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Dante Alighieri zum 700. Todestag (5/5)

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SWR2 Musikstunde

Dante Alighieri zum 700. Todestag (5/5)

Folge 5: Dante 700

Von Antonie von Schönfeld

Sendung vom: 17. September 2021 Redaktion: Dr. Ulla Zierau

Produktion: SWR 2021

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2 Guten Morgen zur letzten Folge Dante Alighieri zum 700. Todestag in dieser Woche!

Für Voltaire genießt der Autor der „Göttlichen Komödie“ den höchsten Ruhm, den man als Dichter überhaupt erlangen kann, denn: Er ist berühmt, ohne das man ihn großartig gelesen hätte...

Und das ist unser Stichwort heute: Natürlich hat man Dante gelesen! Wir schauen heute in die europäische Kulturgeschichte, wer Dante gelesen hat und wo wir ihm heute noch begegnen.

Ich bin Antonie von Schönfeld und freue mich, dass Sie dabei sind!

Dante ist präsent! In vielen Städten können wir ihm einfach so über den Weg laufen. Das meine ich wörtlich: Auch hierzulande gibt es Dante-Straßen, Dante-Plätze und manchmal auch eine Pizzeria „Casa Dante“. In Italien ist die „Via Dante Alighieri“ in jeder Stadt obligatorisch und dazu gibt es oft auch noch ein Standbild: Da steht er dann in sinnender Pose, das schmale Gesicht mit der unverkennbaren Adlernase, den Dichter-Blick in die Ferne gerichtet.

Vor seiner Nase spielt sich derweil das Leben des 21. Jahrhunderts ab. Und wenn in der Casa Dante die Pizza Margherita serviert wird, postiert sich vielleicht gerade ein Straßenmusiker vor dem Poeten, ein Troubadour der Neuzeit:

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Musik 1 Andrea Falconieri 2´35

„Ballo de li Sante“

Marco Beasley, Gesang Instrumental-Ensemble Ltg. Guido Morini ALP 435, LC 00516

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„Ballo de li Sante“ von Andrea Falconieri, mit Marco Beasley, Gesang, und einem Instrumental- Ensemble.

Wie Dante ausgesehen hat, wissen wir übrigens ziemlich genau, zumindest was sein Gesicht betrifft: In Florenz im Palazzo Vecchio ist seine Totenmaske ausgestellt. (Wer Dan Browns

„Inferno“ gelesen hat, weiß von der Maske.) Sie zeigt uns den 56-jährigen Mann mit seinen melancholischen Gesichtszügen. Giovanni Boccaccio schreibt davon in seiner Vita. Da ist die Rede von Dantes „bräunlicher Gesichtsfarbe“, von seinen „dicken Haaren“, die „schwarz und kraus“ gewesen seien.

Boccaccio erzählt in seinem „Büchlein zum Lob Dantes“ eine Anekdote aus Verona, wo Dante im Exil eine Zeitlang lebt. Schon bekannt durch seine „Göttliche Komödie“, vor allem den

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3 ersten Teil „Inferno“, hört Dante im Vorbeigehen, wie zwei einfache Frauen ihre Bemerkungen machen:

„Schaut euch den an, der in die Hölle geht und wiederkommt, wann es ihm gefällt, um hier oben zu erzählen, wie es denen da unten geht“, sagt die Eine. Daraufhin die Andere: „Siehst du nicht, was für einen krausen Bart und was für ein dunkles Gesicht er durch die Hitze und den Rauch von da unten hat?“ Da soll Dante - laut Boccaccio - ‚ein wenig‘ gelacht haben!

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Musik 2 Anonymous 2´53

„Fenesta vascia“

Marco Beasley, Gesang Stefano Rocco, Barock-Gitarre ALP 435, LC 00516

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„Fenesta vascia“ – noch einmal Marco Beasley mit dem Lied eines anonymen italienischen Komponisten.

Dante habe Musik gemocht – schreibt sein jüngerer Kollege Giovanni Boccaccio in seiner „Vita di Dante“. Schon in seiner Jugend habe er gesungen und gespielt, und zu seinen Freunden hätten auch Musiker und Komponisten gehört. Das Werk des Florentiners jedenfalls ist voller Bezüge zu Musik. Wir begegnen ihr vor allem in seiner „Vita nuova“ und natürlich in der „Divina Commedia“, der „Göttlichen Komödie“.

