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E N T S C H E I D U N G S D A T U M G E S C H Ä F T S Z A H L W /15E I M N A M E N D E R R E P U B L I K!

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Academic year: 2022

Aktie "E N T S C H E I D U N G S D A T U M G E S C H Ä F T S Z A H L W /15E I M N A M E N D E R R E P U B L I K!"

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1030 Wien Tel: +43 1 601 49 – 0 Fax: + 43 1 711 23-889 15 41 E-Mail: einlaufstelle@bvwg.gv.at www.bvwg.gv.at

E N T S C H E I D U N G S D A T U M 3 0 . 0 8 . 2 0 2 1

G E S C H Ä F T S Z A H L

W 1 2 4 2 1 8 2 5 3 2 - 1 / 1 5 E

I M N A M E N D E R R E P U B L I K !

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung öffentlicher mündlicher Verhandlungen am XXXX und XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005, § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Indien, stellte nach

unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am XXXX einen Antrag auf internationalen

Schutz. Am selben Tag erfolgte seine Erstbefragung vor Organen des öffentlichen

Sicherheitsdienstes, im Rahmen welcher er zu seiner Person anführte, dass er am XXXX

(2)

geboren sei, aus Gurdaspur (Indien) stamme, Punjabi spreche, der Volksgruppe der Jat und der Religionsgemeinschaft der Sikhs angehöre.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, es habe einen Streit zwischen seiner Familie und einem der Dorfbewohner gegeben, da sein Vater XXXX ein Grundstück gekauft habe, das der Verkäufer dann gewaltsam zurück habe wollen. Der BF sei sodann zwei Mal vom Verkäufer, der ein sehr einflussreicher Mensch sei und Kontakte zur Polizei und Politikern habe, zusammengeschlagen worden. Er habe dem Vater auch gedroht, den BF umzubringen, wenn er das Grundstück nicht zurückgebe.

Generell gebe es im Dorf des BF sehr viel Kriminalität, und die Dorfbewohner würden sehr viele Drogen konsumieren. Der BF sei auch in viele andere Streitigkeiten verwickelt.

2. Am XXXX wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden:

BFA) niederschriftlich einvernommen, wobei die Einvernahme im Wesentlichen folgenden Verlauf nahm:

[…]

F: Wie verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher?

A: Gut.

F: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

A: Es geht mir gut.

Sind Sie in ärztlicher Behandlung, nehmen Sie irgendwelche Medikamente?

A: Nein.

F: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

A: Ja.

F: Haben Sie in der Erstbefragung bereits alle Gründe für Ihre Asylantragstellung in Österreich genannt?

A: Ja.

F: Wie heißen Sie, wann und wo wurden Sie geboren? Schildern Sie Ihren Lebenslauf.

A: Ich heiße

XXXX

, wurde am

XXXX

im Dorf

XXXX

, Bezirk

XXXX

geboren. Ich habe einen Bruder und eine Schwester.

F: Was ist ihre Muttersprache und welche Sprachen sprechen Sie noch?

A: Punjabi.

F: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?

A: Indien.

F: Welcher Volksgruppe und welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an?

A: Ich bin Sikh und gehöre Jhatt.

(3)

F: Welche Schule haben Sie besucht oder haben Sie eine Ausbildung absolviert? Wenn ja, wie lange und in welcher Art?

A: Ich habe 12 Jahre die Schule besucht und war in der Landwirtschaft meiner Eltern tätig.

F: Welchen Beruf haben Sie in Ihrem Heimatland ausgeübt?

A: In der Landwirtschaft habe ich gearbeitet.

F: Haben Sie im Herkunftsland, oder hier Strafrechtsdelikte begangen?

A: Nein.

F: Welche Angehörigen haben Sie noch im Heimatland? Bitte erzählen Sie mir von Ihnen.

A: Meine Eltern, eine Schwester und einen Bruder.

F: Wohnen sie alle zusammen?

A: Ja.

F: Wo?

A: In derselben Adresse wo ich wohnte.

F: Wovon bestreiten Ihre Angehörigen den Lebensunterhalt?

A: Von der Landwirtschaft.

F: Haben Sie noch weitere Verwandte in Ihrem Heimatland?

A: Ich habe einige Onkeln und Tanten dort. Der Onkel väterlicherseits wohnen in der Nähe. Die Anderen weiter weg.

F: Hat Ihre Familie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland, z.B. Häuser, Grund? Hatten Sie wirtschaftliche Gründe Ihre Heimat zu verlassen?

A: Meine Familie besitzen ein Haus und auch ein Grundstück.

F: Haben Sie Kontakt zu Ihren Verwandten im Heimatland? Wenn ja, in welchem Ausmaß?

A: Ja, einmal in der Woche telefonieren wir.

F: Wann hatten Sie zuletzt mit jemand aus Ihrem Herkunftsland Kontakt?

A: Vorige Woche war das.

F: Womit haben Sie in Ihrem Heimatland bisher Ihren Lebensunterhalt bestritten?

A: Ich habe in der Landwirtschaft geholfen.

F: Haben Sie hier in Österreich Verwandte?

A: Nein.

F: Leben Sie mit jemand in Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft? Wenn ja, beschreiben Sie diese Gemeinschaft!

A: Nein, ich wohne privat.

F: Wie bestreiten Sie nun in Österreich Ihren Lebensunterhalt? Welche Unterstützungen beziehen Sie?

A: Ich hatte noch Kapital, das habe ich schon verbraucht. Und ein Bursche, bei dem ich jetzt wohne, der unterstützt mich. Ich warte auf die Zusage der Unterstützung vom Staat.

F: Sind Sie arbeitsfähig? Was würden Sie gerne arbeiten?

A: Ja. Je nachdem was ich finde, ich bin bereit für alles.

F: Sind Sie in Österreich Mitglied in irgendwelchen Vereinen oder Organisationen?

A: Nein.

F: Wann haben Sie Ihr Heimatland verlassen?

A: Vor drei Monaten.

(4)

F: Wann sind Sie in Österreich eingereist?

A: Vor zwei Monaten.

F: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie Ihre Fluchtgründe? Was veranlasste Sie, die Heimat zu verlassen? Bitte schildern Sie möglichst konkret und detailliert!

AW wirkt sehr gelangweilt und redet nur, wenn man konkret nachfragt.

A: Mein Vater hat ein Grundstück (1 Kila) gekauft von einer Person, von der ich den Namen nicht weiß. Er hat von meinem Vater das Geld, das waren 1,5 Mio. Rupien bekommen, aber das Grundstück wollte er nicht übergeben. Mein Vater hat es irgendwie geschafft, dass er das Grundstück bekommt, aber die Gegner fingen an, uns zu bedrohen, wir sollen das Grundstück zurückgeben. Wenn wir es nicht tun würden, werden sie mich umbringen. Sie haben mich auch zweimal geschlagen.

F: Warum sagen Sie jetzt Gegner, wenn es vorher nur ein Mann war?

A: Ich meine Personen, von denen wir das Grundstück gekauft haben.

F: Wurden Sie persönlich bedroht und wenn ja in welcher Art und Weise?

A: In unserem Dorf ist ein Hindutempel. Wegen diesem Tempel haben wir auch Streit in unserem Dorf.

F: Wie wurde Ihre Familie bedroht?

A: Personen, von denen wir das Grundstück gekauft haben, diese haben meine Eltern mit dem Tod bedroht. Sie sagten, wenn wir das Grundstück nicht zurückgeben, sie werden mich töten. Dann reiste ich nach

XXXX

, aber sie sind nachgekommen und haben mich dann in

XXXX

auch geschlagen.

F: Warum ausgerechnet Sie?

A: Da ich in der Landwirtschaft gearbeitet habe. Am Anfang waren sie mit mir befreundet. Über mich ist der Grundstücksverkauf gelaufen. Deswegen wollten sie mich auch jetzt dazu zwingen, das Grundstück

zurückzuholen.

F: Wurden auch Ihre Geschwister bedroht?

A: Sie sind auch zu uns nach hause gekommen und haben meine Familie beschimpft. Sie haben auch das Grundstück bearbeitet ohne unsere Genehmigung.

F: Wie oft wurden Sie geschlagen?

A: Dreimal.

F: Wo war das?

A: Einmal im Dorf, das zweite Mal bei meiner Tante im Nachbardorf und das dritte Mal in

XXXX

. F: Wann wurden Sie das letzte Mal geschlagen?

A: Das war im dritten Monat voriges Jahr.

F: Wurden nur Sie oder auch andere Familienmitglieder geschlagen?

A: Mein Vater wurde auch geschlagen. Mein Bruder und meine Schwester sind noch jung, denen haben sie nichts getan. Wir haben auch eine polizeiliche Anzeige erstattet. Da diese Personen zur dorfältesten Gesellschaft gehören, hat die Polizei nichts unternommen.

F: Wie ist jetzt die Situation, seitdem Sie weg sind?

A: Sie ärgern meinen Vater nach wie vor. Mein Vater wurde voriges Monat geschlagen AW erzählt nur das Notwendigste und wirkt genervt.

F: Haben Sie jemals erwogen, an einen anderen Ort in Ihrem Heimatland zu ziehen, um den Problemen zu entgehen?

