sie von Webergestelltwurde,wird damitaufein Materialbezogen,das seinerseitsvisuellerArt ist,das also Bilderaus derGeschichte und Bilder von Geschichte liefert.

Aus der Interpretationvon Bildern als autarken visuellenArte- fakten ergeben sich nichtnurneue„Einsichten“ in denGang derGe- schichte-esfolgtdaraus auch ein anderesVerständnis schriftlicher Quellen.Die Parlamentsrede,der Vertragstextwird nun womöglich,

7Vgl.zu denLichtbildernGisinger,Arno;Boulouch,Nathalie, ’Dergroße Erfolg derAutochrome-Plattenliegt inihrerProjektion’.Das projizierte Bild als privilegierte Präsentationsform früher Farbfotografie, in: Fotogeschichte 19 (1999), 74, S. 45-59.

8Jäger, Jens,Photographie:BilderderNeuzeit.Einführungin die Historische Bildfor- schung, Tübingen 2000; vgl. die Bibliografie in diesem Band.

(11)

Matthias Bruhn

wie dasrepräsentative Herrscherbildnis, viel stärker als Ausdruck medialerBedingungen und stilistischerKonventionen begriffen.Die interdisziplinäre Bild-Text-Diskussionführtdamit imGegenzug zu ei- nemverändertenVerständnisvon derAuthentizitätderSchrift jenseits der überprüfbaren Fakten.

Ein neues Fach?

Es wird aktuelldiskutiert, inwieweitdie Einrichtung eines epochen- spezifischenLehrstuhles(etwa zum Bereich Frühe Neuzeit)heute die Fragestellungen derhistorischerFächernochrichtig wiedergibt;ande- rerseits sollte gerade eine„historische“BildwissenschaftdenAspekt derGeschichtlichkeit,dermitderzeitlichen UnterscheidungvonTen- denzen und Phänomenen einhergeht,nichteinfach zugunsten eines anderen Modells aufgeben. Injedem Falle wird sich das Profiluni- versitärerAufgaben und Forschungsgebiete in Zukunft verändern.

(Kunst)historische Stellen können nichtmehrallein nach Epochenge- sichtspunkten definiertund besetztwerden,sondern müssen,wenn sie alsinterdisziplinär vermittelbare Bildwissenschaftauftreten,stets auch die entsprechenden epochenübergreifenden Zusammenhänge ihres Sachgebietes im Auge behalten.

Mitdem Plädoyer füreine„Historische Bildforschung“oder fürei- ne Neubezeichnung derKunstgeschichte als einer „Historischen Bild- wissenschaft“ verbinden sich dahernichtnurmethodisch-theoretische Fragen.Es muss nun auch darum gehen,wie eine solche Wissenschaft kurrikularumzusetzen und mitwelchem Personal sie zuversehen wäre.Eine solche Forderung setzt im akademischenAlltag Persön- lichkeitenvoraus,die neben derkennerschaftlichen Spezialisierung in einem medien- oder epochenspezifisch definierten Forschungsfeld zugleich die Wissenschaftsgeschichte des Faches überblicken und an seinen aktuellen undimmerwiederkehrenden Standortbestimmun- gen aktiv teilnehmen.

Mitden Stichworten„Historische Bildforschung“oder „Histori- sche Bildwissenschaft“ isthieralso nichteine konkrete Position oder garSchule gemeint,sondernArbeiten,die sich aufden Problemhori-

Historiografie der Bilder

zontbeziehen,dersich mitdersystematischen Unterscheidungvon Kunstund Bild, von Bild undGeschichte auftut.Besonders wichtig istdie Kenntnis undVermittlung dieserAnsätzein der Lehre,da sie den StudierendenOrientierungin einerstetig expandierenden Stoff- fülle bietet.Die Beiträge dieses Forums sollen zu dieserOrientierung beitragen.

(12)

Bildgeschichten und Bildkritik der traditionellen Kunstgeschichte von Heinrich Dilly

1990wardas Problem endlich aufdemTisch!Es gibt „eineGeschich- te des Bildesvordem ZeitalterderKunst“,behauptete Hans Belting bereitsim Untertitel seines Buches„Bild und Kult“.1 Lautundver- nehmlich war damitüberdie Fachgrenzen hinweg ausgesprochen, was schonlange zwischen den Zeilenvon Kunsthistorikern gestanden hatte,dievon Fernand Braudelund MichelFoucaultbegeistertwaren.

Kunstwerke zu schaffen,Künstlerzu werden,Künstlerzu sein und zu bleiben, waren ein neuzeitliches, modernes und westliches Phäno- men(um mitErnstH.Gombrich zureden:Problem).Bilder jedoch machten die Menschen vonAnfang an. EinGroßteil von ihnen wähn- te zudem,das Ebenbild einesGottesvorsich zu haben.Und bis dato werden abertausendmaltausend mehrBildergemacht, verkauft,ge- kauft und wieder verbreitet denn Kunstwerke geschaffen, ausgestellt und mit ihnen gehandelt.Dahernahm allenfalls derspäte Zeitpunkt von Beltings Wiederaufnahme der These wunder,dass es Kunstnicht überallund nichtzu allen Zeiten gäbe.Das hatten schonJohannJoa- chim Winckelmann und andereAufklärer vertreten.Doch kamen auch jetzterstNachrichten übereine ganz neue Bildwissenschaft,eine neue Ikonologie,eineImage-Science nachDeutschland:Astronomen und Biologen,Physikerund Medizinerhatten sichin Chicago mit Informa- tikern dazu zusammengetan.ZweiProbleme wollten sielösen.Das erste wardas derSpeicherung derungeheuren Masse an Bildern.Mil- liarden kamen alleinvon den Sondenim Weltall.Das zweite wardas eines möglichst raschen Wiedererkennensjedes einzelnen Bildes.Es ging also darum:Wie kann man Computern das Sehenlehren?Hören konnten sie schon!

