Recommender Systems
Mit Künstlicher Intelligenz zu mehr Umsatz, dank besserer Empfehlungen
«Already, 35 percent of what consumers purchase on Amazon and 75 percent of what they watch on Netflix comes from product recommendations based on such algorithms.»
McKinsey – How retailers can keep up with consumers, 2013
Management Summary
Es ist noch gar nicht so lange her, da lebten Menschen ausschliesslich in kleinen und überschaubaren Gemeinschaften. Die Wege waren kurz, man tauschte sich aus. Man kannte sich.
Verkäufer wussten, mit welchen Kunden sie es tagtäglich zu tun hatten. Kunden wussten, welcher Anbieter ihr Vertrauen verdient. Infolgedessen erlebten Kunden einen Service, wie er persönlicher nicht sein konnte: Wurde ein Produkt empfohlen, so hatte der Anbieter stets die Bedürfnisse, die Vorlieben, und manchmal sogar das Budget des jeweiligen Kunden im Blick. Von dieser persönlichen Beziehung profitierten also beide Seiten – Verkäufer schätzten die Loyalität zu ihrem Betrieb, Kunden kamen in den Genuss einer vertrauten und persönlichen Beratung.
Spulen wir ein Stück nach vorne und betrachten einmal die Dynamiken unserer modernen, digitalen Welt, so fällt auf: Die Dinge haben sich verändert. Während wir in Sachen Produktivität und Angebotsvielfalt weiter sind als je zuvor, haben wir die Intimität persönlicher Anbieter-Kunden-Beziehungen mitsamt all ihrer Vorteile weit hinter uns gelassen.
Allerdings ändert dieses Missverhältnis an personalisiertem Service nichts an dem folgenden grundlegenden Fakt: Nämlich dass der Schlüssel zu erfolgreichen Verkäufen darin liegt, Menschen und ihre Bedürfnisse zu verstehen.
Intelligente Empfehlungssysteme – Recommender Systems – leisten genau das. Sie lernen anhand von Daten ihre Kunden nach und nach besser kennen und sind in der Lage, zuverlässige Vorschläge automatisch auszuspielen und so für mehr Relevanz im Kaufentscheid zu sorgen.
Eine Rückkehr zu den Wurzeln persönlicher Beratung – ganz ohne personellen Mehraufwand.
Sie benötigen weder Big Data noch aufwendige, jahrelange IT-Projekte. Die im Daily Business anfallenden Daten, ein passender Algorithmus sowie ein kompetenter Partner, der sich um die Implementierung des Systems kümmert, reichen völlig aus.
Inhaltsverzeichnis
Management Summary 3
Was sind Recommender Systems? 7
Welches Problem lösen sie? 7
Welche Unternehmen setzen Recommender Systems bereits ein? 8
Linkedin 8
Netflix 8
Amazon 9
Unternehmen aus der Schweiz 10
GetAbstract 10
Digitec Galaxus 10
Migros Cumulus 11
STUcard.ch 12
Vergani 12
Welche Daten benötigen Recommender? 13
Welche Arten von Recommendations gibt es? 15
Unpersonalized Recommenders 15
Personalized Recommenders 16
Content-Based Recommenders 16
Collaborative Filtering 17
Matrix Factorization Recommenders 18
Deep Learning 19
Ab wie vielen Produkten macht es Sinn, Recommender einzusetzen? 20
Wie viele Daten sind nötig? 20
Was hat es mit dem Kaltstartproblem auf sich? 20
New User Cold Start Problem 21
New Item Cold Start Problem 21
Vorteile eines eigenen Recommenders im Vergleich zum Recommender as a Service 22
Software as a Service (SaaS) 22
Datenschutzproblem 23
Make or Buy 23
Recommendations an den Käufer bringen 23
Der Allzweck-Algorithmus existiert nicht 23
Wie kann ich verhindern, dass zu oft dieselben Empfehlungen ausgespielt werden? 24
Wie sollte man bei der Einführung eines Recommender-Systems vorgehen? 25
Wie misst man den Erfolg eines Recommenders? 25
Offline Evaluation 26
A/B Testing 26
Woran scheitern Recommender-Projekte? 27
Ungenügende Datenmenge 27
Ungenügende Datenqualität 27
Überkomplexe Modelle 27
Anbindung des Data Lake 28
Externe Daten nutzen 28
Fehlende Messbarkeit 28
Fehlendes Commitment der Geschäftsleitung 28
Welche Vorteile bietet mir ein intelligentes Empfehlungssystem? 29
Wo kann ich meine Empfehlungen einsetzen? 30
Ausblick: Recommender Systems als Forschungsgebiet 30
Wir helfen Ihnen bei der Umsetzung 33
Ein E-Book zu Recommender Systems.
Geschrieben von:
Prof. Dr. Marc Pouly
Chief Data Scientist & Partner bei Jaywalker Digital AG
Forschungskoordinator Algorithmic Business Research, Hochschule Luzern
Kevin Kuhn
Managing Partner bei Jaywalker Digital AG
Nico Riegert
Texter
Was sind Recommender Systems?
«A recommender system is any system that produces individualized recommendations as output or has the effect of guiding the user in a personalized way to interesting or useful objects in a large space of possible options.»
Burke, 2002
Ein Recommender System ist ein Informationsfiltersystem, das versucht, die Bewertung eines Nutzers für ein bestimmtes Element vorherzusagen. Mithilfe dieses prognostizierten Ratings lassen sich passende Artikel oder Services empfehlen. Das Element mit dem höchsten vorhergesagten Rating wird dem Nutzer letztlich angezeigt. Recommender Systems werden dazu verwendet, eine grosse Vielfalt an Objekten zu analysieren und als Empfehlungen auszuspielen:
Man denke z.B. an Filme, Produkte, Videos, Musik, Bücher, News, Facebook-Freunde, Kleidung, Twitter-Accounts, Apps, Hotels, Restaurants und vieles mehr. Sie wurden von fast allen grösseren Unternehmen implementiert. Meist mit dem Ziel, den Absatz zu steigern oder die Benutzerfreundlichkeit zu verbessern – Youtube empfiehlt interessante Videos, Amazon und Ebay passende Produkte, Netflix schlägt ähnliche Serien vor, Airbnb kennt geeignete Unterkünfte und Facebook weiss, welche Personen wir wahrscheinlich auch kennen.
Quelle: https://medium.com/datadriveninvestor/how-to-built-a-recommender-system-rs-616c988d64b2 (16.09.2019)
Welches Problem lösen sie?
Ursprünglich lag die Funktion von Recommender Systems darin, Kunden beim Umgang mit riesigen Informationsmengen zu unterstützen («information overload»). Sie müssen sich nun nicht mehr durch Unmengen an Produkten klicken, von denen die meisten sie sowieso nicht interessieren. Stattdessen erhalten sie personalisierte Produktempfehlungen, welche auf die potentiellen Interessen der Nutzer abgestimmt sind. Hierbei kann der Grad der Personalisierung jeweils neu bestimmt werden: Entweder orientiert man sich an Einzelpersonen, an demographischen Zielgruppen oder gruppiert Nutzer hinsichtlich anderer spezifischer Merkmale (bspw. Lebensstil, Mobilitätsgewohnheiten, Einkommen).
