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Der Mantel des Propheten

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Academic year: 2022

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Von Kopf bis Fuß

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Christine Kutschbach / Falko Schmieder (Hg.)

Kulturverlag Kadmos Berlin

Von Kopf bis Fuß

Bausteine zu einer

Kulturgeschichte der Kleidung

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Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver wertung ist ohne Zustimmung des Verlages

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Copyright © 2015, Kulturverlag Kadmos Berlin.

Wolfram Burckhardt Alle Rechte vorbehalten Internet: www.kulturverlag-kadmos.de

Umschlaggestaltung: Kaleidogramm. Coverbild © D.M. Nagu, 2015 Gestaltung und Satz: Readymade, Berlin

Druck: Finidr Printed in EU ISBN 978-3-86599-289-5

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im

Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar

Die Drucklegung des Bandes wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01UG1412 gefördert.

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Der Mantel des Propheten

Martin Treml

Wenn Kleidern in den Religionen besondere Beachtung zu- kommt, dann geschieht das stets, weil sie doch mehr als bloße Berufskleidung von Priesterinnen und Priestern sind.

Sie überschreiten den Rang von Zeichen, wirken vielmehr selbst als kosmische und magische Kraftzentren. Wer sie trägt, ist durch sie zu Taten imstande, die er ohne sie nicht zu vollbringen vermag. Wer sie anlegt, kann fliegen, um von Geistern geraubte Seelen zurückzuholen. Wer in sie schlüpft, wird unsichtbar, um Geheimnisse erlauschen, Verborgenes und Verbotenes überhaupt wahrnehmen zu können. Derart religiös bestimmte Kleider sind mächtiger als jeder, der in ihnen steckt. Darum werden sie auf besondere Weise herge- stellt, zeremoniell weitergegeben, nie einfach abgelegt. Wehe, ein Unbefugter wagt es, sie auch nur zu berühren, geschweige denn sie zu tragen, er wird auf der Stelle verbrennen oder jedenfalls eines gewaltsamen Todes sterben. Geschichten davon finden sich in Märchen und Sagen der Völker zuhauf.

In der Bibel, auf die sich die westlichen Religionen Juden- tum, Christentum und Islam auf jeweils unterschiedliche Weise beziehen, erscheint besonders eine Figur als mit be- sonderer Kleidermacht begabt: der Prophet Elijahu, der einen sprechenden Namen trägt, ›Mein Gott ist Jahu‹, wobei der Gottesname hier eine andere Form für das Tetragrammaton ist. Auf Hebräisch heißt dieser Prophet ›Elija‹, auf Arabisch

›Ilias‹, Christen ist er als ›Elia(s)‹ bekannt. Unter diesem Namen soll im Folgenden von ihm die Rede sein.

Elias ist einer jener Gottesmänner der Bibel, die zur Zeit des salomonischen Tempels (erstes Viertel des ersten Jahr- tausends vor unserer Zeitrechnung) die Könige Israels und

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Judas verfluchen, wenn immer diese von der rechten Gottes- verehrung abfallen und sich dem Götzendienst zuwenden.

Für ihn ist es König Ahab, der selbst von seiner Frau Isebel (Jezebel) zum Bösen verführt wird. Sie verfolgt die Propheten des Herrn und hat deren Rivalen zu Tischgenossen.1 Von die- sen Propheten wird Elias nie behaupten, sie seien gar keine, sondern nur, dass sich ihre Götter als ohnmächtig gegenüber dem Gott Israels erweisen. Folgerichtig unterliegen sie ihm im Opferwettstreit auf dem Berg Karmel, einem Gottesgericht, in dem siegen soll, wer das Opferfeuer vom Himmel herab zu entzünden vermag: Baal, der kanaanäische Wettergott, und Aschera (Astarte), die altorientalische Liebesgöttin, oder Jahwe Zebaot, »Herr der Heerscharen«.2 Die Baalsprophe- ten unterliegen und werden zu Hunderten niedergemacht.3 Aber der Prophet Elias vermag auch Wunder zu wirken, er erweckt Tote zum Leben, so etwa den Sohn der ihm wohl- tätigen Witwe von Zarpath, auf den er sich dreimal wirft, worauf dieser wieder lebendig wird.4 Überhaupt ist Elias ein Wundermann und Schamane, der Dürre oder Regen voraussagt.5 Gott hat sich ihm gezeigt wie in der Bibel sonst nur Moses, abgesehen vom strittigen Fall Abrahams, dem er sogar wiederholt »erscheint«.6 Die Rabbinen, die Gelehrten und Lehrer des Judentums seit der Zeitenwende, erkannten die Nähe dieser beiden Figuren zuerst und erstellten sogar eine Liste der Dinge, in denen sich Moses und Elias glichen.7