Angesichts dieser Nachrichten mussten Kunsthistorikeraufhor- chen.Hatten sie doch ebenso stolz wie naivwiederholtbehauptet, in derScientific Communitydie einzigen zu sein,die das Sehen,das Zei-

1Belting,Hans,Bild und Kult.EineGeschichte des Bildesvordem Zeitalterder Kunst, München 1990.

Bildgeschichten und Bildkritik der traditionellen Kunstgeschichte

gen,die Repräsentation,das Bild,dasAuge zum wissenschaftlichen Gegenstand erkoren hatten.Dass angesichtsfallenderSympathiewer- te die Hellhörigen unter ihnen sich alsbald erboten,einenTeil ihres wissenschaftlichen Kapitals in eine großeinterdisziplinäre Bildwis- senschaftzuinvestieren, lag nahe.Sind doch die Mitgliederweicher Disziplinen gerne offenfürNeues,handle es sich nun um harte wissen- schaftliche Erkenntnisse oder seichte Häresien.Dazu kam eine ganze Reihe weitererUmstände alleininDeutschland:dieDiskussion über die Fernsehbilder vom ersten Golfkrieg etwa;die Entdeckungvon Bildern als historischeQuelle durch die nahverwandteGeschichtswis- senschaft,die sich- 1989 schwerangeschlagen-kulturwissenschaft- lich neu orientierte;dasflugs anschwellendeAngebotundInteresse an Fotografien auf dem Kunstmarkt; die rasche, allerdings nicht sinn- gemäßeVerbreitung des programmatischen Wortsvom„IconicTurn”

von Gottfried Boehm2;ein allgemein zu beobachtender Trend, jeg- licheInformation möglichstbuntzu bebildern;die Entdeckung der guterhaltenen,wissenschaftlichen Sammlungenin den NeuenLän- dern;ein ersterbildwissenschaftlicherKongressin Magdeburg;die deutsch-französischen Colloquien inGöttingen und Paris über die Bildinterpretation; ein eigener Forschungsbereich in Greifswald; eine Sektion überdas Bild aufdem Kunsthistorikertag 2001und schließlich dieGründung eines bildwissenschaftlichen Periodikumsimfolgenden Jahr in Berlin3:allesamtklassischeDaten und Stufen zur Instititutiona- lisierung einerneuenDisziplin4,besser:eines Forschungsprogramms, dem allerdings bis heute das problemgenerierende Handbuch oder, wie Horst Bredekamp sagt, die „eine Bildanalyse“ fehlt, „die den Na- menverdient.”5Ältere WissenschaftlersprächenvomLehrstück, vom

2Boehm, Gottfried (Hg.), Was ist ein Bild? München 1994.

3Bildwelten des Wissens.KunsthistorischesJahrbuchfürBildkritik.Bd.1,1,Berlin, ab 2003.

4Clark, Terry N., The stages of scientific institutionalization, in: International Social Science Journal XXIV (1972), S. 658-671.

5Bredekamp,Horst;Ullrich,Wolfgang,SchwarzeLegenden,Wucherungen, visuelle Schocks.Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp imGespräch mit Wolfgang Ullrich, in:

Neue Rundschau CXIV (2003), 3, S. 10.

(13)

Heinrich Dilly

Paradigma,das hiersonderbarerweise auch nach zwölf Jahren pro- grammatischer Diskussionen noch aussteht.

Daherwirdin derKunstgeschichte derzeitdasfachlicheVermögen erneut taxiertund danach gefragt,ob man aufeinereigenenTradition in Sachen Bild aufbauen kann.Waren die Besten des Faches nichteher Bildwissenschaftleravant lalettre,denn Kunstgelehrte? -Gelehrte,die zwarein Wissen,einen Habitus und eine Haltung weitergaben,die manin den westlichenGesellschaften gegenüberWerken einnimmt, die wiederum ausverschiedensten Gründen Kunstwerke genannt werden-Gelehrte,diejedoch ansonstenihre Erkenntnisse erzielten, ohne den Kontext Kunst je offen zu reflektieren.

Im Eifer neuer Traditionsbildung läuft man dann allerdings leicht Gefahr, das Nächstliegende zu übersehen: die alltägliche kunstge- schichtliche Praxis! Alle angehenden Kunsthistoriker sollten sie in denGrundkursen erwerben.Ein kleiner TeilderAbsolventen hatsie wenigstens einmal die Woche enorm zu erweitern, wenn nämlich die SammlerallermöglichenDingevon den Museumsbeamten beraten sein wollen.Und ein großer Teilder Leutevom Fach hat im Kunst- handelohnehin ständig damitzutun! Im bayerischen und österreichi- schen Fernsehen hatdiese Praxis sogarseit Jahren eine höchsterfolg- reiche Sendung.6Ihre wichtigsten Bestandteile sind dietraditionelle Bildkritik,die Bildbeschreibung und-analyse sowie die Bildgeschichte, die Provenienzforschung,dieimfolgenden kurzrekapituliertwerden sollen.