Die Frauen von Verona haben übrigens recht: Die Handlung der „Commedia“ endet nicht im Paradies, im Empyreum, in das er zusammen mit seiner idealisierten Liebe Beatrice am Ende des dritten Teils emporschwebt. Der Dichter lässt sein alter ego von der imaginären Reise ins Jenseits wirklich ins irdische Leben zurückkommen. Doch Dante ist nicht mehr derselbe: In den vielen Jahren der Arbeit an der „Commedia“ hat er sich auseinandergesetzt mit Politik, mit Florenz, mit der Kirche und vor allem mit seiner eigenen Lebenssituation als Verbannter. Das Schreiben hat ihn verändert und gefestigt. Doch viel Zeit bleibt ihm da nicht mehr, nur kurz nach der Vollendung seines gewaltigen Werks wird Dante krank und stirbt.

Boccaccios „Trattatello in Laude di Dante“ liest sich ausgesprochen unterhaltsam. Seine Schilderungen über Dantes Leben ergeben ein Bild - auch wenn er es mit der Wahrheit nicht immer ganz genau nimmt.

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4 So erzählt Boccaccio auch die Geschichte der letzten dreizehn Gesänge der „Commedia“: Als Dante stirbt, fehlen diese Canti. Die Hinterbliebenen suchen monatelang danach. Doch sie finden nichts – bis einer der Söhne träumt, der Vater zeige ihm die Stelle, wo die Seiten liegen:

in seinem früheren Schlafgemach. Und da finden die Söhne die Blätter wirklich, schon leicht angeschimmelt. Doch die Brüder können sie retten und das Werk vervollständigen.

Damit beginnt eine Erfolgsstory über 700 Jahre, wie sie die Kulturgeschichte nur selten erlebt.

Ganze Generationen interpretieren und kommentieren den uralten Text – quer durch die Jahrhunderte und verschiedenen Sparten der Kunst.

Wenn altes Material neu interpretiert wird, ist das immer wieder spannend:

Anfang der 90er Jahre macht eine Aufnahme Furore, in der sich das Hilliard-Ensemble, Spezialisten für a cappella Musik der Renaissance, mit dem Jazz-Saxofonisten Jan Garbarek für die Aufnahme „Officium“ zusammentut. Zu den verschiedenen Motetten und Messsätzen gehört auch von einem anonymen Komponisten – „De spineto nata rosa“:

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Musik 3 Anonymos 2´10

„De spineto nata rosa“

Hilliard Ensemble Jan Garbarek, Saxofon EMC 1525, LC 79801

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Die Motette „De spineto nata rosa“ von einem anonymen Komponisten, hier gesungen und gespielt vom Hilliard-Ensemble und dem Jazz-Saxofonisten Jan Garbarek. „Officium“ war Anfang der 90er Kult!

Das Original von Dantes „Commedia“, die handgeschriebenen Seiten, sind nicht erhalten.

Schon kurze Zeit nach Dantes Tod aber gibt es erstaunlich viele Abschriften. Allerdings unterscheiden sie sich zum Teil sehr voneinander. Der heutige Text der „Göttlichen Komödie“

geht auf Boccaccios Abschriften zurück.

Boccaccio ist es auch, der nur wenige Jahre nach Dantes Tod die sogenannten ‚Lectura Dantis‘ gründet, eine Tradition, die sich seit dem 14. Jahrhundert bis heute hält. Dabei werden Verse der „Commedia“ öffentlich gelesen und kommentiert.

Vielleicht haben Sie es schon einmal erlebt: Da schlüpft ein Schauspieler oder eine Schauspielerin in den roten Dante-Mantel, stülpt sich die Kappe auf den Kopf, oder zieht sogar

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5 eine Plastiknase in Haken-Form über die eigene Nase, und rezitiert und spricht über Dante Alighieri.

