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Bemerkungen zu den palmyrenischen Inschriften.
Von
Joh. Oberdick, Oberlehrer in Neisse.
Wer die Geschichte des Römerreiches in der letzten Hälfte
des dritten Jahrhunderts n. Chr. genauer bearbeitet hat, der weiss,
wie sehr Mascow im Recht ist , wenn- er sagt , die Quellen seien
gerade so verworren, wie die Zustände des Reichs in dieser Periode.
Wenn nun auch die palmyrenischen Inschriften nur von theilweiser
Wichtigkeit für die allgemeine Geschichte dieser Zeit sind, so ge¬
währen sie doch nichts destowenigcr dem Historiker ein grosses
Interesse, weil sie mannigfacbes Licht in die Privat- und öffent¬
lichen Verhältnisse jenes merkwürdigen Emporiums in der Wüste
tragen, das da Jahrhunderte lang den Handel zwischen den Euphrat¬
ländern und dem westlichen Asien vermittelte und sich in der
letzten Hälfte des dritten Jahrhunderts n. Chr. zum Herrn über das
ganze Römische Asien und Aegypten machte, indem es sich an die
Spitze der Nationalitätsbewegungen im Oriente stellte. Es ist daher
ein äusserst verdienstvolles Werk, dass Herr Dr. Levy es unter¬
nommen hat, die zerstreuten palmyrenischen Inschriftentexte zu
sammeln und zu erklären, um dem Forscher im Gebiete der Ge¬
schichte jener entlegenen Gegenden ein überaus wichtiges Hülfs¬
mittel darzubieten. Wie nöthig aber und zeitgemäss diese mühevolle
Arbeit war, zeigt die Vergleichung der Levyschen Erklärungen mit
dem Eichhornschen Commentare, der bei aller Anerkennung der
Verdienste Eichhorns doch, wie man jetzt sieht, völlig ungenügend
und irreführend ist. Beispielsweise erinnere ich hier nur an die
Eichhorusche Interpretation der IV. Inschrift. — Es ist nun nicht
meine Absicht und liegt auch nicht im Bereiche meiner Studieu,
in diesen Zeilen sprachliche Bemerkungen zu den Inschriften zn
geben, sondem ich will nur einige wenige historische Notizen, die
sich hauptsächlich auf den in der XIV. Inschrift überlieferten
Stammbaum des Odenat beziehen sollen, an die Levyschen Erklä¬
mngen anreihen. Der griechische Text dieser Inschrift lautet
folgendermassen: To fivtjfisiov tov ratptüvog ^XTUfev i| iSitov
2tnrifiu)Q OSttivad-og 6 XufinQOTarog awxXrjTixog Ä'iqdvov
Ovaßalkd&ov rov NaauQov avTcö tb xai vloig avTov xal
viwvoig üg to navTekig aitiviov TUfiiijv. Mit Recht stellt Franz
■i 8 •
742 Oberdtck, Bemerkungen zu den palmyrenitchen Inschriflen.
(Corp. Inscr. Graec. HI, No. 4507) dieser Inschrift die Inschrift
No. V aus dem Jahre 251 n. Chr. zur Seite und folgert aus beiden,
dass jener Septimius Odenatus, der nach der 14. Inschr. sich und
seinen Kindern und Enkeln ein Grabmal errichtete, nicht der Kaiser
Odenat, sondern der gemeinsame Vater dieses berühmten Vorkämpfers
des Römerreiches im Orient und des in der V. Inschr. benannten
Septimius Airanes gewesen sei. Diese Conjectur von Franz wird
durch einige allerdings verworrene Angaben alter Schriftsteller be¬
stätigt, die, an und für sicb unklar, doch so viel beweisen, dass
zwei Palmyrener des Namens Odenatus, Vater und Sohn, gelebt
haben, von denen der erste seiner römerifeindlichen Absichten wegen
von einem gewissen Rufinus getödtet wurde. Dieses überliefert
ziemlich ausführlich der Anonymus (ra fitra Jiwva bei Müller,
frgm. hist. graec, min. IV, p. 195), welcher noch hinzufügt, der jüngere
Odenat habe den Mörder seines Vaters beim Kaiser Gallienus ver¬
klagt, sei aber von diesem abgewiesen worden. Auffallend ist in
diesem Berichte nur die Angabe, dass Gallienus der Kaiser gewesen
sein soll, vor welchem der Prozess geführt wurde, da doch fest¬
steht, dass Odenat und Gallienus sich niemals persönlich getroffen
haben. Ein Licht in diese Dunkelheit scheint die Stelle bei Treb.