A: Ich reiste nach

XXXX

, um unterzutauchen, aber sie haben mitbekommen, dass ich in

XXXX

bin. Sie sind nachgekommen und haben mich dort geschlagen. Währenddessen ist die Polizei gekommen und dann sind sie weggelaufen.

(5)

F: Wo haben sie gewohnt in

XXXX

? AW wird nervös, stottert und greift sich auf den Kopf A: Bei

XXXX

, einem Verwandten habe ich gewohnt. Haus Nr.

XXXX

in Main

XXXX

. F: Sind das alle Ihre Fluchtgründe?

A: Ja.

F: Was hätten Sie bei einer Rückkehr in Ihr Heimatland zu befürchten?

A: Ich habe Angst um mein Leben. Dass die Gegner mich nicht am Leben lassen werden. In unserem Dorf werden sehr viele Drogen verkauft, ich habe keine Zukunft dort. Jeden Tag gibt es religiöse Auseinandersetzungen.

AW gibt jetzt an, dass er nicht weiß, ob die Adresse von dem Verwandten in

XXXX

stimmt, aber das Haus war neben einem Sikhtempel.

F: Sie haben dort gewohnt und werden doch die Adresse wissen!

A: Diese Umgebung ist sehr bekannt, weil dort der

XXXX

Tempel ist.

AW kann nichts Konkretes angeben und schaut nur

Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die vom Bundesamt zur Beurteilung Ihres Falles herangezogenen allgemeinen Länderfeststellungen des BFA zu Ihrem Heimatland samt den darin enthaltenen Quellen Einsicht und gegebenenfalls Stellung zu nehmen. Diese Quellen berufen sich vorwiegend unter anderem auf Berichte von EU-Behörden von Behörde von EU-Ländern aber auch Behörden anderer Länder, aber auch Quellen aus Ihrer Heimat wie auch zahlreichen NGOs und auch Botschaftsberichten, die im einzelnen auch eingesehen werden können. Möchten Sie die Länderfeststellungen übersetzt bekommen?

A: Ja.

Anm.: Die Länderfeststellungen werden durch den Dolmetscher übersetzt.

F: Möchten Sie zur Lage in Indien eine Stellungnahme abgeben?

A: Ich möchte nicht nach Indien zurück, da mein Vater erst vor kurzem geschlagen wurde und mein Leben ist dadurch in Gefahr.

F: Ich beende jetzt die Befragung. Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen und gibt es zur Einvernahme irgendwelche Einwände?

A: Nein.

[…]

3. Mit Bescheid vom XXXX , Zahl XXXX , wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs.

1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen ihn wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm

§ 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III). Als Frist zur freiwilligen Ausreise wurden gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Das BFA führte im Bescheid im Wesentlichen aus, dass nicht feststellbar gewesen sei, dass der

BF in seinem Herkunftsstaat staatlicher Verfolgung oder Gefährdungen, vor welchen ihn die

(6)

Behörden seines Heimatlandes nicht schützen könnten bzw. wollten, ausgesetzt gewesen sei bzw. nach einer Rückkehr sein würde. Der BF habe ausschließlich persönliche Fluchtgründe geltend gemacht, weshalb eine asylrelevante Verfolgung nicht festgestellt habe werden können. Er habe in Indien verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte, die eine Unterstützungsmöglichkeit darstellen würden, sei gesund und durch seine Arbeitsfähigkeit sei sein Lebensunterhalt im Herkunftsstaat gewährleistet. Es sei demnach nicht davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Situation geraten könne.

4. Gegen den am XXXX ordnungsgemäß zugestellten Bescheid erhob der BF am XXXX fristgerecht vollinhaltlich Beschwerde. Er führte nach Darstellung seiner Fluchtgründe zusammengefasst aus, er habe wegen der mangelnden Schutzwilligkeit bzw. Schutzfähigkeit der indischen Behörden aufgrund der tiefen politischen Verbindungen der Streitgegner seinen Herkunftsstaat verlassen und aus begründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung nach Österreich flüchten müssen. Entgegen der Argumentation der Behörde habe der BF ausführlich zu seinen Asylgründen Stellung bezogen und genaue Zeit- sowie Ortsangaben gemacht. Wie das BFA zur Auffassung gelangt sei, seine Schilderungen seien nicht

„erlebnisnahe“ gewesen, sei angesichts des Protokolls der Einvernahme nicht nachvollziehbar.

Die Angaben des BF hätten dem entsprochen, was von jemandem, der in seinen Wahrnehmungen aufgrund der Unübersichtlichkeit der Ereignisse überfordert und traumatisiert gewesen sei, in einer solchen Situation zu erwarten sei.

Das BFA habe sich mit der Frage der Schutzwilligkeit der indischen Behörden nicht auseinandergesetzt, weshalb der Bescheid einem Begründungsmangel unterliege. Auch die Angaben des BFA zur innerstaatlichen Fluchtalternative und zur Abweisung eines subsidiären Schutzes seien als rudimentär zu bezeichnen. Bei sorgfältiger Betrachtung der Situation in Indien und der persönlichen Lebensumstände des BF hätte festgestellt werden müssen, dass bei einer Abschiebung die realistische Gefahr bestünde, dass der BF in eine existenzbedrohende Lage geriete. Die belangte Behörde habe ihrer Ermittlungspflicht nicht adäquat Rechnung getragen.

Das Vorbringen des BF entspreche der Wahrheit, sei glaubwürdig, gründlich, substantiiert, in sich konsistent und durch die Länderberichte belegt.

Neben der vollinhaltlichen Anfechtung des Bescheids beantragte der BF in der

Beschwerdeschrift, einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der

(7)

aktuellen Situation in Indien befasse und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Allenfalls solle ein Aufenthaltstitel „in besonders berücksichtigungswürdigen Gründen“ erteilt werden.

5. Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die Beschwerde unter Anschluss der Verfahrensakten vor, wo diese am XXXX einlangten.

6. Am XXXX , rechtskräftig seit XXXX , wurde der BF vom BG XXXX zu GZ XXXX wegen §§ 223 Abs. 2, 127 StBG zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen verurteilt.

7. Am XXXX erfolgte eine Verständigung des Magistrats der Stadt Wien, der BF sei zur Ausübung des Gewerbes „Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt“, berechtigt.

8. Mit Verfahrensanordnung betreffend Parteiengehör vom XXXX räumte das BVwG dem BF die Möglichkeit ein, binnen zehn Tagen zu den im Verfahren als wesentlich zu bezeichnenden Faktoren Stellung zu beziehen, da es beabsichtigte, aufgrund der Aktenlage, des bisherigen Vorbringens des BF, seinen Angaben vor dem BFA und in der Beschwerdeschrift sowie den Ausführungen im angefochtenen Bescheid, eine Entscheidung zu treffen.

Ferner ersuchte das BVwG den BF Fragen zur Integration unter Einhaltung einer zweiwöchigen Frist wahrheitsgemäß zu beantworten.

9. Der BF erstattete am XXXX eine Stellungnahme zu dem ihm gewährten Parteiengehör vom XXXX . Er brachte dabei im Wesentlichen vor, er habe zwar keine Familienangehörigen in Österreich, spreche jedoch Deutsch zumindest auf dem Niveau A2 und könne sich im Alltag problemlos verständigen, wobei er dafür keine Zertifikate vorlegen könne. Er arbeite auf selbstständiger Basis und verdiene seinen eigenen Lebensunterhalt. Weiters habe er bereits zahlreiche Kontakte zu Österreichern und anderen in Österreich aufhältigen Menschen geknüpft sowie eine große Liebe zur österreichischen Lebensart entwickelt. Er lebe in Österreich in einer ortsüblichen Unterkunft und wäre im Falle der Erteilung eines Aufenthaltstitels jedenfalls selbsterhaltungsfähig.

Er befürchte weiterhin in Indien eine Verfolgung und könne daher in seine Heimatgemeinde

nicht mehr zurückkehren. Er habe keinerlei Anknüpfungspunkte zu anderen Regionen in

(8)

Indien, weshalb er im Falle der Rückkehr, auch in Hinblick auf die COVID-19-Pandemie, der Gefahr ausgesetzt wäre, in eine existentielle Notlage zu geraten. Ebenso würden die aktuellen Berichte seine Befürchtungen bestätigen, da darin die katastrophale Sicherheits- und Wirtschaftslage sowie die mangelnde Effizienz und Durchschlagskraft der Zentralbehörden, jemanden wie ihn zu beschützen, aufgezeigt werden würde.

10. Das BVwG führte am XXXX eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beziehung eines Dolmetschers in Anwesenheit des BF und seiner rechtsfreundlichen Vertretung durch. Ein Behördenvertreter erschien nicht. Die Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

[…]

R: Wo sind Sie geboren?

BF: Ich bin im Dorf

XXXX

, Distrikt

XXXX

Provinz Punjab geboren.

R: Haben Sie an der von Ihnen angegebenen Adresse bis zur Ausreise in Indien gelebt?

BF: Ja.

R: Haben Sie Indien direkt von der von Ihnen angegebenen Adresse verlassen?

BF: Ja.

R: Sind die Angaben, die Sie seinerzeit beim BFA bzw. bei der Polizei gemacht haben richtig und halten Sie diese aufrecht?

BF: Ja.