Bildkritik

Wie eingeschränktder BegriffBildkritik allerdingsin derKunstge- schichte vor einer dekonstruktivenNew Art History verwendet wur- de, lerntmanim ProseminarbeimVergleich berühmterKunstwerke wie den MadonnenvonDuccio undGiotto,den SkulpturenvonDona- tello und Michelangelo,denGrund-und Fassadenaufrissen des Palaz- zo Medici und Rucellai und vielen anderen Beispielen mehr. Und hat

6Vgl: „Kunst & Krempel“

http://www.br-online.de/kultur-szene/kunstundkrempel/ (27.01.2005)

Bildgeschichten und Bildkritik der traditionellen Kunstgeschichte

man es da nichtgelernt,dann holtman es während derHausarbeit für die Magisterprüfung nach,wenn es z.B.um eine dersprichwörtlich letzten,noch nichtbehandeltenDorfkirchen und gleichzeitig darum geht,dieOriginalitätdes einen oderanderenAltarbilds,dieses oder jenes Kirchengeräts oder -textils als die einesvielgeschmähten dritt- klassigen Kleinmeisters nachzuweisen.Denn dann wird man stil-und bildkritisch im „klassischen Sinne“ vorgehen.

In allerAusführlichkeitund Raffinesse,Öffentlichkeitund natio- nalerBedeutsamkeitwird die Bildkritik demnächst ins Blickfeld der Allgemeinheit gerückt werden, wenn im Frankfurter Städel der soge- nannte„Holbeinstreit“derdeutschen Kunstgeschichtein einerum- fassendenDokumentation wiederaufgerolltwird. Von1822 bis1871 ging es bekanntlichimmerwiederum die Frage,ob eininDresden aufbewahrtesGemäldetatsächlichvon Hans Holbein d. J.stammte.

Als das deutsche PendantzurSixtinischen Madonna waresverehrt worden,bis ein anderes,ganz ähnliches Werkim PariserKunsthandel aufgetauchtwar.Dieses,das sogenannteDarmstädterExemplarder

„Madonna des Bürgermeisters Meyer vom Hasenin Basel“ ’bestimm- te’dannim Herbst 1871eineGruppe erster,wahrlich professioneller Kunsthistorikerals das alleinigeOriginal.Die Methode diesernoch

„Kunstkenner“genannten Fachleute wardie des systematischenVer- gleichs. Ihr reiches Wissen überMalmaterial, Technik,Komposition, Proportionen und Fakturhatten sie zuerstmitdem bloßenAuge,dann mitder Lupe überprüftund die Nachrichten überden architektoni- schen Kontextzusammengetragen, in dem dieAltartafelursprünglich zurprivatenAndachtaufgestelltwar. In wenigen,apodiktischen Sät- zen hatten sieihre Einsichten kundgetan.Erst Jahre späterentdeckte man die schriftliche Bestätigung desvisuellen Befunds. Welch ein Triumph,dersich nichtnur im Kleinen alle paar Tage bis heute wie- derholen sollte.Man erinnere sich der jüngsten Entdeckungen eines CaravaggioinDublin,eines Rembrandt in Holland,einesTurner in amerikanischem Privatbesitz.

Dass bei solchem vergleichenden Sehen die manuellen Reproduk-

(14)

Heinrich Dilly

tionen derbeiden Madonnen-Gemälde eherhinderlich,diefotogra- fischen dagegenrechthilfreich waren,zähltzur faszinierenden Ge- schichte desInstrumentariums bzw.zurGeschichte kunsthistorischer Medien.MedienbewussteVertreterdes Faches wie HermanGrimm sprachen es an,wenn sie sagten,dass es die Reproduktionen und nichtdie Originale seien,die sich demGedächtnis einprägen.Dies hinderte seinen nichtminderDia-begeisterten NachfolgerHeinrich Wölfflin nicht,sich derReproduktion„wie einem Fürsten“zu nähern und seine Worte„wie Perlen“zu Füßen desLichtbilds zulegen.7Das Lichtbild brachte das Bild erstzum Erscheinen!Erkenntnis und Habi- tusfielen deutlich auseinander,wie denn auch Kunstgeschichte sich mehrdurch den Modus derRede und derSchreibeim bestimmten Kontext von einem allgemein historischenDiskurs unterscheidetals aufgrund ihrer ästhetischen und historischen Argumente.

Beruhte die Kennerschaft in erster Linie aufdemreichen Erfah- rungsschatz eines gutgeschulten Bildgedächtnisses,aufdem großen InteressefürMittel undTechniken, fürpersönliche Charakteristika und aufeinem gerütteltMaß an Respektlosigkeitgegenübergefeierten Künstlern,kurz:aufeinergroßen Menschenkenntnis,so beschleunigte alsbald die Methode desitalienischenArztes,Staatsmanns und Kunst- sammlersGiovanni Morelli das bildkritische Verfahren. Morelli hatte mitderschlichten Einsichtspektakulären Erfolg,dassroutiniertausge- führte Partien einerZeichnung,einesGemäldes,eines Bildwerks mehr als alles andere den Autor verraten.Beiläufig gemachte Äußerungen und wiederkehrende Fehlleistungen wurden so zu weiteren Kriterien der kunsthistorischen Stil- und Bildkritik. Zunächst löste Morelli Em- pörung aus, fand aberbald bedeutende NutzerseinesVerfahrens,allen voran den eng mitdem Kunsthandeloperierenden Bernard Berenson.

Zu diesen bildkritischenVerfahren kamenim 20. Jahrhundertdie naturwissenschaftlichen Methoden derEchtheitsprüfung,beginnend mitderRöntgen-undInfrarotfotografie überdie Dendrochronologie bis zu denvielfältigen Methoden derAutoradiografie und Neutronen-

7Landsberger, Franz, Heinrich Wölfflin, Berlin 1924, S. 93/94.