PoUio, Trig. Tyr. I, zu bringen, wodurch zugleich ein Stück Ge¬
schichte Palmyras aufgeklärt wird. Es heisst hier nämlich von
Cyriades, der sonst bei Ammianus Marcellinus (XXIII, 5) mit dem
syriscben Namen Mareades genannt wird: Hic patrem Cyriadem
fugiens . . . Persas petiit atque inde Sapori regi coniunctus atque sociatus, quum hortator belli Romanis inferendi fuisset, Odenatum
primum, deinde Saporem ad Romanum solum traxit. Diese Begeben¬
heit fällt ungeföhr in das Jahr 255 n. Chr., in welchem Jahre Sapor I.
den Orient mit seinen Heerschaaren überschwemmte, Antiochien ein¬
nahm und dort den Cyriades zum Herrscher bestellte. Diesen
Bewegungen war offenbar der ältere Odenatus, von dem es aus¬
drücklich beim Anonymus heisst: „xai,vo7g yaQ ini-jf^dQEi 7i()dyfiant", nicht fremd ; er hoffte , mit Hülfe der Perser Palmyra selbstständig
zu machen und die alte Dynastengewalt wiederzugewinnen. Aber
ehe er seine Pläne verwirklichen konnte, wurde er von dem Römer
Rufin, welcher die damals in Palmyra garnisonirenden römischen
Streitkräfte befehligt zu haben scheint, seines Lebens beraubt.
V. Wietersheim in der Geschichte der Völkerwanderung II, p. 284
hält zwar die Erwähnung des Odenat beim Trebellius PoUio für
Unsinn und will nach einer Lesart des Palatinus Odomastes her¬
stellen, den er für einen persischen Satrapen hält; aber derselbe
scheint die Stelle fälschlich auf den jüngern Odenat zu beziehen
und berücksichtigt nicht, dass die beiden angeführten Stellen beim
Anonymus und bei Trebellius Pollio in dem innigsten Zusammen¬
hange mit einander stehen. Als nun Valerian im Jahre 259 gegen
Sapor zog, brachte wahrscheinlich bei ihm der jüngere Odenat seine
Klage gegen Rufin vor und es scheint also statt 6 Fcekhr/vos
Oberdick, Bemerkungen teu den palmyrenischen Inichriften. 743
beim Anonymus ö OvaXrjgiamg gelesen werden zu müssen. Von
dem ältern Odenat heisst es nun in der oben angeführten Inschrift,
dass er sich und seinen Söhnen und Enkeln das Grabmal erbaut
habe. Zwei dieser Söhne kennen wir namentlich, den Septimiu^
Airanes, welcher in der V. Inschrift aus dem Jahre 251 erwähnt wird,
und den Septimius Odenatus, den nachmaligen Kaiser. Von jenem
heisst es in der V. Inschrift: .SsTirtfiiov Aigdwiv ' OSaivdifov
TOV kctfiTiQOTaTov avvxXrjTiitov ^^oxututov ITaX/j-vgr/viov , oder
dafür vielleicht besser "E^Koyov re JJaX^vorjvüv. Vermuthlich
war dieser Septimius Airanes der ältere Sohn des Odenatus. Ein¬
mal trägt er nämlich den Namen seines Grossvaters, und dann wäre
es sonderbar, dass er mit seinem Bruder Septimius Odenatus, der
bei Treb. Poll. Gallien. 10 rex Palmyrenorum, bei Syncellus (p. 716
ed. Bonn.) ävi)Q aTQCTViyixog und bei Sextus Rufus decurio
heisst, denselben Titel geführt habe: ^^^^'Q•^^, «"rn: Np'UipsD.
Offenbar war er nach der XIV. Inschrift verheirathet und hatte
Kinder. In jenen Unruhen, denen seiu Vater zum Opfer fiel, scheint
auch er seinen Tod gefunden zu haben. Seine Stelle nahm nun
sein jüngerer Bruder Septimius Odenatus ein, der also ungefähr
von 256 bis zum Frühlinge des Jahres 267, wo er zu Emisa von
seinem Neffen Maeonius ermordet wurde, den Paimyrenern gebot.
Ueber seine Schicksale werde ich an dieser Stelle nicht weiter
sprechen, da schon eine Reihe von Abhandlungen über diesen Gegen¬
stand vorliegen und ich ebenfalls denselben in einer besondem
Arbeit, die binnen Kurzem erscheinen wird, näher behandeln werde.