R: Warum haben Sie eine Beschwerde erhoben? Warum ist aus Ihrer Sicht die Entscheidung des BFA nicht richtig?

BF: Da ich hier bleiben will, habe ich eine Beschwerde eingebracht.

R: Fragewiederholung.

BF: Weil mein Leben in Gefahr ist.

R: Warum ist die Entscheidung des BFA falsch?

BF: Ich habe einen negativen Bescheid erhalten, ich möchte einen positiven, deswegen habe ich Berufung eingebracht.

R: Haben Sie Probleme? Sind Sie in psychiatrischer Behandlung?

BF: Nein.

(9)

R: Haben Sie, außer an der von Ihnen angegebenen Adresse, noch woanders in Indien gelebt?

BF: Nein.

R: Haben Sie an der von Ihnen zuerst angegebenen Heimatadresse allein gelebt?

BF: Mit meiner Familie habe ich dort gelebt.

R: Wen bezeichnen Sie als Familie?

BF: Meine Eltern, mein Bruder und meine Schwester.

R: Wie alt ist Ihr Bruder?

BF: 12 Jahre alt.

R: Ihr Vater?

BF: 40 Jahre alt.

R: Wie geht es Ihren Familienangehörigen?

BF: Denen geht es gut.

R: Woher wissen Sie das?

BF: Ich habe Kontakt mit ihnen.

R: Wie oft?

BF: Einmal monatlich.

R: Wieviele Brüder hat Ihr Vater?

BF: Einen.

R: Wo lebt der?

BF: Im selben Dorf wie wir.

R: Wie bestreitet Ihr Vater seinen Lebensunterhalt?

BF: Er ist Landwirt.

R: Welche Schul- und Berufsausbildung haben Sie?

BF: Ich habe nur 12 Jahre Grundschule besucht, eine weitere Ausbildung habe ich keine.

R: Was haben Sie gearbeitet, wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt bestritten?

BF: Ich habe auch in der Landwirtschaft gearbeitet.

(10)

R: Als was?

BF: Wir verkaufen auch Milch, ich habe mich darum gekümmert.

R: Um den Verkauf?

BF: Ja.

R: Wie würden Sie die finanzielle Situation Ihrer Familie beschreiben?

BF: Wegen der Corona-Krise haben wir derzeit keinen Umsatz

R: Können Sie von der Ernte der Landwirtschaft leben?

BF: Ja.

R: Was ist der genaue Inhalt des von Ihnen vorgelegten Dokumenten, Beilage ./D. Was ist genau dahinter und zu welchem Beweis haben Sie dies vorgelegt?

BF: Wir haben eine Landwirtschaft gekauft von jemanden, sie haben uns beschuldigt, dass wir bei diesem Kauf kein Geld bezahlt haben.

R: Fragewiederholung.

BF: Wir wurden angezeigt, dass wir Drogen verkauft haben, das steht in Beilage ./D. Da sie behaupten, dass wir kein Geld bezahlt haben, haben sie uns angezeigt. Dass wir kein Geld bezahlt haben. Wir haben kein Geld bezahlt. Auf allen Zetteln steht das.

R: Was genau steht auf dem von Ihnen vorgelegten Dokument Beilage ./D?

BF: Sie haben uns beschuldigt, dass wir Drogen verkaufen und dass wir auf unseren Feldern Cannabis anbauen.

R: Wen meinen Sie mit „wir“?

BF: Mein Vater und die gesamte Familie wurde angezeigt.

R: Wenn ich Sie richtig verstehe, ist dies eine Anzeige?

BF: Ja.

R: Warum übermitteln Sie die Dokumente erst heute? Hat es damit zu tun, dass heute die Verhandlung ist?

BF: Mein Vater war vorher nicht zu Hause. Wegen der Corona-Krise war das Gericht auch zu. Mein Vater hat die Dokumente erst jetzt bekommen.

R: Ist das Gericht jetzt wieder geöffnet?

BF: Ja.

R: Wo hat sich Ihr Vater aufgehalten, als er nicht zu Hause war?

(11)

BF: Wegen dieser Anzeigen wurde er mehrmals von der Polizei mitgenommen und festgenommen, aus diesem Grund lebt er außerhalb des Dorfes.

R: Gerade haben Sie gesagt, dass er jetzt wieder zu Hause ist.

BF: Mein Vater wurde im Jänner oder Februar

XXXX

angezeigt, davor hat er zu Hause gewohnt.

R: Sie haben gerade gesagt, „mein Vater war vorher nicht zu Hause“. D.h. impliziert, dass er jetzt zu Hause ist?

BF: Nein. Er ist noch immer nicht in unserem Dorf aufhältig.

R: Wo ist er jetzt aufhältig?

BF: Bei Verwandten.

R: Wo genau?

BF: In der Provinz

XXXX

.

R: Wo genau?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Warum hält er sich dort auf? Ist er dort sicher?

BF: Mein Vater wurde angezeigt, deswegen ist er dorthin gegangen. Derzeit habe ich keinen Kontakt mit meinem Vater.

R: Fragewiederholung.

BF: Ja, er ist sicher dort.

R: Könnten Sie zu Ihrem Vater zurückkehren?

BF: Nein.

R: Warum können Sie nicht dorthin zurückkehren, wenn Ihr Vater dort sicher ist?

BF: Bevor mein Vater nach

XXXX

gezogen ist, wohnte er in der Stadt

XXXX

bei Verwandten. Dort haben ihn die Feinde ausfindig gemacht.

R: Fragewiederholung.

BF: Sie verfolgen uns überall. Dort ist auch Gefahr.

R: Sie haben gerade gesagt, dass Ihr Vater sich in Sicherheit befindet. Warum sollten Sie sich dann nicht in Sicherheit befinden, wenn sich Ihr Vater in Sicherheit befindet?

BF: Mein Vater wird nicht lange dort bleiben, er wird bald nach Dubai fliegen.

(12)

R: Woher wissen Sie das?

BF: Er wird überall verfolgt. Er wird nicht lange dort bleiben.

R: Woher wissen Sie das?

BF: Meine Mutter hat ihm davon erzählt.

R: Wann hat Ihnen Ihre Mutter davon erzählt?

BF: Vor ca. 10 Tagen.

R: Wann hat das Gericht, wo Sie die Dokumente bekommen haben, wieder geöffnet?

BF: Im Juli dieses Jahres.

R: Wer hat Ihnen die Dokumente übermittelt?

BF: Durch E-Mail habe ich sie erhalten.

R: Fragewiederholung.

BF: Von meiner Mutter.

R: Wie hat Ihre Mutter die Dokumente erhalten?

BF: Sie ist zum Anwalt gegangen und mit seiner Hilfe hat sie die Dokumente bekommen.

R: Wie heißt der Anwalt und wo ist seine Kanzlei?

BF: Der Name des Anwalts ist

XXXX

in der Stadt

XXXX

. In der Stadt

XXXX

ist ein Bezirksgericht, dort ist ein Büro.

R: Sie haben zuerst gesagt, dass nicht Ihre Mutter, sondern der Vater die Dokumente bekommen hätte. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF: Mein Vater hat meiner Mutter gesagt, sie soll Dokumente holen.

R: Gesagt haben Sie, „mein Vater hat die Dokumente erst jetzt bekommen“. Sie haben nicht gesagt, dass Ihr Vater Ihre Mutter beauftragt hat, die Dokumente zu holen.

BF: Es gibt Dokumente von dem Jahr

XXXX

. Diese waren bei meinem Vater. Von diesem Jahr hat die Dokumente meine Mutter vom Gericht geholt.

R: Was würden Sie befürchten, wenn Sie nach Indien zurückkehren müssten?

BF: Als ich noch dort war, wurden wir (ich und mein Vater) von denen geschlagen.

(13)

R: Von wem wurden Sie konkret geschlagen?

BF: Von denen wir die Grundstücke gekauft haben.

R: Von wem konkret?

BF:

XXXX

.

R: War das eine Person, die Sie geschlagen hat? Oder waren es mehrere Personen?

BF: Es waren 5 oder 6 Personen.

R: Wie heißen diese Personen?

BF: Ein Sohn von

XXXX

, dieser heißt

XXXX

, ein Bruder von

XXXX

mit dem Namen

XXXX

, und zwei Freunde von

XXXX

, mit den Namen

XXXX

und

XXXX

.

R: Wohnen die alle in Ihrem Heimatdorf?

BF: Nein, sie leben alle im Dorf von

XXXX

.

R: Wie heißt das Dorf von

XXXX

?

BF: Er wohnt im Dorf

XXXX

, Bezirk

XXXX

im Punjab.

R: Wie weit ist das Dorf von Ihrem Heimatdorf entfernt?

BF: 10 km.

R: Was hat Ihr Anwalt bisher gegen die Anzeige unternommen?

BF: Die Polizei ließ sich von denen bestechen und unternimmt gar nichts gegen die Personen.

R: Fragewiederholung.

BF: Wir haben auch diese Personen, die uns geschlagen haben, angezeigt.

R: Ist die Anzeige bei den von Ihnen vorgelegten Dokumenten dabei?

BF: Ja.

R: Können Sie mir diese zeigen?

BF: Wir haben eine Beschwerde beim Gericht eingebracht.

R: Wo ist das Dokument, wo Sie Ihre Anzeige eingebracht haben?

