© Hochschule München. Architektur Fakultät. Darstellende Geometrie und Architekturperspektive. Teil I
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Inhalt : Das Skript erläutert Grundkenntnisse zu den Themenbereichen :
. die Architekturdarstellung . Senkrechte Projektionen . Schräge Projektionen . Zentrale Projektionen
der Darstellenden Geometrie und Architektur- perspektive, die in den Vorlesungen vertieft und durch aktualisierte Übungen ergänzt werden.
Die Überlegungen im Teil I beschränken sich auf ebenflächig begrenzte Körper und werden im Teil II durch die Themen :
. Körper mit gekrümmten Flächen . Spiegelung und
. Schatten, ergänzt.
Die verschiedenen Themenbereiche im Skript finden Sie entweder über das Inhaltsverzeich- nis (Seite 2), das alle Themen, der Seitenzahl folgend, auflistet oder über das Indexverzeichnis (Seite 89), das einzelne Stichworte des Lauftex- tes, in alphabetischer Reihenfolge, darstellt.
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5. Auflage 2007
© Prof. Dipl.Ing. S.H. Bucher
© Hochschule München. Architektur Fakultät. Darstellende Geometrie und Architekturperspektive. Teil I
Inhaltsverzeichnis
die Architekturdarstellung 3 die Darstellungsarten im Überblick 8 die Projektionsarten 9 Senkrechte Projektionen. allgemein 10 Kotierte Projektion 11 Zweitafelprojektion 12 Punkt. Umklappung der Bildtafeln 3 Punkt. Lage im Raum 4 Punkt in der Symmetrie- und in der Koinzidenzebene 15 Beliebige Gerade 6 Wahrer Winkel und wahre Länge einer Geraden. Grundrißklappung 17 Aufrißdrehung oder Mongsche Drehung 8 Besondere Geraden 9 Zwei beliebige Geraden 20 Zwei sich schneidende Geraden 2 Allgemeine und besondere Lage einer Ebene 22 Besondere Geraden einer Ebene. Höhenlinie, Frontlinie und Fallinien 23 Punkt und Ebene 24 Drei - Punkte - Ebene 25 Abstand eines Punktes von einer Ebene 26 Wahre Größe und Neigung des Abstandes von einer Ebene 27 Durchstoßpunkt einer beliebigen Geraden durch eine Ebene 28 Durchstoßpunkt einer beliebigen Geraden durch zwei Ebenen. Pendelebenenverfahren 29 Punkt und Gerade spannen eine Ebene auf 30 zwei sich schneidende Ebenen. Schnittgerade 3 Wahrer Winkel zwischen zwei Ebenen 32 Wahre Größe einer Ebene. Konstruktion mit Stützdreieck 33 Wahre Größe einer Ebene. Konstruktion mit hilfsprojizierender Ebene 34 Der Körperschnitt des Zylinders und die Affinität 35 Der Körperschnitt des Kegels und die Kollineation 36 Körperschnitt mit Hilfe der Durchstoßpunkte 37 Körperschnitt mit Hilfe der 3. Projektion 38 Arten von Durchdringungen 39 Durchdringung und Höhenebenenverfahren 40 Durchdringung und Mantelebenenverfahren 4 Durchdringung und Parallelebenenverfahren 42 Durchdringung und Pendelebenenverfahren 43 Durchdringung und Pendelebenenverfahren 44 Durchdringung und Pendelebenenverfahren 45 Abwicklung mit Hilfe der Höhenzuordnung 46
Abwicklung mit Hilfe des Querschnittes 48
Abwicklung einer Pyramide über die Spitze 49
Schräge Projektionen oder Axonometrien allgemein 50
Konstruktionsverfahren. Das Einschneideverfahren 52
Grundrißaxonometrie 54
Grundrißaxometrie 55
Aufrißaxonometrie 56
Aufrißaxonometrie 57
DIN 5 58
Din 5 59
Isometrie 60
Isometrie 6
Senkrechte Axonometrie. allgemein 62
Senkrechte Axonometrie. in der Zeichenebene 63
Zentrale Projektionen oder Perspektiven. allgemein 64
Zentrale Projektionen oder Perspektiven 65
Zentralperspektive. Übereckperspektive. Perspektive bei geneigter Bildebene 66
Begriffe 67
Verzerrung 68
Klappung 69
Elemente der Perspektive. Darstellung eines Punktes 70
Darstellung einer Geraden. Tiefenlinie 71
Darstellung einer im Grundriß beliebigen Geraden 72
Darstellung einer im Raum beliebigen Geraden 73
Die Höhenübertragung 74
Die perspektive Anlage. Grundrißanlage 75
Bildebene und Augpunkt. Skalierung 76
Spur und Bildebene 77
Horizont und Spur 78
Objektgrundriß und Augpunkt 79
Konstruktionsverfahren. Perspektive aus zwei Rissen 80
Zentralperspektive mit Distanzpunkten 8
Übereckperspektive mit Meßpunkten 82
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Vier Aspekte
1 Die Architekturdarstellung verweist auf den Be- deutungsgehalt der Architektur selbst.
" Kunst ist individuelle Wahrnehmung. Diese Wahr- nehmung wandle ich ins Gefühl und verlange vom Intellekt, daß er daraus ein Werk macht. Die Zeich- nung steht am Anfang der Wahrnehmung." ( Zitat P.
Cezanne )
" Der Künstler ist der Schöpfer seiner selbst und seiner Umgebung. Die Zeichnung ist das unmittelbarste Medi- um des denkenden Handeln."
( Zitat J. Beuys )
Die Zeichnung als Instrument der Wahrnehmung von Architektur - wie Cezanne sagt - und Zeichnen als "
denkendes Handeln " - wie Beuys sich ausdrückt - , sind am Werk der Architektur wesentlich beteiligt.
Die Zeichnung vermag uns zu zeigen, worauf die Form verweist.Vielleicht ist es auch die Leichtigkeit der Zeichnung, die sie in besonderem Maße befähigt die Schwere der materialen Form zu erhellen.
Den Zusammenhang von Zeichnung und Bedeutung in der Historie darzustellen, geht nicht aus von der Idee, nach einer umfassenden Typologie zu suchen, die sich heute verwenden ließe.
Die Idee ist veranlaßt durch ein Mißfallen an der Moderne, die der Zeichnung den Charakter der Büro- zeichnung gibt und sie instrumentalisiert.
(Heute - wie Jean Nouvel sagt - sind die Spiele, die uns begeistern, viel weniger visueller als vielmehr geistiger Natur....????)
Vielleicht vermag ein kurzer Blick auf historische Bei- spiele der Architekturzeichnung die geistige Natur der Architektur selbst erschließen und Hinweise geben für Darstellungsmöglichkeiten heute.
Die Zeichentheorie hilft uns die Frage, was die Zeich- nung kommuniziert und mit welchen Mitteln, genauer zu erläutern.
Dazu eine kurze Vorbemerkung :
Alle Kulturphänomene -wie die Kleidung, die Esskultur, die Sprache oder eben auch Architektur und ihre Dar- stellungsformen können als Zeichensysteme interpre- tiert werden, die mit den Begriffen der Semiotik näher erläutert sind. Die Semiotik untersucht die Entstehung, den Aufbau und die Wirkungsweise von Zeichen und Zeichenkomplexen, Teilgebiete der Semiotik sind : die Syntaktik, die Semantik und die Pragmatik.
Die Syntaktik beschreibt die Zeichen und die Bezie- hung der Zeichen zueinander. z.B in der Architektur das Thema: Fenster und Fensterreihung. Sie ist eine formale Untersuchung, die die Analyse und den Ver- gleich ermöglicht.
Die Semantik frägt nach dem Objektbezug des Zei- chens, oder nach der Beziehung zwischen Zeichen und Bezeichnetem, also nach der Zeichenbedeutung.
Die Zuordnung eines Zeichen zu seiner Bedeutung geschieht dabei aufgrund konventioneller Setzungen.
z.B. die Farben der Verkehrsampel bedeuten ...
Zwischen dem Ding und dem Wort, das dieses Ding repräsentiert besteht kein ursächlicher Zusammen- hang.
Interpretieren wir Architektur als Zeichensystem, so kann dieses je nach Bezugsebene sowohl ein geschlossenes, als auch ein offenes System darstel- len. Die architektonischen Elemente oder Zeichen, wie, Fenster, Wände, Stützen, Dach, Treppe, Tür, sind dabei immer Teile eines geschlossenen Zeichensy- stems, da sie gewöhnlich auf ihre Gebrauchsfunktion hinweisen, also eindeutig festgelegt sind :
eine Tür dient als Ein- oder Ausgang, eine Treppe verbindet zwei Ebenen, Wände oder Stützen haben tragende Funktionen.