Bildgeschichten und Bildkritik der traditionellen Kunstgeschichte

Aktivierung- Verfahren,durch die berühmteste Werke wie z.B.der weithinverkitschte„Mann mit demGoldhelm“plötzlich aufeinen der hinteren Plätze der Kunstgeschichte verwiesen wurden.

Bildbeschreibung und Bildanalyse

Ekphrasisistheute dasviele Kunsthistorikerbegeisternde Fremdwort!

Unterdiesem erforschen sie diein dieAntike zurückreichendeTra- dition derBildbeschreibung und entdecken dievielfältigen Formen derWürdigung bestimmterBilder: von derselbständig analogen Er- zählung über das erstaunteVerstummen,das Stammeln,dielässig hingeworfene Bemerkung,überden ironischenGemäldedialog bis zum bemühten Bildgedichtdes späten19. Jahrhunderts.Doch dies war Sache von Schriftstellern und begeisterten Dilettanten. Die im 19.

Jahrhundertkunsthistorisch ausgebildeten Fachleute dagegen schrie- ben(von ein,zweiAusnahmen abgesehen)allenfalls Steckbriefefür Werkverzeichnisse und Kataloge sowiefürden Fall,dass eines der Werke abhanden käme.Auchreicherten sie das soldatisch knappe VokabularbürgerlicherKonversation überdie Kunstmitsogenannten Charakterisierungen sowieVermutungen überdieGenese einzelner Schöpfungen ein klein wenig an.Ein einzelnes Kunstwerk aus der Fülle derWerke zu wählen,es an undfürsich,also ästhetisch zu neh- men,ausführlich zu beschreiben und zu analysieren,wagten sie erst sehr viel später.Fühlten sie doch mit Heinrich Wölfflin,dass dem vereinzelten Werk etwas „Beunruhigendes“ eigne.8

Dasforsche Beispielgab dann Hans Sedlmayr.Angesichts dergeis- tigen Pinnwände,überdie seine KommilitonenihreDissertationen- bisvor25 Jahren dieArbeiten,mitdenen man das Studium abschloss -schrieben, fegte dieser seine Wandleerund konzentrierte sich al-

lein aufein einziges Werk.9Kunsthistorische Strukturanalyse nannte erseinVerfahren,dasisolierte Werk als eine Welt im Kleinen zu be-

8Wölfflin, Heinrich, Das Erklären von Kunstwerken, Leipzig 1921, S. 7.

9Vgl.den autobiografischenText von Sedlmayr,Hans,Das AbenteuerderKunstge- schichte, in:Merkur.Deutsche Zeitschrift füreuropäischesDenken416(1983),S. 145- 156.

(15)

Heinrich Dilly

trachten und alle Bedeutungs-, Wert- und Rangfragen in die tradierte Stilanalyse einzubeziehen.Exemplarischführte erdie Strukturanalyse zuerst in derEinleitung zu seinem Buch überBorrominiund später in seinemAufsatz über VermeersGemälde„De Schilderkunst“ vor.

Dieser Textwiederum provozierte den Fachkollegen KurtBadtso sehr, dass er 1960einen ganzen Band überdie Bahnen schrieb,aufdenen deraufmerksame Blick sich ein Bildim allgemeinenvonlinks nach rechts zu erschließen vermag.10

Gleichzeitig wurdeninDeutschland dieArbeiten eines Mannes wiederentdeckt,deraufgrundtypologischerundikonografischerStu- dien zurBeschreibung undInhaltsanalyse einzelnerWerke gelangt war:Erwin Panofsky.ErwarEnde derzwanziger Jahre mit einem Aufsatz überdie „Imago Pietatis“undAnfang derdreißiger Jahre miteinem dreistufigen Modell „zurBeschreibung undInhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst“hervorgetreten11,war 1933 zur Emigration gezwungen und deshalb danach inDeutschland nur von ganz wenigen Kollegen noch gelesen worden.Panofskysahin seinem Modellder formalen undinhaltlichenInterpretation ein historisches Korrektiv vor,durch das dasjeweilige Werkim geistesgeschichtlichen Kosmos seinen genau bestimmbaren Platz erhielt.Anders als beiSedl- mayrwardas Kunstwerk nichteine Welt fürsich,sondern nur Teil eines sehr viel größeren, reicheren Kontextes.

Unbekümmert von solchen methodologischenAuseinandersetzun- gen erschienen in den Nachkriegsjahren die von Carl Georg Heise seit 1943 herausgegebenen „Kunstbriefe“und dann in den fünfzi- gerund sechziger Jahren-ebenfallsvon Heise ediert -die„Werkmo- nographien zurbildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek“.

In diesen strömten Fachleute ihrganzes Wissen überhochberühm- te Kunstwerke aus undreicherten sie mitausführlichen Zitaten aus Quellenschriften undDichtungen an.Dass sie darin auchihreVorur-

10Badt,Kurt,Modellund Maler vonJanVermeer.Probleme der Interpretation.Eine Streitschrift gegen Hans Sedlmayr, Köln 1961.

11Panofsky,Erwin,Zum Problem derBeschreibung undInhaltsdeutungvon Werken der bildenden Kunst, in: Logos XXI (1932), S. 103-119.