Kommerzielle Anbieter von Recommender Systems (als Software as a Service) versprechen:
· Umsatzsteigerung von 300%
· Erhöhung der Konversionsrate («conversion rate») um 150%
· Steigerung des durchschnittlichen Auftragswerts um 50%
Quelle: Umfrage aus dem Jahr 2010 unter den grössten Anbietern von Recommender-Systemen:
«Avail Intelligence», Baynote, Certona, Adobe, RichRelevance (Aldrich, 2011)
Welche Unternehmen setzen Recommender Systems bereits ein?
Ein tolles Beispiel für die Funktionsweise eines Recommender-Systems ist das Empfehlungssystem von LinkedIn, mit dessen Hilfe Sie Personen finden, die Sie vielleicht kennen.
Anstatt eine unbegrenzte Anzahl von möglichen Verbindungen vorzuschlagen – wie z.B. die 500 Millionen Nutzer, die derzeit auf der Website registriert sind – ist der Algorithmus in der Lage, mithilfe von Big Data den Pool der Verfügbarkeit auf einige wenige Optionen einzugrenzen. So können Sie Ihr Netzwerk einfach um sämtliche bekannten und relevanten Personen erweitern.
Netflix
Laut einer aktuellen Studie von McKinsey stammen bis zu 75% der Inhalte, die Nutzer auf Netflix konsumieren, direkt vom Recommender System des Unternehmens. Einerseits finden so Streamingfans mehr passende Serien und Filme, andererseits sparen funktionierende Empfehlungssysteme dem Unternehmen eine Menge an Marketing-Budget. Wie viel genau? Nun, gemäss den Netflix-Führungskräften Carlos A. Gomez-Uribe und Neil Hunt spart die Plattform durch ihr Empfehlungssystem jährlich etwa 1 Milliarde Dollar (ja, Sie haben richtig gelesen).
Quelle: https://www.mckinsey.com/industries/retail/our-insights/how-retailers-can-keep-up-with-consumers
Amazon
Wenn ein Online-Gigant wie Amazon bereits im Jahr 2013 35% des Umsatzes seinem Recommender System zu verdanken hatte (Quelle: McKinsey – How retailers can keep up with consumers, 2013), ist es an der Zeit, dieser höchst anpassungsfähigen KI-Lösung etwas Aufmerksamkeit zu widmen. Amazon kombiniert dazu verschiedene Empfehlungssysteme: Es werden Produkte vorgeschlagen, die häufig zusammen mit den bereits gewählten Produkten im Einkaufswagen landen oder gekauft werden. Auch werden Produkte angezeigt, die Ähnlichkeiten zu kürzlich betrachteten Produkten aufweisen. Zudem empfiehlt der Recommender Upgrades von Amazon-Produkten, die Nutzer derzeit besitzen. Interessanterweise nutzt Amazon seine Empfehlungssysteme sowohl onsite (im Shop) als auch offsite (via E-Mail). Allerdings zeigte sich, dass E-Mail-Empfehlungen besser performen; sie weisen eine höhere Konversionsrate auf.
Diesen intelligenten Empfehlungssystemen ist es mitunter zu verdanken, dass Amazon einen Anstieg des Gesamtumsatzes um 29% verbuchen konnte, so erhöhte sich ihr jährliches Umsatzvolumen im Jahr 2016 auf (festhalten) 135,99 Milliarden Euro.
Quelle: http://rejoiner.com/resources/amazon-recommendations-secret-selling-online/
Das enorme Potential von intelligenten Empfehlungssystemen erkannten die grossen Player bereits vor vielen Jahren. Ihre frühen Investitionen zahlten sich definitiv aus, denn die smarten Recommender haben sich zu einer unverzichtbaren Säule des Erfolgs entwickelt.
Doch nun hat sich das Blatt gewendet, in der heutigen Zeit sind Empfehlungssysteme auch für kleine, mittlere und grosse Unternehmen zugänglich, können implementiert und gewinnbringend eingesetzt werden. So betreten neue visionäre Unternehmer das Spielfeld der Empfehlungen.
Und sie haben alle Chancen, den Ballbesitz an sich zu reissen – sofern sie gute Arbeit machen.
Unternehmen aus der Schweiz
GetAbstract
Bietet seinen Kunden über 20’000 Zusammenfassungen zum Lesen und Hören an, sie umfassen eine Mischung aus Sachbüchern und Literaturklassikern. Kunden werden aufgrund ihres Lese- und Hörverhaltens Zusammenfassungen vorgeschlagen, die für sie interessant sein könnten.
Digitec Galaxus
Digitec ist Schweizer Online-Marktführer und Spezialist in Sachen IT, Unterhaltungselektronik und Telekommunikation. Das zugehörige grösste Online-Warenhaus der Schweiz Galaxus führt ein Sortiment mit Produkten für fast alle alltäglichen und nicht alltäglichen Bedürfnisse. Digitec und Galaxus ermöglichen ein komfortables und effizientes Einkaufserlebnis dank intelligentem Empfehlungssystem. Zu jedem Produkt werden passende Vorschläge gemacht. Empfehlungen in dieser Form können beispielsweise aufgrund von Produktähnlichkeiten ( Item Based
Collaborative Filtering ), Kaufverhalten ( User Based Collaborative Filtering ) oder Hybriden Modellen geschehen.
Migros Cumulus
Die Migros sammelt mithilfe der Cumulus-Karte wertvolle Informationen über das Kaufverhalten ihrer Kunden und kann ihnen so die Angebote ausspielen, welche sie wirklich interessieren. Sei dies über die App, auf der Webseite oder in gedruckter Form von Coupons und Rabatten.
STUcard.ch
STUcard.ch verfolgt das Ziel, das Leben für junge Leute, Lehrlinge und Studenten einfacher und günstiger zu gestalten. Mit der Maestro-STUcard (in Kooperation mit den Kantonalbanken) profitieren aktuell 230’000 Jugendliche jeden Tag von über 600 exklusiven Rabatten und Wettbewerben in der ganzen Deutschschweiz. STUcard.ch nutzt Recommender Systems, um der schnelllebigen Zielgruppe passende Deals, spannende Wettbewerbe und digitale Coupons auf jenen Kanälen zuzuspielen, die für ihren Alltag am relevantesten sind.