BF: Beilage ./E ist von meinem Anwalt, ein Schreiben an das Gericht.

R: Hat es schon eine Verhandlung gegeben?

(14)

BF: Ja, es gab eine. Mein Vater war dort beim Gericht.

R: Wann war die Verhandlung?

BF: Das war im Jahr

XXXX

. R: Ist das Verfahren beendet?

BF: Nein, es ist noch im Laufen.

R: Was hat ihr Anwalt konkret unternommen? Was ist seine Strategie? Was schlägt Ihr Anwalt vor?

BF: Er hat zu meinem Vater gesagt, bis zur zweiten Anhörung soll mein Vater sich nicht im Dorf aufhalten.

R: Was soll er nach der zweiten Anhörung machen?

BF: Dann werden wir erfahren, ob wir das Geld noch bezahlen müssen oder nicht.

R: Für was sollen Sie was für ein Geld bezahlen?

BF: Wir haben zwar unser Grundstück schon bezahlt. Aber da sie behaupten, dass sie kein Geld bekommen haben, kann es sein, dass wir noch einmal bezahlen müssen.

R: Was haben Sie gegen die Unterstellung Ihrer Gegner unternommen?

BF: Wir waren zuerst bei der Polizei und dann im Gericht.

R: Mit Ihrem Anwalt?

BF: Ja.

R: Was hat Ihr Anwalt konkret dagegen unternommen?

BF: Er hat alle Beweise vorgelegt, dass wir das Geld bezahlt haben.

R: Was hat Ihr Anwalt im Zusammenhang mit der Anschuldigung der Drogen unternommen?

BF: Das ist ein anderes Verfahren.

R: Fragenwiederholung.

BF: Mein Vater war für einen Monat im

XXXX

in Haft.

R: Warum ist er dann freigelassen worden?

BF: Der Anwalt hat eine Berufung eingebracht und er wurde auf Kaution freigelassen.

R: Ihr Vater ist nicht schuldig gesprochen?

BF: Der Vater ist schuldig.

(15)

R: Ist er schuldig oder schuldig gesprochen worden?

BF: Er ist schuldig gesprochen worden.

R: Wegen was ist er schuldig gesprochen worden und für wie lange, und welche Strafe hat er bekommen?

BF: Mein Vater hat Marihuana angebaut auf unseren Feldern. Wegen dieser Anschuldigung wurde er schuldig gesprochen. Das Gericht hat noch keine Entscheidung getroffen, er wurde zurzeit auf Kaution freigelassen.

R: Sie sagen einerseits Ihr Vater wurde schuldig gesprochen und andererseits keine Entscheidung getroffen wurde. Wie können Sie mir das erklären?

BF: Er wurde schuldig gesprochen, mein Anwalt hat dagegen Berufung eingebracht?

R: Wieviel Strafe hat er in der ersten Instanz bekommen?

BF: Ein Jahr.

R: Wieso wurde er dann eigentlich auf freien Fuß gesetzt, wenn ihm ein Jahr Strafe droht?

BF: Wegen der Berufung des Anwalts.

R: Ist das Urteil, die erste Entscheidung gegen Ihren Vater bei den Dokumenten dabei?

BF: Ja.

R: Welche Unterlage ist das?

BF: Es ist die Beilage ./C.

R: Die Beschwerde/Berufung von Ihrem Anwalt?

BF: Es ist die Beilage ./A.

R: Wegen was ist dieser Streit zwischen

XXXX

und Ihrem Vater entstanden?

BF: Wir haben von

XXXX

eine Landwirtschaft gekauft und auch bezahlt. Er behauptet, dass er kein Geld bekommen hat.

R: Von wem hat er sich das Grundstück gekauft? Wer war der Verkäufer des Grundstücks?

BF: Die Ehefrau von

XXXX

stammt aus meinem Dorf. Die Landwirtschaft gehörte ihr.

R: Haben Sie nicht einen Zahlungsbeleg erhalten? Eine Quittung erhalten, dass Sie das Geld bezahlt haben?

BF: Oja, wir haben die Rechnung. Es wurde auch auf unseren Namen registriert. Aber im Nachhinein behauptet

XXXX

, dass wir mit ihm vereinbart haben, dass wir erst nach der Registrierung das Geld bezahlen werden.

Aber wir haben es ihm zuvor bezahlt.

(16)

R: Wer konkret hat das Geld bezahlt?

BF: Mein Vater hat das Geld an

XXXX

bezahlt.

R: Hat Ihr Vater dafür eine Quittung bekommen?

BF: Nein.

R: Wieso hat sich Ihr Vater keine Quittung ausstellen lassen?

BF: Mein Vater hat das Geld vor dem „Patwari“ (=Grundbuchspfleger) dem

XXXX

gegeben. Danach wurde das Grundstück auf meinem Vater überschrieben.

R: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, war der Patwari Zeuge, dass Ihr Vater das Geld dem

XXXX

gegeben hat.

BF: Ja so ist das.

R: Was wäre gewesen, wenn Ihr Vater

XXXX

das Geld nicht gegeben hätte?

BF: Dann hätte er es nicht registriert.

R: Wann ist es zu diesem Streit gekommen? In welchem Jahr?

BF: Im Jahr

XXXX

.

R: Wie hat sich dieser Streit dann entwickelt?

BF: Zuerst haben sie behauptet, dass sie kein Geld von uns bekommen haben, dann wurde mein Vater geschlagen.

R: Was war dann?

BF: Dann waren wir bei der Polizei und haben Anzeige eingebracht.

R: Ist das Dokument bei den Unterlagen dabei?

BF: Nein.

R: Weiter.

BF:

XXXX

wurde vorgeladen bei der Polizei. Er sagte auch dort, dass er kein Geld bekommen hat. Als wir bei der Polizei waren, haben wir unsere Dokumente der Polizei gezeigt. Danach wurde mein Vater wieder geschlagen und bedroht. Aus diesem Grund waren wir beim Gericht.

R: Wegen was waren Sie genau beim Gericht? Bei wem waren Sie am Gericht in diesem Zusammenhang?

(17)

BF: Wir haben zwei- bis dreimal eine Anzeige bei der Polizei eingebracht. Weil die Polizei nichts unternommen hat, waren wir beim Gericht. Dort haben wir unseren Anwalt konsultiert, welcher ein Schreiben an das Gericht verfasst hat. Dieses Verfahren ist noch im Laufen.

R: Welches Verfahren konkret?

BF: Zwei. Eines wegen der Drogen und ein Verfahren, wo sie gesagt haben, dass sie kein Geld bekommen haben.

R: Was ist mit dem Verfahren, wo Sie gesagt haben, dass Sie beim Gericht gewesen sind und Ihr Vater geschlagen worden ist?

BF: Es wurde alles in einem protokolliert. Nachgefragt ob dieses Verfahren noch läuft, gebe ich an, dass dies der Fall ist.

R: Mit welchem Verkehrsmittel sind Sie aus Indien ausgereist?

BF: Schlepperunterstützt mit einem Flugzeug.

R: Von wo sind Sie weggeflogen?

BF: Von

XXXX

weg.

R: Haben Sie bei der Ausreise mit Behörden, Flughafenpolizei Probleme gehabt?

BF: Nein.

R: Was hat der Streit mit Ihnen zu tun gehabt, wenn Ihr Vater geschlagen worden ist?

BF: Ich wurde auch geschlagen als mein Vater geschlagen worden ist. Außerdem haben sie meinen Vater gedroht, wenn er das Geld nicht bezahlt, werden sie mich umbringen.

R: Wann wurden Sie geschlagen?

BF: Das war im Jahr

XXXX

, nachdem wir das Land gekauft haben.

R: Was ist dann passiert, nachdem Ihr Vater das Geld nicht bezahlt hat?

BF: Sie haben mich geschlagen. Wir erhielten zwei- bis dreimal Drohanrufe. Danach habe ich beschlossen, das Land zu verlassen.

R: Wieviel Zeit ist vergangen, als Sie das erste Mal geschlagen worden sind und dann ein weiteres Mal?

BF: Das erste Mal wurde ich im

XXXX

geschlagen. Das zweite Mal im

XXXX

und das letzte Mal 6 Monate danach.

(18)

R: Sie haben zuerst gesagt, Sie sind zweimal geschlagen worden. Jetzt sagen Sie, Sie sind dreimal geschlagen worden. Was sagen Sie jetzt dazu?

BF: Ich wurde im Februar, März und dann im 6. Monat des Jahres

XXXX

geschlagen. Im 8. Monat habe ich das Land verlassen.

R: Fragewiederholung

BF: Ich habe gesagt 2- bis 3mal bin ich geschlagen worden. Ich wurde dreimal geschlagen.

R: Wann wurden Sie das letzte Mal geschlagen?

BF: Das 6. Monat

XXXX

.

R: Wo wurden Sie das zweite Mal geschlagen? Wo hat das stattgefunden?

BF: Auf der Landwirtschaft.

R: Auf welcher Landwirtschaft?

BF: Auf der Landwirtschaft, die wir zuletzt gekauft haben.

R: Beim BFA haben Sie am

XXXX

gesagt, dass Sie das zweite Mal bei Ihrer Tante im Nachbardorf und nicht wie heute angegeben, auf dem gekauften landwirtschaftlichen Grundstück geschlagen worden seien. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF: Die Landwirtschaft liegt in der Nähe von meiner Tante ihrer Wohnung.

