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Entscheidungen - Restitutionsausschluß für Rückübertragungsansprüche von Verfolgten des NS-Regimes mit GG Art 14 und Art 3 Abs 1 vereinbar

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Aktie "Entscheidungen - Restitutionsausschluß für Rückübertragungsansprüche von Verfolgten des NS-Regimes mit GG Art 14 und Art 3 Abs 1 vereinbar"

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1 Bundesverfassungsgericht

- 1 BVR 1579/95 - - 1 BVR 495/96 -

In den Verfahren über

die Verfassungsbeschwerden I. des Herrn S...,

gegen a) das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Mai 1995 - BVerwG 7 C 19.94 -, b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin

vom 22. November 1993 - VG 31 A 19.93 - - 1 BVR 1579/95 -,

II. 1. der Frau D..., 2. der Frau F..., 3. der Frau W...,

gegen a) den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Januar 1996 - BVerwG 7 B 17.96 -, b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin

vom 12. Oktober 1995 - 22 A 191.94 - - 1 BVR 495/96 -

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Papier

und die Richter Grimm, Hömig

gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntma- chung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 17. Februar 1999 einstimmig be- schlossen:

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Geltung des Restitutionsausschlusses nach § 4 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Buchstaben b und c des Vermö- gensgesetzes (VermG) für Rückübertragungsansprüche von Verfolgten des NS-

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7 Regimes nach § 1 Abs. 6 VermG.

I.

Die Beschwerdeführer begehren als Rechtsnachfolger jüdischer Eigentümer nach

§ 1 Abs. 6 VermG die Rückgabe je eines im Ostteil Berlins belegenen Grundstücks.

1. Nachdem die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer wegen der nationalsozia- listischen Verfolgungsmaßnahmen, denen sie ausgesetzt waren, Deutschland ver- lassen hatten, wurden die Grundstücke von der Geheimen Staatspolizei auf der Grundlage der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (RGBl I S. 83) beschlagnahmt. Gemäß § 2 und § 3 Abs. 1 der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 (RGBl I S.

722) verfielen sie dem Deutschen Reich.

Nach 1945 wurden das Grundstück des Verfahrens 1 BvR 1579/95 auf der Grundla- ge der Verordnung über den Aufbau Berlins vom 18. Dezember 1950 (Verordnungs- blatt für Groß-Berlin I S. 379), das Grundstück des Verfahrens 1 BvR 495/96 nach dem Aufbaugesetz der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. September 1950 (GBl S. 965) in Anspruch genommen und - ohne Festsetzung einer Entschädigung - in Volkseigentum überführt. Später wurden sie zu Gemeingebrauchszwecken und im komplexen Wohnungsbau verwendet.

2. Die Anträge der Beschwerdeführer auf Rückübertragung der Grundstücke wur- den abgelehnt. Auch mit ihren Klagen vor den Verwaltungsgerichten hatten die Be- schwerdeführer keinen Erfolg.

a) Im Verfahren 1 BvR 1579/95 hat das Bundesverwaltungsgericht die Revision ge- gen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts (VIZ 1994, S. 353 = ZOV 1994, S. 210) im wesentlichen aus folgenden Gründen zurückgewiesen (vgl. BVerw- GE 98, 261):

Zwar sei die Konfiskation des streitgegenständlichen Grundstücks eine Maßnahme im Sinne von § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG. Der Anwendung dieser Vorschrift stehe nicht entgegen, daß der durch die 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz angeordnete Vermögensverfall als unwirksam anzusehen sei. Das Vermögensgesetz wolle auch derartige Vermögensentziehungen des NS-Staats wiedergutmachen und erfasse auch solche Vermögenswerte, die dem Rechtsinhaber zumindest faktisch entzogen worden seien. Der Restitutionsanspruch sei aber nach § 4 Abs. 1 Satz 1 in Verbin- dung mit § 5 Abs. 1 Buchstaben b und c VermG ausgeschlossen. Das Verwaltungs- gericht habe zu Recht die Ausschlußgründe der Widmung zum Gemeingebrauch und der Verwendung im komplexen Wohnungsbau bejaht. Sie seien auch auf Ansprüche nach § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG anwendbar. Diese Vorschrift begründe erstmals Rück- übertragungsansprüche für diejenigen, denen durch NS-Verfolgungsmaßnahmen auf dem Gebiet der späteren Deutschen Demokratischen Republik und des sowjetischen Sektors von Berlin Vermögen entzogen worden sei. Dort habe es bis zum Erlaß des Vermögensgesetzes keine Wiedergutmachungsgesetzgebung gegeben, die den in

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10 den westlichen Besatzungszonen und Sektoren Berlins und später in der Bundes-

republik Deutschland geltenden Wiedergutmachungsgesetzen gleichwertig gewesen wäre. Deshalb habe das Vermögensgesetz mit § 1 Abs. 6 auch nicht an bereits be- stehende Rückübertragungsansprüche anknüpfen können, sondern solche konsti- tutiv begründet. Dabei habe der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien zwar eine möglichst weitgehende Anlehnung an die alliierten Rückerstattungsrege- lungen, aber nicht deren generelle Übernahme gewollt.