Die von Selig Cassel (Encycl. vou Ersch u. Gmber) und Graetz
(Gesch. d. Juden, IV, p. 332) verfochtene Ansicht, jener Bar Nazr,
der in ier. Terum. 46, b. und Papa bar Nazr, der von Scherira
ed. Wallerstein p. 39 als Zerstörer Nahardeas erwähnt wird, seien
mit Odenat identisch, habe ich in meiner Abhandlung über den
ersten Feldzug Aurelians gegen den Orient in der Ztscht. für
Oestreichische Gymnasien von 1863, p. 750, Anm. 25 zurückge¬
wiesen, die Herr Levy unberücksichtigt gelassen hat, wo ich es
wahrscheinlich zu machen versucht habe, dass jener Papa bar Nazr
ans der Familie der Lachmiten stamme, die durch die Heirath des
Adi ben Nazr mit der Schwester Dschodhaimas, Omm Amru, das
Anrecht auf den Thron von Hira bekamen. Damit könnte die Gut-
schmidsche Ansicht (Levy, p. 33), dass das Papa der jüdischen
Quellen ein Ehrenname, wie Scheikh sei, bestehen bleiben; aber
ich sehe nicht ein, warum dasselbe nicht als ein Eigenname gelten
soll, da sich ja ähnliche Namen, wie TIaniag, Tlanitav finden.
Septimius Odenatus war zweimal verheirathet. Den Namen der
ersten Gemahlin kennen wir nicht. Aus dieser Ehe stammte der
älteste Sohn desselben, Septimius Herodes, der während der persi¬
schen Kriege von 263 an als Statthalter seines Vaters in Palmyra
gebot. — Auf ihn beziehen sich die Inschriften No. 4496, 4497,
4498, 4499 im Corp. inscr. Graec. nnd nach Ritters wahrschein-
744 Oberdtck, Bemerkungen m den palmyrenischen Inschrifte».
licher Vermuthung auch Na 4485. Münzen sind weder von ihm,
noch von seinem Vater vorhanden. IJinige dürftige Nachrichten
über ihn gibt Treb. Pollio (Tr. Tyr. XV), der aber bier olfenbar
ganz falsch berichtet ist. Er schildert ihn als einen weichlichen, üppigen, wollüstigen Menschen, der den raffinirtesten griechischen
und orientalischen Genüssen ergeben gewesen sei. Sein Vater sei
ihm in blinder Liebe zugetban gewesen und habe ihm die im Kampfe
mit den Persern erbeuteten Concubinen des Königs Sapor , sowie die
Schätze und die Edelsteine überlassen. Diese Charakteristik wider¬
spricht sowohl der edlen, hochherzigen Natur des Odenat, als auch
dem, was wir aus den Inschriften über Herodes wissen. Demnach
erscheint er vielmehr als ein wackerer junger Held, der würdig war,
an der Seite seines grossen Vaters über den Orient zu herrschen.
Die höchsten Aemter der Stadt waren in jhm vereinigt (n. 4485);
als erklärter Thronfolger stand er nach römischem Muster an der
Spitze der Ritterschaar ; diese bestand aus vornehmen jungen Paimyre¬
nern, welche mit ihrem princeps iuventutis (ngoatdri^g) durch die
innigsten Bande der Freundschaft verbunden waren und sein Lob
dnrch Inschriften verkündeten (n. 4496, a. 263. 4497, a. 265. 4498,
a. 266. 4499, a. 266). Das Palmyrenische Wort «onnt*, welches
im Griechischen mit aQyanezrje wiedergegeben ist, wird vou Eich¬
horn durch aQxvßoiT:'»}? erklärt. Abgesehen nun davon, dass das
Wort seihst nicht vorkommt, ist es auch sehr unwahrscheinlich,
dass die Palmyrener dasselbe sollten so falsch geschrieben haben,
wenu sie auch, wie Longin an Porphyrins schreibt (Long. opp. ed.
Weiske, Leipz.) sehr schlechte Griechen waren. Wahrscheinlicher
ist die Levysche Erklämng durch das targumische «nopti«, welches
er mit „Vicekönig, Statthalter" erklärt. Da aber in derselben In¬
schrift der Titel Statthalter durch knixQonoq Sovxr/vdfiios ^ißaarov
gegeben ist (vgl. Sallust. Iug. 40: Micipsa pater meus moriens
praecepit uti regnum Numidiae tantunimodo procuratione meam
existumarem; Inschr. bei "Maffei, Mus. Vor. p. 234. M. Julius regis
Donni f. Cottius, praefectus civitatium, quae subscriiitae sunt.
Becker, R. A. III, 1, p. 180, n. 56), so dürfte eher in dem Worte
der Begriff „Thronfolger" enthalten sein. Zum zweiten Male war
Odenat verheirathet mit Zenobia, jenem klugen, manniiaften Weibe,
das in der Geschichte unter ihrem Gescblechte fast einzig dasteht.
Die Ehe wurde vermuthlich um das Jahr 256 n. Chr. geschlossen.