Die Theophanie ist in den biblischen Erzählungen des Propheten jedoch auch der erste von insgesamt vier Fällen, in denen sein Mantel eine wichtige Rolle spielt. Als Gott sich ihm am Berg Horeb durch Sturm, Erdbeben, Feuer ankündigt, ohne jedoch in ihnen zu sein, denn er zeigt sich als »stilles, sanftes Sausen«, verhüllt Elias sein Gesicht mit dem Mantel.8 Das zweite Mal findet der Mantel kurz darauf bei der Berufung des Schülers Elischa/Elisa Verwendung, auf den Elias den Mantel wirft wie einst sich selbst auf den toten Knaben.9 Das dritte Mal wird durch den Mantel das Wunder des Moses am Schilfmeer wiederholt, nun freilich am Jordan.10 Elias »wickelte ihn zusammen und schlug ins Wasser; das teilte sich auf beiden Seiten, dass die beiden

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[Elias und Elischa, M.T.] trocken hindurchgingen«.11 Und schließlich verfährt Elischa nach der Himmelfahrt des Elias ebenso und tritt damit erfolgreich dessen Nachfolge an. Dieser aber wird wie Henoch von Gott in den Himmel entrückt.12 Nach Auffassung der Rabbinen lebt er immer noch und erscheint von Zeit zu Zeit, um den Gerechten Geheimnisse anzuvertrauen.13 Auf Erden wirkt an seiner statt nun Elischa, der Zeuge des Aufstiegs des prophetischen Vorgängers war.

Und da sie miteinander gingen und redeten, siehe, da kam ein feuriger Wagen mit feurigen Rossen, die schieden die beiden von- einander; und Elias fuhr also im Wetter gen Himmel. Elischa aber sah es und schrie: Vater, mein Vater, Wagen Israels und seine Reiter!

und sah ihn nicht mehr. Und er fasste sein Kleider und zerriss sie in zwei Stücke und hob auf den Mantel Elias’, der ihm entfallen war, und kehrte um und trat an das Ufer des Jordans und nahm den Mantel Elias’, der ihm entfallen war, und schlug ins Wasser und sprach: Wo ist nun der Herr, der Gott Elias’? und schlug ins Wasser; da teilte sich’s auf beide Seiten, und Elischa ging hindurch.14

Jan Luyken, Elischa schlägt das Wasser des Jordan mit Elias‘ Mantel, 1712

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Henfflin-Werkstatt, Elia teilt mit seinem Mantel das Wasser.

Bibelillustration, 1477

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Der Mantel ist Schutz- und Zaubermittel, kein bloßes Attribut, kraft seiner wird geregelt, wer als Prophet wirkt. Die von ihm vollbrachten Wunder performieren die erlöste Welt in der noch unerlösten. Insofern greift der Apostel Paulus zu kurz, wenn er an den Juden kritisiert, sie vermöchten nicht an Christus zu glauben, weil sie stets »Zeichen fordern«.15 Denn ihnen ist es weniger um einen Beweis zu tun – und stellte er selbst das argumentum crucis dar –, als darum, das Heil zu erlangen, das ihnen verkündet ist. Auch darum wird Elias in engen Zusammenhang mit der Endzeit gebracht, so zum ersten Mal in einem nachexilischen Prophetenbuch der Bibel: »Siehe, ich will euch senden den Propheten Elias, ehe denn da komme der große und schreckliche Tag des Herrn.

Der soll das Herz der Väter bekehren zu den Kindern und das Herz der Kinder zu ihren Vätern, dass ich nicht komme und das Erdreich mit dem Bann schlage.«16 Elias kündigt schließlich das Erscheinen des Messias an, so wie im Neuen Testament Johannes der Täufer dasjenige Jesu.17 Von Jesus Christus selbst ist der Mantel des Propheten abgefallen, weil er als nackte Kreatur für alle gelitten hat. Freilich haben die Soldaten unter dem Kreuz um sein purpurnes Gewand ge- würfelt, das er bei seiner Verspottung trug.18 Elias hingegen vermochte der Mantel noch zu schützen, als er sich – so die Gelehrten der Kabbala, der jüdischen Mystik – am Berg Horeb den primordialen Kräften ausgesetzt sah, die die Schöpfung hervorbrachten. Aus to-hu sei bo-hu geworden,

»Dunkelheit«.19 Was wir Dunkelheit nennen, wurde geseiht und enthielt Feuer, wie es Elias nach dem Erdbeben er- schien. Als dieses wiederum geseiht wurde, enthielt es die