Auf der anderen Seite können jedoch architektonische Zeichen auch einem offenen System angehören, denn sie haben auch symbolische Bedeutungen, die über die reine Funktion hinausweisen und deren Gehalt in verschiedenen historischen Epochen ganz unterschiedlich sein kann. So ist die Scheintür eines ägyptischen Grabes aus dem 3. Jahrtausend v.Chr.
eben nicht nur die Vortäuschung einer Tür, sondern sie symbolisiert auch die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits und das Portal einer gotischen Kathedrale bezeichnet nicht nur einen Eingang, sondern wird zum gleichnishaften " Tor des Himmlischen Jerusalem ".
Die Pragmatik erläutert den Anwendungsbereich , den Zusammenhang zwischen der Absicht und der Wirkung eines Zeichens im Gebrauch.
Die niederländische Genremalerei und insbesondere die sog. Architekturporträts des 6. Jhdt. geben Anlaß nach den pragmatischen Aspekten der Zeichnung zu fragen. Steenwijk ist ein Spezialist dieses Genres. Mit hoher Detailgenauigkeit stellt der Maler diesen unver- wechselbaren Ort dar.
Bsp.. Steenwijk, Architektur Porträt 1583
Das Bild ist heute wesentlicher Teil unserer Kenntnis nicht nur der Kirche, sondern der Zeit. Das zeichneri- sche Mittel dieser Raumillusion, ist neben der Licht und Farbperspektive, die lineare Perspektive, die das Ge- sehene in besonderer Weise, durch den Fluchtpunkt, mit dem Auge des Betrachtenden verknüpft. Dabei ver- liert die Darstellung der Kirche jede Unschuld, weil wir dem Blick des Betrachtenden zur rechten Säulenreihe folgen, der Fluchtpunkt ist aus der Mitte gerückt und der Raum selbst in einer Übereckperspektive darge- stellt. Das Auge das den Raum erschließt, ist innerlich nicht mehr dem Altar zugeordnet.
Der Kirchenraum wird der Ort des Flaneurs.
Ist das noch der Blick des andächtig Gläubigen ?
2 Die Art der Darstellung und die Art der Architek- tur sind wesensbedeutsam miteinander verknüpft.
" Die Perspektive darf, als eine jener "symbolischen Formen" bezeichnet werden, durch die ein geistiger Bedeutungsinhalt an ein konkretes sinnliches Zeichen geknüpft und in diesem Zeichen innerlich zugeeignet wird, und es ist in diesem Sinne für die einzelnen Kunstepochen und Kunstgebiete wesensbedeutsam, nicht nur ob sie Perspektive haben, sondern auch wel- che Perspektive sie haben. " ( Zitat E. Panofsky ) Von der gotischen Rißzeichnung des 3.Jhdts bis zu den barocken Idealskizzen ist die Architekturdarstel- lung im Wesentlichen geprägt von ihrem konstruktiven Charakter und ihrer Aufgabe als technisches Hilfsmit- tel.
(Abgesehen vielleicht von den sog. Expektoratio- nen der Frührenaissance nach 469, die Piero della Francesca (1415.20 - 1492) zugeschrieben werden. "
Prospekte einer idealen Stadt " wo Architektur - sich selbst genügend, erschreckend leer und leblos, den Umständen des alltäglichen Lebens enthoben und zum überpersönlichen Ideal stilisiert, dargestellt ist. Die Vermutung Louis Vives von 1532 "... die Schönheit der Bilder sollte den Frauen helfen, schöne Kinder zu empfangen und zu gebären ..." gibt vielleicht einen
Hinweis auf den Ort, wo diese Bilder zu sehen waren, aber weniger auf dessen Aussage.)
Erst ab der Mitte des 8.Jhdts., angeregt durch die Arbeiten von Piranesi, wird die Architekturdarstellung zum Spiegel der räumlichen Konzeption der Architek- tur. Hatte die Barockarchitektur ein organisches Bau- prinzip, das Ineinandergreifen der einzelnen Bauteile gefordert, so wird dieses Prinzip im Klassizismus durch eine blockhafte Baugliederung ersetzt. Ähnlich der Re- naissancearchitektur bedient sich der Klassizismus der Sprache geometrischer Grundformen. Prägnantesten Ausdruck findet diese Verwendung einfachster geo- metrischer Körper in der sog. Revolutionsarchitektur, wo diese Formen ins Monumentale und Symbolhafte gesteigert werden.
Bsp. Etienne Louis Boullee (1728-1799). Kenotaph für Isaak Newton. 1784
Bei den Entwürfen des Revolutionsarchitekten Boullee ist allerdings die Symbolik nicht mehr göttlichen Ur- sprungs, sondern sie wird, der Zeit der Aufklärung und des Rationalismus entsprechend, zum Ausdruck eines rationalen, natürlichen, vom Menschen beherrschbaren Kosmos.
Bsp. Claude-Nicolas Ledoux (1736-1806): Werkstatt der Reifenmacher
Claude-Nicolas Ledoux: Haus der Flußinspektoren der Loue In Ledoux's Entwürfen für die Häuser der " Reifenma- cher " und der
" Flußinspektoren " weisen die architektonischen Formen auf die Tätigkeiten der jeweiligen Bewohner hin, indem sie die Gegenstände, mit denen sich diese Tätigkeiten befassen, direkt abbilden. Das Haus als Zeichen stimmt mit dem was es darstellt nahezu überein.
Diese direkt ablesbare Ikonografie finden wir auch in der Architekturdarstellung.
Bsp.P.Speeth, Entwurf für Totendenkmal, 1807
Durch ein starkes, dramatisches Hell/Dunkel der Zeich- nung ist der Vanitas - Charakter der architektonischen
die Architekturdarstellung
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Ein weiterer Kritikpunkt, ebenfalls von Jencks formu- liert richtet sich gegen die univalente, die einwertige Form.
Bsp. Ludwig Mies v.d. Rohe 1886 -1968. IIT-Gelände.
Modell 1940-52
Bsp. Ludwig Mies v.d. Rohe 1886 -1968. Lake shore drive Apartments. Chicago 1948 - 51
Es ist besonders Mies van der Rohe, den Jencks angreift.
Zitat : " Die gesamte Frage der Eignung des Dekors für einen bestimmten Bautypus, die jeder Architekt von Vitruv bis ins 19. Jhdt. diskutiert hat, ist durch Mies' Universalgrammatik und Universalmißachtung des Ortes und der Funktion ungültig geworden."
Seine Kritik betrifft die gesamte Moderne und die Konsequenzen, die Jencks für die Weiterentwicklung der Architektur fordert, ist die Wiederbelebung symbo- lischer Bezüge der gebauten Form und eine vielfältige, vielschichtige, regional verschiedene und vom "genius loci" geprägte Sprache der Architektur.
Das Team um den Amerikaner Robert Venturi.
geb.925
hat in den Büchern "Complexity and contradiction in Architecture" und "Learning from Las Vegas" ihre Vorstellungen von Architektur beschrieben.
" ... ich mag eine teilweise kompromißlerische Archi- tektur mehr als eine puristische, eine verzerrte mehr als eine stocksteife, eine vieldeutige mehr als eine artikulierte ... ich ziehe eine vermurkste Lebendigkeit einer langweiligen Einheitlichkeit vor. Dementspre- chend befürworte ich den Widerspruch, ich vertrete den Vorrang des " sowohl - als - auch ".
Damit plädiert Venturi für eine formale und bedeu- tungshafte Komplexität, für eine Architektur der Zei- chen und Symbole, die die Postmoderne kennzeich- net. Wie Venturi bedenkt z.B. der deutsche Architekt Oswald Mathias Ungers geb.926 das Vokabular der Architektur neu. Er geht in seinen theoretischen Über- legungen von der Voraussetzung aus, daß es gewisse architektonische Grundideen gibt, die in unterschied- lichen Ausdrucksformen zu unterschiedlichen Zeiten wiederkehren und ähnlich den Wortbegriffen der Spra- che ein Grundvokular von architektonischen Zeichen bilden. Da dieses Grundvokabular elementarer Natur ist, sind diese Ideen in allen geschichtlichen Epochen gleichermaßen aufzufinden.
Aus diesem Grundgedanken heraus entwickelt Ungers die Konzeption einer " Architektur der Erinnerung ". Er fordert bei jeder Bauaufgabe Respekt vor den kulturel- len Vorbildern und Rücksichtnahme auf den Geist des Ortes, - er fordert eine Architektur, die sich aus dem Kontext der jeweiligen historischen Umstände erklärt.
Dies ist eine deutliche Absage an die Architektur des Konzeption erläutert, die Bewegtheit der Zeit finden wir
in der Atmosphäre des Himmels wieder ... ein Gewit- ter zieht auf, die leichte Untersicht der Darstellung verweist auf die Stellung des Betrachtenden gegen- über den Elementen, überall steckt ein Verweis ... Die Zeichnung ist die Projektion einer Vorstellung und wir wissen daß auch die Architektur meist Vorstellung geblieben ist.