Vergani
Vergani ist einer der führenden Schweizer Weinhändler im Bereich B2C und B2B. Das Sortiment besteht aus mehreren hunderten Produkten und stillt den Weinbedarf tausender zufriedener Kunden. Vergani spielt seinen Kunden intelligente Weinempfehlungen aus – automatisiert und ohne manuellen Aufwand. Als Basis für ein solches Empfehlungssystem dienen Transaktionsdaten. Hieraus werden die jeweiligen Wein-Präferenzen und dazu passende Empfehlungen für jeden einzelnen Kunden berechnet. Vergani’s smarte Vorschläge werden mittlerweile als Postkarte mitsamt Bestellschein versendet und generieren so bis zu 2.55x mehr Umsatz als herkömmliche Kampagnen.
Welche Daten benötigen Recommender?
Bei der Datenerhebung unterscheiden wir zwischen expliziten und impliziten Präferenzdaten.
Explizite Präferenzen gibt eine Kundin in vollem Bewusstsein ab, zum Beispiel indem sie ein Produkt mit 4 Sternen bewertet oder ein Review verfasst. Implizite Präferenzen werden unbewusst generiert, zum Beispiel über Transaktionen oder Page Views. Da Kunden generell zurückhaltend hinsichtlich der Preisgabe expliziter Präferenzen sind, werden Recommender heutzutage vermehrt auf impliziten Daten trainiert. Diese Unterscheidung ist für die Semantik der Daten und damit für die Erstellung und Evaluation des Recommenders relevant. Page Views = 1 bedeutet, dass die Kundin das Produkt betrachtet hat, was wiederum als positive Präferenz gedeutet wird. Im Gegensatz dazu bedeutet Rating = 1 Stern, dass die Kundin mit dem gekauften Produkt unzufrieden ist.
Damit ein Recommender System effizient operieren kann, benötigt es Daten. Die nachfolgend aufgeführten Datenquellen eignen sich für das Training der Modelle. Allerdings muss nicht jede einzelne davon vertreten sein – es reicht völlig aus, eine hinreichend grosse Datenmenge zu verwenden, die bestenfalls aus mehreren unterschiedlichen Quellen stammt.
Transaktionsdaten
Welches Produkt wurde wann von wem gekauft?
Page Views
Welches Produkt wurde wann von wem angeschaut?
Ratings
Welches Produkt wurde wann, von wem und wie gut bewertet? Bsp. Like / Dislike, 5-Sterne-Rating oder Score von 1-10
Verwendung von unstrukturierten Daten
Unstrukturierte Daten bezeichnen Textdaten (Bsp. schriftliche Feedbacks zu Produkten), Bilder (Bsp. Selfie von meinem Kleidungsstil), Videos, Musik und andere Daten aus Social Media. Mit sogenannten neuronalen Netzen (auch bekannt als Deep Learning ) existieren nun endlich die zur Verarbeitung grosser Mengen an unstrukturierten Daten notwendigen algorithmischen Techniken – aber dies ist aufwändig, risikobehaftet und stellt ein sehr aktives Forschungsfeld dar.
Welche Arten von Recommendations gibt es?
Unpersonalized Recommenders
Die einfachste Art von Produktempfehlungen bilden sogenannte Scoring & Ranking Systeme. Zu grosser Berühmtheit brachten es beispielsweise das Fünf-Sterne-Rating von Amazon, der Like-Daumen von Facebook oder der Net Promoter Score. Diese Systeme erfassen explizite Kundenpräferenzen und Rückmeldungen zur Kundenzufriedenheit. Im Gegensatz dazu bewertet Boxoffice Kinofilme hinsichtlich des eingespielten Umsatzes an den Kinokassen und spiegelt damit implizit die Kundenzufriedenheit wider.
Quelle: https://www.amazon.de/Ultimate-Hitchhikers-Guide-Galaxy-Outrageous/dp/0345453743/
Scoring & Ranking Systeme haben den Nachteil, dass Sie kontextunabhängige Empfehlungen ausspielen. Für die Kundin, die an der Fast Food Theke gerade Eis bestellt, ist es eine ziemlich irrelevante Information, dass Ketchup als die beliebteste Sauce gilt. Ketchup ist also die falsche Information im Kontext von Eiscreme. Diesen Mangel beheben Assoziationsregeln. Assoziationen sind statistisch oft zusammen gekaufte Produktpaare, welche durch einen Algorithmus in vergangenen Transaktionsdaten identifiziert werden. So wird sinnvollerweise zukünftig zu Eis Erdbeersauce und zu Pommes Frites Ketchup empfohlen.
Nicht-personalisierte Empfehlungen sind kostengünstig in Umsetzung und Integration, bergen kaum Umsetzungsrisiken und werden in Kombination mit personalisierten Recommenders oft zur Abschwächung des Kaltstartproblems eingesetzt. Andererseits, und wie der Name schon sagt, sind solche Empfehlungen nicht individualisiert – alle Kunden der gleichen Zielgruppe bekommen im gleichen Kontext die gleichen Empfehlungen ausgespielt. Mit einer Rule Engine kann die Grösse der Zielgruppe zwar beeinflusst werden, jedoch steigt damit der manuelle Aufwand und verunmöglicht bald deren Bewirtschaftung. Ein weiteres Problem bildet die explizite Präferenzerfassung, da nur sehr wenig Kunden an Umfragen und Produktbewertungen teilnehmen – attraktive Anreizsysteme können in manchen Fällen Abhilfe schaffen.
Personalized Recommenders
Der Anspruch an personalisierte Recommenders ist, dass sie vollautomatisch für jeden Kunden eine individuelle Liste von Produktempfehlungen generieren und ausspielen.
Content-Based Recommenders
Ein inhaltsbasierter Recommender schlägt ähnliche Produkte zu denen vor, die eine Kundin in der Vergangenheit gekauft, bewertet oder angeschaut hat oder zum aktuellen Zeitpunkt gerade betrachtet. Dabei werden die Produktattribute zur Berechnung der Ähnlichkeit herangezogen.
Der grosse Vorteil dieser Algorithmen ist, dass sie neu in den Katalog aufgenommene Produkte sofort vorschlagen können. Je nach Ausprägung können sie ebenfalls Recommendations für anonyme Kunden oder Neukunden ohne Transaktionsdaten vorschlagen (siehe
«Kaltstartproblem»). Andererseits funktionieren diese Recommender nur in homogenen Produktkatalogen, in denen alle Produkte die gleichen Attribute aufweisen. Auch neigen sie zur Überspezialisierung: Wenn eine Kundin auf einer Immobilienplattform stets nur 4.5-Zimmer-Wohnungen aufgerufen hat, wird der Recommender ihr auch ausschliesslich
Wenn die Kundin im Auto-Shop nur Fahrzeuge der Marke Audi angeklickt hat, sollte ein Recommender trotzdem in der Lage sein, auch passende Modelle anderer Marken vorzuschlagen.
Eine Überspezialisierung wäre an dieser Stelle eher unerwünscht.
