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Das Wagnis der Sorglosigkeit

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Das Wagnis der Sorglosigkeit

16.10.2017 | Prof. Dr. Thorsten Polleit

Rückzug der Risikosorgen

Man mag es kaum glauben, aber es ist so: Die Risikosorgen der Finanzmarktakteure haben mittlerweile ein historisches Tief erreicht. Beispielsweise hat der "VIX-Indikator", der die erwarteten Preisschwankungen der US-Aktienkurse misst, seit den 1990er Jahren ein Allzeittief erreicht - während sich gleichzeitig die

Aktiennotierungen von einem zum anderen Rekordhoch hangeln (Abb. 1).

Quelle: Thomson Financial.

(1) Ermittelt aus "At-the-Money-Optionen", in Prozent.

Aber nicht nur die Aktienkurse stehen auf historischen Höchstständen bei gleichzeitig historischen

Tiefständen der Risikosorgen. Auch die Bewertungen der Aktienmärkte - illustriert zum Beispiel anhand des Kurs-Gewinn-Verhältnisses - sind dabei merklich angestiegen (Abb. 2). Wie ist dieser Befund zu

interpretieren? Zwei Erklärungen drängen sich auf: (1) Die Krise ist überwunden, und es gibt gute Gründe, eine verbesserte Gewinnlage der Unternehmen zu erwarten und von geringen Risiken auszugehen; oder (2) die Krise ist nicht überwunden, die Märkte wiegen sich vielmehr in einer trügerischen Sicherheit.

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Quelle: Thomson Financial.

(1) Ermittelt aus "At-the-Money-Optionen", in Prozent.

Zu Punkt (1): Die Konjunkturen in den großen Volkswirtschaften der Welt haben in der Tat in den letzten Quartalen angezogen, Produktion und Beschäftigung sind gestiegen. Unternehmen blicken einer erfreulicheren Geschäftslage entgegen, und steigende Gewinnerwartungen treiben die Aktienkurse an.

Gleichzeitig hat die Sorge vor einer erneuten Finanz- und Wirtschaftskrise abgenommen. Die sinkenden Risikosorgen gehen nicht nur einher mit steigenden Aktienkursen, sondern rechtfertigen auch steigende Bewertungen der Aktien.

Zu Punkt (2): Die Erholung der Konjunkturen und der Preisauftrieb auf den Fi-nanzmärkten haben sich in einer Phase vollzogen, in der die Zentralbanken die Zinsen auf extrem niedrigen Niveaus gedrückt und strauchelnde Schuldner mit einer Geldmengenvermehrung über Wasser gehalten haben. Das sollte umsichtige Investor aufhorchen lassen - denn der jüngste Aufschwung hat offensichtlich keine "natürliche"

Ursache. Vor allem das Ansteigen der Aktienmarktbewertung bei gleichzeitig fallender Risikosorge wirft Fragen auf.

Verzerrte Preise

Bekanntlich geht es auf dem Börsenparkett, auf den Finanzmärkten "psychologisch" zu: Es sind die sich in der Regel schnell ändernden Erwartungen der Marktakteure, die eine entscheidende Rolle bei der

Preisbildung von Aktien, Anleihen und Devisen spielen. Doch dabei sind es nicht nur die "reinen"

Wirtschaftsaussich-ten, die die Erwartungen beeinflussen. Vielmehr ist das Marktgeschehen mittlerweile stark von staatlichen Eingriffen geprägt. Insbesondere die Geldpolitik übt einen maßgeblichen Einfluss auf die Erwartungshaltung der Anleger aus.

Besonders bedeutsam: Die Zentralbankräte haben den Investoren in den letzten zehn Jahren eine klare Botschaft gesandt: dass sie die Konjunkturen und Finanzmärkte vor einem erneuten "Crash" bewahren wollen, koste es, was es wolle. Wie es scheint, glauben die Investoren nicht nur, dass die Zentralbanken einen ungebremsten "Rettungswillen" haben, sondern dass die Zentralbanken auch in der Lage sind, ungewollte Krisen abzuwehren.

Angesichts des "Sicherheitsnetzes", das die Zentralbanken aufgespannt haben, haben die Investoren ihre Risikosorgen zurückgestuft. Sie kaufen jetzt beispielsweise Anleihen schlechter Schuldner zu niedrigen Renditen. Die Aktienkurse steigen, weil Investoren optimistische Erwartungen über die künftigen

Unternehmensgewinne hegen; und weil sie die erwarteten Unternehmensgewinne mit einem geringe(re)n Diskontierungssatz abzinsen. Beides erhöht den Barwert und damit auch die Aktienkurse.

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Tiefzinskredite dazu verleitet, sich finanziell zu übernehmen. Unternehmen weiten ihre risikoreichen

Investitionsprojekte übermäßig aus, weil die Kreditzinsen künstlich niedrig sind. Welche volkswirtschaftlichen Folgen hat das?

Abbildung links: Quelle: Thomson Financial.

Abbildung Mitte: Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen. Graue Flächen: Phasen, in denen der Langfristzins kleiner Kurzfristzins.

Abbildung rechts: Quelle: Thomson Financial; eigene Berech-nungen. (1) BAA-Unternehmensanleihe mi-nus 10-Jahreszins US-Staatsanleihe.

Zweifel am Ausstieg

Die gesamte Produktions- und Beschäftigungsstruktur wird verzerrt. Beispielsweise nehmen

Unternehmensinvestitionen in besonders langfristigen und risikoreichen Projekte zu. Die Leistungserstellung wird so nicht mehr an den wirklichen Nachfragewünschen ausgerichtet, sondern an den Signalen, die die verzerrten Zinsen setzen. Gleichwohl kann dadurch die Wirtschaft anziehen, eine Konjunkturbelebung in Gang kommen. Doch sie steht auf tönernen Füßen.