Technisch im Wesentlichen beeinflußt durch die Ecole de Beaux Arts, der Pariser Schule für Architektur, dient die Zeichnung seit 1850 der individuellen Vermittlung.
Die perspektive Darstellung unterstreicht die individuel- le Wahrnehmung.
Das Hinweisen auf den Bewohner, den Besitzer, den Zweck eines Gebäudes und dessen Gebrauch ist ein Charakteristikum der repräsentativen Architektur des 9.Jhdts. Das Bürgertum ohne eigenen Stil, verwendet Formen und Stilmerkmale vergangener Epochen zur eigenen Repräsentation. Wir sprechen vom Zeitalter des Ekklektizismus oder Historismus.
Bsp. Perspektive Rathaus Augsburg, Theodor Fischer 1886
Bsp. Charles Garnier. Opernhaus, Paris,1861-74 Bsp. Thomas Ustick Walter. Gefängnis Moyamensing, Philadelphia, 1835
Durch das gesamte 9.Jhdt. zieht sich eine Fülle von Neo - Stilrichtungen,
Neo-Gotik, Neo-Renaissance, Neo-Barock, usw., die aufgrund ihrer spezifischen Zeichenfunktionen auf ganz bestimmte Gebäudetypen angewandt werden.
Besonders bei den öffentlichen Bauten entwickelte sich eine relativ einheitliche Bedeutungsdoktrin, die er- klärte, welcher Stil für welchen Bautyp und für welche Funktion der richtige sei.
Bsp. die sog. Bildungsarchitektur der Wiener Ringstra- ße Die Architekturdarstellung ist ebenso vereinbart und deren ästhetische Qualität wird gemessen an den Vorgaben der Pariser Schule.
Die Antwort auf das Formgebaren des 9. Jhdt. kommt von Seiten der Ingineure und führte zur Entwicklung der Moderne, die im Internationalen Stil der 20er Jahre ihren Höhepunkt erreichte.
Bsp. Kristallpalast London. 1851 Joseph Paxton Bsp. Eifelturm Paris 1889
Bsp. Bauhausgebäude in Dessau. 1925/26 Walter Gropius 1883 - 1969
Diese Architektur glich einem Fanal.
Bsp. Corbusier, Plan Voisin für Paris, 1925 Modell Photo aus dem Dokumentarfilm "Lárchitecture dàujourd`hui" 1931
Ihre Elemente waren industriell gefertigt und seriell montiert.
Der Kristallpalast z.B. hatte eine Grundfläche, die 4 mal größer als der Petersdom in Rom war. Dabei waren die Elemente, die sich zu dem Formnetz fügten, eher klein. (die größte Glasscheibe, die damals herge- stellt werden konnte, war 1.20 lang)
Diese neue Architektur ohne Ornament, diese Archi- tektur aus weißen Kuben, Stahl und Glas war eine Polemik gegen all das, was dem 9.Jhdt. als heilig galt. Sie richtete sich gegen Denkmalsfunktion, gegen Symbolik, gegen alle nationalen und folkloristischen Überlieferungen. Die Form sollte pragmatisch als Pro-
Damit schien vordergründig jeder semantische Bezug aus der Architektur verbannt. Der Beginn der Moderne zeigt aber auf der anderen Seite eine starke Sehnsucht nach inhaltichen Bezügen. Die De-Stijl Bewegung in Holland, die großen Einfluß auf die Entwicklung ausübte, versucht, vielleicht wie die Renaissance, das Universelle im Räumlichen zu erfassen. Hier tritt uns jedoch ein ganz neues, von den Naturwissenschaften geprägtes Raumgefühl gegenüber, nicht mehr der all- seits geschlossene Kasten der Renaissance, sondern ein offenes, von dynamisch verbundenen Flächen erzeugtes Kontinuum, das Innen und Außen verbindet.
Prägnantesten architektonischen Ausdruck findet die- ses neue Raumgefühl bei Mies van der Rohe.
Bsp. Deutscher Pavillon für die Weltausstellung in Bar- celona. 1929 Ludwig Mies van der Rohe (1886-1868) Bsp. Theo van Doesburg 1883-1931 , und C. van Eesteren : Studie für ein Wohnhaus, 1923
Bsp. Gerrit Thomas Rietveld (1888-1964): Haus Schrö- der, Utrecht, 1924
Hier versteht sich Architektur in Beziehung zu einer kosmischen Ordnung, jedoch nicht als Analogie - so wie die Kuppel des Kenotaph für Isaac Newton das Universum meinte - sondern im Sinne einer realen Verbindung zum universellen Raum.
In der Architekturdarstellung der Moderne finden wir diese universelle Sicht durch die Parallelprojektion repräsentiert. Durch die Vorstellung der Parallelität der Projektionsstrahlen, wird die Bezeihung von Objekt und Abbildung eine Beziehung, die unabhängig vom betrachtenden Auge existiert. Die getuschte Bürozeich- nung und die axonometrischen Darstellungsarten sind in der Moderne - mit dem Anspruch der Allgemeingül- tigkeit - Programm.
An diesem Punkt formuliert 96 der englische Architekturhistoriker Charles Jencks (geb. 939) den Verlust der Symbolik in der Architektur, die für ihn allein Identifikation von Benutzer oder Betrachter mit dem Gebauten herstellt.
Die emotionale Bezugnahme, die Besetzung gebau- ter Strukturen mit Gefühlswerten aufgrund historisch - vermittelter oder erlernter Codes sei jetzt nicht mehr möglich. Es könne durch den Wegfall traditionell und regional bestimmter Architekturformen so etwas, wie das Gefühl "zu Hause zu sein" nicht mehr aufkommen.
Jencks hatte bei der Zeichnung die fehlende Hand- schrift bemängelt.
(Bsp. In ähnlicher Weise argumentiert auch der Sozio- loge und Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich. geb.
1908 in dem Buch " Die Unwirtlichkeit unserer Städte"
von 968)
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Wissenschaftler sagen, daß am Anfang das Glas war (ein unerhörtes Material, denn es ist Materie und Transparenz zugleich !), daß dann das Spiegelglas, das Plexiglas, die transparenten Kunststoffe kamen und daß wir schließlich die Bildröhre haben. Wie könn- te ein Architekt von dieser Materie nicht angesprochen werden, wie er zu Zeiten des Glaspalast vom Glas gefesselt war? Was für eine Architektur und welch eine Revolution!
So wird heute das Bild zum Material für Architektur.
Nouvel dazu :
Ich sage immer, daß sich die Architektur im Sinne der Erzeugung von Bildern nicht den unzählbaren, fabelhaften Bildern entziehen kann, die im Laufe der Jahrhunderte geschaffen wurden. Ich behaupte auch - und damit will ich meinen Beruf nicht aufgeben -, daß in der Architektur eine Tendenz zur Zweidimensiona- lität besteht. Dieses Spiel mit Durchlässigkeiten, mit Rastern, mit integrierenden Fassadenteilen ...
Virilio ergänzt den Satz :
Ja, In deiner Art zu arbeiten sehe ich Spuren dieser Idee eines materialisierten Bildes. Du brauchst geistige Bilder, um die Fassade zu erzeugen.
(Vielleicht denkt Virilio an die Fassaden des Institute de Monde Arabe von Nuovel)
Das ist sehr erhellend: die Bilder erzeugen Architektur, sie sind das bevorzugte Material der Architektur, aber nicht in einer metaphorischen Art, sondern konstitutiv, also unmittelbar bedingend.
Nouvel :
Das Programm kannst Du immer lösen; das ist ein bei- läufiges Problem. Ich beginne zwar immer dort, aber sobald ich weiß, was ich zu bearbeiten habe, ist es das Konzept - oder mit deinem Wort, das Bild - das die Form lenkt. Aber im Moment sind wir - die Architekten - dabei, nur zu stottern und zu stammeln. Du könntest in meinen Arbeiten ein Dutzend Projekte finden, die die Mittel erforschen, ein Bild zum Gerinnen zu bringen und glaubwürdig zu machen; in Bezug auf ein umfas- sendes Konzept, einen Raum, eine Bedeutung.
Im Augenblick verwenden wir die Bilder, ohne ihre wahren Leistungen und Anwendungen allzu gut zu kennen, ein bißchen wie die ersten Menschen, die mit Steinen bauten!
Unter den großen Ereignissen, die dieses Jahrhundert geprägt haben, war das erstaunlichste die Direktüber- tragung der ersten Mondlandung. Wir waren dort, ohne wirklich dabei zu sein !
Virilio :
Genau. Die Vorstellung ist real, wie im Kino.