In vielen Branchen ist diese Art von Recommender genau die richtige Wahl: Ein Beispiel für die gelungene Anwendung eines inhaltsbasierten Recommenders lieferte uns ein Projekt, das wir gemeinsam mit einem der führenden Schweizer Weinhändler angehen durften. Es galt, die in der Vergangenheit gesammelten Kundendaten aufzubereiten, um sie in einem nächsten Schritt als Grundlage für individuelle Weinvorschläge verwenden zu können. Abhängig von der bevorzugten Traubensorte wurden smarte Empfehlungen automatisch generiert und den Kunden zugespielt.
Collaborative Filtering
Wie komme ich in meinem Privatleben zu einer hilfreichen Restaurantempfehlung?
Typischerweise frage ich in meinem Bekanntenkreis nach einem Tipp. Dabei spreche ich in erster Linie Leute an, deren Lebensumstände den meinen irgendwie ähnlich sind (z.B. bezüglich Alter, Einkommen, Familienstand oder kultureller Offenheit). Genau so funktioniert User-to-User Collaborative Filtering : Der Algorithmus identifiziert Kunden mit mir ähnelndem Einkaufs- und Surfverhalten und schlägt mir jene Produkte vor, die von diesen Kunden zusätzlich gekauft wurden. Amazon gilt als der wichtigste Wegbereiter dieser Familie von Algorithmen:
2013 überstieg der Amazon Katalog die Menge von 200 Millionen Produkten – bei einem täglichen Zuwachs von 175’000 Produkten! Recommendations für solche Kataloggrössen zu berechnen, ist eine immense algorithmische und systemtechnische Herausforderung, denn das Recommender System darf den Webseitenaufbau nicht weiter verzögern. Bereits 10 Jahre zuvor bemerkte Amazon, dass User-to-User Collaborative Filtering nicht beliebig skaliert werden kann.
Der Aufwand der Suche nach ähnlichen Kunden wurde bei stark zunehmender Anzahl Kunden und Produkten zu enorm. 2013 veröffentlichte Amazon einen Artikel mit dem Titel Item-to-Item Collaborative Filtering . Dabei werden Ähnlichkeiten nicht mehr länger über Kunden, sondern über Produkte berechnet. Es werden mir also Produkte mit ähnlichem Käuferstamm zu denen vorgeschlagen, welche ich bereits gekauft oder positiv bewertet habe. Diese scheinbar kleine Änderung hat zur Folge, dass wesentliche Schritte des Algorithmus vorausberechnet werden können, wodurch sich die Antwortzeit stark verkürzt.
Quelle: https://sellerengine.com/amazon-com-catalog-blows-past-200m-items/
Collaborative Filtering nutzt keine Produktattribute und funktioniert deshalb über beliebig heterogene Produktkataloge, wie es zum Beispiel bei Amazon der Fall ist. Andererseits benötigt Collaborative Filtering für jeden Kunden eine minimale Anzahl Transaktionen oder Ratings, um qualitativ gute Empfehlungen abgeben zu können. Ebenfalls muss für jedes Produkt eine gewisse Anzahl Käufe oder Ratings vorliegen. Collaborative Filtering unterliegt also dem Kaltstartproblem sowohl in Bezug auf neue oder anonyme Kunden als auch hinsichtlich frisch eingeführter Produkte. Diesem Mangel kann mittels Hybridisierung begegnet werden.
Matrix Factorization Recommenders
Eine Kunden-Produkt-Matrix, wie auf der linken Seite der Grafik dargestellt, bildet die Datengrundlage vieler Recommender-Algorithmen. Da jeder Kunde im Verhältnis zum gesamten Produktkatalog nur sehr wenige Produkte kauft oder bewertet, ist diese Matrix sehr dünn besetzt. Das heisst, die allermeisten Zellen sind leer. Matrix Factorization zerlegt diese (grosse) Matrix in zwei kleine Matrizen, deren Multiplikation die Kunden-Produkt-Matrix approximativ
reproduziert. Dabei müssen die wenigen besetzten Zellen wiederhergestellt werden; die leeren Zellen dürfen beliebigen Inhalt haben. Ihr Wert wird fortan zur Produktempfehlung verwendet.
Je nach Einsatzgebiet variiert die Qualität stark: Die Matrix-Faktorisierung hat 2008 den wahrscheinlich wesentlichsten Beitrag zum Gewinn der Netflix Challenge gebracht und deren Recommendations um 10% verbessert. In anderen Domänen ist die Qualität der Empfehlungen (aufgrund der Linearität des Modells) deutlich schlechter als mit Collaborative Filtering.
Quellen: https://en.wikipedia.org/wiki/Netflix_Prize, https://blog.echen.me/2011/10/24/winning-the-netflix-prize-a-summary/
Deep Learning
Den neuesten Forschungsstand bilden Recommender-Algorithmen auf der Grundlage neuronaler Netze. Diese auf sehr umfangreiche Datenmengen ausgelegten Modelle sind zwar in der Regel mit grösseren Herausforderungen bzgl. der Industrialisierung verbunden, bieten aber den einzigartigen Vorteil, dass sie unstrukturierte Datenquellen (d.h. Fotos, Texte, Musik, Videos und andere Social Media Daten) miteinberechnen können. Deep Variational Autoencoders oder Google Wide and Deep (für den Google Play Store entwickelt) sind bekannte Beispiele.
Ab wie vielen Produkten macht es Sinn, Recommender einzusetzen?
Recommender-Systeme im klassischen Sinne haben meist das Ziel, aus einer grossen Sammlung an Dokumenten oder Produkten, den Kunden das passende Produkt anzubieten. Wie beispielsweise bei Netflix mit seinen 1’569 TV-Serien und 4’010 Filmen (Quelle: Business Insider, 2018).
Für Recommender Systeme braucht es aber kein Big Data!
Intelligente und zuverlässige Empfehlungssysteme können auch bei kleinen Produktkatalogen sinnvoll sein. Nehmen wir als Beispiel eine fiktive Boutique mit 200 Produkten. Die Inhaberin möchte jeden Kunden mit einer persönlichen Einladung zum Private Shopping adressieren. Der Brief bietet Platz für vier Produktplatzierungen – sofern diese für den Kunden nicht relevant und individuell gewählt werden, erzielt das Anschreiben aber den gegenteiligen Effekt.
Wie viele Daten sind nötig?
Der Erfolg unserer Mission hängt nicht allein von der Datenmenge ab, die Qualität der Daten spielt eine mindestens ebenso grosse Rolle. Aus diesem Grund empfehlen wir, vor der Implementierung eines Recommenders ein detailliertes Data Quality Assessment durchzuführen.
Im Rahmen eines Vorprojekts wird so die Datenqualität von einem spezialisierten Data Scientist geprüft. Bei guter Datenqualität kann als nächstes die sogenannte Data Sparsity berechnet werden. Sie ergibt sich aus der Anzahl an Kunden, Produkten, Ratings oder Transaktionen.