Man kann zuhören, italienische Atmosphäre genießen – und sich von Sprache einfach wegtreiben lassen. Die „Lectura Dantis“ sind längst eine Institution – in der ganzen Welt. In diesem Jahr „Dante 700“ sowieso.

Sicherlich hat auch der amerikanische Komponist Henry Dehlinger sie schon gehört. Dehlinger gehört zur jüngeren Komponistengeneration. Von Haus aus Sänger und Pianist schreibt er vor allem Vokalwerke. Dichtung, sagt er, sei ihm eine Herzensangelegenheit. Dehlinger arbeitet mit klassisch-tonalen, gerne opulenten Klängen, und Jazz. In jüngerer Zeit hat er zwei Texte von Dante vertont. Dazu zählt „Questa fiamma“ – „Diese Flamme“, sechs Zeilen aus Dantes

„Inferno“ im Rhythmus einer Sarabande, in getragenem Dreiertakt:

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Musik 4 Henry Dehlinger 2´58

„Questa Fiamma“ Inferno, Canto XXVII Danielle Talamantes, Sopran

Henry Dehlinger, Klavier Avie 2424, LC 19953

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„Questa fiamma“ – „Diese Flamme“ von Henry Dehlinger mit Danielle Talamantes, Sopran, und dem Komponisten am Klavier.

Mit Dantes Tod nimmt die Rezeption seiner Werke an Fahrt auf. Boccaccio und auch Francesco Petrarca sind die ersten, die sich vor allem für die „Commedia“ einsetzen. Dass Dante in der italienischen Sprache schreibt, also im „Volgare“ und nicht im Lateinischen, macht das Werk für viele zugänglich. In Dantes Sprache verschmilzt die Florentiner Mundart mit der Sprache der älteren italienischen Poesie.

Wer Dantes Verse auf dem Marktplatz oder vor dem Rathaus hört, vorgetragen von Spielleuten, den „Cantastorie“, der trägt sie weiter. Kein Wunder, dass die Humanisten des 15. Jahrhunderts verächtlich vom „Dante der ‚fornai‘ und ‚calzolai‘" sprechen, also vom Dante der Bäcker und Schuster.

Der Florentiner Humanist Niccolò Niccolini übt denn auch scharfe Kritik an der „Göttlichen Komödie“. Er findet, die „Commedia“ sei gerade gut genug, um mit deren herausgerissenen Seiten Fisch einzuwickeln!

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6 Dantes literarischer Ruhm bleibt zunächst begrenzt auf Italien. Mit dem aufkommenden Buchdruck wird das Weltgedicht in üppigen Ausgaben weitergereicht. Und für den Hausgebrauch gibt es die kleinen „Dantini“, die passen in die Hosentasche. Hier in Italien bewahren die Verse neben allen weltlichen Bezügen auch immer ihre religiöse Aura.

In den 1880er Jahren schreibt Giuseppe Verdi ein „Padre nostro“ für fünfstimmigen a cappella- Gesang. Über der Partitur steht: „Volgarizzato da Dante“, also etwa ‚in die Umgangssprache gesetzt von Dante‘.

Der Text stammt allerdings nicht von Dante, sondern vermutlich von einem Poeten aus Ferrara etwa aus derselben Zeit: Wenn man den zweiten Teil der „Commedia“ aufschlägt, den elften Gesang im „Purgatorio“, dann liest man hier denn auch ein anderes „Vater unser“. Doch ausgerechnet dieses Dante-Missverständnis beschert uns ein wunderbares „Padre nostro“:

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Musik 5 Giuseppe Verdi 6´55

„Pater noster” f. 5-stimmigen gem. Chor a cappella SWR Vokalensemble Stuttgart

Ltg. Marcus Creed SWR M0386578 004

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„Padre nostro“ - das SWR Vokalensemble Stuttgart sang das „Vater unser“ von Guiseppe Verdi, die Leitung hatte Marcus Creed.