Dazu fällt mir folgendes Beispiel ein. Ein befreundeter Regisseur erzählte:
Ich sollte eine Szene drehen, in der ein Mann mit einem Auto vorfährt und in den fünften Stock eines Hauses muß, um seine Verlobte zu küssen. Er kam Die Kollonaden, das Forum, ein Atrium und die wieder-
holten Symmetrien zitieren die Formensprache der Villa Hadriana. Tivoli 8-34 v.Chr.
Die Zeichnung besticht durch eine feine Linearität, die es vermeidet expressiv oder in irgendeiner Weise sub- jektiv zu sein. Die Zeichnung gibt der Erinnerung und dem Bedeutungsgehalt der Architektur Raum.
Bsp. Ungers, O.M.Wettbewerbsentwurf für die Deut- sche Botschaft im Vatikan
Wie Ungers setzt Aldo Rossi (1931 - 1997) auf die Kenntnis historischer Bezüge. Rossi, der sich selbst als Rationalist bezeichnet, bezieht sich auf eine Architekturrichtung der zwanziger und dreißiger Jahre, die ''Archittetura Razionale"in Italien, die wegen ihrer Verbindung zum italienischen Faschismus umstritten ist.
Die Rationalisten forderten den Gebrauch einfachster Mittel in der Architektur, die Reduzierung der Formen auf wenige grundlegende Typen. Sie suchten nicht nach den individuellen, sondern nach d e n Formen, die sich im Laufe einer langen Geschichte als Zeichen und Ordnungsmittel eines städtischen Gefüges herausge- biltdet haben.
Er überträgt eine reduzierte Typologie der Stadt auf die Typologie des Gebäudes.
Rossi schreibt :
" In meinen Wohnhausentwürfen beziehe ich mich auf die grundlegenden Typen des Wohnens, die sich in einem langen Prozeß gebildet haben. So ist aufgrund der Analogie zur Stadt jeder Korridor eine Strasse, der Hof ist ein Platz und ein Gebäude reproduziert die Orte der Stadt."
( s. Josef Frank, das Haus als Weg und Platz, 1931)
Zitat aus dem Memento von Manfred Sack in DIE ZEIT 38. 1997
"... Eigentlich, so dachte man einst, war Rossi ein Glücksfall: Er zeichnete, er dachte über das, was er tat und was um ihn herum geschah, nach, er erkundigte sich mit rührender, manchmal wie nach Halt suchender Beflissenheit in der Baugeschichte und ließ alles in vielerlei Tätigkeiten
Bsp. Rossi, Aldo, Bedeutungsskizze mit Fischgrundriß 1980
zusammenfließen: als Architekt, Theoretiker, Hoch- schullehrer und Redakteur von Casabella. Und ziemlich plötzlich, kurz nachdem 1966 sein Buch über die „Architektur der Stadt" herausgekommen war, schwärmte die ganze, vor allem die junge Fachwelt von ihm: ein Denker! ..."
Wichtig war ihm, wie man neu und zugleich in der historischen Erinnerung bauen könne, zumal da es in der Baugeschichte alles doch schon einmal und oft ge- nug in Vollendung gegeben habe. Sein Rationalismus war nicht der der menschenfreundlichen Funktionali- sten vom Neuen Bauen der zwanziger Jahre, sondern ein rigide auf die Form reduzierter, ausgenüchterter, aufs Elementare zielender Rationalismus. In seinen Entwürfen herrscht eine Leere, eine denkmalhafte symbolische Überhöhung einfacher Grundformen, die an die monumentalen Gebäude Boullees und die rätselhafte und beängstigende Welt der Bilder Giorgio de Chiricos erinnert.
Bsp. Entwurf für einen Friedhof in Modena, 1971, Bsp. Rathaus von Mailand Muggio
Bsp. Massengrab eines Friedhofs San Cantaldo Bsp. Das berühmte schwimmende vier- und achteckige
„Welttheater" aus Holz in Venedig 1979, ein Riesen- spielzeug.
Bsp. Schönstes Bauwerk des Pritzker-Preis Trägers.
Der wunderbar feierliche Friedhof in Modena Bsp. Das Rathaus von Borgoricco
Bsp. Das praktischste der Iba-Wohnbau in Berlin, Bsp. Das gelungenste das Bonnefanten-Museum in Maastricht. )
Die Eigenwilligkeit mancher frühen Bauten Bsp. der weiße StahlbetonWohnbau im Mailänder Viertel Gallaratese 2, ein 182 Meter langer, 12 Meter breiter, dreistöckiger Riegel, mit seinem gewaltigen Säulenentree von erschlagender Monumentalität.
Nein, kein wohnliches Wohnhaus sondern abstrakte Urbanität.
ist heute auf einmal weit imponierender als der Po- pulismus seiner jüngsten Bauten, (namentlich auf der Berliner Architekturspielwiese: historistisch, knallbunt, grob - ondulierter Kleinkram. Da ist nun alles ins Gegenteil verkehrt: Turbulenz statt Strenge, Interes- santheit statt Askese.)
Die Zeichnungen Rossis - die beide Aspekte seiner Architektur beleuchten - beziehen sich auf die Tradition der " pittura metaphisica ".
Er wählt meist eine perspektive Darstellung, die auf den ersten Blick ein Interesse an der Raumillusion weckt. Näher betrachtet ist die gesamte Figur merk- würdig verwunden und durch kein übergeordnetes Konstruktionsprinzip vereinheitlicht. Die Bildkonstrukti- on ist durch mehrere Fluchtpunkte auf verschiedenen Höhenniveaus gegeben.
Die Architekturdarstellung steht in der Tradition der Zeichnung, die den Bildcharakter betont (wie die Zeich- nung der Revolutionsarchitektur) und das sichert ihr eine gewisse Autonomie und künstlerische Eigenwer- tigkeit.
Inwieweit sie am Prozeß der Formfindung strukturell beteiligt ist, steht in Frage.
3 Die Architekturzeichnung ist selbst Material der Architektur
Paul Virilio im Gespräch mit Jean Nouvel.
Virilio :
Heute steht die Frage nach den Beziehungen zwi- schen Materie und Bild !
(gemeint ist hier das digitale Bild von Architektur)
Ist das Bild Materie? Ich bejahe die Frage. Ich würde
antworten, daß man nicht länger von Materie sprechen
kann, und dabei das Bild außer acht läßt. Schon heute
ist das Bild d i e Materie des architektonischen Ent-
wurfs, morgen wird das Bild die Materie der Architektur
selbst sein. Das bedeutet nicht, daß es von Bildschir-
men nur so wimmeln wird, sondern daß man sich nicht
mehr mit dem Opaken und dem Transparenten - als
Differenz - zufrieden geben wird.
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also mit dem Auto, hielt an, öffnete die Tür, stieg aus und schloß sie, ging drei Stufen hinauf, öffnete die Tür des Gebäudes, schloß sie wieder, trat ein, kam zum Aufzug, rief ihn, öffnete die Tür, schloß sie wieder, drückte auf den Knopf, fuhr in die fünfte Etage, öffnete, ging hinaus, schloß die Tür. Er klingelte, das Mädchen öffnete und sie küßten sich. Meine Frage war nun: Wo soll ich schneiden? Wo muß man schneiden, damit man das alles versteht ?
Und die Antwort : Der Mann öffnet die Tür des Wa- gens, schließt sie wieder, aber bevor er sie zuschlägt, blickt er nach oben und zeigt so dem Zuschauer, wo seine Verlobte ist. In dem Augenblick, wo die Tür des Autos zuschlägt, öffnet sich die Wohnungstür und sie küssen sich. -
Gut - so werden Filme gebaut. Aber wie soll man Architektur machen ?
mit den geistigen Bildern des Benutzers von Architek- tur ?
Bsp. Gehry , Frank O., Skizze "Ginger und Fred", Prag 1996
frägt Virilio sich selbst und er antwortet sich auch gleich :
Wir werden sparsamer mit Bildern umgehen können, weil wir mit den subjektiven und virtuellen Bildern des Benutzers bauen werden. Der angesprochene sparsamere Umgang mit Bildern geschieht ja nicht zum Nachteil des Benutzers, im Gegenteil: er bezieht seine geistigen Fähigkeiten mit ein. Man muß mit ihnen arbeiten, mit seinen Kenntnissen der Stadt, des Films, des Fernsehen ...
4 Die Architekturdarstellung ist widersprüchlich Parallelprojektion, Perspektive und Freies Zeichnen
- dimensionalen Erfahrungsraumes und gehorcht den Gesetzen der 2- Dimensionalität.
Eine Architekturzeichnung ist zunächst ein Werkzeug der Verständigung.
Sie soll etwas aussagen über den zu realisierenden Bau, soll bestimmte seiner Eigenschaften — Größe, Lage, Gestalt, Fügung, Material usw. beschreiben, sei es durch Ähnlichkeitsbezüge der Darstellung oder symbolische Zeichen. Im Prinzip ist sie übersetzbar in andere Maßstäbe, andere Techniken , andere Farben.