Trebellius Pollio berichtet nämlich (Trig. Tyr. 29), sie habe ihren
Gemahl Odenatus fortwährend auf seiuen persischen Feldzügen be¬
gleitet; also waren sie im Jahre 200 schon verheirathet, weil in
diesem Jabre Odenat anfing, die Perser zu bekriegen; dann wissen
wir ebenfalls durch Treb. Pollio (Tr. Tyr. 26), dass die beiden
Kinder der Zenobia von Odenat, Herennianus und Timolaus, zur
Zeit der Ermordung des Letztern noch nicht dem Knabenalter ent¬
wachsen (adhuc pueruli) waren. Daher dürfte die oben ausge¬
sprochene Annahme wohl nicht ungerechtfertigt erscheinen, dass
Oberdick, Bemerkungen zu den palmyrenischen Inschriften. 745
Odenat die Ehe mit Zenobia ungefilhr um das Jalir 25G eingegangen
sei. Die Abstammung der Zenobia ist unbekannt und von ihr selbst
mit einem glänzenden Dunkel tiberdeckt. Man rühmte nämlich ihre
Abkunft von der Semiramis oder Dido; sie selbst führte ihr Ge¬
schlecht auf Cleopatra zurück (Treb. Poll. 1. 1. 29), wesshalb sie
Flavius Vopiscus (Prob. 9) Cleopatra nennt. Petrus Seguinus (Sei.
num. III, 23 bei Renaudot, Eclaircissement etc. in den Memoires
de litterature tir6s des registres de l'Academie Royale des Inserip¬
tions et Beiles Lettres, tome sec. P. II, p. 230) sucht den Stamm¬
baum derselben herzustellen, der bis auf Cleopatra fiihrt. Ihm folgt Vaillant in seiner Dissertation sur une medaille de la Reine Zenobie,
trouvee dans les ruines de la ville Palmyre, ibid. p. 228. — Eich¬
horn hingegen behauptet nach der missverstandenen und falsch ge¬
lesenen Stelle bei Flav. Vop. c. 25: Pugnatum est post haec de
summa rerum contra Zenobiam et Zabbam, eius sociam (nach der
von mir vorgeschlagenen Verbesserung, a. a. 0. p. 746) magno
certamine, sie sei eine Tochter des Amaleqiter-Königs Amru,
Schwester der Zabba, gewesen (Fundgruben des Orients, II, p. 365),
welche Ansicht ich in meiner oben angeführten Abhandlung p. 742,
Anm. 25 widerlegt habe. Endlich meint Graetz in seiner Gescbichte
der Juden IV, p. 335, die Königin stamme aus dem Geschlechte
des Idumäers Herodes, welche wunderliche Annahme er ebeuso
wunderlich damit begründet, weil der h. Athanasius sage, sie sei
eine Jüdin gewesen (Athanas. ep. ad Sol. u. Vales, ad Euseb. hist.
eccl. VII, 30), und weil ein Sohn des Odenat, der aber aus der
ersten Ehe desselben stammt, den Namen Herodes trage. Kurz,
es ist bisher noch nichts beigebracht, um das Dunkel, welches über
dem Geschlechte der Zenobia ruht, zu lüften. Zwar berichtet
Vopiscus (Aurel. 31): PalmjTcni .. Achilleo cuidam parenti Zenobiae
parantes imperium, und in der That glaubt Seiler (Antiq. Palmyr.
übers, v. Hübner, p. 103), der Vater der Zenobia habe Achilleus
geheissen. Indessen bemerken Casaubonus in der Note zu dieser
Stelle und Selig Cassel (Glaubensbekenntniss der Zenobia in Fürst,
Literaturblatt d. Orients 1841) ganz richtig, dass mit dieser Ansicht
die Stelle bei Zosimus (I, 61) im Widerspruche stehe: uvSt Tifiw-
oiag 'Avrioyov a'^iov Öia Ti/V eiirekeicev Eivca vo^iaccg äifdijOi.
Offenbar ist der Achilleus des Vopiscus identisch mit dem Antiochus
beim Zosimus und von dem Vater der Zenobia kann das ovSi
rifiwoiug cc^iov ätd rijv evreleiav unmöglich gesagt werden.
Casaubonus meint nun, jenes parens sei nach Weise der Orientalen
für cognatus gebraucht; allein besser fassen wir es uach römischer
Weise als die Bezeichnung eines hohen Beamten und intimen Rath-
gebers der Königin, wie beim Treb. Pollio (Claud. 17) Gallienus
den Claudius parentem amicumque nostrum nennt. Zenobia hatte
von Odenat zwei Söhne, deu Herennianus und Timolaus. Ueber
ihre Schicksale weiss Treb. Pollio fast gar nichts zu erzählen;
Zenobia habe beide im Purpur der römischen Kwser öffentlich
746 Oberdick, Bemerkungen zu den palmyrenischen Insehrißen.
erscheinen lassen und Timolaus sei in der römischen Literatur sehr
bewandert gewesen. Auch über die Todesart derselben wusste man
nichts Sicheres; nach einigen, erzählt Pollio, habe sie Aurelian
tödten lassen ,. nach anderu seien sie eines natürlichen Todes ge¬
storben. Für die letztere Annahme entscheidet er sich selbst ; denn
noch zu seiner Zeit lebten Nachkommen der Zenobia in Rom (Trig.
