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Wenn der Darm niemals Ruhe gibt

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130 DIE PTA IN DER APOTHEKE | April 2018 | www.diepta.de

M

orbus Crohn ist

eine häufig in Schüben verlau- fende, chronische Entzündung des Verdauungstrak- tes. In Europa tritt M. Crohn mit einer jährlichen Häufigkeit von 0,7 bis 9,8 pro 100 000 Personen auf,

unabhängig vom Geschlecht und meist zwischen dem 15. bis 35.

oder dem 60. bis 80. Lebensjahr. In Deutschland leiden aktuell rund 300 000 Personen an M. Crohn. Da die Neuerkrankungen in den letz- ten Jahren deutlich zugenommen haben, wird vermutet, dass die ver-

mehrte Aufnahme bestimmter Le- bensmittel-Emulgatoren verant- wortlich sein könnte.

Überfordertes Immunsystem Ärzte des Mount Sinai Hospitals in New York beschrieben die Erkran- kung erstmals im Jahr 1932. Lange ging man von einer Autoimmuner- krankung aus, doch nun deuten die Forschungsergebnisse auf eine ver- minderte Funktion des angeborenen Immunsystems hin. Aufgrund der ge- störten Abwehrfunktion können sich Bakterien an die Darmschleimhaut anheften und diese sogar durchdrin- gen. So kommt es zu einer überschie- ßenden Immunaktivierung, sowohl des angeborenen als auch des er- worbenen Abwehrsystems. Ob sich M. Crohn manifestiert, hängt aber auch von der genetischen Ausstat- tung ab. Personen mit einer Variante des NOD2-Gens haben ein signi- fikant erhöhtes Krankheitsrisiko.

Eine verminderte Funktion des NOD2-Proteins, das in den Zellen Bakterienbestandteile aufspürt und bindet, ist bei 30 Prozent der M.

Crohn-Patienten ausgeprägt.

Bei der Krankheitsentstehung spielen auch Umweltfaktoren eine Rolle, dar- unter besonders das Rauchen. Infek- tiöse Bakterien oder Viren, die M.

Crohn direkt verursachen, wurden bisher nicht gefunden. Doch der kom- plexe Verband der Darmbakterien, die so genannte intestinale Mikrobiota, spielt im Verlauf der Erkrankung eine Rolle. Das Bakterienspektrum ist we- niger divers, epithelbindende bezie- hungsweise epitheldurchdringende Bakterien nehmen zu.

Wenn der Darm niemals Ruhe gibt

© animaflora / stock.adobe.com

PRAXIS CHRONISCH-ENTZÜNDLICHE DARMERKRANKUNGEN

Sowohl bei Morbus Crohn, als auch bei der Colitis ulcerosa ist die Darmschleimhaut entzündet und das Bakterienspektrum verändert.

Die Symptome sind jedoch unterschiedlich.

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Colibakterien in der Schleim- haut Man stellte fest, dass bei M.

Crohn die mit der Mukosa assoziier- ten Escherichia coli-Bakterien er- höht sind, während weniger schleim- bildende Faecalibacterii Prausnitzii vorliegen. Interessant ist, dass sich E.

coli in Bakteriophagen vermehren, was zur Bildung von Granulomen und Gewebeneubildungen aufgrund von Entzündungen, führt. Die Coli- bakterien gelangen dann über M- Zellen, immunrelevante Zellen in der Dünndarm-Wand, in den Kreislauf. Das geschieht über die Peyer’schen Plaques, Lymphfollikel in der Darmschleimhaut, die zum darmassoziierten Immunsystem ge- hören.

Prinzipiell kann jeder Teil des Ver- dauungstraktes entzündet sein, von den Lippen bis zum After. Dennoch sind das Ende des Dünndarms und der Dickdarm am häufigsten betrof- fen. Im Mastdarm ist die Entzün- dung typischerweise deutlich ver- mindert. Da alle Gewebeschichten betroffen sind, verdickt die Darm- wand und das Darmlumen wird ver- engt. Zu Beginn ist M. Crohn rein entzündlich, während sich später als typische Komplikationen nar- bige Stenosen und Darmfisteln be- ziehungsweise Abszesse ausbilden.

Zwischen den entzündeten Darm- abschnitten befinden sich Schleim- hautbereiche, die völlig unauffällig sind – ein besonderes Charakteris- tikum für M. Crohn. Darüber hin- aus kann die Entzündung auch auf zahlreiche Organe außerhalb des Verdauungstraktes übergreifen. Oft kommt es zu Hautrötung, Augen- entzündung, Arthritis in den Gelen- ken oder Hepatitis.

Durchfall und Bauchschmerzen Die typischen Symptome bei M.