Die italienischen Romantiker interessieren sich brennend für das Mittelalter und damit auch für Dantes Dichtung. In dem Band „Geschichte der italienischen Literatur“ von 1870 wird Dante endgültig zum Nationaldichter erklärt und die „Commedia“ wird zur „ersten großen Phantasie der modernen Welt“ erhoben. In der Zeit des Risorgimento, der Wiedervereinigung Italiens, sprießen die Dante-Denkmäler nur so aus dem Boden. Wir begegnen dem Dichter auf Plätzen, in der Kirche - und in der Oper. Die aber hat Dante schon längst entdeckt - bietet Dante in der

„Commedia“ doch viele Geschichten, die sich bühnenwirksam inszenieren lassen.

Zu den populärsten gehört das Drama um den Grafen Ugolino und die Geschichte der unglücklich Liebenden Francesca da Rimini. Aber auch das Schicksal der Pia de Tolomei liefert Stoff für eine Oper, Gaetano Donizetti schreibt über ihr Schicksal:

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7 Es geht um eine klassische Intrige, um Eifersucht und Rachsucht. Pia de Tolomei ist glücklich verheiratet mit Nello. Dessen Cousin Ghino macht Pia Avancen – doch sie weist ihn ab. Ghino will sich rächen und überzeugt seinen Cousin, dass Pia ihm nicht treu sei. Und Pia trifft tatsächlich einen anderen Mann. Das aber ist ihr Bruder.

Der scheinbar gehörnte Nello will sie in seinem Zorn umbringen lassen – und dann kommt alles zusammen: Geständnis, Zuspätsein, Vergebung und Tod.

Am Ende des ersten Aktes der Oper von Donizetti singen Pia, die beiden rivalisierenden Männer und Pias Zofe nach dem verräterischen Besuch alle gleichzeitig von ihren widerstreitenden Gefühlen – so wie das nur in der Oper möglich ist.

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Musik 6 Gaetano Donizetti 4´55 <4>

Quartett „Ahimè! Quell anelito il core mi gela”

aus: „Pia de’ Tolomei”

Nelly Miricioiu – Pia, Sara Fulgoni - Bice Rockwell Blake – Ghino, Garry Magee - Nello Geoffrey Mitchell Choir

Philharmonia Orchestra Ltg. David Parry

Opera Rara 221, LC 00691

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Das Quartett „Ahimè! Quell anelito il core mi gela” aus dem ersten Akt der Oper „Pia de’

Tolomei” von Gaetano Donizetti mit Nelly Miricioiu, Sara Fulgoni, Rockwell Blake und Garry Magee. Dazu der Geoffrey Mitchell Choir und das Philharmonia Orchestra, die Leitung hatte David Parry.

In der europäischen Rezeption steht Dante lange im Schatten von Boccaccio und Petrarca.

Die beiden jüngeren Dichterkollegen treten sehr viel früher ihren Siegeszug durch die Literaturszene in Europa an. Das ändert sich spätestens mit der Romantik. Da wird Dante auch nördlich der Alpen wieder- oder neu entdeckt – und das vor allem von den Philosophen und Literaten in Deutschland.

Die Romantiker fasziniert vor allem, wie Dante in der „Göttlichen Komödie“ mit verschiedenen Stilen balanciert, wie er verschiedene Ebenen zusammenfügt. Gattungsgesetze scheinen für ihn nicht zu gelten. Es geht hier nicht um poetische Logik, sondern um Ausdruck und um die Suche nach Antworten. Und die gibt Dante: Immer wieder schildert der Dichter lebenspralle

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8 Erlebnisse und hebt sie dann auf eine höhere Ebene; er reflektiert sie und ordnet sie ein in seine eigene Lebenserfahrung und in das große „Gerüst göttlicher Justiz“.

Dantes imaginäre Jenseitsreise zieht eine ganze Generation in ihren Bann: Die Brüder Schlegel, und Schelling und Hegel und Ludwig Tieck. – Und jetzt wäre eigentlich das Thema Übersetzungen noch reizvoll! Was sind wir da reich! Es gibt allein über fünfzig verschiedene Übersetzungen der „Göttlichen Komödie“ ins Deutsche! Zu den frühen gehört hier die von Philalethes. Dahinter verbirgt sich der königlicher Übersetzer Johann von Sachsen, der

„Freund der Wahrheit“. Aber die Tür zum großen Übersetzungszimmer mache ich gleich wieder zu.