Der durch § 5 VermG angeordnete Restitutionsausschluß sei auch insoweit verfas- sungsrechtlich unbedenklich, als er Entziehungsmaßnahmen im Sinne von § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG betreffe. Ein enteignender, nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG zulässiger Eingriff in das Eigentum sei darin nicht zu sehen. Beim Inkraft- treten des Vermögensgesetzes und dessen anschließender Übernahme in die ge- samtdeutsche Rechtsordnung seien keine durchsetzbaren vermögenswerten Rechtspositionen mehr vorhanden gewesen, die in den Schutzbereich des Art. 14 GG hätten gelangen können. Gegenteiliges könne nicht aus der Nichtigkeit der durch die 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz herbeigeführten Konfiskationen abge- leitet werden. Die alliierten Rückerstattungsgesetze hätten sich ausschließliche Gel- tung für alle in Betracht kommenden Rückerstattungsansprüche zugemessen, unab- hängig von der etwaigen Nichtigkeit der Entziehungsmaßnahme. Im ordentlichen Rechtsweg hätten Ansprüche auf Herausgabe von Vermögenswerten nur geltend ge- macht werden dürfen, wenn sie auf nicht verfolgungsbedingte Gründe gestützt gewe- sen seien. Entscheidend sei gewesen, daß die Entziehungsmaßnahme dem Reich zumindest den Schein des Eigentums verschafft und den Vermögensgegenstand dem Verfolgten tatsächlich entzogen gehabt habe. Von diesen Grundsätzen habe der Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGHZ 16, 350 lediglich für den besonderen Fall eine Ausnahme zugelassen, daß der durch eine nichtige Verfallserklärung entzo- gene Vermögensgegenstand ohne jede Veränderung der ihn betreffenden tatsächli- chen Verhältnisse erhalten geblieben sei und der Verfolgte deshalb auf ihn habe zu- greifen können. Eine solche Situation sei bei Vermögensgegenständen, die sich bei Kriegsende auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone befunden hätten, nicht gegeben gewesen. Der außerhalb dieses Gebiets lebende NS-Verfolgte habe keiner- lei Möglichkeit gehabt, auf sein Vermögen zuzugreifen.

Auch sonst bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 5 VermG.

Im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums und im Hinblick auf die Erfüllung der neuen Aufgaben, die sich aus dem Wiederaufbau in den neuen Bundesländern ergäben, habe der Gesetzgeber mit dem Restitutionsausschluß gemäß § 5 Abs. 1 VermG sicherstellen dürfen, daß bestimmte tatsächliche oder rechtliche Veränderun- gen in der Nutzung der entzogenen Grundstücke, die nicht oder nur unter erhebli- chen Schwierigkeiten rückgängig gemacht werden könnten, aufrechterhalten blei- ben.

b) Im Anschluß an diese Entscheidung hat das Verwaltungsgericht auch die Klage der Beschwerdeführer des Verfahrens 1 BvR 495/96 abgewiesen. Die daraufhin er-

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16 hobene Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht zurückge-

wiesen, weil die aufgeworfenen Rechtsfragen mit Rücksicht auf das Urteil BVerwGE 98, 261 keinen Klärungsbedarf ergäben.

II.

Mit ihren Verfassungsbeschwerden wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Entscheidungen des Verwaltungs- und des Bundesverwaltungsgerichts.

1. Sie verletzten Art. 14 Abs. 1 und 3 GG.

Zu Unrecht hätten die Gerichte die Rückübertragung der streitgegenständlichen Grundstücke mit der Begründung abgelehnt, die Restitution sei gemäß § 5 Abs. 1 Buchstaben b und c VermG ausgeschlossen. Diese Regelungen stellten bei NS-Ge- schädigten einen unzulässigen Eingriff in bestehende Eigentumsrechte dar.