R: Sie haben heute auch, auf die Frage, wann Sie das letzte Mal geschlagen worden seien, gesagt, dass dies im 6. Monat des Jahres

XXXX

gewesen wäre. Und in der Niederschrift vom

XXXX

beim BFA haben Sie auf die Frage, wann Sie das letzte Mal geschlagen worden seien, geantwortet, dass dies im 3. Monat des vorigen Jahres gewesen sei, d.h. im dritten Monat des Jahres

XXXX

. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF: Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was ich damals gesagt habe.

R: Ist man auch gegen die übrigen Familienmitglieder vorgegangen?

BF: Ja.

R: Inwiefern?

BF: Sie waren bei uns zu Hause und haben uns alle geschlagen.

R: Was heißt „uns alle geschlagen“?

BF: Meine Eltern, mich und meine Schwester haben sie geschlagen.

R: Was war mit Ihrem Bruder?

(19)

BF: Er war nicht zu Hause, er war bei meinem Onkel.

R: Beim BFA haben Sie am

XXXX

auf die Frage, ob nur Sie oder auch andere Familienmitglieder geschlagen worden seien, geantwortet, dass Ihr Vater auch geschlagen worden sei. Ihr Bruder und Ihre Schwester seien noch zu jung gewesen, denen habe man nichts getan. Heute sagen Sie, dass auch Ihre Schwester geschlagen worden sei und Ihr Bruder gar nicht zu Hause gewesen sei, weshalb man ihn nicht geschlagen hätte. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF: Sie waren mehrmals bei uns zu Hause.

R: Wann wurden Sie das dritte Mal geschlagen?

BF: Da war ich im Dorf

XXXX

unterwegs und habe dort Milch verkauft.

R: War das das letzte Mal, dass Sie geschlagen wurden?

BF: Ja.

R: Wo wurden Sie das erste Mal geschlagen?

BF: Wir waren auf dem Weg nach Hause.

R: Fragewiederholung

BF: Auf der Straße wurden wir geschlagen.

R: Das zweite Mal?

BF: Auf der Landwirtschaft, in der Nähe meiner Tante.

R: Das dritte Mal?

BF: Im Dorf

XXXX

.

R: Wurden Sie darüber hinaus noch einmal geschlagen?

BF: Mein Vater hatte danach noch Probleme.

R: Es geht um Sie. Wurden Sie noch einmal geschlagen?

BF: Nein, danach habe ich das Land verlassen.

R: Beim BFA haben Sie am

XXXX

gesagt, dass Sie auch noch einmal in

XXXX

geschlagen worden wären. Von dem haben Sie jetzt, nachdem ich Sie sehr ausführlich und bewusst gefragt habe, nichts gesagt.

BF: Es war normal, dass ich oft Bedrohungen bekommen habe, auch wenn ich auf der Straße unterwegs war.

R: Haben Sie die Flucht direkt von Ihrem Heimatdorf aus angetreten?

(20)

BF: Ja.

R: Wohin sind Sie dann gereist?

BF: Zuerst bin ich zu meinem Freund in die Stadt

XXXX

gegangen, bliebt dort 3 bis 4 Tage und bin von dort weiter nach

XXXX

gefahren. Wie lange ich

XXXX

aufhältig war, weiß ich nicht mehr.

R: Wochen? Monate?

BF: Ca. eine Woche.

R: Bei wem haben Sie gewohnt?

BF: In einer Schlepperunterkunft. Der Schlepper hat ein Hotel für mich gebucht.

R: Haben Sie den Schlepper oder den Unterkunftgeber des Hotels vorher gekannt?

BF: Mein Vater kannte den Schlepper schon von früher. Den Unterkunftgeber des Hotels und das Hotel selbst kannte ich nicht.

R: Beim BFA haben Sie am

XXXX

, auf die Frage, wo Sie in

XXXX

gewohnt haben, gesagt, dass Sie sich dort bei einem Verwandten, in

XXXX

, aufgehalten hätten bzw. dort gewohnt hätten. Von dem haben Sie heute nichts erwähnt und stattdessen angegeben in einem Ihnen bisher unbekannten Hotel in

XXXX

gewohnt zu haben.

Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF: Ich kann mich heute nicht mehr genau erinnern, wo ich mich in

XXXX

aufgehalten habe. Damals wusste ich es und habe deshalb auch den Stadtteil angegeben. Auf jeden Fall war es eine Unterkunft vom Schlepper.

R: Warum sind Sie nicht länger in

XXXX

geblieben?

BF: Der Schlepper sagte mir, er würde mir sagen, wann ich das Land verlassen kann.

R: Warum sind Sie nicht länger dort geblieben?

BF: Der Schlepper sagte mir, sobald er ein Visum für mich hat, kann ich ausreisen.

R: Wieviel Geld haben Sie für die Schleppung bezahlt?

BF: Mein Vater hat es bezahlt, es wurde eine Summe von einer Million indischer Rupien vereinbart.

R: Woher hatte Ihr Vater so viel Geld?

BF: Er hat einen Kredit auf die Landwirtschaft genommen.

R: Wie alt ist Ihr Bruder?

BF: Ich glaube jetzt ist er 12 Jahre alt.

(21)

RV: Sie haben bei der belangten Behörde angegeben, dass es in Ihrem Dorf einen Hindu-Tempel geben würde.

In diesem Tempel würde es Streit geben und deshalb würden Sie Probleme bekommen.

R: Das wurde heute vom BF nicht erwähnt.

BF: Es ist ein ganz anderes Verfahren. Es gibt einen Grundstücksstreit und dieses Verfahren.

R: Was heißt das jetzt genau?

BF: Ich habe nie Hindu-Tempel gesagt, es ist ein Sikh-Tempel.

R: Was hat der Sikh-Tempel mit Ihnen zu tun?

BF: Unsere Feinde haben uns auch im Sikh-Tempel Probleme gemacht.

R: Beim BFA haben Sie ausdrücklich auf die Frage, wurden Sie persönlich bedroht und wenn ja in welcher Art und Weise, gesagt, dass dies in unserem Dorf in einem Hindu-Tempel gewesen wäre. Heute sagen Sie, es wäre in einem Sikh-Tempel gewesen. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF: Der D hat mich nicht verstanden. Ich habe auch damals

XXXX

gesagt.

R: Das Protokoll wurde Ihnen rückübersetzt und Sie haben dagegen keine Einwände erhoben. Sie haben die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Niederschrift bestätigt.

BF: Der D hat mit mir nicht Punjabi, sondern Hindi gesprochen und hat das Wort Mandir (Hindu- Tempel) verwendet.

R: Laut Protokoll vom

XXXX

wurden Sie in der Sprache Punjabi einvernommen und nicht wie Sie behaupten in Hindi. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF: Nein, er hat mit mir hauptsächlich Hindi gesprochen.

R: Vor dem Umstand, dass mit Ihnen hauptsächlich Hindi gesprochen wurde, wurde auch in der von Ihnen eingebrachten Beschwerde nichts nominiert. Das ist das erste Mal, dass Sie in der Verhandlung so etwas behaupten.

BF: Er hat mit mir hauptsächlich Hindi gesprochen.

Auf die Vorlage der aktuellen Zahl zu Covid in Indien bzw. Österreich wird verzichtet.

RV verzichtet auf Abgabe einer Stellungnahme.

R: Wollen Sie noch etwas sagen?

BF: Ich habe eine Bitte an Sie, bitte geben Sie mir Asyl. Dort ist mein Leben in Gefahr.

D wird beauftragt, die gesamten Beilagen ins Deutsche zu übersetzen.

(22)

R: Wie bestreiten Sie in Österreich den Lebensunterhalt?

BF: Ich habe einen Gewerbeschein und arbeite als Zeitungszusteller.

R: Haben Sie als Zeitungszusteller einen Vertrag?

BF: Ja. Es gibt einen. Er liegt zu Hause.

R: Wieviel verdienen Sie durchschnittlich im Monat?

BF: Zwischen 800 bis 1.000 Euro.

R: Seit wann üben Sie diese Tätigkeit aus?

BF: Seit meiner Einreise in Österreich, seit Oktober

XXXX

.

R: Haben Sie eine Einkommens- bzw. eine Umsatzsteuer beim Finanzamt in Auftrag gegeben?

BF: Ich selbst habe keine Steuer bezahlt. Meine Firma hat das gemacht. Die Firma zieht immer 20 % von meinem Ertrag ab. Ich zahle nur für meine E-Card und meinen Gewerbeschein.

R: Wieviel zahlen Sie Krankenversicherung?

BF: Monatlich 170 Euro.

R: Was zahlen Sie Miete, Betriebskosten?

BF: Miete ist 535,-- Euro inkl. Betriebskosten

R: Was zahlen Sie Strom, Gas, Heizung?

BF: Dafür zahle ich alle drei Monate 300 Euro.

R: Sind Sie verheiratet?

BF: Nein.

R: Haben Sie Kinder?

BF: Nein.

R: Leben Sie in einer Lebensgemeinschaft?

BF: Ich wohne alleine.

R: Sprechen und verstehen Sie Deutsch?

BF: Ein wenig Deutsch kann ich schon.