Mithilfe der Sparsity erhält der Data Scientist konkrete Hinweise, ob die vorhandene Datenmenge für die Umsetzung eines Recommenders genügt. Hierbei beeinflussen Business-Anforderungen die Wahl der Recommender-Algorithmik, denn verschiedene Algorithmen unterscheiden sich hinsichtlich ihres Datenhungers. Eine allgemeine Aussage zur minimal benötigten Datenmenge für den Betrieb eines leistungsfähiges Recommender-Systems ist deshalb nicht möglich – der Data Scientist Ihres Vertrauens hilft Ihnen hier gerne weiter.
Was hat es mit dem Kaltstartproblem auf sich?
Recommender empfehlen Produkte auf der Grundlage berechneter Ähnlichkeiten zwischen
gleichen Produkte gekauft oder sie positiv bewertet haben. Produkte sind sich ähnlich, wenn sie ähnliche Merkmale aufweisen oder denselben Kundenstamm ansprechen. In der Praxis treten zwei Ausprägungen des Kaltstartproblems auf:
New User Cold Start Problem
Wenn sich ein Kunde neu angemeldet hat, können keine Ähnlichkeiten berechnet werden, da noch kein Produkt bewertet, gekauft oder betrachtet wurde.
New Item Cold Start Problem
Wenn ein neues Produkt in den Katalog gelangt, kann noch kein gemeinsamer Kundenstamm zu anderen Produkten ermittelt werden. Die Ähnlichkeit zu anderen Produkten ist noch unklar.
Ob und wie stark ein Recommender unter dem Kaltstartproblem leidet, hängt von dessen Algorithmik ab. Durch das Miteinbeziehen zusätzlicher Datenquellen kann das Kaltstartproblem zwar abgeschwächt werden, tatsächlich funktioniert das in der Praxis eher selten. Wenn beispielsweise nicht genügend Transaktionen oder Ratings verfügbar sind, könnte die Kundenähnlichkeit auch mit Hilfe demographischer Informationen (Alter, Geschlecht, Wohnort, Schulbildung, finanzielle Situation, etc.) berechnet werden. Doch welcher Kunde wäre schon bereit, solch persönliche Angaben preiszugeben, wenn es sich bloss um einen raschen Onlinekauf handelt? Die Sachlage wäre eine andere, ginge es an dieser Stelle um Banken und Versicherer, welche solche Informationen in hoher Qualität bereits besitzen. Hier wäre es durchaus denkbar, Ähnlichkeiten aufgrund von demographischen Merkmalen zu ermitteln (Datenschutzaspekte und Einschränkungen bzgl. der Datenverwendung werden an dieser Stelle nicht weiter vertieft).
Der allgemein empfohlene Umgang mit dem Kaltstartproblem ist unter dem Begriff Hybridisierung bekannt und geht zurück auf die «Netflix Challenge» von 2009, als ein Empfehlungssystem für Filme und Serien durch die Kombination verschiedener Recommender-Algorithmen um über 10% («root mean squared error») verbessert werden konnte. Die Idee dahinter ist so einfach wie naheliegend: Unterschiedliche Recommender-Algorithmen besitzen verschiedene Vor- und Nachteile. Wie die folgenden Beispiele aufzeigen:
· Ein Content-Based Recommender kann jedes Produkt sofort vorschlagen, ohne dass es zuvor gekauft worden sein muss. Allerdings neigen solche Recommender zur Überspezialisierung: wer bspw. ständig Autos der Marke Peugeot betrachtet, bekommt
folglich nur Peugeots empfohlen. Ausserdem können für neue Kunden noch keine Empfehlungen berechnet werden («new user cold start problem»).
· Ein Collaborative Filtering Recommender generiert für Retail Anwendungen oftmals die qualitativ besten Empfehlungen mitsamt hoher thematischer Variation. Leider leidet dieser Algorithmus stark unter dem Kaltstartproblem, wenn er mit neu gewonnenen Kunden und neu eingeführten Produkten zu tun hat.
· Marketing Rules (Bsp. «Im Frühjahr empfehlen wir allen Kunden Spargel») sind handgestrickt, bei grösserer Zahl und feiner Granularität allerdings aufwändig hinsichtlich der Administration und zudem nicht personalisiert. Andererseits funktionieren Sie unabhängig von der Datenverfügbarkeit.
Ein modernes Recommender System könnte als effektive Massnahme gegen das Kaltstartproblem die drei Recommender-Techniken hybridisieren, d.h. miteinander kombinieren.
Vorteile eines eigenen Recommenders im Vergleich zum Recommender as a Service
SaaS («Software as a Service») hat den Vorteil, dass sie schnell einsatzbereit ist und man sich keine Sorgen um benötigte Hardware-Ressourcen zu machen braucht. Man sendet seine Daten einfach an den entsprechenden Anbieter und erhält im Gegenzug seine Empfehlungen zurückgespielt. Einsicht in Logik und Funktionsweise im Hintergrund erhält man in der Regel nicht. Am Monatsende folgt dann regelmässig die Abrechnung für die Nutzung des Systems.
Software as a Service (SaaS)
Die Preismodelle von SaaS variieren stark und bieten den nutzenden Unternehmen in der Regel wenig Planungssicherheit. Je nach Umfang und Aufwand kann es schnell sehr teuer werden. Viele SaaS-Modelle funktionieren nämlich so, dass sie eine Grundgebühr verlangen. Zudem erhält der Anbieter pro Abschluss – also nach jedem durch Empfehlung generierten Produktkauf – eine prozentuale Kommission. Zu Beginn profitiert man von niedrigen Investitionskosten, doch im Laufe der Zeit, wenn sich Empfehlungen weiter verbessern, ändert sich das. Im Erfolgsfall sieht man sich schnell mit steigenden Gebühren konfrontiert. Wir erinnern uns: Amazon generiert bspw. 35% seines Umsatzes über Empfehlungen und Netflix satte 75% (McKinsey, 2013).
Datenschutzproblem
Wo sind eigentlich die Kundendaten gespeichert? Wer kann darauf zugreifen und wozu werden sie genau verwendet? Insbesondere bei sensiblen und besonders schützenswerten Daten ist es für viele Unternehmen nicht möglich, Daten ins Ausland zu übermitteln. Das ist problematisch, denn die meisten Server von SaaS-Anbietern befinden sich irgendwo in der Welt. Der Serverstandort definiert in der Regel auch die Rechte, denen die dort lagernden Daten unterliegen. Nicht zuletzt deshalb setzen viele Unternehmen auf eigene Data Warehouses, in denen sie ihre Daten ablegen und mit deren Hilfe Recommender Systems trainiert werden.
Make or Buy
SaaS sind einfach und günstig zu integrieren, ausserdem spart man sich die Entwicklungskosten.
Dies kann für sehr viele Shops ausreichend sein und eine ordentliche Lösung darstellen.
Nichtsdestotrotz sollte man als Anbieter von personalisierten Empfehlungen verstehen, auf welcher Basis diese Vorschläge entstehen: Welche Daten werden berücksichtigt, welche nicht?