Musikalisch setzen sich vor allem die deutschen Spätromantiker mit Dante auseinander, Franz Liszt, Max Reger und Gustav Mahler und die unbekannteren Felix Wroysch und Hermann Goetz. Goetz steht musikalisch in der Nachfolge von Mendelssohn und Schumann. Er schreibt eine Oper über die Figur Francesca da Rimini aus der „Göttlichen Komödie“, die er aber nicht mehr vollenden kann. Immerhin aber die Ouvertüre ist überliefert, wir hören kurz hinein.

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Musik 7 Hermann Goetz 2‘40

Ouvertüre „Francesca da Rimini“ (Ausschnitt) Radio-Philharmonie Hannover des NDR Ltg. Werner Andreas Albert

cpo 999 316-2, LC 08492 SWR M0024204 005

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Ein Ausschnitt aus der Ouvertüre „Francesca da Rimini“ von Hermann Goetz mit der Radio- Philharmonie Hannover des NDR unter Werner Andreas Albert.

Auch in der französischen Romantik werden Dantes Figuren aufgegriffen, so von den Opernkomponisten Ambroise Thomas und dem heute kaum noch bekannten Benjamin Godard.

Godard lebt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er gilt als „verspäteter Romantiker“.

Godard schreibt Opern, Sinfonien, Klavier- und Violinkonzerte, Streichquartette und über hundert Lieder. Den florentinischen Dichter muss er geradezu verehrt haben. Godard widmet ihm eine große Oper, in der er deren Hauptfigur durch alle drei Teile der „Göttlichen Komödie“

folgt. Der Name der Oper: ganz einfach „Dante“. Im Jahr der Uraufführung fällt die Oper allerdings durch: Das Publikum findet sie zu lang, zu vielschichtig und zu durchkomponiert.

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9 Der französische Tenor Benjamin Bernheim hat vor wenigen Jahren eine Arie aus dem unbekannten Werk aufgenommen – und die macht Lust auf die ganze Oper!

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Musik 8 Benjamin Godard 2´42

„Tout est fini pour moi sur la terre”

aus: „Dante” Air (1890) Benjamin Bernheim, Tenor PKF-Prager Philharmonie Ltg. Emmanuel Villaume DG 4836078, LC 00173 SWR M0583111 W09

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Benjamin Bernheim mit der Arie „Tout est fini pour moi sur la terre” aus der Oper „Dante“ von Benjamin Godard. Er wurde begleitet von der Prager Philharmonie, die Leitung hatte Emmanuel Villaume.

Die meisten musikalischen Spuren in der Folge von Dantes Dichtung finden wir in der italienischen Musik. Das reicht vom Trecento (auch wenn aus dieser Zeit nichts überliefert ist) über Rossini, Donizetti, Mercadante und Verdi über Boito, Busoni, Wolf-Ferrari und Dallapiccola bis in die zeitgenössische Musik zu Luciano Berio.

Berio schreibt 1965 zu Dantes 700. Geburtstag eine Komposition für Stimmen, Instrumente, Tonband, drei Frauenstimmen, Sprechchor und Sprecher, er nennt sie „Laborintus II“. Das Libretto von Edoardo Sanguineti greift zurück auf verschiedene Texte von Dante - und von T.S. Eliot und Ezra Pound, die sich ihrerseits intensiv mit Dante beschäftigt haben.

In der Musik wechseln sich instrumentale Passagen mit solistischen und gesprochenen Abschnitten ab. Immer wieder blitzen Jazz-Elemente auf und wir hören elektronische Musik.

Und dann - wie hier zu Beginn des letzten Teils - wieder Dante:

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Musik 9 Luciano Berio 2‘10

Ausschnitt aus: „Laborintus II” für 3 Frauenstimmen, 8 Schauspieler (Chor), Sprecher, Instrumente und Tonband

Cesare Ghilardelli, Sprecher

Angelika Luz, Susanne Leitz-Lorey, Stephanie Field, Sopran Neue Vocalsolisten Stuttgart

Varianti

Ltg. Manfred Schreier SWR M0012307 001

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Ein Ausschnitt aus „Laborintus II“, Luciano Berio hat diese Komposition zu Dantes 700.