R Frage auf Deutsch: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

BF: Nicht verstanden.

(23)

Fragewiederholung auf Punjabi.

BF: Ich treffe meine Freunde oder gehe in einen Sikh-Tempel.

R: Frage auf Deutsch: Haben Sie Freunde in Österreich?

BF auf Deutsch: Nicht so, aber indische friends.

Frage auf Deutsch: Betreiben Sie Sport?

BF: Wie bitte?

Fragewiederholung

BF: Ich habe nicht verstanden.

R: Frage auf Deutsch: Sind Sie Mitglied in einem Verein, in einer Organisation, in einem Club?

BF: Wie bitte?

R: Fragewiederholung auf Punjabi.

BF: Nein.

R: Frage auf Deutsch: Nehmen Sie irgendwelche Medikamente, müssen Sie zum Arzt gehen?

BF: Nicht verstanden.

R: Fragewiederholung auf Punjabi:

BF: Nein.

R: Frage auf Deutsch: Haben Sie Verwandte in Österreich?

BF: Nicht verstanden.

R: Fragewiederholung auf Punjabi.

BF: Nein.

Fortsetzung auf Punjabi.

R: Haben Sie Verwandte in der Europäischen Union?

BF: Nein.

R: Haben Sie eine Freundin?

BF: Nein.

R: BF wird auf das Entschlagungsrecht hingewiesen: Läuft gegen Sie ein Verwaltungstrafverfahren oder ein Strafverfahren?

(24)

BF: Ich wurde einmal beschuldigt, dass ich ein Handy gestohlen hätte. Ich habe das Geld zurückgezahlt, das Verfahren ist schon beendet.

RV: Keine weiteren Fragen.

[…]

11. Am XXXX übermittelte die vom BVwG beauftragte Dolmetscherin, die in der Beschwerdeverhandlung in der Muttersprache des BF vorgelegten Unterlagen, in deutscher Sprache. Es handle sich demnach um Polizeiberichte aus dem Jahr XXXX .

Den Beilagen ./A bis ./D zufolge sei gegen XXXX alias XXXX , Sohn des XXXX , wohnhaft im Dorf XXXX , Anzeige erstattet worden, da dieser auf seiner Landwirtschaft Mohnpflanzen angebaut und demnach eine Straftat nach Strafgesetz 8, 15/61/85 NDPS (Suchtmittel und psychotropische Substanzen Gesetz) begangen habe. XXXX sei am XXXX verhaftet und vor Gericht gebracht worden. Der Richter habe ihn für schuldig befunden und eine vierzehntätige Untersuchungshaft angeordnet.

12. Am XXXX führte das BVwG eine zweite öffentliche mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers in Anwesenheit des BF und seiner rechtsfreundlichen Vertretung durch. Ein Behördenvertreter erschien nicht. Die Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

[…]

R: Hat sich hinsichtlich Ihrer Integration seit der letzten Verhandlung etwas geändert?

BF: Nein, wegen dem Lockdown konnte man nicht wirklich viel unternehmen.

R: Für wen arbeiten Sie?

BF: Ich arbeite bei der Firma

XXXX

.

R: Sind Sie dort angestellt?

BF: Ich habe eine Firma und über diese Firma arbeite ich dort.

R: Hat Ihre Firma einen Vertrag mit

XXXX

? BF: Es gibt einen Vertrag.

R: Seit wann besteht dieser Vertrag?

BF: Seit

XXXX

.

(25)

R: Wann im Jahr

XXXX

?

BF: Das war im Juli oder August

XXXX

.

BF reicht den Vertrag zwischen seiner Firma und der Firma

XXXX

bis spätestens Ende der Woche nach.

R: Was ist das für eine Firma, in welcher rechtlichen Form wird diese geführt?

BF: Das Gewerbe ist ein Kleintransport. Ich bin alleine, die Firma gehört mir alleine.

R: Wie führen Sie die Firma?

BF: Ich bin der Inhaber.

R: Sind Sie Einzelhandelskaufmann oder führen Sie das in der Form einer KG oder OG?

BF: In Form eines Einzelhandelskaufmanns.

BF wird beauftragt, aktuelles Gewerberegister bzw. Firmenbuchauszug vorzulegen.

R: Wie schaut es mit der Einkommens- und Umsatzsteuer (Bescheid

XXXX

und

XXXX

) aus?

BF:

XXXX

zahlt die Steuern. Ich habe bis jetzt nichts bezahlt. Ich werde mir vom

XXXX

den Bescheid besorgen.

R: Welchen Bescheid?

BF: Ein Schreiben, wonach

XXXX

meine Steuern bezahlt.

R: Haben Sie eine Arbeitsbewilligung?

BF: Nein. Die bezahlen die Steuern, ich werde mir das Schreiben besorgen.

R: Was verdienen Sie im Monat durchschnittlich?

BF: Zwischen 2.000 und 2.500 monatlich.

R: Ist das schon abzüglich der Steuern oder wird von diesem Betrag noch etwas abgezogen?

BF: Es ist abzüglich der Steuer,

XXXX

zieht 20% ab.

R: Haben Sie vor der Coronazeit schon so viel verdient oder war das begünstigt durch die Coronazeit?

BF: Normal habe ich 2.000 verdient, wegen Corona bin ich auf 2.500 gekommen.

R: Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht, um Ihre Deutschkenntnisse zu verbessern?

BF: Ab nächsten Monat mache ich einen Deutschkurs.

(26)

R: Ich meinte die Zeit zwischen der letzten Verhandlung und der heutigen, haben Sie in dieser Zeit etwas gemacht, um Ihre Deutschkenntnisse zu verbessern?

BF: Habe ich nicht gemacht.

R: Betätigen Sie sich in Ihrer Freizeit karikativ?

BF: Nein.

R: Sind Sie Mitglied in einem Club, Organisation oder einem Verein?

BF: Nein.

R: Hat sich an Ihren persönlichen Lebensumständen etwas geändert?

BF: Nein.

R: Wohnen Sie noch in derselben Wohnung?

BF: Ja.

R: Was zahlen Sie Miete?

BF: 535,50 €.

R: Leben Verwandte von Ihnen in Österreich?

BF: Nein.

R: Leben Verwandte in der EU?

BF: Nein.

R: Wo leben Ihre Verwandten?

BF: Hauptsächlich in Indien.

R: Wo sonst noch?

BF: Mein Schwager lebt in Amerika.

R: Wo leben Ihre Verwandten in Indien?

BF: In Punjab, in den Städten XXXX und XXXX

R: Wo wohnen da Ihre Eltern?

BF: Momentan leben meine Eltern in

XXXX

. Sie haben ihr Heimatdorf verlassen.

R: Seit wann leben diese dort?

BF: Seit Anfang des Jahres leben sie in

XXXX

.

(27)

R: Mit ihren Geschwistern?

BF: Ja.

R: Wie geht es Ihrer Familie?

BF: Gut.

R: Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt mit Ihren Familienangehörigen?

BF: Letzten Monat.

R: Was war der Inhalt des Gespräches?

BF: Ich habe mich nur nach dem Wohlbefinden erkundigt.

R: Schicken Sie Geld nach Indien?

BF: Ganz selten.

R: Wie viele Geschwister haben Sie?

BF: Einen Bruder und eine Schwester.

R: Wie alt ist Ihr Bruder?

BF: Er ist jetzt 16.

R: Was arbeitet Ihr Bruder?

BF: Er geht in die Schule. Er ist in der zehnten Klasse. Er ist einmal sitzengeblieben.

R: Wie bestreiten Ihre Eltern ihren Lebensunterhalt?

BF: Sie haben die Landwirtschaft verpachtet, sie leben von der Pacht.

R: Haben sie in

XXXX

eine Mietwohnung oder Eigentumswohnung?

BF: Sie leben in einer Mietwohnung.

R: Können Sie mittlerweile nach Indien zurückkehren?

BF: Nein.

R: Was spricht dagegen, dass Sie zurückkehren?

BF: Erstens ist mein Leben dort gefährdet, zweitens gibt es dort keine Arbeit und keinen Lebensstandard.

R: Was machen dann die anderen Inder, die in Indien leben?

BF: Die meisten sind dort selbständig, aber ich habe kein Geld, um mich selbständig zu machen.

(28)

R: Was machen Sie mit dem Geld, welches Sie in Österreich verdienen?

BF: Ich habe meine Lebenserhaltungskosten, Miete, Strom, Gas. Es bleiben mir 300-400 € im Monat übrig und die spare ich.

R: Warum ist in Indien Ihr Leben gefährdet?

BF: Mein Vater hat ein Stück Land gekauft, es aber nicht bezahlt, deshalb wurden wir dann bedroht, er soll entweder bezahlen oder das Land zurückgeben.

R: Hat Ihr Vater den Käufer des Landes betrogen?

BF: Nein, mein Vater hat bezahlt, aber der Verkäufer behauptet, dass keine Zahlung getätigt wurde.

R: Was hat Ihr Vater gegen diese Anschuldigungen unternommen?

BF: Mein Vater hat Dokumente, die das Eigentum an dem Land nachweisen. Diese Dokumente hat er der Polizei gezeigt. Es geht aber um die Zahlung, weil ausgemacht war, dass erst nach der Erstellung der Dokumente gezahlt wird.