Und aus welchem Grund? Auf SaaS-Systeme sollte nur gesetzt werden, wenn sie die nötige Transparenz erlauben und zudem die Möglichkeit bieten, gewisse Konfigurationen am Algorithmus vorzunehmen und die Ergebnisse messbar machen.
Recommendations an den Käufer bringen
Es lohnt sich, Recommendations auf verschiedenen Kanälen auszuliefern (Web, Mobile, Print, Newsletter etc.). Sind Empfehlungen erst einmal berechnet worden, will man diese ja für sich nutzen – und das möglichst umfänglich. Dies bedarf, dass man die Daten auch in die Systeme zurückspielen kann, welche im Daily Business verwendet werden. Nicht zuletzt bieten vor allem Software as a Service (SaaS) nicht immer die passenden Schnittstellen, welche für die eigene Systemlandschaft erforderlich sind. Gegebenenfalls können Recommendations dann nur über mühsame Umwege in anderen Kanälen genutzt werden, was letztlich in manuelle Handarbeit resultiert. Im Falle eines eigenen Systems kann hingegen jeder Connector individuell gebaut und adäquat auf die vorhandene Systemlandschaft angepasst werden.
Der Allzweck-Algorithmus existiert nicht
Jeder Recommender-Algorithmus hat spezifische Eigenschaften, bietet sowohl Vor- als auch
verarbeiten gilt, ihrer Effizienz im Umgang mit grossen Datenmengen oder dem Kaltstartproblem. Ausserdem variieren Recommender in Bezug auf Überspezialisierung, Aufwand der Industrialisierung, Regelmässigkeit des Retrainings, usw.
In diesem Lichte wäre es ein überaus glücklicher Zufall, wenn der Software as a Service Recommender sämtliche Ihrer spezifischen Business-Anforderungen erfüllen würde.
Wie kann ich verhindern, dass zu oft dieselben Empfehlungen ausgespielt werden?
Durch Offline-Evaluation kann die Variation der Empfehlungen im Vorfeld gemessen werden.
Werden aufgrund der Daten die gleichen Produkte zu oft vorgeschlagen, können algorithmische Gegenmassnahmen getroffen werden. Zum Beispiel: Wird immer wieder die Pizzeria Luigi vorgeschlagen, könnte man die Recommendations auf Stufe «Restaurant-Typ» berechnen (Pizzeria, Thai, Vegan, ...) und danach ein Restaurant (in geographischer Nähe) zufällig vorschlagen lassen. Durch den gezielten Einsatz eines Zufallszahlengenerators könnte in diesem Fall die Variation erhöht werden, ohne dass die Kundenpräferenz (Pizzeria) vernachlässigt würde.
Und dies ist nur die einfachste unter zahlreichen Möglichkeiten zur Steigerung der Variation.
Wie kann ich in die Empfehlungen eingreifen?
Gleich vorweg: Aus algorithmischer Sicht sollte man einen direkten Eingriff stets vermeiden. Da dies aber oftmals ein Kernbedürfnis des Marketings darstellt (gerade weil das Marketing die Kernkompetenz in der Kundenkommunikation innehat), würde eine solche Antwort unweigerlich zu Akzeptanzproblemen des Recommender-Systems im Betrieb führen. Wir empfehlen in einem solchen Fall die Kombination mit einer Rule Engine (siehe Hybridisierung). Werden auf der Online-Plattform vier Platzhalter für Produktempfehlungen dargestellt, könnten zwei davon durch den Recommender und zwei durch die Rule Engine des Marketings bespielt werden – natürlich pro Seite und in zufälliger Reihenfolge. Als (vielleicht) willkommener Nebeneffekt könnte so auch der eingespielte Umsatz des Marketings mit dem des Recommenders verglichen werden – je nach Ergebnis wird dies nicht bei allen Beteiligten Begeisterungsstürme auslösen.
Wie sollte man bei der Einführung eines Recommender-Systems vorgehen?
Die Entwicklung von Empfehlungssystemen ist eine multidisziplinäre Aufgabe, die verschiedene Bereiche umfasst. Experten aus unterschiedlichen Fachgebieten bringen ihre Kompetenzen mit ein: Künstliche Intelligenz, Human Computer Interaktion, Informationstechnologie, Data Mining, Statistik, adaptive Benutzeroberflächen, entscheidungsunterstützende Systeme, Marketing oder Verbraucherverhalten. (Quelle: Recommender Systems Handbook F. Ricci, L. Rokach, B. Shapira & P. B. Kantor, 2015)
In der Regel umfasst die Implementierung eines Empfehlungssystems fünf zentrale Aufgaben, die von verschiedenen Personen bearbeitet werden:
1. Erfassung der Business-Anforderungen (Business Requirements)
2. Evaluation einer geeigneten Recommender-Algorithmik auf einem Datenexport 3. Implementation der Recommender Engine
4. Industrialisierung / Integration
5. Regelmässige Evaluation im Live Betrieb und regelmässige Evaluation der Parametrisierung
Wie misst man den Erfolg eines Recommenders?
Erfolgreiche Empfehlungen liefern messbare Resultate, welche sich in der Anzahl Klicks, Käufen, Lesedauer, Interaktionen und weiteren Messgrössen niederschlagen. Solche Zielvorhaben werden oft als Conversions bezeichnet.
Je nach Strategie und Einsatzgebiet des Recommenders unterscheiden sich die Kennzahlen. Für jeden Recommender müssen vor der Implementierung die nötigen Messgrössen und Zielwerte festgelegt werden, denn nur auf diese Weise lassen sich zu einem späteren Zeitpunkt Aussagen über den Erfolg des Recommenders treffen.
Einen Recommender besser zu machen bedeutet, dessen Algorithmik und Konfiguration so zu verändern, dass die Conversions weiter ansteigen. Um die Performance fortlaufend zu testen, werden regelmässig Offline Evaluationen und A/B Tests durchgeführt.
Offline Evaluation
Bei einer Offline Evaluation werden die bereits existierenden Kundendaten (Transaktionen, Page Views, Ratings, ...) zufällig in zwei Töpfen verteilt. Typisch sind 80% Trainingsdaten und 20%
Testdaten. Mit den Trainingsdaten werden Recommendations für die Kunden in den Testdaten berechnet. Danach wird anhand der Testdaten überprüft, ob die empfohlenen Produkte auch tatsächlich vom Kunden gekauft oder bewertet worden sind. Das ermöglicht den nächsten Schritt: die Berechnung der Trefferrate eines Recommenders.
Für die Entwicklung eines Recommenders ist eine solche Offline Evaluation enorm wichtig. Es muss uns allerdings bewusst sein, dass die Trefferrate ein sehr konservatives Mass darstellt.
Folgendes Beispiel: Einmal angenommen, ihr Shop hätte 10’000 verschiedene Produkte. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein zufällig empfohlenes Produkt auch tatsächlich gekauft wird, wäre demnach sehr klein. Nehmen wir nun an, unser Recommender hätte eine Trefferrate von 15%. Im Durchschnitt würde also jedes sechste vorgeschlagene Produkt tatsächlich auch gekauft werden.