Es geht bei dieser Zeichnung nicht um ihre eigene
"materiale Qualität", ihr Wert liegt nicht in ihr selbst.
Die in der Architekturdarstellung am häufigst verwen- dete Darstellungsart ist die sog. PARALLELPROJEK- TION.
Bsp. Herzog & de Meuron, Sammlung Goetz, Mün- chen 1995
Dieses "Sehen durch Papier" ist eine gedankliche Beziehung zwischen Betrachter, Objekt und Bildflä- che, die unterschiedlich festgelegt, andere Arten der Darstellung ermöglicht.
Die konstruktiven Vereinbarungen garantieren dabei ein hohes Maß an Verständlichkeit. Die Parallelpro- jektionen bezeichnen das Universelle im Räumlichen, das die Architektur unabhängig von dem betrach- tenden Auge erscheinen läßt. Die Darstellung ist rekonstruierbar, berechenbar und in jeden Masstab übersetzbar. Sie stellt eine Art Denkwerkzeug dar.
Peter Eisenmann sagt :
"... Systematisch abgewandelt, wird eine herausge- griffene Einzelfrage in Form möglichst vieler Variatio- nen vorgetragen. Der Betrachter sieht sich in die Posi- tion eines Voyeurs versetzt, der den Gestalt- Jongleur bei seiner Arbeit beobachtet. Er sieht Standbilder aus Verwandlungsproben, wobei der Probenablauf als Werk verstanden wird. Die Zeichnung hat meta
Die Parallelprojektion hat eine hohen Abstrak- tiongrad, meist nur feine Linienbilder, was ihre Eindeutigkeit und hohen Wahrheitsgrad ausmacht und sie ist trotzdem von hoher räumlichen Anschau- lichkeit.
Der analytische Gedanke der Darstellung macht die Variation der Linie, der Fläche, der Raumform und der Farbe zu ihrem Thema.
Zitat Werner Oechslin :
... Woher stammt das Mißtrauen gegen all jene Architekturzeichnurgen, die das Auge bestechen, die durch ihre farblichen Effekte auffallen, die schön sind? Gibt es über Mißfallen und Enttäuschungen hinaus grundsätzliche Einwände, die es verbieten, dieses das Auge direkt ansprechende Medium zu verwenden? Wohl kaum! Die Frage betrifft jede Architektur, deren spätere physische Präsenz nach der bildlichen Vorwegnahme des Gesamteffekts verlangt ...
Bsp. Libeskind, Balmond Erweiterung des Victoria und Albert Museum, Blick in das Einganngsfoyer, London 1996
Die PERSPEKTIVE ist eine konstruktive Methode, die - dem Sehbild am ähnlichsten - räumliche Tiefe auf der Fläche des Zeichenblattes suggeriert. Die Perspektive setzt Kenntnisse ihrer Konstruktion voraus, die seit dem 5. Jhdt. im Wesentlichen vereinbart sind.
Die Konstruktion der Perspektive beinhaltet die Bestimmung verschiedener Variablen, die je nach Festlegung, die Bilderscheinung und die Bildaussa- ge verändern. Dazu gehören die Bestimmung der
zum Objekt, die Bildgröße und andere Parameter.
Immer läßt die Perspektive den Raum als subjektives Erlebnis, unter e i n e m Gesichtspunkt betrachtet, erscheinen.
Die ursprünglichste Anwendung der Perspektive in den Theater-Prospekten von Sebastiano Serlio im 4.Jhdt.
erläutert diese bestechende Wirkung. Wie Theater immer ein Hier des Ortes und ein Dort der Vorstellung beinhaltet, hat die Perspektive diese mathematische Seite der Konstruktion und diese wesentliche Seite der Illusion und Zauberei.
Die Perspektive ist ein Mittel der Manipulation.
Die Perspektive beschreibt allerdings nicht den Raum, der sich hinter mir schließt und nicht die Architektur als Lebensraum.
Perspektive ist ein suggestiver Blick auf eine manipu- lierte, optische Erscheinung und der Porträt - Auftrag dieser Architekturzeichnung hindert diese bei allem illusionistischen Raffinement daran, eine gewisse Beschränktheit in Syntax und Inhalt zu überwinden:
Unvermeidlich ist der dargestellte Baugegenstand im Zentrum plaziert, zeigt er sich tiefenscharf, eindeutig, realitätsträchtig, überzeugend und statisch. Immer täuscht er eine Lösung vor, darf also keine Lücken offenlassen; immer muß er posieren, darf keine stören- den Ereignisse neben sich dulden.
Produktive Vorstellungskraft aber wäre abhängig von genau gegensätzlichen Bildangeboten; von der Einord- nung des " Projekts " in einen polyvalenten Umraum, von selektiven Betonungen oder Auslassungen,
Bsp. Kahn, Louis I. Konzeptskizzen für IIM in Ahmeda- bad, Indien vom 14.11.1962
von Simultaneität mehrerer Teilaspekte, von Sfumato und Mehrdeutigkeit der Umrisse. Naturalistische Per- fektion ist eher geeignet, die imaginative Ergänzungs- arbeit eines Betrachters auszuschalten.
Wird er sich seiner Ausdrucksarmut gewahr, greift der
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bis fotorealistischer Kostümierungen (Werbegrafik) oder zu diagrammatischer Aufklärungsarbeit, die sich an Intellekt und Assoziationsvermögen des Adressaten wendet, um ihn mit Hilfe unabweislicher Denksche- mata von der einzig richtigen Lesart des Entwurfs zu überzeugen.
Auch in einem poetisierten Rendering bleibt oberstes Ziel die Anpreisung des Projekts, selbst wenn peri- phere Aspekte in den Vordergrund drängen oder das Abbild in malerischer Autonomie sich zu verselbständi- gen scheint.
Bsp. Office for Metropolitan Architecture, Rotterdam, Zaha Hadids Schwerarbeiten gegen die Schwerkraft, Tschumis und Eisenmans Geo-strips, die tropfenden Action-paintings Will Alsops. sowie die milde Malerei von Zoe Zenghelis
Die Zeichnungen, mit denen versucht wird, Nicht-De- finierbares auszudrücken: Spuren von Erinnerungen und Träumen des Zeichners, Rätselhaftes, nur zu Er- ahnendes oder Gesten. Zeichnungen solcher Art sind nur in sehr eingeschränktem Sinne auf " Gemeintes "
bezogen. Sie können meist nicht in andere Techniken und Maßstäbe übersetzt werden. Sie informieren nicht, sondern überreden oder beschwören den Betrachter.
Sie führen in Wunschlandschaften, in Diskurse von offener schwebender Bedeutung, sie leben vom Zau- ber des Undefinierbaren, sie schließen phantastische Assoziationen und auch Sinnverwandlungen ein, sie sind nicht "brauchbar".
Die Umsetzungen und Interpretationen, die aus ihnen folgen, bewegen sich auf allen möglichen Ebenen, nur nicht auf der, aus der sich die technische Machbarkeit ableiten läßt.
Nennen wir es FREIES ZEICHNEN, bei dem nicht dem Abbild vorhandener oder projektierter Bauten alle Aufmerksamkeit gilt, sondern allein
Bsp. Muster nach mathematischer Zufallsstruktur möglichen, konträren Gestaltungsmöglichkeiten im Sin- ne des Ausdrucksextrems.
Die Architekturzeichnung könnte auch, wie
Edgar Alan Poe in " Philosophie der Komposition " be- schreibt, " ... von einer unbestimmten Unterströmung von Bedeutung getragen... " sein.
Bsp. Foster, Norman aus Sketsches S.231
Die Felder, in denen die Architekturzeichnung neu zu erfinden ist, sind vielfältig. Im Bereich ihrer Zeichen- und Ausdrucksmittel, im Bereich der Assoziation und Sinnverwandlung, im Bereich neuer thematischer Bezüge.
Wenn die Architekturzeichnung in diesem Sinne expe- rimentell entwickelt wird, die künstlerische Zeichnung kann dabei lehrreich sein, könnte Sie konstitutioneller an Architektur beteiligt werden.
Heute ist die Architekturdarstellung zum Dekorations- und Präsentationsmedium verkommen. Ein Training der eigenen Wahrnehmung, das die Aufmerksamkeit auf Sichtbares lenkt, was ich kenne aber neu sehe, könnte die Fähigkeit und vorallem die Lust zu zeich- nen, beflügeln.
Nennen wir es eine Schule des Sehens in der die Fra- gen, die sich zeichnerisch an die Architektur richten, neu gestellt sind :
Wie schaue ich auf, in ... unter ...die Dinge ?, welchen Ausschnitt wähle ich, dem meine Aufmerk- samkeit gilt ?,
was sehe ich, was fühle ich, was rieche ich ?,
wieviel kann ich sehen ?, was bleibt im Dunkel ?,
was sehe ich, was denke ich, was weiß ich ?