Bildgeschichten und Bildkritik der traditionellen Kunstgeschichte

teile übereine wahre gesellschaftlicheOrdnung undrechtesVerhalten großzügigverbreiteten,darüberklärte dann Martin Warnkein seinem Beitrag zum Kunsthistorikertagin Köln1970mutig auf.12 Denn in kurzerZeitwaren hierdie kunsthistorischen Bildbeschreibungen und -analysen zum unmerklichenInstrumentallgemeinerDisziplinierung verkommen.

Dass zur gleichen Zeit Michel Foucaults Buch „Les mot et les cho- ses“ mit der Einleitung über die „Hoffräulein“ bereits vier Jahre lang vorlag13,muss heute allerdings wundern.Erstum1976 wurde man hieraufden eigenwilligenTextaufmerksam:Aufeine ebenso kleine wieflaue Schwarz-Weiss-Reproduktion deslebensgroßen(3,18x2,76 cm)Gemäldesfolgtenfünfzehn eng bedruckte Seiten überdas Bild, ohne ein einziges WortüberDiegoVelazquez-Foucaultsprachledig- lich überden„Maler“ -,ohne ein einziges epochemachendesDatum, geschweige denn einen historisch bedeutenden Hintergrund odergar über fürden Künstlerschicksalsschwere Umstände,selbstohne die Maße,ohne Kompositionslinien,ohne ein Hinweis aufden melancho- lisch stimmenden Palast, in dem das überwältigendeGemälde mitder zauberhaften Prinzessin ursprünglich hing!Alleinvom Beziehungs- geflechtzwischen den Figuren untereinanderund zumimaginären sowie realen Betrachter war die Rede, - eine Rede, die zuletzt auf den Begriffder „Repräsentation“kam,diese als den Begriff fürdas grund- legende Selbstverständnis eines klassischen Zeitalters erklärte und das Gemälde als das großartige Beispiel vorstellte, in dem die Repräsenta- tion selbstpräsentiert,dieVergegenwärtigung selbst vergegenwärtigt wird.

Wie ein Schock wirkten WarnkesVortrag,Foucaultstastende Selbst- versicherung und dieOrientierungshilfen,die man Ende dersechziger

12Warnke,Martin,Weltanschauliche Motivein derkunstgeschichtlichen Populärli- teratur, in:Ders. (Hg.),Das Kunstwerk zwischen Wissenschaftund Weltanschauung, Gütersloh 1970, S. 88- 108.

13Foucault,Michel, Les mots et les choses,Paris1966(deutsch unterdemTitel:Die Ordnung derDinge.Eine Archäologie derHumanwissenschaften,Frankfurtam Main 1971).

(16)

Heinrich Dilly

und Anfang dersiebziger Jahre beiebenso scharfen Beobachtern wie WalterBenjamin,NorbertElias,Roland Barthes undJacquesDerrida fand,um nurdie allererstenAutoren zu nennen,die dielangeListe der intellektuellen Nothelfer anführten. Im Fach selbst gewannen die Textevon MichaelBaxandall,SvetlanaAlpers, TimothyClark,schließ- lich Rosalind Krauss,kurz die angelsächsische sozialwissenschaftliche New ArtHistory,große Anziehungskraft. Daher konnte erstnach dieserOrientierungs-und Modernisierungsphase erneuteine Reihe von Werkbeschreibungen und-analysen gestartetwerden,die nun

„kunststücke“genannt,zuerst von Klaus Herding und dannvon Mi- chaelDiers herausgegeben wurden.Das war 1983. „Nomen estomen“

mochte man die artistischeDidaktikfeinverästelterMethodik kom- mentieren und daraufhinweisen,dass entsprechendeInterpretationen in derBBCviel leichter, lockerer, freundlicherdaherkamen.Wo bleibt beiallen artistischen Übungen überdie sozialen Funktionen die Kunst, fragte Gottfried Boehm undlegte den Fingeraufdie kunsthistorische Wunde:ein einzelnes Kunstwerk willpersönlichvermitteltund die Kunstwerke allesamt wollen verstreut, verbreitet sein!

Bildgeschichten

Deshalb wird auch ein drittes Konto derKunstgeschichte, von dem sie,kapitalkräftig wie sie nun einmal ist, füreininterdisziplinäres bild- wissenschaftliches Forschungsprogramm einiges abheben und inves- tieren kann, vonimmergrößererBedeutung:die Bildgeschichte.Weil diesein Formvon zahllosen Bildgeschichtenin erster Linie narrativ und durch und durch mitAnekdoten,Prahlereien und Unwahrhei- ten gespickt ist,wurde sievon den Kunsthistorikernlange Zeit als unwesentlich abgetan.Warman doch kleinkariertaufwissenschaft- licheAnerkennung erpicht.Daherhatman dieGeschichte einzelner Werkein die Spalten und Zeilenvon Museumskatalogen und Werk- verzeichnissenverbannt, in denen die Provenienz einesjeden Werks zum Nachweis seinerOriginalitätsolückenlos wie möglich nachge- wiesenist.DiesetrockenenDaten und Namenverraten dem Kenner jedoch sehr viel mehr. Und welches Engagement, welcheAblehnung,

Bildgeschichten und Bildkritik der traditionellen Kunstgeschichte

wievielHass und wieviel Liebe sich hinterden meistnuraufgereih- ten Namen undDaten verbergen, interessiertdie Mitmenschenim allgemeinenimmernoch sehr vielmehrals derStreitum stilistische Abhängigkeiten, ikonografische Details,um sozialabgestufte Motive, geschlechterspezifische Perspektiven oderpoststrukturalistisch geord- nete Erfahrungen.Die zahlreichen Sammlerausstellungen der jüngst vergangenenJahre und einige Sammlermuseen haben dies mitgroßem Erfolg bewiesen-man erinnere nurdie derBarnes Collection aus Me- rion beiPhiladelphiain Paris und München,aberauch derSammlung Giustiniani in Berlin. Auch im Falle der Dokumentation des Holbein- streits wird es wiedererfahrbarsein.Wieviele Besucherwerden sich überdas eigenartige Sehvermögen derFachleute wundern undfragen, wie man diese Fertigkeit lernen kann? In einer Schule des Sehens?