§ 1 Abs. 6 VermG habe Ansprüche für NS-Verfolgte nicht konstitutiv begründet. Ein materieller Eigentumsverlust sei durch NS-Verfolgungsmaßnahmen nicht eingetre- ten. Soweit eine Beschlagnahme nach der Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 erfolgt sei, bestehe im Unrechtsgehalt kein Unterschied zu Entziehungen nach der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz, die zu keinem wirksamen Eigentumsverlust geführt hätten. Auch im Zusammenhang mit den Rück- erstattungsgesetzen der drei Westalliierten, die in der sowjetischen Besatzungszone und späteren Deutschen Demokratischen Republik nicht gegolten hätten, seien die Eigentumsansprüche ihrer Rechtsvorgänger nicht untergegangen. Durch die Inan- spruchnahmen nach dem Aufbaugesetz sei das Grundeigentum ebenfalls nicht ent- zogen worden, weil sie sowohl nach dem Recht der Bundesrepublik als auch nach DDR-Recht nichtig seien.

Aus dem Fortbestand der Eigentumsrechte folge, daß der Gesetzgeber bei der Re- gelung über Vermögensschäden von NS-Verfolgten die Eigentumsgarantie des Art.

14 GG habe berücksichtigen müssen. Für die Wiedergutmachung von NS-Unrecht im Hinblick auf noch vorhandene Vermögenswerte habe ein Anspruch auf Rückgabe schon aufgrund der alliierten Rechtsvorschriften bestanden. In der Vereinbarung vom 27./28. September 1990 mit den drei Westmächten habe sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, die Grundsätze der inneren Rückerstattung fortgelten zu lassen. Die Interpretation der §§ 4 und 5 VermG durch die Verwaltungsgerichte stehe dazu in eklatantem Widerspruch und führe für die Beschwerdeführer zu einer Enteig- nung. Diese sei wegen Fehlens einer ausreichenden Entschädigungsregelung unzu- lässig.

2. Art. 3 Abs. 1 GG sei ebenfalls verletzt. Es sei nicht sachgerecht, NS-Verfolgte und DDR-Geschädigte gleichzubehandeln und die §§ 4 und 5 VermG auf beide Gruppen anzuwenden. Dabei werde verkannt, daß es sich vom Ausmaß und Grad des erlittenen staatlichen Unrechts her um völlig verschiedene Schädigungssach- verhalte handele.

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23 III.

Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie wer- fen weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen auf (vgl. § 93 a Abs. 2 Buch- stabe a BVerfGG) noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt bezeich- neten Grundrechte angezeigt (vgl. § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

1. Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.

Die Ansicht der Verwaltungsgerichte, beim Inkrafttreten des Vermögensgesetzes und dessen anschließender Übernahme in die gesamtdeutsche Rechtsordnung hät- ten die Beschwerdeführer keine durchsetzbaren vermögenswerten Rechtspositionen innegehabt, in die durch die Regelungen dieses Gesetzes hätte eingegriffen werden können, und § 1 Abs. 6 VermG habe für Restitutionsansprüche des darin genannten Personenkreises konstitutive Bedeutung, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstan- den. Im einzelnen ergibt sich dies aus den Ausführungen im Beschluß der Kammer vom 21. Oktober 1998 - 1 BvR 179/94 - (EuGRZ 1998, S. 689).

Ebenfalls keinen Bedenken begegnet die Annahme der Verwaltungsgerichte, daß es nicht gegen das Eigentumsgrundrecht verstößt, Grundstücke und Gebäude, deren Verlust auf Maßnahmen im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG beruht, gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Buchstaben b und c VermG von der Rückübertragung auszuneh- men, wenn sie nach ihrer Inanspruchnahme - wie hier - dem Gemeingebrauch gewid- met oder im komplexen Wohnungsbau oder Siedlungsbau verwendet wurden.

Zwar geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, daß Restitutionsansprüche nach dem Vermögensgesetz unbeschadet ihrer rechts- und sozialstaatlichen Wur- zeln (vgl. BVerfGE 84, 90 <126>) den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießen (vgl.