Crohn sind Diarrhoe (89 Prozent), Abdominalschmerzen beziehungs- weise Druckgefühl im rechten Un- terbauch (87 Prozent), Gewichtsver- lust (60 Prozent) und Fieber (25 Prozent). Nur bei 27 Prozent treten Blutbeimengungen im Stuhl auf, dann ist meist der Dickdarm befal-

len. In der Labordiagnose wird auf Entzündungszeichen untersucht (u. a. C-reaktives Protein, Leukozy- tose), wobei das fäkale Calprotein ein sehr empfindlicher Screening-Pa- rameter ist. Die komplette diagnos- tische Einordnung erfolgt durch Anamnese, Klinik, Labor, Kolosko- pie, Histologie und Bildgebung. Bei M. Crohn ist das Risiko für eine Os- teoporose (durch Steroidtherapie, Resorptionsprobleme und Kalzium- Verluste) sowie von Thromboembo- lien erhöht.

Wie behandeln? Akut, zur Symp- tomabschwächung, kommen syste- mische Steroide zum Einsatz. Die langfristige Anwendung wird jedoch zunehmend kritisch gesehen, denn der Schaden (v. a. Osteoporose und erhöhtes Sepsisrisiko) ist größer als der Nutzen. Eine gute Alternative bei mildem bis moderatem Verlauf ist Budenosid. 90 Prozent des Steroids werden in der Leber metabolisiert, sodass deutlich schwächere systemi- sche Nebenwirkungen zu erwarten sind. 5-Aminosalicylsäure hemmt die Entzündung lokal an der Darm- schleimhaut. Immunsupprimierend wirkt 6-Mercaptopurin. Biologicals wie Infliximab binden den Tu- mor-Nekrose-Faktor, der für die Aufrechterhaltung der Entzündung wichtig ist. Hochaktuell ist die Be- handlung mit Integrin-Antagonis- ten, beispielsweise Vedolizumab.

Der Wirkstoff blockiert die Adhä- sion am α4β7-Integrin, ein Protein, an das Lymphozyten binden, die Entzündungsprozesse vermitteln.

Zur Einleitung einer Remission ist schließlich auch eine enterale For- muladiät wirksam.

Naturheilkunde und Ernährung Morbus Crohn kann begleitend na- turheilkundlich behandelt werden.

So modulieren Probiotika die Darm- mikrobiota, die als pathophysio- logischer Faktor gilt (E. coli Nissle, 200 mg täglich). Allerdings sollten Probiotika nicht in der akuten Ent- zündungsphase eingesetzt werden, das zeigten neueste Erkenntnisse.

Heilpflanzenextrakte (Bittere Schlei- fenblume, Angelikawurzel, Ka- millenblüten, Kümmelfrüchte, Ma- riendistelfrüchte, Melissenblätter, Pfefferminzblätter, Schöllkraut und Süßholzwurzel) fördern die Darm- motilität (3 x 20 Tropfen täglich). Im Hinblick auf die Ernährung sollte man sich im akuten Schub ballast- stoffarm ernähren und blähende Nahrungsmittel meiden. Bei einem leichten Schub hat sich Heilfasten nach Mayr mit Gemüsebrühe statt Milch bewährt, allerdings ohne begleitende Abführmaßnahmen.

Wichtig ist der völlige Verzicht auf das Rauchen, Stress sollte möglichst gemieden werden. Besonders wäh- rend des akuten Schubes ist die aus- reichende Flüssigkeitszufuhr essen- ziell, und es sollte der Vitamin- und Mineralstoffhaushalt beachtet wer- den. Gegen Bauchschmerzen hilft ein Heublumensack oder heißer Leibwickel.

Ist Vorbeugung möglich? Cha- rakteristisch für M. Crohn ist die vermehrte Anheftung beziehungs- weise das Eindringen bestimmter E.

coli-Bakterien in das Darmepithel.

Daraufhin untersuchte man kom- plexe Nahrungsglykane auf die Fä- higkeit, die Anheftung der Bakterien zu hemmen. Dabei zeigte sich, dass lösliche Pflanzenfasern aus der Kochbanane und aus Brokkoli die größte Wirksamkeit besaßen, die auf die Pektinfraktion zurückzuführen war. Diese so genannte „kontrabio- tische“ Wirkung von Pflanzenfasern könnte sogar ein interessantes Er- gebnis der Nurses Health-Studie er- klären. Darin wiesen Frauen mit einer hohen Aufnahme von Ballast- stoffen aus Obst nur ein etwa halb so großes Risiko auf, später an M. Crohn zu erkranken. ■

Dr. rer. nat. Christine Reinecke, Diplom-Biologin

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | April 2018 | www.diepta.de

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