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zentrale Projektionen oder Perspektiven
Zentralperspektive
Übereckperspektive
Perspektive mit gekippter Bildebene schräge Projektionen oder Axonometrien
Grundrißaxonometrie
Aufrißaxonometrie
DIN 5 oder Ingineurprojektion
Die Darstellungsarten im Überblick
Senkrechte Projektionen
. Senkrechte Eintafelprojektion oder Kotierte Projektion
. Senkrechte Zwei- oder Dreitafelprojektion Schräge Projektionen oder Axonometrien
. Grundrißaxonometrie oder Militärprojektion . Aufrißaxonometrie oder Kavalierprojektion . DIN 5 oder Ingineurprojektion
. Isometrie
. Senkrechte Axonometrie
Zentrale Projektionen oder Perspektiven . Zentral- oder Frontalperspektive
Die Darstellungsarten lassen sich unterscheiden nach Masstäblichkeit und Anschaulichkeit Während die Ein- und Zweitafelprojektionen ein hohes Maß an Masstäblichkeit besitzen, verlie- ren die Axonometrien diese z.T zu Gunsten einer besseren Anschaulichkeit, die eine gute Vorstel- lung der räumlichen Situation ermöglicht.
Die perspektiven Darstellungsarten erzeugen ein räumliches Bild, das unserem Sehbild am näch- sten kommt.
Das perspektive Bild hat einen hohes Maß an suggestiver Kraft, verliert aber gegenüber dem
Die Darstellungsarten lassen sich nach der Art der Verwendung beurteilen.
Die Ein- und Zweitafelprojektionen können als Vorlage für die Bauausführung verwendet wer- den, da die Maße unmittelbar dem Bild zu ent- nehmen sind.
Die Axonometrien sind leicht zu konstruieren und ermöglichen einen guten Eindruck der räumli- chen Situation.
Da das axonometrische Bild mit dem Bild des Achsenkreuzes überlagert ist, kann eindeutig auf die Geometrie des Gegenstandes geschlos-
der Detailzeichnung, beim Thema der Variation eines Objektes und im Städtebau.
Perspektive Darstellungen ermöglichen eine Viel- zahl von Präsentationsformen einer räumlichen Situation. Da das perspektive Bild immer den Betrachter miteinbezieht, steht im Vordergrund der Gedanke der Illusion oder der Täuschung im Sinne des Sehbildes. Dieser kann durch entspre- chende Staffagen, Licht und Schattengebung, Hintergründe, Spiegelung, farbige Ausgestaltung u.a. verstärkt werden.
senkrechte Projektionen
kotierte Projektion
senkrechte Projektion
Isometrie
Senkrechte Axonometrie
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Die Darstellungsarten lassen sich unterscheiden nach der Art der Projektion.
Die Darstellende Geometrie vereinbart die Regeln der Beziehung von räumlichen Objek- ten und der Zeichenebene.
Das Mittel der Beziehung ist die Projektion.
Beim Vorgang der Projektion werden Projek- tionsstrahlen durch Punkte eines räumlichen Objektes gelegt, die dann eine Bildtafel treffen und dort als Bildpunkte des Objektes erscheinen.
Wir unterscheiden die Lage des Projektionszen- trums und die Richtung der Projektionsstrahlen zur Bildebene.
Die Projektionsarten
Die projizierenden Strahlen schneiden sich in einem Punkt, dem Projektionszentrum
= Zentralprojektion
oder sie sind parallel zueinander
= Parallelprojektion.
Bei der Parallelprojektion kann noch unterschie- den werden, ob die Projektionsstrahlen senk- recht auf die Bildebene treffen
= senkrechte oder orthogonale Parallel projektion
oder ob die Projektionsstrahlen in einem Winkel die Bildebene treffen
= schräge Parallelprojektion.
Schnittpunkt der Projektionsstrahlen im Endlichen Schnittpunkt der Projektionsstrahlen im Unendlichen
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Die Bilder räumlicher Objekte, die mit Hilfe senk- rechter Projektionen entstehen, also Grundrisse, Aufrisse, Seitenrisse oder Schnitte gelten als Bilder mit hohem "Wahrheitsgrad".
Sie werden als unmißverständliche Sprache von Entwerfendem und Ausführendem benützt.
Sie sind immer noch das am häufigsten verwen- dete Medium der Architekturpräsentation.
Sol LeWitt geb. 928 in Hartford, Connecticut aus der Serie "structures" 962 - 993 1 2 3. 1978 Baked enamel on aluminium
Senkrechte Projektionen. allgemein
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Kotierte Projektion
Ein einfaches, räumliches Objekt am Bsp. der Würfel kann auch in einer Projektionsebene eindeutig beschrieben werden.
Die Breite und die Tiefe sind bildlich dargestellt, bezogen auf eine horizontale Fläche und die Höhe ist numerisch, dem entsprechenden Punkt zugeordnet, beschrieben.
Die horizontale Lage eines Punktes ist also im Bild eindeutig beschrieben, während die Höhen- angabe dem Text entnommen werden muß.
Dieses Höhenmaß ist in einem Höhenmasstab ( Höhenkote ) definiert.
Auch andere Punkte, wie P
und P
2, erzeugen das gleiche Bild.
Eindeutig ist die Lage des Punktes erst durch die Höhenangabe bestimmt, die dargestellt ist in einem Höhenmasstab.
Raumpunkt P
P
P2
Punkt P ( h P)
Die kotierte Projektion ist hier nicht näher be- schrieben, da sie auf Grund ihrer geringen An- schaulichkeit in der Architekturdarstellung eine geringe Rolle spielt.
Sie wird im Ingineurwesen, wie im Strassenbau
oder der Kartographie verwendet.
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Zweitafelprojektion
Die Zweitafelprojektion entsteht durch senkrech- te Projektion des Objektes auf zwei, oder drei senkrecht aufeinander stehende Bildebenen.
Das Bild, d.h. die Projektion auf die Innenflächen eines Quaders, auf die horizontale Ebene wird als Grundriß, auf die senkrechte Bildebene von links oder von vorn betrachtet als Aufriß, von rechts betrachtet als Seitenriß, bezeichnet. Das entspricht der europäischen Sicht der Hauptrisse im Unterschied zur amerikanischen Tradition.
Um alle Bilder in der Zeichenebene, die der Auf- rißebene entspricht, zeigen zu können, muß die Grundrißebene und die Seitenrißebene um 90 Grad in die Zeichenebene eingeklappt werden.
Dadurch erscheinen alle Bilder einander senk- recht zugeordnet.
Die Richtung, Lage bzw. Höhe der Betrachtung wird, insbesondere bei Schnitten, durch Pfeile gekennzeichnet.
Bei räumlich komplizierteren Objekten werden Bildebenen gewählt, die parallel zu vorhandenen Objektebenen liegen, um diese eindeutig zu beschreiben. Die Zweitafelprojektion ist die in der Architektur am häufigsten verwendete Art der Plandarstellung und findet Verwendung von der Handskizze bis zur Ausführungsdarstellung.
Koordinatenachsen z
y
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Das Bild des Punktes P liegt sowohl in der Grundrißebene als auch in der Aufrißebene und in der Seitenrißebene auf einer Ordnungslinie, die senkrecht auf der jeweiligen Bildtafel steht.
Zur Darstellung in der Zeichenebene (entspricht der Aufrißebene) werden die Bildtafeln in diese umgeklappt.
Bei der Umklappung beschreiben die Bildpunkte einen Kreisbogen, der in den Projektionen als Sehne erscheint.
Die Bezeichnung der Bildpunkte:
in der Grundrißebene P' in der Aufrißebene P'' in der Seitenrißebene P'''
Dreitafelprojektion
Seitenriß π 3 Aufriß π
2
P'''
Punkt. Umklappung der Bildtafeln
Im Folgenden werden die Aufgaben - um eine räumliche Vorstellung davon zu ermöglichen - im linken Bildfeld zunächst in einer trimetrischen Darstel- lung erläutert. Im rechten Bildfeld ist dann die Aufgabe konstruktiv in der Zwei - oder Dreitafelprojektion entwickelt.
Trimetrie
Raumpunkt P
P''
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Punkt. Lage im Raum
P
P2
P3
P4
Liegt P im .oder 3.Quadranten, liegen die Bildpunkte auf verschiedenen Seiten der Spur- gerade.
Liegt P im 2.oder 4.Quadranten, liegen die Bild- punkte auf einer Seite der Spurgerade.
Der Raum wird nach dem kartesischen System in vier Quadranten aufgeteilt.
Die Lage eines Punktes in diesem Raum ist aus der relativen Lage seiner Bildpunkte zur Spurgeraden der Bildtafeln zu erkennen.