Und um wieviele mehrwerden darüberaufgeklärtwerden wol- len,wo bloß die MotivefürsolcheGeschichtenliegen,wie sieim Falle der „Madonna des Bürgermeisters Meyerzum Hasen“ vonGünther Grundmann erzähltworden sind?Das Bild,so schreibtGrundmann,

”...befand sich seitdemJahre1942in dem dergroßherzoglichen Fami- lie gehörenden Schloss Fischbachin Schlesien.Fürdie Eingeweihten war es beruhigend,an sein beschütztesDasein in den Mauern des alten Wasserschlosses zu denken,während sich dasfurchtbare Kriegs- ende dem Sehendenimmerdeutlicheroffenbarte.Und dieses Ende verknüpfte das Schicksaldes Bildes mitdem desVerfassers,dersich von diesem Zeitpunktan als handelnde Personin denGang derEreig- nisse einfügt: Am 20.Januar 1945 begann die schlesische Katastrophe, als die Räumung derFestung Breslau beiEis und schneidendem Ost- sturm befohlen wurde.Am 25. Januar verließich die Stadtmitdem amtlichenAuftragein meinerEigenschaftals Provinzialkonservator, die wertvollsten Kunstwerke aus dem zum Kampfgebietwerdenden Schlesien zuverlagern. Längsthatteich um dieGenehmigung die- serBergungsmaßnahmen gerungen.Nun sollten sieinmitten endlo- ser,dieLandstraßenverstopfender Trecks und angesichts einesvöllig lahmgelegten EisenbahnverkehrsimletztenAugenblick bewerkstel-

(17)

Heinrich Dilly

ligtwerden. -Während dreierWochen holteich aus denverlassenen Schlössern Schlesiens die seit JahrundTag eingelagerten Kunstschätze Breslaus,soweitsie beiderunterbrochenvorschiebendenrussischen Frontnoch erreichbarwaren,mit letzterKraftanstrengung nach Bad Warmbrunnim Riesengebirge zusammen,stetsvon derSorge gehetzt, zu spätzu kommen,zermürbt vom Warten aufdenvon Flüchtenden überfüllten Straßen, vom Warten auf Wagen, und Brennstoffzuteilun- gen, vom Wartenin denDienstzimmern der in derAuflösung begriffe- nen Behörden.Undin Fischbach wartete die Holbein-Madonna!...”14 Grundmanns Berichterzählt auf über vier weiteren Seiten dieDe- tails der „Rettung“der „Madonna des Bürgermeisters Meyerzum Hasen“ und damit eine einzigeGeschichte aus der bald fünfhundert- jährigen Rezeptionsgeschichte dieses Bildes und eine einzige aus den unendlichvielen Bildgeschichten,die die Provenienzforschung der Kunstgeschichte bereithältund seiteinigenJahren zu ordnen beginnt.

Schluss

Das einzelne,dasvereinzelte, isolierte Bildin seinenveränderten Kon- textenistalso sowohl fürdie Fachleute als auch die Kunstbegeisterten immer mehr zum Problem und damit zu einem der Gegenstände der Kunstgeschichte geworden, - zu einem,denn es gibt ja noch mehr Gegenstände des Faches,so dass sich nichteineAlternative Bild-oder Kunstwissenschaft stellt,wie man aus manchenDiskussionen her- aushören kann. In denvielseitigen Verfahrenjedoch,die einzelnen Kunstwerke zu bestimmen,sie zu analysieren,zuinterpretieren, liegt denn auch einimmenses Kapital des Faches,dasinzwischen auch fürBildereingesetztwird,die weit von dem entferntsind,was als Kunstanerkanntundimmernoch mitderunvermuteten Beglückung einzelner Menschen verbunden wird.

Eine schwereAufgabe wird es sein,die Materialitätund dieTech- nik dernichtmanuellerstellten Bilderdarzulegen und zu analysieren.

Denn,darüberkompetent reden können nurwenige.Eine schwerere

14Grundmann,Günther,DieDarmstädterMadonna.DerSchicksalsweg des berühm- ten Gemäldes von Hans Holbein d.J., Darmstadt 1959, S. 39/40.

Bildgeschichten und Bildkritik der traditionellen Kunstgeschichte

noch,die Masse derBilderquantitativzu bewältigen,zumaldieDis- ziplin,anders als etwa die anderenGeschichtswissenschaften,keine quantitative Kunstgeschichte oder -wissenschaftentwickelthat.Am schwierigsten jedoch wird es bleiben,die Differenz zwischen Bild- und Kunstgeschichte wissenschaftlich auszuloten.

Prof. Dr. Heinrich Dilly ist Professor für Kunstgeschichte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

(18)

Bastardschwestern und Banausen

Wissenschaftshistorische Bemerkungen zum Verhältnis von Kunstgeschichte und Geschichte

von Marc Schalenberg

„Wo die Kunstherrscht,da...werden dieGrenzen derWirklichkeit überflogen“.1Istangesichts dessen der Versuch einersich allen post- modernenVerlockungen zumTrotz als„Wirklichkeitswissenschaft“

begreifendenDisziplin wie derGeschichte,aus Kunstwerken Rück- schlüsse ziehen zu können, von vornherein zum Scheitern verurteilt?