BVerfGE 95, 48 <58>). Das gilt auch für Ansprüche nach § 1 Abs. 6 VermG. In eine danach bestehende vermögenswerte Rechtsposition ist jedoch durch § 4 Abs. 1 Satz 1 und § 5 Abs. 1 Buchstaben b und c VermG nicht eingegriffen worden. Diese Vor- schriften waren wie § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG schon in der Ursprungsfassung des Vermögensgesetzes enthalten und sind infolgedessen gleichzeitig mit der An- spruchsnorm des § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG in Kraft getreten. Der Rückübertragungs- anspruch nach dieser Regelung ist deshalb von vornherein nur mit den Beschränkun- gen in den Schutzbereich des Art. 14 GG gelangt, die sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 und

§ 5 Abs. 1 Buchstaben b und c VermG ergeben. Die Annahme einer nachträglichen Einschränkung des Anspruchs durch diese Vorschriften, sei es auf der Grundlage des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, sei es nach Art. 14 Abs. 3 GG, ist danach ausgeschlos- sen.

2. Die angegriffenen Entscheidungen stehen auch im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß das Verwaltungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht in den Ausgangsverfahren auf die Rückübertra-

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27 gungsansprüche der Beschwerdeführer die Ausschlußregelungen des § 4 Abs. 1

Satz 1 und des § 5 Abs. 1 VermG angewandt und damit NS-Geschädigte und ihre Rechtsnachfolger wie Personen behandelt haben, die ihren Restitutionsanspruch aus Maßnahmen des DDR-Unrechts herleiten.

a) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegen- stand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzge- ber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßig- keitserfordernisse reichen. Bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung (vgl. BVerfGE 55, 72

<88>). Dies gilt auch dann, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittel- bar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Das Bundesverfas- sungsgericht prüft dann im einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 82, 126 <146>; 88, 87 <96 f.>).

Bei der Wiedergutmachung von Unrecht, das - wie dasjenige im Sinne des § 1 Abs.

6 VermG und das unter der Herrschaft der Deutschen Demokratischen Republik erlit- tene - eine dem Grundgesetz nicht verpflichtete Staatsgewalt zu verantworten hat, hat der Gesetzgeber allerdings einen besonders weiten Gestaltungsspielraum (vgl.

BVerfGE 13, 31 <36>; 13, 39 <43>; 84, 90 <125 f., 130 f.>; vgl. außerdem zur Bewäl- tigung von Kriegsfolgelasten BVerfGE 71, 66 <76>). Das entbindet ihn zwar bei der näheren Ausgestaltung der von ihm beabsichtigten Wiedergutmachungsregelungen nicht schlechthin von der Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes (vgl.

BVerfGE 13, 39 <43 ff.>; 84, 90 <128 ff.>). Doch ist die Gleichheitsbindung nicht in der selben Weise strikt und eng, wie dies bei der Ungleichbehandlung von Personen- gruppen sonst regelmäßig der Fall ist. Es reicht vielmehr aus, wenn die Wiedergut- machung wenigstens in ihrer grundsätzlichen Ausgestaltung dem Gerechtigkeitsge- bot entspricht (vgl. BVerfGE 27, 253 <286>).

b) Gemessen daran begegnet es im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, daß der Gesetzgeber die vermögensrechtliche Wiedergutmachung des NS-Unrechts im Beitrittsgebiet unter den Vorbehalt des Restitutionsausschlusses nach § 4 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 VermG gestellt und insoweit zum Teil anders geregelt hat, als dies in der Nachkriegszeit im alliierten Rückerstattungsrecht und im Bundesrückerstattungs- gesetz für die nach diesen Regelungen Berechtigten geschehen ist.

Ziel des Gesetzgebers des Vermögensgesetzes war es, für den Verlust von Vermö- genswerten aufgrund von Maßnahmen einerseits der nationalsozialistischen Gewalt- herrschaft und andererseits der DDR-Staatsgewalt eine möglichst einheitli-che Rege- lung zu treffen (vgl. BTDrucks 12/2480, S. 36; 12/2944, S. 50). Das galt auch hinsichtlich der in § 4 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 VermG geregelten Ausschlußtatbestände, bei deren Vorliegen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 des Entschädigungsgesetzes und § 1 Abs. 1 des NS-Verfolgtenentschädigungsgesetzes,

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28 beide vom 27. September 1994 (BGBl I S. 2624 und 2632), statt Naturalrestitution

Entschädigung verlangt werden kann. Motiv für dieses Regelungskonzept war er- sichtlich nicht, NS- und DDR-Unrecht qualitativ zu bewerten oder gar auf eine Stufe zu stellen. Der Grund für die im wesentlichen übereinstimmende Behandlung der bei- den Betroffenengruppen mit der Folge einer vom westlichen Rückerstattungsrecht der Nachkriegszeit teilweise abweichenden Wiedergutmachungsregelung lag viel- mehr in der besonderen politischen und wirtschaftlichen Lage Deutschlands im Zeit- punkt der Wiedervereinigung. Sie unterschied sich von derjenigen nach dem Zu- sammenbruch des Deutschen Reiches, mehr als 40 Jahre nach diesem Ereignis, elementar dadurch, daß zwei grundlegend verschiedene Rechts-, Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme zusammenzuführen waren.