R: Hat Ihr Vater das Land verkauft oder gekauft?

BF: Gekauft.

R: Um wie viel Geld hat er das Land gekauft?

BF: Ca. eine Million Rupien.

R: Kann das wer beweisen, dass Ihr Vater eine Million Rupien bezahlt hat?

BF: Ich habe keine Beweismittel. Mein Vater hat diesen Verkaufsvertrag, da steht alles drin.

R: Was steht da drinnen in Bezug auf Bezahlen des Geldes?

BF: Es steht schon der Preis des Grundstückes drin.

R: Gibt es Beweise, dass Ihr Vater das Geld bezahlt hat?

BF: Es ist üblich, dass man erst bezahlt und dann bekommt man die Dokumente für das Grundstück.

Fragewiederholung.

BF: Ohne Bezahlung bekommt man von der Behörde die Grundstückspapiere nicht.

Fragewiederholung.

BF: Das stimmt, die Grundstückspapiere sind ein Beweis. Mein Vater hat die Grundstückspapiere.

Vorhalt: Demnach hätte Ihren Aussagen nach Ihr Vater bereits bezahlt, weil er ansonsten die Grundstückspapiere nicht bekommen hätte.

BF: Es wurde nur die Hälfte bezahlt.

(29)

R: Dann stimmt Ihre Aussage nicht, denn Ihrer Aussage nach bekommt man die Grundstückspapiere nur dann, wenn man bezahlt hat.

BF: Ja, aber nur für die Hälfte, für die andere Hälfte gab es Bürgen.

R: Warum hat sich Ihr Vater Bürgen genommen. Welche Aufgabe hatten die Bürgen?

BF: Mein Vater hatte den Gesamtbetrag nicht zum Zeitpunkt des Verkaufs.

R: Warum hat sich Ihr Vater deshalb Bürgen genommen?

BF: Die Bürgen mussten bezeugen, dass sie den aushaftenden Betrag bezahlen, falls mein Vater nicht bezahlt.

Mein Vater hat den Restbetrag bezahlt, die Gegenseite behauptet, dass er den Restbetrag nicht erhalten hätte.

R: Wenn das so gewesen wäre, hätte Ihr Vater, Ihren eigenen Aussagen nach, das Grundstück gar nicht bekommen.

BF: Keine Antwort.

R: War Ihr Vater einmal im Gefängnis?

BF: Ja.

R: Wann?

BF:

XXXX

, es war im März oder im April.

R: Wie lange?

BF: Zwei Monate.

R: Wieso?

BF: Die Verkäufer haben meinen Vater angezeigt. Sie haben behauptet, dass er Mohnpflanzen auf dem Grundstück anpflanzt.

R: Ist Ihr Vater verurteilt worden?

BF: Mein Vater hat sich einen Anwalt genommen und ist auf Kaution freigekommen. Das Verfahren läuft noch.

Fragenwiederholung.

BF: Bis jetzt nicht, das Verfahren läuft noch.

R: Sie haben beim letzten Mal gesagt, dass einerseits Ihr Vater schuldig gesprochen wurde und andererseits keine Entscheidung getroffen wurde: Er wurde schuldig gesprochen und hat in der ersten Instanz ein Jahr Strafe bekommen. Dagegen hat der Anwalt des Vaters berufen und als Beweis dafür haben Sie mir eine Unterlage vorgelegt, die als Beilage ./C zum Akt genommen wurde. Was sagen Sie dazu?

(30)

BF: Das stimmt so, wie ich es damals gesagt habe, der Anwalt hat berufen und das Verfahren läuft noch. Es läuft so lange wegen der Coronasituation.

R: Sie haben mir gesagt, die Beilage ./C ist das Urteil Ihres Vaters. Stimmt das?

BF: Das sind Schriftstücke zum ganzen Verfahren.

R: Befindet sich unter diesen Beilagen, die Sie mir vorgelegt haben, auch das Urteil, von dem Ihr Vater laut Ihren Angaben ein Jahr vom Gericht verurteilt worden ist?

BF: Nein, das Urteil ist nicht dabei, das Urteil wird erst kommen, wenn die Berufung zu Ende ist.

R: Gibt es ein Urteil, welches in erster Instanz ausgesprochen wurde?

BF: Das Gericht hat gesagt, dass er ein Jahr ins Gefängnis muss, dagegen wurde berufen.

R: Die Beilage ./A ist die Berufung von Ihrem Anwalt.

BF: Ja, jetzt wird immer vertagt wegen Corona.

R: Das ist aber alles andere als eine Berufung Ihres Anwaltes Ihres Vaters. Wissen Sie den Inhalt der Beilage ./A?

BF: Das sind Unterlagen des ganzen Verfahrens.

Fragewiederholung.

BF: Nein, ich habe die Unterlagen gleich abgegeben, ich habe mir nicht alles durchgelesen.

R: Wie heißt Ihr Vater?

BF:

XXXX

.

R: Wann ist er geboren?

BF: Das weiß ich nicht ich weiß nur, dass er im Februar Geburtstag hat.

R: Was ist der Inhalt der Beilage ./D? Was wollten Sie damit dem Gericht sagen?

BF: Es sind Unterlagen über die Anzeigen, die die Gegner verrichtet haben.

Fragewiederholung.

BF: Da steht drinnen die Sache mit den Mohnpflanzen.

R: Was steht da drinnen mit der Sache mit den Mohnpflanzen?

BF: Dass mein Vater Mohnblumen angebaut und verkauft hat.

R: Was würden Sie befürchten, wenn Sie nach Indien zurückkehren müssen?

BF: Ich habe Angst vor den Gegnern meines Vaters.

(31)

R an RV: Haben Sie Fragen an den BF?

RV: Keine Fragen.

R: Wollen Sie eine Stellungnahme abgeben?

RV: Nein, es wird auf die bereits eingebrachten Schriftsätze verwiesen.

R: Wollen Sie eine Rückübersetzung oder reicht eine Durchsicht?

RV: Es reicht, wenn ich es durchlese.

[…]

Der BF legte in der Verhandlung auch Rechnungen seines Unternehmens XXXX für die Jahre XXXX vor.

13. Am XXXX übermittelte der BF einen Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria – GISA vom XXXX , demzufolge der BF seit dem XXXX eine Gewerbeberechtigung für die Güterbeförderung habe. Weiters legte er eine Mitteilung über seine Abgabenkontonummer des Finanzamts von XXXX , einen Rahmen-Transportvertrag mit der XXXX , Einkommenssteuererhebungen für die Jahre XXXX und XXXX sowie eine Kursanmeldebestätigung des Bildungsinstituts XXXX GmbH vom XXXX für einen Deutschkurs A2 vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers

Der BF ist indischer Staatsangehöriger, gibt an am XXXX im Dorf XXXX in der Stadt XXXX

Punjab (Indien), geboren zu sein, spricht muttersprachlich Punjabi, gehört der Volksgruppe

der Jat sowie der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Er wuchs in dem zuvor namentlich

genannten Dorf auf und lebte dort mit seiner Familie (seinen Eltern, seiner Schwester und

seinem Bruder) bis vor seiner Ausreise am XXXX . Der BF reiste aus Indien mit einem Reisepass

legal aus und gab diesen auf der Flucht einem Schlepper.

(32)

Die Identität des BF kann nicht hinreichend festgestellt werden, er führt jedoch den Namen XXXX . Der Name seines Vaters lautet XXXX .

Der BF besuchte in seinem Heimatsstaat zwölf Jahre lang die Grundschule und war danach in der Landwirtschaft seiner Eltern tätig.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er ist ledig und hat keine Kinder.

In Hinblick auf die derzeit bestehende Covid-19 – Pandemie ist festzuhalten, dass der BF XXXX alt ist und weder an einer schwerwiegenden noch an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, womit er nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen oder Personen mit (relevanten) Vorerkrankungen fällt. Er leidet insbesondere an keinen (chronischen) Atemwegserkrankungen oder anderen chronischen Krankheiten, wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, geschwächtem Immunstatus, Krebs oder Fettleibigkeit.

1.2. Zu den Flucht- und Verfolgungsgründen im Herkunftsstaat

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF aus einem der von ihm genannten Gründe – konkret aufgrund der tätlichen und verbalen Bedrohungen durch den Mann, der seinem Vater ein Grundstück verkauft und es ihm anfangs nicht übergeben und nach Übergabe wieder zurückgewollt hätte bzw. der Probleme mit Drogen und Streitigkeiten aufgrund der Religionszugehörigkeit in seinem Heimatdorf habe– seinen Herkunftsstaat verlassen hat oder ihm aus diesen Gründen im Fall seiner Rückkehr eine Gefahr oder Verfolgung drohe.

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Herkunftsstaat des BF infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht gewillt oder in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter durch Privatpersonen abzuwenden.

Überdies steht dem BF in Indien eine inländische Schutz-, bzw. Fluchtalternative offen.

Es kann zudem nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Zurückweisung,

Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien in seinem Recht auf Leben gefährdet wird,

der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen

oder von der Todesstrafe bedroht wird oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte

Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines

internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

(33)

1.3 Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers

Der BF lebt in Österreich in keiner Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Gemeinschaft. Er hat in Österreich keine Verwandten oder nahen Angehörigen. In seinem Herkunftsstaat leben nach wie vor seine Eltern, seine Schwester und sein Bruder sowie andere Verwandte. Er hat regelmäßigen Kontakt mit diesen.