Wie sieht es mit den anderen fünf Produkten aus? Womöglich sind sie für den Kunden in der Tat nicht relevant. Doch auch andere Gründe könnten eine Rolle spielen – vielleicht hat der Kunde das vorgeschlagene Produkt einfach übersehen oder hat es bei der Konkurrenz zu einem besseren Preis entdeckt? Die Vielzahl möglicher Gründe unterstreicht, dass es sich bei der Trefferrate um ein sehr konservatives Mass handelt.
Wenn Sie wirklich wissen wollen, wie erfolgreich ihr Recommender System performt, bleibt Ihnen nur ein A/B Testing im laufenden Betrieb als wirklich aussagekräftige Option. So messen Sie nicht anhand von konservativen und schwierig zu interpretierenden Kenngrössen, sondern mithilfe der tatsächlich generierten Umsatzsteigerung.
A/B Testing
Bei A/B Testing wird zufällig einer Gruppe von Menschen die neue Konfiguration ausgespielt und der anderen Gruppe die aktuelle Konfiguration (z.B. vom Marketing ausgewählte Produkte). Über eine bestimmte Zeit hinweg und anhand konkreter Messgrössen wird dann ermittelt, ob die neue Konfiguration in der Lage ist, eine bessere Conversion zu erzielen.
Solche Tests sollten nach der Implementierung eines Recommenders immer wieder systematisch
Kaufverhalten Ihrer Kunden ändern und entsprechend in den Daten widerspiegeln. Eine kontinuierliche Prüfung der optimalen Konfiguration ist daher unausweichlich.
Woran scheitern Recommender-Projekte?
Ungenügende Datenmenge
Wie oben dargestellt haben unterschiedliche Recommender-Algorithmen auch einen unterschiedlich ausgeprägten Datenhunger. Vielleicht besitzen Sie in der Tat zu wenig Daten;
womöglich wählten Sie aber auch die falsche Recommender-Algorithmik für Ihr Datenvolumen.
Ungenügende Datenqualität
Die letzten Jahre waren geprägt von Begriffen wie «Big Data», «Data Warehouse» oder «Data Lake». In Unternehmen brach eine regelrechte Datensammelwut aus und jeder Betrieb war auf einmal bemüht, möglichst viele Daten zusammenzutragen. Die gesammelten Daten wurden dann in Data Warehouses, Data Lakes oder Excel-Listen gespeichert – und in den meisten Fällen nie in Bezug auf Datenqualität untersucht. Datenqualitätsprobleme können sehr unterschiedliche Ursachen haben: technische Fehler bei der Datenerfassung, dem Datenexport oder bei der Migration zwischen Systemen, Konversionsprobleme, Falschangaben durch Kunden (z.B.
Geburtsdatum), veraltete Informationen (z.B. Adressen und Telefonnummern), usw. Wir empfehlen, Ihre Daten möglichst schnell von einem Experten sichten zu lassen und eine Form von Rating durchzuführen (von 1 bis 5 Sternen), um herauszufinden, welche Datenquellen man für ein Recommender System berücksichtigen könnte und welche nicht.
Überkomplexe Modelle
Fast wöchentlich hört man von neuen, hochkomplexen AI-Modellen, welche mit Hilfe von Big Data und Deep Learning einen Rekord nach dem anderen brechen. In den allermeisten Fällen reichen bereits einfache Recommender aus, um gute Ergebnisse zu erzielen. Man sollte sich daher zu Beginn eher an einer Low Hanging Fruit orientieren, also die gängigsten Recommender-Modelle heranziehen. Wenn zu einem späteren Zeitpunkt Messdaten über den Erfolg der eingesetzten, simplen Modelle vorhanden sind, kann man sich Schritt für Schritt an komplexere Varianten heranwagen.
Anbindung des Data Lake
Als Data Lake bezeichnet man entweder einen Server oder eine komplette Server-Infrastruktur, worauf strukturierte und unstrukturierte Daten abgelegt werden. Solche Systeme dienen heutzutage meist als «Datenparkplatz», um die enthaltenen brauchbaren Daten zu einem späteren Zeitpunkt nutzen zu können. Dieser Zeitpunkt kommt nicht erst, wenn die Konzeption und Implementierung des Recommenders ansteht – dann hat man ihn bereits verpasst.
Die besten Recommender Systems operieren nämlich mit nur wenigen Datenquellen, welche gezielt überwacht und justiert werden. Nach der (Daten-)Nadel im Heuhaufen des Data Lake sollte man erst suchen, wenn ein Recommender implementiert wurde und Erfolgswerte vorliegen, an denen man den Effekt der zusätzlichen Datenquellen messen kann.
Externe Daten nutzen
Externe Datenquellen wie Social Media oder Open Data bieten Zugriff auf Millionen von Datensätzen. Auf solche Daten zuzugreifen macht beim erstmaligen Einsatz eines Recommenders – ähnlich wie bei den Data Lakes – in den meisten Fällen wenig Sinn. Nicht zuletzt muss bei der Evaluation von externen Datenquellen besonders darauf geachtet werden, wo und wie die Daten erhoben wurden und ob diese mit dem (Daten-)Ökosystem des eigenen Unternehmens übereinstimmen.
Fehlende Messbarkeit
Recommender Systems haben das Ziel, einen unternehmerischen Mehrwert zu stiften. Dieser wird erst ersichtlich, wenn man ihn messbar macht. Für jeden Recommender ist also entscheidend, dass dessen Erfolg quantifizierbar ist. Dazu muss die Möglichkeit gegeben sein, vor, während und nach dem Einsatz von Empfehlungen Erfolgsmessungen durchzuführen. Auf diese Art und Weise lässt sich ein Recommender im Nachhinein einfacher optimieren – denn nur wenige Prozente an Verbesserung resultieren schnell einmal in einen weitaus höheren Umsatz.
Fehlendes Commitment der Geschäftsleitung
Der Einsatz von Recommender Systems verändert ganze Unternehmen und ist in jeder Abteilung, über alle Hierarchiestufen hinweg, spürbar. Um Recommender Systems erfolgreich einzuführen,
Mehrwert eines effizienten Empfehlungssystems erkennt, können solche komplexen Systeme erfolgreich eingeführt werden und als Teil der Unternehmenskultur fortbestehen.
Welche Vorteile bietet mir ein intelligentes Empfehlungssystem?