Tyr. 26). Eben dasselbe berichtet er im Leben der Zenobia
(ibid. 29): Huic (Zenobiae) ab Aureliano vivere concessum est
ferturque vixisse cum 1 i b e r i s matronae iam more Romanae. Zu
Kaiser Valens Zeiten lebten ebenfalls noch Nachkommen der Zenobia
zu Rom (vgl. Eutrop. IX, 13), was in gleicher Weise Hieronymus
(Chron. p. 758, opp. tom. VII, ed. Paris.) von der Zeit des Honorius
überliefert. Niclit ohne Wahrscheinlichkeit vermuthet Baronius
(Annal. III, p. 196), jener berühmte Zenobius, Bischof von Florenz,
der Zeitgenosse des h. Ambrosius stamme aus jener Familie. Merk¬
würdiger Weise berichtet Zonaras, Zenobia sei zu Rom an einen
erlauchten Römer verheirathet gewesen und eine Tochter derselben
habe Aurelian zum Weibe genommen. Syncellus (p. 721 ed. Bonn.)
überliefert, der Mann der Zenobia sei Senator gewesen. Offenbar
sind dieses Alles Fabeln, deren über die letzten Schicksale der
berühmten Königin des Orients so viele im Schwang waren, wie
z. B. die Chronik des Malalas voll davon ist. Die Nachricht von
der abermaligen Verheirathung der Zenobia mag aus den missver¬
standenen Worten des Trebellius Pollio: huic .... matronae iam
more Romanae, wo der Palatinus die offenbar falsche Lesart
„huic . . . concessa est" hat, herrühren. Dass Aurelian eine Tochter der Zenobia geheiratbet haben soll, ist eine baare Unmöglichkeit,
da ja dessen Gemahlin Ulpia Severina war, die ihn überlebte (Flav.
Vop. Aur. 42. Eckhel, D. N. VII, p. 487 u. 488). Uebrigens wird
uns nirgends von einer Tochter der Zenobia berichtet, Trebellius
Pollio sagt im Gegentbeile ausdrücklich, Odenat habe bei seinem
Tode zwei noch unerwachsene Söhne hinterlassen. Dagegeu wissen
wir, dass Zenobia noch Mutter eines Sohnes, Vaballathus Athenodorus
mit Namen, war, der zugleich mit seiner Mutter als Kaiser über
den Orient herrschte. Es ist nun eine äusserst merkwürdige That¬
sache, dass von diesem Vaballathus, der ein tüchtiger Krieger ge¬
wesen sein muss, fast bei keinem Schriftsteller die Rede ist und
dass wir über seine Schicksale nicht das Geringste wissen. Um so
mehr hat sich die Phantasie einiger Historiker, nameutlich des
Vaillant in seiner Dissert, sur les medailles de Vab. 1. 1. p. 246 mit
ihm beschäftigt, der eine Art von Roman über sein Leben erdacht
Tiat (vgl. Hoyns, dissert, de Odenat. et Zenobiae rebus gestis, p. 17).
Folgendes sind die sichern Nachrichten, die wir über ihn haben:
Flavius Vopiscus sagt im Leben des Aurelian c. 38: Hoc quoque
ad rem pertinere arbitror, Babalati filii nomine Zenobiam, non Timolai et Herenniani imperium tenuisse quod tenuit. In einer andern Stelle bei Flavius Vopiscus scheint ebenfalls des Vaballathus Erwähnung
Oberdick, Bemerhungen xu den palmyrenischen Insehrißen.
tn geschehen. Es heisst hier nämlich : Pugnavit etiam contra Palmy-
reuos pro Odenati et Cleopatrae partihus Aegyptum defendentes.
Von Odenat Ifann hier nnmöglich die Rede sein, da dieser schon
mehrere Jahre ermordet war, als Prohns gegen den palmyrenischen
Strategen Zabdas in Aegypten kämpfte; daher vermuthe ich, dass
in jener Stelle Athenodori zu lesen sei. Sodann ist nur noch bei
Polemius Silvius von Vaballathus die Rede (vgl. Mommsen, Abh.