Dieser Zusammenschluß konnte nach den Grundsätzen, die die beiden deutschen Regierungen in der Gemeinsamen Erklärung zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 (BGBl II S. 1237) für den Bereich des Vermögensrechts vereinbart haben (vgl. Präambel Abs. 2 der Erklärung), nur auf der Grundlage einer sozial ver- träglichen Lösung gelingen, die die im Beitrittsgebiet gewachsenen rechtlichen und sozialen Strukturen nicht unberücksichtigt ließ, sondern in den notwendigen Interes- senausgleich einbezog (vgl. Neuhaus, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neu- haus, Vermögensgesetz <Stand: August 1997>, § 1 Rn. 131; Fieberg/Reichenbach, ebd., § 4 Rn. 11; Wasmuth, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Band II <Stand: Januar 1998>, § 1 VermG Rn. 148). Dies gilt nicht nur im Fall des redlichen Erwerbs rechtsstaatswidrig entzogener Vermögenswerte durch Dritte, dem der Gesetzgeber nach Maßgabe der Regelungen in § 4 Abs. 2 und 3 VermG den Vorrang vor dem Restitutionsinteresse der früheren Eigentümer und ih- rer Rechtsnachfolger eingeräumt hat (vgl. dazu BVerfGE 95, 48 <58 f.>). Es trifft viel- mehr auch auf die hier in Rede stehenden Ausschlußtatbestände des § 4 Abs. 1 Satz 1 und des § 5 Abs. 1 Buchstaben b und c VermG zu, durch die der Eckwert in Nr. 3 Buchstabe a der Gemeinsamen Erklärung konkretisiert worden ist. Auch sie bringen nach der ihnen zugrunde liegenden, verfassungsrechtlich unbedenklichen Vorstel- lung des Bundesgesetzgebers die widerstreitenden Interessen der Alteigentümer ei- nerseits und der Verfügungsberechtigten sowie der Allgemeinheit andererseits in ei- nen sozialen, auf die Schaffung von Rechtsfrieden gerichteten Ausgleich, indem sie in der Zeit der Deutschen Demokratischen Republik entstandene Fakten, wie sie die Inanspruchnahme von Grundstücken und Gebäuden zu Gemeingebrauchszwecken oder für den komplexen Wohnungsbau darstellen, nicht rückgängig machen und die Betroffenen auf Entschädigungsansprüche verweisen (vgl. Hellmann, in: Fieberg/

Reichenbach/ Messerschmidt/Neuhaus, a.a.O., § 5 Rn. 1 f.; Dietsche, in: Kimme, Of- fene Vermögensfragen, § 1 VermG Rn. 288 <Stand: Oktober 1997>; Wasmuth, a.a.O., § 5 Rn. 4 und 6; Koch, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 4 VermG Rn. 2 <Stand: April 1995>; Spielmann, ebd., § 5 VermG Rn. 4 <Stand: April 1995>). Es liegt im Rahmen der legislativen Gestaltungs- freiheit und ist wegen der gleichen tatsächlichen Betroffenheit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß der Bundesgesetzgeber diese Einschätzung auch für

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30 Grundstücke und Gebäude vorgenommen hat, auf die sich Ansprüche nach § 1 Abs.

6 VermG richten. Wie der in § 4 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 VermG geregelte Restitutionsausschluß selbst ist deshalb die Entscheidung, an dem Per- sonenkreis des § 1 Abs. 6 VermG begangenes NS-Unrecht nicht allgemein nach den Regeln des alliierten und westdeutschen Rückerstattungsrechts, sondern grund- sätzlich wie DDR-Unrecht nach den auf die spezifischen Bedürfnisse der Wiederver- einigung zugeschnittenen Regelungen des Vermögensrechts wiedergutzumachen, sachlich ausreichend gerechtfertigt.

3. Im übrigen wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung ab- gesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Papier Grimm Hömig

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Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. Februar 1999 - 1 BvR 1579/95

Zitiervorschlag BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. Febru- ar 1999 - 1 BvR 1579/95 - Rn. (1 - 30), http://www.bverfg.de/e/

rk19990217_1bvr157995.html

ECLI ECLI:DE:BVerfG:1999:rk19990217.1bvr157995

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