Nicht von ungefährkam esja zu einer - im Folgenden kurz zu skizzie- renden-disziplinären Separierung.Als eigenständiges Fach definierte undlegitimierte sich die Kunstgeschichte überden besonderen Cha- rakter von Kunstwerken als grundsätzlichin doppelterWeise abzu- grenzenden Untersuchungsgegenständen: einerseits gegen normativ- ästhetische Beurteilungen und andererseits gegen dieVermutung,sie seien bloße Epiphänomene historischerKonstellationen und Prozesse (ganz zu Beginn warzudem gegenüberderArchäologie derBeweis zu erbringen,dass auch„neuzeitliche“, i.e.post-antikeObjekte der wissenschaftlichen Untersuchung würdig waren).

Nunistes mitnichten so,dass sich die Kunstgeschichte durchge- hend und unisono auf die immanenteAnalyse von Bildern resp. Bau- ten odersonstigenObjekten beschränkthätte.Brückenschläge etwa zurPsychoanalyse,zurSoziologie,zurSemiotik oderzurAnthropolo- gie wurden zuverschiedenen Zeiten und mitunterschiedlichem Nach- druck unternommen.Die eigentlich allzu naheliegendeVerbindung von(Allgemeiner)Geschichte und Kunstgeschichte war indes nicht bloß mitetwaigen wissenschaftspolitischenAbgrenzungsstrategien konfrontiert,sondern auch mitepistemologischenGräben,namentlich mit der „inkomparable[n]Qualitätdes Bildwerks alsQuelle“,dem

1Gadamer,Hans-Georg,Wahrheitund Methode.Grundzüge einerphilosophischen Hermeneutik (Gesammelte Werke, Bd. 1), 6. Aufl., Tübingen 1990, S. 88.

Bastardschwestern und Banausen

„prinzipiell fiktionalen Charakterdes Kunstwerks“.2Positivgewen- det,bergen Bilderund andere Kunstwerke abergerade durchihren Artefaktstatus ein großes Potenzial fürhistorischeAnalysen,können sie doch gewissermaßen als„checks and balances“ fungieren gegen einen ausschließlich aufSchriftquellen und die ausihnen gesponne- nen Diskursefixierten Zugang.Darüberhinaus können sie aktivEin- blick gewähreninImaginationsformen und-inhalte, Ideale und Pro- vokationen einerbestimmten Zeit.Wie aberkam es-konzentriertauf den deutschsprachigen Raum-zur institutionellenAusgliederung der Kunstgeschichte bzw. der Selbstdefinition über ihre Objekte?

Im Rahmen desidealistischenDenkens um1800wurden Kunst- werke durchaus hochgeschätztund ästhetischreflektiert; in derHe- gelschen Philosophie erschien die Kunst,neben anderen Subsystemen wie dem Recht,derReligion oderderWissenschaft,als„Manifesta- tion des Geistes“, und verkörperte auch und insbesondere dessen Entwicklung.NochinDroysens„Historik“wird kunstgeschichtliche Forschung nichtprinzipiell von„allgemein-”oder „weltgeschichtli- cher“unterschieden.3Im Begriffder „Denkmale“bzw. „Monumente“

fallentextliche und bildlicheQuellen zusammen;soführtDroysen am BeispielantikerepigrafischerQuellen aus: „Das Bildwerk,das Kunst- werkist in solchen Überresten das eigentlicheDenkmal ...Die Kunst inihren großen Schöpfungenistwesentlich monumentalerArt,und das Kunstwerkisterst in seinergeschichtlichen Beziehung ganz zu fassen.”4

Als Droysen zunächst in Jena,dann in Berlin seine„Historik“- Vorlesungen hieltund erstmals schriftlich niederlegte(1857), tratdie institutionelleVerselbständigung derKunstgeschichtefreilichinih- re entscheidende Phase.MitderEinrichtung der Lehrstühlein Bonn (1860), auf den der seit 1852 als Privatdozent dort tätige Anton Sprin- ger berufen wurde, und Wien (1863), mit dem gleichfalls seit 1852 als

2Hardtwig, Wolfgang,Der Historiker und die Bilder. Überlegungen zu Francis Has- kell, in: Geschichte und Gesellschaft 24 (1998), S. 305-322, hier S. 316f.

3Droysen, JohannGustav,Historik,hrsg. v. Leyh,Peter,Stuttgart 1977,S.257,S. 487f.

4Ebd., S. 81.

(19)

Marc Schalenberg

Extraordinarius aktiven Rudolf von Eitelberger besetzt,erhielt das Fach einefeste Heimstattan deutschsprachigen Universitäten und sollte bald um eigene„Apparate“oder „Kabinette“alsVorläufer regel- rechter Institute erweitertwerden.5Derasketische und kämpferische Springer redete einermethodischenAkribie das Wort,um die Respek- tabilitätderKunstgeschichte zu untermauern: „Man muß Künstlern und Kunstkennern gegenüberden streng wissenschaftlichen Charak- ter derKunstgeschichte vertheidigen,die Historikeraber dadurch, daß manihnenin derKunstgeschichte die eigene Methode,das eige- ne Fleisch und Blut vorhält,zurAnerkennung der Legitimität ihrer angeblichen Bastardschwester zwingen“.6