»kleine sanfte Stimme«, die Luther in seiner oben zitierten Übersetzung »stilles, sanftes Sausen« genannt hat und die alles erschuf, was ist.20

Wirkungsmächtig erscheint der Schutzmantel des Elias wieder als sternbestickter Umhang der Gottesmutter Maria, als leuchtend grüner Mantel des Propheten Mohammed, vielleicht auch als davonfliegender Gebetsmantel, dessen letzten Zipfel für Franz Kafka die Zionisten erhaschen woll- ten. Nach den Religionen ist freilich aus textum, dem Gewebe

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des Prophetenmantels, ein Text geworden, wie er, wenngleich als heiliger, sich schon vor den westlichen Religionen in der Bibel um Elias und sein Kleid gelegt hatte.

Anmerkungen

1 Vgl. Erstes Buch der Könige 18,4 und 19.

2 Ebd. 18,15, 19,9 u.ö.

3 Ebd. 18,19–46.

4 Vgl. ebd. 17,17–22.

5 Vgl. ebd. 17,1–7 und 18,41–49.

6 Vgl. Genesis 17,1 u.ö.

7 Vgl. Pesikta Rabbati 4,2.

8 Erstes Buch der Könige 19,12–13.

9 Ebd. 19,19.

10 Vgl. Exodus 14,21–22.

11 Zweites Buch der Könige 2,8.

12 Vgl. Genesis 5,24.

13 Vgl. Babylonischer Talmud, Traktat Baba Batra 121b und Traktat Baba Metzia 59b.

14 Zweites Buch der Könige 2,11–14.

15 Erster Brief an die Korinther 1,22.

16 Maleachi 3,23–24.

17 Vgl. Evangelium nach Markus 1,1–8 und Parallelen.

18 Vgl. Evangelium nach Markus 15,16–20 und 24 sowie Parallelen.

19 Vgl. Genesis 2,1.

20 Zohar Genesis 16a.

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1698; zit. nach: Arthur Henkel, Albrecht Schöne: Emblemata.

Handbuch zur Sinnbildkunst des 16. und 17. Jahrhunderts, Stuttgart 1967, Sp. 996.

S. 238 Jakobs Klage bei der Nachricht von Josefs Tod. Mosaik. Erste Josefskuppel in der Vorhalle der Kirche San Marco, Venedig.

In: Kirchen in Venedig. Kunst und Geschichte, Text v. En- nio Concina, Aufnahmen v. Piero Codato u. Vittorio Pavan, München 1996, S. 148.

S. 243 Erste nationale Gedenkfeier zum Völkermord in Rebero, 1995.

Foto: unbekannt. Kigali Genocide Memorial. http://genoci- dearchiverwanda.org.rw/index.php?title=Image:Ibuka_pho- to_01056.jpg.

S. 246 Gedenkfeier mit violetten Halstüchern. Nyanza, Kicukiro, Kigali. Foto: unbekannt. Kigali Genocide Memorial.

http://www.genocidearchiverwanda.org.rw/index.

php?title=Image:Ibuka_photo_00885.jpg.

S. 248 20. Gedenkfeier, ›Flame of Remembrance Tour in Gasabo‹.

National Commission for the Fight Against Genocide (CNLG), Ruanda.

http://www.cnlg.gov.rw/IMG/jpg/flame-nyarugenge-2.jpg.

S. 253 Jan Luyken, Elisa slaat het water van de Jordaan met de mantel van Elia. Papierdruck (Buchillustration), 1712.

Amsterdam Museum. http://www.geheugenvannederland.

nl/?/nl/items/AHM01:A_50844.

S. 254 Ludwig Henfflin/Henfflin-Werkstatt, Elia teilt mit seinem Mantel das Wasser. Bibelillustration, Feder & koloriert, 1477.

Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 17, fol.

105v. Foto © Universitätsbibliothek Heidelberg: HeidICON.

Die Heidelberger Bilddatenbank.

http://prometheus.unikoeln.de/pandora/image/show/heidi- con_bp91078bdc82bcba1544c590765c72b9ef6e92102a.

S. 260 [Charles Nicolas Cochin d. Ä. nach] Charles Nicolas Cochin d. J., Illustration zur Laokoon-Episode im zweiten Buch der Aeneis. In: Les oeuvres de Virgile. Traduites en françois, le texte vis-a-vis la traduction. Ornées de figures en taille-douce, avec des remarques, hg. u. übers. v. Pierre François Guyot Desfontaines, Paris 1743, Bd. 2, S. 96. © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Abteilung Historische Drucke, Signatur Wc 2964-2. Abdruck mit freundlicher Ge- nehmigung.

Referenzen

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