P 3 P 4
P Raumpunkte
im I. Quadranten
im II. Quadranten
im III. Quadranten
im IV. Quadranten
Seitenriß
Aufriß
Grundriß
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Ein Punkt P, der von der Grundrißtafel und der Aufrißtafel den gleichen Abstand hat, liegt in der winkelhalbierenden Ebene des Quadran- ten, in dem der Punkt sich befindet.
Die winkelhalbierende Ebene des . und 3.
Quadranten heißt Symmetrieebene.
Die Bilder der Punkte dieser Ebene haben den gleichen Abstand zur Spurgeraden der Bilde- benen.
Die Spurgerade wird zur Symmetrieachse.
Raumpunkte
P 2 P
P 3
P 4
Symmetrieebene
Koinzidenzebene
P P 2
P 4
P 3
Punkt in der Symmetrie- und in der Koinzidenzebene
Die winkelhalbierende Ebene des 2. und 4. Qua- dranten heißt Koinzidenzebene.
koinzident (lat.): zusammenfallend
Die Bilder der Punkte dieser Ebene fallen in
einem Punkt zusammen.
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Beliebige Gerade
Die Bilder der Geraden g entstehen durch die Projektion aller Punkte der Geraden auf die entsprechende Bildebene.
Der Durchstoßpunkt der Geraden mit der Grund- rißebene heißt Spurpunkt S
.
Der Durchstoßpunkt der Geraden mit der Aufri- ßebene heißt Spurpunkt S
2.
Raumpunkt P
Gerade g
Spurpunkt S
Spurpunkt S2
S
1der Geraden muß an der Stelle liegen, wo das Aufrißbild der Geraden die Spurgerade der Bildtafeln schneidet, also die Höhe über dem Grundriß 0 ist.
S
2der Geraden muß an der Stelle liegen, wo
das Grundrißbild der Geraden die Spurge-
rade der Bildtafeln schneidet, also die Tiefe
zum Aufriß 0 ist.
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Wahrer Winkel und wahre Länge einer Geraden. Grundrißklappung
Raumpunkte P
P2
Eine Gerade in beliebiger Lage zu den Risse- benen erscheint in diesen verkürzt.
Der wahre Winkel zu den Rissebenen erscheint ebenfalls verzerrt. Um die wahre Länge und den wahren Winkel der Gerade darstellen zu können, wird das Prinzip der Klappung oder Drehung angewendet.
Wir stellen uns dazu eine senkrecht stehende Hilfsebene oder projizierende Ebene vor, am Bsp. eine senkrecht zum Grundriß stehende Hilfsebene = 1.projizierende Ebene, die die Gerade enthält.
Das senkrecht stehende Dreieck wird um die Grundrisspur der Ebene in den Grundriß ge- klappt. Dabei wandern die Punkte, P
und P
2der Geraden auf einem Kreisbogen, der im Grundriß als Sehne senkrecht zur Drehachse erscheint.
Die Höhe der Punkte ist aus dem Aufriß in wah-
rer Größe bekannt.
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Aufrißdrehung oder Mongsche Drehung
.projizierende Ebene
Zur Bestimmung der wahren Größe und des wahren Winkels einer Geraden, kann man die projizierende Ebene, in der sich die Gerade befindet (am Bsp. die 1.projizierende Ebene), so um eine beliebige Achse drehen, daß sie parallel zu einer Bildtafel liegt.
(am Bsp. parallel zur Aufrißebene).
Die Strecke ist dann unverzerrt, in wahrer Größe und Neigung sichtbar.
Gaspard Monge,1746 - 1818.
Schulreformer der Revolutionszeit und Mitbegründer der späteren Ecole Po- lytechnique.
Er entwickelte die geometrischen Ge- setzmäßigkeiten der Zweitafelprojekti- on, die er
"Geometrie Descriptive" oder
"Darstellende Geometrie" nennt.
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Besondere Geraden
3-Tafelprojektion
Eine Gerade, die senkrecht auf einer Bildebene steht, ist eine projizierende Gerade.
Ihr Bild in dieser Ebene ist ein Punkt.
Senkrecht auf Grundriß = 1.projizierende Gerade Senkrecht auf Aufriß = 2. projizierende Gerade Eine zu zwei Bildtafeln parallel verlaufende
Gerade ist sowohl Höhenlinie als auch Frontlinie Sie wird als Hauptlinie bezeichnet.
Trimetrie
.projizierende Gerade
Eine Gerade deren Punkte den gleichen Abstand
zur Aufrißebene haben, ist eine Frontlinie. Eine Gerade, deren Punkte den gleichen Ab- stand zur Grundrißebene haben, ist eine Höhenlinie.
2. projizierende Gerade
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Raumpunkte
Geraden g
g2
Zwei Geraden g
und g
2verlaufen beliebig im Raum.
s.S.16: Beliebige Gerade
Sie haben keinen gemeinsamen Punkt, d.h. sie schneiden sich nicht und sie bilden keine gemeinsame Ebene.
Im Grund- und im Aufriß schneiden sich zwar die jeweiligen Bilder der Geraden, die Schnittpunkte liegen aber nicht auf einem gemeinsamen Ord- ner. D.h. die Geraden haben keinen Punkt im Raum gemeinsam.
Zur Bestimmung der Sichtbarkeit:
. ausgehend von dem scheinbaren Schnittpunkt im Grundriß, was liegt auf dem Ordner darüber
? und
. ausgehend von dem scheinbaren Schnittpunkt im Aufriß, was liegt auf dem Ordner davor ?
P
P 2
Zwei beliebige Geraden
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Seite 2 Punkt P
Spuren der Ebene s s2
Zwei sich schneidende Geraden
2 Geraden verlaufen so im Raum, daß sie sich in einem Punkt P schneiden.
Zwischen den Geraden spannt sich eine Ebene auf. Liegt eine Gerade in einer Ebene, so liegen ihre Spurpunkte auf den Spuren ( s
und s
2) der Ebene.
Die Spuren der Ebene in den Bildtafeln erhält man, indem jeweils die beiden Durchstoßpunkte der Geraden in den Bildtafeln miteinander ver- bunden werden.
s. S. 16: Beliebige Gerade
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Eine Ebene schneidet die Grundrißebene in der Grundrisspur und die Aufrißebene in der Aufrisspur.
allgemeine Lage
Die Spuren treffen in schiefen Winkeln die x- Achse.
grundrißprojizierende oder erstprojizierende Ebene
Die Ebene steht senkrecht auf der Grundriße- bene. Die Aufrisspur schneidet die x- Achse in einem rechten Winkel.
aufrißprojizierende oder zweitprojizierende Ebene
Die Ebene steht senkrecht auf der Aufrißebene.
Die Grundrisspur schneidet die x- Achse in einem rechten Winkel.
doppeltprojizierende Ebene
Beide Spuren stehen senkrecht auf der x- Ach- se und erscheinen in der 2 - Tafelprojektion als durchlaufende Linie.
schneidet die Ebene die Tafeln in der x- Achse fallen dort beide Spuren zusammen. Aus dem Bild in der 2 - Tafelprojektion ist die Lage der Ebene nicht ersichtlich.
beide Spuren verlaufen parallel zur x- Achse
Höhenebene
Die Ebene verläuft parallel zur Grundrißebene.
Die Aufrisspur verläuft parallel zur x- Achse.
Frontebene
Die Ebene verläuft parallel zur Aufrißebene. Die Grundrisspur verläuft parallel zur x- Achse.
Allgemeine und besondere Lage einer Ebene
Trimetrie 2 -Tafelprojektion
Trimetrie 2 -Tafelprojektion
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Höhenlinie einer Ebene
Die Höhenlinie h
h
2... einer Ebene ist der Ort von Punkten gleicher Höhe. Die Grundrisspur der Ebene ist die Höhenlinie mit der Höhe 0.
Alle anderen Höhenlinien verlaufen dazu parallel im Grundriß und erscheinen im Aufriß als Hori- zontale.
Besondere Geraden einer Ebene. Höhenlinie, Frontlinie und Fallinien
Frontlinie einer Ebene
Die Frontlinie v
v
2... einer Ebene ist der Ort von Punkten mit gleichem Abstand zur Aufrißebene.
Die Aufrisspur der Ebene ist die Frontlinie mit dem Abstand 0.
Alle anderen Frontlinien verlaufen dazu parallel im Aufriß und erscheinen im Grundriß als Paral- lele zur x- Achse.
Fallinie erster Ordnung
f f
2... stehen im rechten Winkel zu den Höhen- linien h
h
2... der Ebene. Ebenso die Bilder im Grundriß. Ihre wahren Neigungen entsprechen dem Gefälle der Ebene.
Fallinie zweiter Ordnung
stehen im rechten Winkel zu den Frontlinien v
v
2... der Ebene. Ebenso die Bilder im Aufriß.