Und soistselbst in Springers„Bilderaus derneueren Kunstge- schichte“ (1867)betitelten Aufsatzsammlung das Bestreben unver- kennbar, künstlerische Phänomene in den politischen, religiösen und allgemein-geistesgeschichtlichen Kontextzurücken und eben auch an- hand von Schriftquellen abzugleichen. Eitelberger und die ihm nach- folgende„WienerSchule“suchten weiterhin den engen Kontaktzum selbernochrecht jungen Institut für ÖsterreichischeGeschichtsfor- schung,und Herman Grimm, 1873 zum ersten OrdinariusfürKunst- geschichtein Berlin berufen, verstand sein Fachvorallem als narrativ- poetisches,alsoliterarisches Unternehmen,zentriertum dasGenie

„großer Individuen“.Bisins späte19. Jahrhunderthinein präsentierte sich die Kunstgeschichte demnach als zwarauf institutionelleAus- gründung drängendeDisziplin,die aberkeineswegs aufeineDurch- trennung derNabelschnurzurwesentlichtextorientierten„Allgemei- nenGeschichte“drängte. Je nachTemperament des Fachvertreters konnten zudemrhetorische odergarpädagogisch-moralisierendeAn- liegen zum Tragen kommen.

Einen anderen Weg hatte,primavista überraschend, Jacob Burck-

5Einen kompakten,gut informierten Überblick zurEntwicklung derDisziplin bis 1914bietet:Beyrodt,Wolfgang,Kunstgeschichte als Universitätsfach, in:Ganz,Peter;

u.a. (Hgg.), Kunst und Kunsttheorie 1400-1900, Wiesbaden 1991, S. 313-333.

6Zit.nach:Kultermann,Udo,Geschichte derKunstgeschichte.DerWeg einerWis- senschaft, 3. Aufl., München 1996, S. 117.

Bastardschwestern und Banausen

hardtbeschritten,dem bekanntlich sowohl die Kunst-als auch die Kulturgeschichte am Herzenlagen.Gerade weilaberKunst für ihn einen ersatzreligiösen,nichthistorischreduziblen Stellenwertbesaß, schienihmin derDarstellung beidereine Separierung unumgänglich.

Wollte der „Cicerone“ (1855)als„Reisegesellschafter“zumGenuss der KunstwerkeItaliens anleiten und mithin diefortwirkendeInspirati- onskraft von Bildern,Kirchen,Palazziund Skulpturen dokumentieren und bewerten,so bietetdie„CulturderRenaissanceinItalien“ (1860) das magistrale,auch politische und soziale Faktoren einbeziehende Panorama einerabgeschlossenen historischen Epoche, aus der die Kunst aber gerade ausgeklammert blieb.

Aus diesen unterschiedlichen Wertigkeiten auch methodisch konsequente Schlüsse zu ziehen, blieb der formanalytisch- stilgeschichtlichen Richtung vorbehalten, wie sie sich seit Ende des19. Jahrhunderts umAlois Riegl (1858-1905)und Heinrich Wölff- lin(1864-1945)ausbildete undvon Kunsttheoretikern wie-praktikern (z.B.dem Philosophen Konrad Fiedlerund dem BildhauerAdolf von Hildebrand)zeitgenössischflankiertwurde.Mitdem„Stil“als genuin kunstimmanentem Phänomen hatte die Kunstgeschichte sozusagen zu sich selbstgefunden,weitergehende historische Kontextetraten demgegenüber als Erklärungsparameter zurück. Mit Wölfflin, Nachfolger Burckhardts in Basel und Grimms in Berlin, danach Ordinariusin München und Zürich, hatte diese „Kunstgeschichte ohne Namen“einenvielgehörten Exponenten, verlorabergleichwohl nach Ende des Ersten Weltkriegs zunehmend an Boden gegenüber der (Wieder-)Vereinnahmung durch Geistesgeschichte (Dvorák), Kulturwissenschaften (Warburg) undIkonologie (Panofsky). Noch 1943 bedauerte Wölfflin,dass die ihmvorschwebende„allgemeine Seh-undDarstellungsgeschichte(Gestaltungsgeschichte)noch nicht die abschließende Form“ gefunden habe.7

7Wölfflin,Heinrich, Vorbemerkung zur8.Auflage, in:KunstgeschichtlicheGrundbe- griffe.Das Problem derStilentwicklungin derneueren Kunst, 18.Aufl.,Basel 1991,S.

7.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

gegen die Haltung an und für sich gesagt werden, auf das Geschaffene mehr als auf das zu Schaffende vertraut, wem das Erreichte mehr ist als das zu Erreichende, den bestärken alle

Aber Tommy hält den Ball nicht.. Felix und Tommy spielen

Hexe Verlies Dach Kopf. Küche Ritter

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Wissensordnung, gesetz- liche Steuerung und deren verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen be- treffen aber auch unabhängig von

bekannt ist. Dieses bildet sich beim tropfenweisen Versetzen einer Lösung von unterschwefligsaurem Natron mit Goldchlorid *) oder Gold- chloriir (l Theil Goldchlorid zu 3 Theilen

Die Daten des Betriebs- zweigs Milchvieh und Aufzucht zei- gen, wie sich in diesem Zeitraum die wirtschaftlichen Ergebnisse in der Milchproduktion der Talregion entwi- ckelt haben..

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Heidemarie Teubner, Gruppe 1.3 Nöldnerstraße 40–42 10317 Berlin.. Fachliche

Sie können als Antikörper auf der Oberfläche oder als Kinasehemmer in den Zellen andocken und die VEGF­Signale blockieren, was das Wachstum der Blutgefäße und damit auch des