Es ist im Verfahren nicht hervorgekommen, dass der BF in Österreich über einen Freundeskreis, der auch österreichische Staatsangehörige umfasst, oder enge soziale Bindungen verfügt. Er ist nicht Mitglied eines Vereins, eines Clubs oder einer sonstigen Organisation. Auch sonst engagiert er sich nicht ehrenamtlich und nimmt nicht auf sonstige Weise am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich teil. Der BF absolvierte bisher keinen Deutschkurs und verfügt über keine nennenswerten Deutschkenntnisse.

Der BF ist in Österreich seit einem nicht feststellbaren Zeitpunkt, ohne den dafür erforderlichen Aufenthaltstitel zu besitzen, selbstständig erwerbstätig. Er führt eine Firma für Kleintransporte und ist zumindest seit XXXX im Besitz einer Gewerbeberechtigung für das Gewerbe Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt. Er schloss am XXXX einen Rahmen-Transportvertrag mit dem Inhaber der XXXX ab und führt seitdem Liefertätigkeiten für das Unternehmen „ XXXX “ durch. Er legte eine Mitteilung über seine Abgabenkontonummer sowie Einkommenssteuererhebungen vom Finanzamt vom XXXX für die Jahre XXXX und XXXX vor.

Der BF bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung. Er ist in Österreich bereits strafgerichtlich in Erscheinung getreten, indem er am XXXX vom BG XXXX zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen wegen §§ 223 Abs. 2, 127 StGB verurteilt wurde.

1.4. Zur Situation im Herkunftsstaat

Zur entscheidungsrelevanten Situation im Herkunftsstaat wird von dem im Zuge der Ladung

zur Verhandlung am XXXX übermittelten aktuellen Länderinformationsblatt der

Staatendokumentation zu Indien (Generiert am 16.07.2021, Version 4) ausgegangen:

(34)

Auszüge aus dem Länderinformationsblatt Indien vom 02.06.2021 mit letzter Kurzinformation vom 31.05.2021:

 1.4.1. COVID-19

Letzte Änderung: 21.05.2021

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021). Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Menschen mit Beeinträchtigungen sind von coronabedingten Maßnahme wie Abriegelungen und sozialen Distanzierungen besonders betroffen. Der Zugangs zu medizinischer Versorgung und lebenswichtigen Gütern und der Ausübung sozialer Distanzierung, insbesondere für diejenigen, die persönliche Unterstützung für Aufgaben des täglichen Lebens erhalten (HRW 13.1.2021). Während der ersten Wochen der COVID-19 Pandemie, wurden Muslime für die Verbreitung des Coronavirus, auch von Vertretern der Regierungsparteien verantwortlich gemacht (FH 3.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021).

Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit COVID registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).

Die Lage in Indien, dass mit Bezug auf das Infektionsgeschehen (neben den USA und Brasilien) zu den am schwersten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Ländern weltweit zählt, hat sich sich gegenüber dem Sommer 2020 mit damals fast 100.000 Neuinfektionen pro Tag inzwischen etwas entspannt. Es erkranken offiziellen Angaben zufolge nach wie vor etwa 40.000 Menschen täglich am Virus. In den Ballungszentren kann die medizinische Versorgung weitestgehend aufrecht erhalten werden (GTAI 3.12.2020). Indiens Wirtschaft wurde durch die COVID-19-Pandemie stark beeinträchtigt (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Das Land rutschte im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2020-21 erstmals in eine wirtschaftliche Rezession (PRC 18.3.2021). Es wird allgemein erwartet, dass das Land ab 2021 zu einem nachhaltigen Wachstum zurückkehren wird (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Nach dem zweimonatigen harten Lockdown im Frühjahr 2020 hat die indische Regierung das öffentliche Leben im Rahmen ihrer Unlock-Strategie schrittweise wieder hochgefahren. Die Bundesstaaten und Unionsterritorien haben dabei weitreichendere Entscheidungsbefugnisse, welche Lockerungen sie umsetzen und welche nicht. Mit den bestehenden Einschränkungen sollen vor allem Superspreader-Events wie religiöse Großveranstaltungen und Hochzeiten eingedämmt werden. Massentests, Kontaktnachverfolgung, Isolierung von Infizierten und die Abschottung von Gebieten mit hohen Fallzahlen (Containment Zones) sollen helfen, das Virus zurückzudrängen (GTAI 3.12.2020; vgl. WKO 13.1.2021). Es kann daher vereinzelt und regional sowie zeitlich begrenzt zu erneuten Lockdowns kommen. Eine Skizzierung in „Red Zone“, „Orange Zone“ und „Green Zone“ wird von der Regierung des Bundesstaates/Unionsterritoriums in Absprache mit dem Gesundheitsministerium und der nationalen Regierung entschieden (WKO 13.1.2021).

Gegen regierungskritische Äußerungen, auch im Zusammenhang mit Maßnahmen der Regierung im Umgang mit der COVID-19 Pandemie wurden mittels aus der Kolonialzeit stammenden Gesetzen zur Staatsverhetzung und dem im Jahr 2000 erlassenen IT-Gesetz vorgegangen (FH 3.3.2021). Medienvertreter sehen sich Drohungen,

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Verhaftungen, Strafverfahren oder körperlichen Angriffen durch Mobs oder der Polizei wegen der Berichterstattung über die Pandemie ausgesetzt (HRW 13.1.2021). Mehrere von der Regierung zur Eindämmung einer Verbreitung der Pandemie getroffenen Maßnahmen wurden von Menschenrechtsanwälten als invasiv angesehen (FH 3.3.2021).

Im ersten Quartal 2021 wird Indien mit einem Anstieg der Fallzahlen vor einer zweiten COVID-19 Welle erfasst (TOI 21.3.2021; vgl. TFE 20.3.2021) und verzeichnete im Zeitraum ab April/Mai 2021 die höchsten Zahlen an täglichen Todesfällen wegen des Coronavirus seit Beginn der Pandemie (BAMF 3.5.2021). Kritik äußert sich aus dem Umstand heraus, dass Indien, ob seiner Pharmaindustrie, als "Apotheke der Welt" durch die Lieferung von Covid-19-Impfstoffen an viele Länder der Welt genießt (FE 20.3.2021; vgl. TOI 21.3.2021), gleichzeitig jedoch bei der Durchimpfung der eigenen Bevölkerung landesweit lediglich einen Wert von rund zwei Prozent erreicht (HO 28.4.2021).

Auch der Umstand, dass im Zuge der Regionalwahlen in einigen Bundesstaaten große Kundgebungen mit zum Teil Zehntausender Besucher abgehalten wurden, wie auch die Durchführung des hinuistischen Festes Kumbh- Mela in Haridwar im nördlichen Bundesstaat Uttarakhand, an dem im Zeitraum von Jänner 2021 bis zum 27. April knapp 25 Millionen Hindus vor Ort teilgenommen haben, attestieren der indischen regierung eine "praktizierte Sorglosigkeit". Die Aussage der BJP bei einer Wahlveranstaltung im Bundestaat Assam in der verkündet wurde,

"Wahlveranstaltungen und religiöse Zusammenkünfte tragen nicht zur Verbreitung von Covid-19 bei", wird kritisiert (BAMF 3.5.2021; vgl. HO 28.4.2021).

Seit Mai 2021 sind alle Erwachsenen impfberechtigt, davor nur über 45-Jährige. In mehreren Bundesstaaten des Landes ist der Impfstoff ausgegangen, Hilfsgüter aus mehreren Ländern wie Beatmungsgeräte, Anlagen zur Sauerstofferzeugung, Medikamente und Impfstoff werden Indien von der internationalen Staatengemeionschaft zur Verfügung gestellt. Medienberichten zufolge will Indien die eigene Impfstoffproduktion bis Juni 2021 erhöhen, von der staalichen indischen Eisenbahngesellschaft gab bekannt, 4.000 Waggons mit einer Kapazität von 64.000 Betten als provisorische Stationen für Corona-Patienten bereitzustellen (BAMF 3.5.2021).

Alle Experten davon aus, dass kurzfristig die Fallzahlen wie auch die Zahlen der Toten weiter ansteigen werden, da das staatliche Gesundheitssystem in vielen Landesteilen schon jetzt an seine Grenzen gestoßen ist. Eine mittelfristige Prognose ist noch unklar. Eine Hoffnung stellt, bedingt durch den bereits erfolgten sehr breiten Ansteckung der Bevölkerung das Erreichen einer Herdenimmunität dar (HO 25.4.2021).

Quellen:

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.5.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/

briefingnotes-kw18-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 7.5.2021

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.10.2020):

https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/

briefingnotes-kw42-

2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff 12.10.2020

DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020):

DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country- information-report-india.pdf, Zugriff 18.1.2021

FE – Financial Express (20.3.2021): Coronavirus Lockdown 2021 News Highlights: Only partial relaxation

from lockdown in Nagpur from Monday,

https://www.financialexpress.com/lifestyle/health/coronavirus-lockdown-2021-live-news- coronavirus-india-latest-march-20-updates-narendra-modi-covid-lockdown-night-curfew-

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