Durch den Einsatz eines Recommender-Systems ergeben sich folgende, nicht abschliessende Potenziale. Diese unterscheiden sich je nach Branche und Einsatzgebiet stark:
· Mehr Umsatz auf digitalen und analogen Kanälen durch relevante Angebote
· Besseres Verständnis über das Kundenverhalten und auftretende Muster
· Ein besseres Kundenerlebnis im gesamten Kaufprozess
· Unterstützung im Entscheidungs- und Kaufprozess der Kunden
· Entdeckung von Blind Spots im Sortiment
· Kanalübergreifender Einsatz von Empfehlungen
· Mehr Traffic und höhere Verweildauer auf den eigenen Kanälen
· Webseitenbesucher werden schneller zu Käufern konvertiert
· Abwanderungsgefährdete Kunden (Churn) zurückgewinnen
· Langfristige Kundenbindung
· Erhöhung des durchschnittlichen Warenkorbwerts und der Anzahl Produkte pro Kauf
· Optimierung des Wareneinkaufs durch genauere Vorhersage zukünftiger Käufe
Wo kann ich meine Empfehlungen einsetzen?
Ein Recommender System stellt man sich am besten vor wie eine Wetterstation. Die Wetterstation sammelt täglich Daten und bereitet daraus Prognosen auf. Man kann nun jederzeit bei der Wetterstation anfragen, wie das Wetter heute oder morgen wird und man erhält umgehend eine Antwort. Diese Antwort kann dann in einer App, via SMS-Benachrichtigung, per Email-Dienst oder sogar in Papierform rund um die Uhr ausgespielt werden.
In unserem Fall werden täglich Daten aus dem Kauf- oder Nutzerverhalten gesammelt, um daraus Empfehlungen für einzelne Kunden oder ganze Kundengruppen zu berechnen. Diese Empfehlungen können wir nun – so wie bei der Wetterprognose – in analoge und digitale Kommunikationsmittel überführen.
Nicht zu unterschätzen ist zudem, welche zentrale Rolle Empfehlungen für die Menschen in Unternehmen spielen können. Empfehlungen können im Kundendienst ebenso unterstützend eingesetzt werden wie bei klassischen Verkaufsflächen. Sie ermöglichen gezieltere Produktvorschläge am Point of Sale und verbessern das Kundenerlebnis insgesamt.
Ausblick: Recommender Systems als Forschungsgebiet
Recommender Systems bilden ein sehr aktives Forschungsgebiet innerhalb der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens. Es werden fortlaufend neue Algorithmen entwickelt, die auf immer grösser werdende Datenmengen (Produktkataloge und Kundendatenbank) skalieren und dabei mit unterschiedlichen Strategien den immer gleichen Herausforderungen sowie dem zuvor erwähnten Kaltstartproblem begegnen.
Besonders faszinierend ist vor allem die Forschung, welche sich mit der Nutzbarmachung von unstrukturierten Daten für Recommender Systems befasst. Beispiele hierfür sind von Kunden verfasste Reviews in Textform, Fotos, Videos oder andere Social-Media-Daten.
Stellen Sie sich zum Beispiel folgenden Anwendungsfall vor: Eine Kundin nimmt online am Wettbewerb eines Reiseunternehmens teil. Um den Urlaubsgutschein von CHF 3’000 gewinnen zu können, muss sie ihre Anschrift angeben und einen möglichst kreativen Text über den
«Ich war mit meinem Freund in Peru und wir haben gemeinsam den Machu Picchu bestiegen. Es gab so Vieles zu sehen. Ich konnte wunderschöne Bilder mit meiner Nikon schiessen und bei einem herrlichen Mate-Tee entspannen. Peru ist definitiv die Reise wert.»
Mithilfe ihres Textes lässt sich vieles über den Menschen erfahren, der hinter der Kundin steht:
Beziehungsstatus, Fotografieren als Hobby, Markenaffinität, ihre Liebe zu Südamerika, die Kombination aus Aktivreise (Wandern) und Erholung. Auch würden die wenigsten von uns diese Person als Actionsportlerin einstufen oder auf den Billigflieger nach Ibiza schicken wollen.
Wie aber können Recommender Systems diese wertvollen Informationen verarbeiten, interpretieren und daraus individualisierte Produktvorschläge generieren – z.B. eine Hochzeitsrundreise durch die Anden, einen Tierfotografiekurs im Zoo oder eine japanische Teezeremonie? Was für die einen hochspannend sein mag, könnte andere arg langweilen.
Die Wettbewerbsteilnahme legitimiert das Reiseunternehmen, die Kundin zu einem späteren Zeitpunkt via E-Mail zu kontaktieren und sie über die Gewinnvergabe zu informieren. Natürlich ist dieses Mailing die ideale Plattform für individualisierte Produktempfehlungen. Darüber hinaus können moderne Empfehlungssysteme zum Textinhalt passende Stimmungsbilder aus einer umfassenden Bildbibliothek auswählen und damit das Mailing auch gestalterisch individualisieren. Sogar bei der Reisegarderobe können modernste Recommender Systems Unterstützung leisten, und ggf. der Kundin das passende Outfit empfehlen – beispielsweise basierend auf zehn zur Verfügung gestellten Schnappschüssen.
Technisch gesehen müssen solche Recommender Systems (unstrukturierte) Text- und Bildinhalte verarbeiten, semantisch interpretieren und abgleichen können. Klassische Ansätze, basierend auf Stichwortanalyse und Abgleichung mit Vokabellisten, sind zum Scheitern verurteilt. Sie stossen meist dann an ihre Grenzen, wenn es darum geht herauszufinden, dass es sich bei Begriffen wie Velo und Fahrrad um ein und denselben Gegenstand handelt. Noch problematischer ist es, werden sie mit Slang und Jugendsprache, Modewörtern oder Rechtschreibfehlern konfrontiert.
Modernste Recommender Systems bewerten die Ähnlichkeit von unstrukturierten Daten, indem sie mittels neuronaler Netze und Millionen von Referenzdokumenten numerische
Fingerabdrücke von Texten und Bildern generieren und vergleichen. Riesige Bild- und Textdatenbanken stehen zu diesem Zweck als Referenzkorpus frei im Internet zur Verfügung.
Auch die Hochschule Luzern in Zusammenarbeit mit der Jaywalker Digital AG beteiligt sich aktiv an dieser Forschung. Gerne demonstrieren wir Ihnen, wozu Recommender-Technologien der neuesten Generation fähig sind.
Wir helfen Ihnen bei der Umsetzung
Unsere Begeisterung liegt darin, mit Daten zu arbeiten und Systeme zu bauen, die Ihnen helfen, Ihre Daten zu analysieren, um so bei Ihren Kunden mehr Relevanz und Umsatz zu erzielen.
Wenden Sie diese Systeme auf Ihre Webseite, E-Mail-Kampagnen und Printprodukte an und schaffen Sie so einen messbaren Mehrwert – für Sie selbst und für Ihre Kunden.
Bitte zögern Sie nicht, mit uns Kontakt aufzunehmen. Wir freuen uns auf Ihren Input.
Kevin Kuhn
Managing Partner bei Jaywalker Digital AG
kevin.kuhn@jaywalker-digital.ch Tel.: +41 41 500 22 07
www.jaywalker-digital.ch