der Königl. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften III, 231. VIII,
p. 697): Aurelianus occisus. Snb quo Victoriuus, Bala et mater
eius Zenobia, vel Antiochus. Romae Felicinimus (nach A. v. Gut¬
schmid im Rh. Mus. N. F. 17, 2 für rimir fil simus.). Bala ist
offenbar eine Verstümmlung von Vaballathus. Schliesslich wird in
der von Gardner- Wilkinson (Num. Chron. IX, p. 128) mitgetheilten
Inschrift Vaballathus, dem hier der Titel aijTTi/Tog avTOXfjdrwg
beigelegt wird , ausdrücklich als Sohn der Zenobia bezeichnet :
xcü ^enTifiici Zr/voßicjC .Seßaar-^ fiTfTQi tov 2tßc(aTov ctijTTi'jTOV
ctVToy.QaTOQog OvccßaXldiiov 'Ad-riVodwQov. Diese Inschrift ist
nach der wahrscheinlichen Vermutbung von Franz (Corp. Inscr. III,
p. 1175) dem Kaiser Claudius gewidmet, wie er aus dem Beiworte
dvux^rcp mit Recht schliesst. Sie rührt wahrscheinlich aus dem
Jahre 270, welches icb aus der Bezeichnung des Vaballathus als
drjTTrjTog avtoxQUTUQ schliesse, wie ich gleich näher begründen
werde. Vaballathus herrschte zugleich mit seiner Mutter über den
Orient, wie ausser der oben angeführten Stelle von Flavius Vopiscus
die Münzen beweisen. Wenigstens folgt aus denselben, dass er von
270 bis zu dem Ende der palmyrenischen Herrschaft 273 n. Chr.
regiert habe. Woher Levy (p. 34) die Notiz hat, dass Vaballathus
271 n. Chr. gestorben sei, ist mir unbekannt. Aus dem Jahre 273
sind nämlich noch Münzen desselben mit der Jahresbezeichnung
L. Z., welches mit dem 4. Jahre des Aurelian L. J. correspondirt, vorhanden (vgl. Froehlich, de famil. Vaballathi, p. 33. Eckhel, D. N.
VII, p. 491 ff.). Die Legenden der Münzen sind schwierig zu lesen
und theilweise nocb nicht genügend erklärt; so namentlich nicht
die Zeichen auf den lateiniseben Münzen : VCRIMDR. Die alexandri¬
nischen Münzen bieten meistens die Umschrift:
AYT. CPillAC oder CP.IAC ÜTABAAvlAOOC A&HNO.
Dass AdiivoSwQog die griechische Uebersetzung des arabischen
Vaballathus sei, hat Osiander im 15. Bd. p. 396 dieser Ztschft.
nachgewiesen. Das bisher unerklärt gebliebene CPillAC habe ich
in der schon mehrfach citirten Ahhandlung not. 1 von Nim abge¬
leitet und durch 6 ijyefiwv erklärt. Auch Levy stimmt p. 15 dieser
Etymologie bei. Es muss dieses Sroias ein ähnlicher Titel gewesen*
sein, wie Caesar. Dass diese Etymologie durch das n«io iu der
IV. Palmyr. Inschrift unterstützt würde, theilte mir mein verehrter Frennd Dr. Knobloch in Breslau mit, der dasselbe von ifc ableitete,
womit auch Movers einverstanden gewesen sei. Für die Richtigkeit
dieser Ableitung zeugt auch das philistäische Wort ovip, welches
748 Oberdick, Bemerkungen zu den palmyrenischen Inschriflen.
von Ewald ebenfalls auf den Namen Tis zurückgeführt wird (Gesch.
d. Volks Israel I, p. 332). Ueber die Schicksale des Vaballathus
wissen wir gar nichts. Die Münzen desselben tragen meistens
kriegerische Embleme. Er erscheint mit der Strahlenkrone auf dem
Haupte und dem Kriegsmantel um die Schultern. Es wird seine
Tapferkeit gepriesen und ein Sieg verherrlicht, der irgendwo er¬
fochten wurde (vgl. Froehlich, 1. 1. 43. Eckhel, D. N. VII, p. 493).
Diese Typen weisen mit grosser Wahrscheinlichkeit auf die Feldzüge
hin, in denen Zenobia Aegypten theilweise eroberte. In denselben
scheint auch Vaballathus mitgekämpft zu haben und wahrscheinlich
deutet die Münze mit der Umschrift : 10 VI STATORI auf die glück¬
lich sich wendende Schlacht bei Babylon im Jahre 270, iu welcher
die Palmyrener anfänglich geschlagen, nachher durch die Terrain-
kenntniss des Aegypters Timagenes einen glänzenden Sieg über deu
sie verfolgenden Probus errangen. Hierauf bezieht sich vermuthlich das ehrenvolle Beiwort «jjttt^tos in der obeu angeführten Inschrift,
die demnach im Jahre 270 gesetzt wäre. In Folge eben dieses
siegi-eichen Kampfes scheint Zabdas, der Oberfeldherr der Königin,
der in Aegypten commandirte, den Titel ö fiiyag arQatrjXdtrig
zu führen, den er in der von Vogue zu Palmyra gefundenen Inschiift
aus dem Jahre 270 trägt. — Vermuthlich wurde Vaballathus bei
der Einnahme von Palmyra durch Aurelian gefangen, und starb auf
dem Rückmärsche desselben nach Europa in der Gegend von Byzanz.