Ihre Neigungen entsprechen dem wahren Winkel von Ebene und Aufrißebene.
Für Konstruktionen mit Ebenen sind die spurparallelen Hauptlinien und die spur- normalen Fallinien (d.h. die Fallinien erster Ordnung) von besonderer Bedeutung.
h
h2
v
v2 f
v h
v
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Punkt und Ebene
Raumpunkt P
Gegeben ist eine Ebene E in allgemeiner Lage und ein Punkt P.
Der Punkt liegt dann in der Ebene, wenn Hö- henlinie h
oder Frontlinie v
durch den Punkt P parallel zu den Spuren der Ebene E sind.
oder :
Ist weder Front- noch Höhenlinie eines Punk- tes parallel zu den Spuren der Ebene, liegt der Punkt nicht in der entsprechenden Ebene.
zur Konstruktion in den Tafeln : . Höhenlinie durch P im Aufriß zeichnen.
. Das Bild der Höhenlinie im Grundriß ist parallel zur Spur der Ebene.
d.h. der Punkt P ist ein Punkt der Ebene oder:
. Frontlinie durch P im Grundriß zeichnen.
. Das Bild der Frontlinie im Aufriß ist parallel zur Spur der Ebene.
d.h. der Punkt P ist ein Punkt der Ebene
h
v
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Seite 25 P2
Raumpunkte
P
P3
Drei - Punkte - Ebene
Konstruktionsschritte :
Im Aufriß : Die Verbindung der Punkte P
P
2im Aufriß auf die x - Achse verlängert, ergibt die 0 - Höhe der entsprechenden Geraden im Grund- riß = Spurpunkt der gesuchten Spur der Ebene im Grundriß.
Die Verbindung der Punkte P
P
3im Aufriß auf die x - Achse verlängert, ergibt die 0 - Höhe der entsprechenden Geraden im Grundriß = ein weiterer Spurpunkt der gesuchten Spur der Ebene im Grundriß. 2 Punkte definieren die Spur der gesuchten Ebene im Grundriß
Im Grundriß : Die Verbindung der Punkte P
3P
2P2
Durch drei im Raum liegende Punkte P
, P
2und P
3wird eine Ebene E aufgespannt.
Die Spuren der Ebene findet man, indem die Punkte untereinander verbunden werden.
Die Durchstoßpunkte dieser Verbindungsge- raden durch die Bildtafeln sind die Punkte der Spuren der gesuchten Ebene in den Bildtafeln.
im Grundriß auf die x - Achse verlängert ergibt die 0 - Tiefe der entsprechenden Geraden im Aufriß =
Spurpunkt der gesuchten Spur der Ebene im Aufriß.
Die Verbindung der Punkte P
3P
im Grundriß auf die x - Achse verlängert ergibt die 0 - Tiefe der entsprechenden Geraden im Aufriß =
ein weiterer Spurpunkt der gesuchten Spur der
Ebene im Aufriß. 2 Punkte definieren die Spur
der gesuchten Ebene im Aufriß. Damit ist die
Ebene eindeutig definiert.
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Punkt P liegt außerhalb der Ebene.
Gesucht ist der Abstand des Punktes von der Ebene.
Der Abstand ist die kürzeste Verbindung des Punktes zur Ebene.
Die Abstandsgerade steht in zwei beliebigen Richtungen senkrecht auf der Ebene.
Abstand eines Punktes von einer Ebene
Raumpunkt P
Eine Ebene durch den Punkt P, die erstprojizie- rende Ebene, bildet mit der gegebenen Ebene eine Schnittfläche (schraffiert), die sich im Aufriß darstellen läßt.
Das Aufrißbild des Abstandes (durch Aufriß- punkt, senkrecht zur Aufrisspur) ergibt mit dem Aufrißbild der Schnittfläche geschnitten, den gesuchten Aufrißpunkt des kürzesten Abstandes.
Die gleiche Konstruktion gilt für das Grundrißbild des Abstandes.
zur Konstruktion in den Tafeln :
Zur Konstruktion des Abstandes legt man auf Grund o.g. Bedingungen zwei Ebenen durch P, die jeweils senkrecht auf der Ebene stehen.
Dazu wählt man die Ebenen, die sowohl im Grundriß wie auch im Aufriß die Spuren der Ebe- ne unter einem rechten Winkel schneiden.
Raumpunkt P
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zur Konstruktion in den Tafeln:
Der Radius der Drehung erscheint in der Grund- rißebene als Sehne senkrecht zur Drehachse.
Die Drehachse entspricht dem Grundrißbild der Abstandsgeraden.
Die Höhen der Hilfszebene sind aus dem Aufriß in wahrer Größe bekannt.
Wahre Größe und Neigung des Abstandes von einer Ebene
Entsprechend der Konstruktion s.S. 26: Abstand eines Punktes von einer Ebene
ist der Abstand des Punktes P zur Ebene gege- ben. Die Hilfsebene (schraffiert), die unter der Ab- standsgeraden senkrecht auf der Grundrißebene steht, wird um ihre Grundrißspur in die Grundri- ßebene geklapt.
In der Umklapung wird im Grundriß die wahre Größe der Hilfsebene und die wahre Größe und
Punkt P
Neigung des Abstandes zur Ebene sichtbar.
s.S. 17: Grundrißklappung
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In Grundrißrichtung der Geraden stellen wir uns eine Senkrechte . projizierende Hilfsebene vor, die die Gerade g enthält.
Die Hilfsebene entspricht einer . projizierenden Ebene.
Die Hilfsebene mit der gegebenen, schrägen Ebene geschnitten ergibt im Aufrißbid die Schnittgerade beider Ebenen.
Der Schnittpunkt dieser Schnittgeraden mit dem
Durchstoßpunkt S Gerade g
Durchstoßpunkt einer beliebigen Geraden durch eine Ebene
Aufrißbild der Geraden g stellt den Durchstoß-
punkt im Aufriß dar, der senkrecht dem Raum-
bild, bzw. dem Grundrißbild, der gegebenen
Geraden zugeordnet werden kann.
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Wenn die Durchstoßpunkte einer Geraden durch zwei Oberflächen, am Bsp. zwei Deckflächen der Pyramide, gefunden werden soll, so kann dies mit einer . projizierenden Ebene
s.S. 28: Durchstoßpunkt einer be- liebigen Geraden durch eine Ebene oder wie hier beschrieben mit dem Pendelebe- nenverfahren konstruiert werden.
Die Pendelebene ist eine Ebene, die sowohl die Gerade als auch die Spitze S der Pyrami- de beinhaltet.
Auf der Geraden werden zwei, beliebige Punkte
Gerade g
B
P P2
Durchstoßpunkt einer beliebigen Geraden durch zwei Ebenen. Pendelebenenverfahren
A und B, außerhalb der möglichen Durchdrin- gungspunkte mit den Deckflächen, gewählt.
Diese Punkte mit der Spitze verbunden, ergeben im Aufriß das Bild der Pendelebene, das dem Grundriß zugeordnet das Bild der Pendelebene im Grundriß ergibt.
Die gefundene Grundrisspur der Pendelebene schneidet die Grundrisspuren der Deckfächen in den Punkten P
und P
2.
Werden P
und P
2mit der Pyramidenspitze S verbunden, findet man als Schnittpunkte mit der Geraden die Durchstoßpunkte der Geraden durch die Deckflächen der Pyramide.
S A
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Zwischen einem Punkt P und einer Geraden g spannt sich eine Ebene E auf.
Die Spuren der Ebene E erhält man, indem die Durchstoßpunkte der Geraden g durch die Bildtafeln mit P verbunden werden.
( Mit der gegebenen Geraden wird die Ebene also durch zwei weitere Geraden definiert.) . Die Durchstoßpunkte dieser Verbindungsgera- den durch die Bildtafeln und die Durchstoßpunk- te der Geraden durch die Bildtafeln, sind Punkte
Punkt und Gerade spannen eine Ebene auf
Zur Konstruktion in der Zwei-Tafelprojektion müssen die Durchstoßpunkte der Gerade g und die Durchstoßpunkte der Verbindungsgeraden durch die Bildtafeln bestimmt werden.
Gerade g
Raumpunkt P
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Seite 3 S2
S
zwei sich schneidende Ebenen, gegeneinander
geneigt. zwei sich schneidende Ebenen, nach rechts
geneigt. zwei sich schneidende Ebenen, nach rechts
geneigt.
Spuren der Ebenen parallel im Grundriß.
zwei sich schneidende Ebenen, nach rechts geneigt.
Spuren der Ebenen parallel im Aufriß.
Zwei sich schneidende Ebenen haben eine gemeinsame Schnittgerade.
Die Schnittpunkte der Spuren zweier Ebenen, S
1und S
2sind Punkte der gemeinsamen Schnittgeraden.
S2 S2
S
S