Um sie aufrecht zu halten, müssen die Zentralbanken die Zinsen - und vor allem die Risikoaufschläge in den Kreditmärkten - niedrig halten beziehungsweise im Zeitablauf noch weiter absenken. Ein Ausstieg aus der Tiefzinspolitik der Notenbanken birgt die Gefahr, dass der "Boom", den die Niedrigzinsen verur-sacht haben, in einen "Bust" umschlägt. So gesehen dürfte es nur einen Grund für die geringen Risikosorgen auf den Märkten geben:

Die Marktakteure rechnen nicht ernsthaft damit, dass die Zentralbanken tatsächlich die Zinsschraube anziehen, sondern dass sie vielmehr schon bei den ersten Anzeichen einer Wirtschaftsverlangsamung oder einem Preiseinbruch auf den Finanzmärkten auf eine extreme Niedrigzinspolitik zurückschalten. Unter diesen Bedingungen dürfte die Preisrallye auf den Aktien- und Häusermärkten vermutlich bis auf Weiteres weitergehen.

Aufgeblähte Preise

Nun lassen sich aber die Volkswirtschaften nicht perfekt durch die Zentralbanken steuern. Es verbleibt stets ein Risiko, dass die Zentralbanken mit ihrer angekündigten "Politiknormalisierung" ungewollt die

Konjunkturen und Finanzmärkte aus dem Gleis werfen. Das wäre nicht das erste Mal. Man denke an den Zinszyklus zu Beginn des 21. Jahrhunderts, die den Crash des "New Eco-nomy"-Booms auslöste; oder an die Zinserhöhungen ab Sommer 2004, die in die Kreditkrise führten.

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die aktuelle Konjunktur- und Finanzmarkterholung in besonderem Maße abhängig ist von der Fortführung der expansiven Geldpolitik der Zentralbanken.

Insbesondere der weitere Kurs der US-amerikanischen Zentralbank (Fed) wird richtungsweisend sein. Die Fed ist schließlich die inoffizielle Weltzentralbank. Ihre Politik bestimmt die Zins- und Liquiditätsbedingungen auf den weltweiten Finanzmärkten.

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Die Folgen ihrer Tiefzinspolitik - die in den USA seit etwa 10 Jahren den realen, d. h. inflationsbereinigten Kurzfristzins im Negativbereich hält - lassen sich nicht nur am Verlauf der Aktienkurse, sondern auch anhand der Hauspreisentwicklung illustrieren. Seit Sommer 2002 liegt der jahresdurchschnittliche Kurzfristzins bei etwa minus 0,7 Prozent - und das dürfte den Preisauftrieb im Immobilienmarkt befördert haben. Kommt er zum Stillstand, oder kehrt er sich gar um, wird das Schuldnern und Gläubigern schwere Verluste bescheren.

Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen.

(1) Ermittelt anhand des Konsumentenpreisindexes. (2) S&P/Case-Shiller.

Vor allem aber wächst das Geschäftsvolumen der Banken- und Investmentfondsindustrie rasant an - und es hat mittlerweile einen Rekordwert relativ zur US-Wirtschaftsleistung erreicht (siehe die Abbildungen in der linken Spalte). Vermutlich verlagern Banken vermehrt risikobehaftete Wertpapiere in die (weniger stark regulierte) Investmentfondsindustrie aus. Und weil Investmentfonds in der Regel mit noch weniger Eigenkapital ausgestattet sind als die Banken, dürfte sich die Verlustanfälligkeit der Finanzsphäre erhöht haben.

Diese wenigen Beispiele mögen genügen um zu verdeutlichen, dass die extreme Tiefzinspolitik der Zentralbanken, vor allem aber das Sicherheitsnetz, das sie aufgespannt haben, ein großes "Wagnis der Sorglosigkeit" herbeigeführt hat. Geht die Sache schief - und es ist recht wahrscheinlich, dass sie früher oder später schief gehen wird -, ist die Reaktion der Zentralbanken schon jetzt absehbar: Die Zinsen werden noch weiter herabgedrückt und die Geldschleusen noch weiter geöffnet.

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Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen.

Angesichts dieser Risikolage ist aus unserer Sicht das Halten von Gold eine Option, um sich gegen die Risiken, für die die Geldpolitik sorgt, abzusichern. Gold ist vor allem ein Ersatz für Termin- und Spareinlagen, die schon jetzt keine positive Verzinsung mehr erbringen - vielmehr Verluste einspielen, weil die laufende Inflation ihre Kaufkraft entwertet. Zum aktuellen Preis ist Gold als eine attraktive Versicherung mit

Wertsteigerungspotential einzustufen. (Siehe hierzu auch Degussa Marktreport, Gold ist die verlässliche Währung in unsicheren Zeiten, 1. September 2017.)

Zusammenfassung

Die Risikosorgen der Investoren auf den Aktien- und Zinsmärkten sind auf ein Rekordtief gefallen.

Die Finanzmarktakteure rechnen also entweder nicht mit einem wirklichen Ausstieg aus der extremen Niedrigzinspolitik, …

… oder aber sie unterschätzen die Anpassungskosten, die eine Abkehr von der Politik der extrem niedrigen Zinsen hat.

Angesichts der Sorglosigkeit in den Märkten ist das Halten von Gold eine Option, um sich gegen die bestehenden Risiken abzusichern.

Zum aktuellen Preis stufen wir Gold als eine attraktive Versicherung ein, die Wertsteigerungspotential hat.

© Prof. Dr. Thorsten Polleit

Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH

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