Da es nämlich feststeht, dass er im Jahre 273 noch regierte, so
dürfte er wohl „der Sohn der Zenobia" sein, von dem es bei
Zosimus I, 59 heisst, dass er unter den gefangenen Paimyrenern
gewesen wäre, die von Aurelian mit nach Rom geführt wurden.
Nun aber wurde er in dem Triumphe, den der siegreiche Aurelian
im Jalire 274 hielt, nicht mit aufgeführt. Flavius Vopiscus nämlich, dem bei der Beschreibung desselben augenscheinlich ein delaillirter
Bericht eines Augenzeugen vorlac. i»ennt nur den Tetricus, dessen
Sohn und die Zenobia. Also muss Vaballathus auf dem Marsche
gestorben sein. Es deuten auch alle Nachricbten der Schriftsteller
auf eiu trauriges Ereigniss hin, welches die Familie der Zenobia
auf ihrer Reise nach Rom traf. Dahin gehören namentlich die Er¬
zählung von der Hinrichtung der Kinder des Odenat durch Aurelian
beim Trebellius Pollio und die merkwürdige Nachricht, die sich
beim Zosimus a. a. 0. findet, wonach Zenobia unterwegs gestorben
sei uud die übrigen Gefangenen mit Ausnahme des Sohnes der
Zenobia bei der Ueberfahrt von Chaicedon nach Byzanz ins Meer
gestürzt wären. Auch Zonaras sagt: oi öi y.a& oSov avTipi
'ß-avüv Xiyovai, nsoia?,yr'jac<aav dm n)v T?/e Tvyi/g fisraßoh'jv.
Es kann darnach keine Frage sein, dass hei der Reise nach Rom
und vermuthlich bei der Ueberfahrt nach Byzanz ein Unglücksfall
eintrat, dem ein Theil der gefangenen Palmyrener imd darunter
wahrscheinlich Vabalhthus, an dessen Stelle später durch irgend
ein Missverständniss seine Mntter Zenobia gesetzt wurde, zum Opfer
Oberdick, Bemerkungen zu den palmyreniechen Inschriften. 749
fielen. Es muss hier nun noch die Frage nach der Abstammung
des Vaballathus kurz berührt werden. Trebellius Pollio berichtet,
wie wir oben sahen, dass Odenat bei seinem Tode zwei unerwachseue Kinder hinterlassen habe, den Herennianus und Timolaus. Vaballathus
wird hingegen stets als Sohn der Zenobia bezeichnet und niemals
angegeben, dass Odenat sein Vater gewesen sei. Daraus können
wir wohl mit Sicherheit scbliessen, dass auch Odenat sein Vater
nicht gewesen sei. Ist dieses aber der Fall, so muss Zenobia schon
früher verheirathet gewesen sein und aus dieser Ehe einen Sohn,
nämlich den Vaballathus , erzielt haben. Zwar nimmt Madden
(Athenaeum No. 1832, p. 737) an, jenes OvaßaXXd&ov 'Aß-r/vo-
SwQov auf der von Wilkinson publizirten Inschrift sei zu erklären:
„des Vaballathus, des Sohnes des Athenodorus". Dieses sei aber nach
Langlois die griechische Form für den arabischen Namen Odheynah.
Aus den Münzeu folge ferner, dass noch ein zweiter Athenodorus
zu unterscheiden sei, namentlich aus der auch von Eckhel beschriebe¬
nen Münze: AYPHAIANOC — AQHNOJilPOC, welchen er
für den Sohn des Odenatus von einer unbekannten Frau hält. Hier¬
nach constituirt derselbe den Stammbaum des Odenat, wie ihn auch
Levy p. 34 mitgetheilt hat. Es ist indessen keine Frage, dass alle
diese Münzen mit der Legende OYABAAAAßOC A&HNOY,
oder AOHNY oder AQHNO oder bloss A&HNOJSiPOC,
wie auch Miounet annimmt, einem und demselben Vaballathus
Athenodorus zuzuschreiben sind, da die Jabresbezeichnungen auf
allen gleichmässig mit den Jahren des Aurelian correspondireu und
Athenodorus die griechische Uebersetzung des arabischen Vaballathus ist *). In jener Inschrift aber „Vaballathus, des Sohnes des Atheno¬
dorus" zu übersetzen, dafür liegt kein Grund vor, da in diesem
Falle der Artikel wohl nicht fehlen würde. Der Vater des Vaballathus
mnss aber ans der palmyrenischen Königsfamilie gewesen sein, weil
es bei der bekannten Verehrung der Orientalen gegen ihr Herrscher¬
haus undenkbar gewesen wäre, dass die Palmyrener durch eine
Revolution ihren ruhmvollen Kaiser Odenat und dessen Sohn Herodes
gestürzt und ruhig geduldet hätten, dass eiu ihnen fremdes Herrscher¬
haus den Thron bestieg, zumal nocb legitime Sprossen desselben
am Leben waren. Nun trägt Vaballathus den Namen des ' Urgross¬
vaters des Odenat. Oben haben wir es wahrscheinlich zu machen
gesncht, dass Septimius Airanes der ältere Bruder des Odenat ge¬
wesen sei, der vermuthlich mit seinem Vater dem Streben desselben
zum Opfer fiel, Palmyra unabhängig von den Römern zu machen.
Dieser Septimius muss der erste G«mahl der Zenobia und Vater
1) Eigenthümlich ist die Münze des Vaballathus, die Levy p. 15 nacb Langlois bescbreibt;
Arr. cpäiAC oTABAAAAeoc HNorr l. ä.
Leider ist mir die Nnmismatique des Arabes avant l'islamisme nicbt zugänglicb, so dass ich mich über dieses HNOTT nicht weiter informiren itonnte.
Bd. xvni. 49
750 Oberdick, Bemerhungen zu den palmyrenischen Inschriften.
des Vaballathus gewesen sein. Odenat hätte also demnach die
Witwe seines Bruders geheiratbet. Nehmen wir diese Hypothese
an, dann fällt ein klares Licht ^ auf die merkwürdigen Ereignisse in
Emisa im Fillhlinge des Jahres 267, wo Odenat mit Herodes, dem
erklärten Thronfolger, ermordet wurde, indem sich ein Theil des
Heeres gegen sie empörte. Olfenbar war Zenobia dem Morde nicht
fremd, wie auch Trebellius Pollio andeutet. Vaballathus, ihr Sohn
aus erster Ehe, war der legitime Thronfolger ; er sollte durch Herodes,
den Sohn des Odenat, verdrängt werden. Dieses suchte Zenobia
zu hintertreiben ; sie wusste die Rachsucht des leidenschaftlichen
Maeonius und das Nationalgefühl der Palmyrener im Heere für ihre
Zwecke zu benutzen und ihr Plan gelang. Nach der Ermordung
ihres Gemahls und des verhassten Herodes und nachdem der eitle
Maeonius, der für sie nur Mittel zur Erreichung ihrer Absichten
gewesen war, aus dem Wege geräumt war, bestieg sie selbst mit
ihrem Sohne Vaballathus deu blutbefleckten Thron des Orients. —
Es bleibt uns nun noch Maeonius zur Besprechung übrig, der
Mörder des Odenat. Er wird von Zonaras dSekcpönaii; des Odenat
genannt; danach war. er der Sohn eines zweiten Bruders desselben.
Es gestaltet sich also hiemach der Stammbaum des Geschlechts
folgendermassen :
Nasores I Vaballathus I Airanes
I Septimius Odenatus
t 256 (?) J
i . I I
Septimius Airanes — Zenobia Septimius Odenatus Imp. ? ?
t 256 (?) t 267
T :
Vaballathus Athenodorus Imp.
t 273 (?)
Herennianus — Timolaus (Airanes)
I I
Septimius Herodes Maeonius
t 267 + 267
751
Beiträge zur syrisehen Literatur aus Rom.
Von Dr. P. Plns Zingerle.
I.
Zur syrischen Metrik.
(Fortsetzung von Bd. XVH, 8. 687 ff.)
Mit grosser Freude ersah ich ans der Anmerkung zu S. 687
des letzten Jahrgangs unserer vielumfiassenden Zeitschrift, dass mein
erster Beitrag aus Rom zur syrischen Metrik willkommen war; ich
gehe daher mit Vergnügen an die Fortsetzung dieser Arbeit. Nach¬
dem ich in meiner ersten Liefernng im Allgemeinen von der Ein¬
richtung des kleinen metrischen Codex gesprochen, will ich nun
etwas genauer über die einzelnen Capitel Bericht erstatten. Wie
schon oben Bd. XVII, S. 688 erwähnt' wurde , handelt der Verfasser
in der I. Classe von jenen JJ—o, in denen je 2 Verse zu Einem
Metrum verbunden werden. Zuerst werden toni nach dem Metrum
Jacobs von Sarug aufgeführt, der bekanntlich seine Gesänge im
viersylbigen Metrum verfasste und zwar Strophen von 4 bis zu
12 Versen. Ein Paar Strophen mögen als Probe hier stehen:
1. Abschied von der Welt
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Zeitliche Wohnung,!
Lebe wohl in Frieden;
Denn ich scheide, zu schauen Jene ewige dort.
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