Geburtstag geschrieben, 1965.

Jetzt, im Jubiläumsjahr „Dante 700“, wird die Dante-Tradition in Italien fortgesetzt, wieder setzen sich zeitgenössische Musiker und Komponisten mit dem Dichter auseinander:

In diesem Jahr haben die Orchester der Städte Prato und Florenz (Camerata Strumentale Città di Prato und das Orchestra Filarmonica di Firenze) einen internationalen Kompositionswettbewerb ausgerufen: Gewünscht war ein sinfonisches Werk von mindestens 15 Minuten Dauer, das sich auf Dante und seine „Göttliche Komödie“ bezieht. Ob auf eine Figur daraus, ein Bild, ein Charakter oder auf eine bestimmte Folge von Versen, das war dem Komponisten, der Komponistin überlassen. Einsendeschluss war der 31. Juli. Im Oktober sollen die drei Finalisten vorgestellt und aufgeführt werden.

Zur Zeit läuft eine Konzert-, Vortrags- und Gesprächsreihe in den beiden Städten, überschrieben „La Dolce Sinfonia di Paradiso“. – Dante ist hier wirklich Gegenwart!

Ist es nationaler Stolz, Verpflichtung – oder Liebe, aus welchem Grund setzen sich so viele Italiener über die Jahrhunderte stetig mit Dante auseinander?

„Liebe“ ist ein gutes Stichwort: Damit lässt Dante seine „Commedia“ enden:

„Doch Wunsch und Wille folgten gerne,

So wie ein Rad, das gleich geschwungen kreist,

Der Liebe, die da lenket Sonn und Sterne.“

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11 Das bringt mich noch einmal zu Henry Dehlinger: Er hat 2020 ein Duett für enge Freunde geschrieben, die in Florenz geheiratet haben, natürlich auf Verse von Dante: „Amore e il cor´

gentil sono una cosa” – „Liebe und das sanfte Herz sind ein und dasselbe”:

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Musik 10 Henry Dehlinger 3´50 <12>

„Amore e il cor´ gentil sono una cosa“

Danielle Talamantes, Sopran Kerry Wilkerson, Bass-Bariton Henry Dehlinger, Klavier Avie 2424, LC 19953

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„Amore e il cor´ gentil sono una cosa” – „Liebe und das sanfte Herz sind ein und dasselbe” – Dante von Henry Dehlinger vertont, mit Danielle Talamantes, Sopran, Kerry Wilkerson, Bass- Bariton, und dem Komponisten am Klavier.

In puncto Rezeption gelingt Dante mit seiner „Göttlichen Komödie“ (wie Franziska Meier schreibt)‚ die Quadratur des Kreises‘: Handwerker und einfache Leute rezitieren seine Verse, Bankiers und Kaufleute lesen sie und sogar der Klerus, auch mehrere Päpste. Und es kann ihnen nicht alles gefallen haben, was sie da lesen.

Noch ein Berater der Medici notiert, Dante sei „verbreiteter, passender, quicklebendiger, mehr in aller Händen als es, sagen wir, Brot und Wein sind“. Das war im 17. Jahrhundert, heute schreiben wir das 21. und immer noch wird Dante gelesen.

Wir können vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Debatten kritisch fragen, ob es sich bei der

„Commedia“ wirklich um ‚großes Welttheater mit universalem Anspruch‘ handelt.

Wir können Dante vor dem Hintergrund seiner Biographie und der Politik seiner Zeit lesen.

Wir können auch spielen und mit Robert Gernhardt den Anfang der „Commedia“ parodieren.

Da steht Dante am Beginn seiner imaginären Jenseitsreise dann nicht in einem düsteren Wald, sondern in unserer Zivilisation:

Ich fand mich, grad in unsres Lebens Mitte, in München Süd, den Wagen aufzutanken, da von Frankfurt fortgewandt die Schritte,

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12 Als mich ein Tankwart, dem dafür zu danken,

ich heut‘ noch Grund hab‘, ernst danach befragte, ob’s Öl zu wechseln sei.

Auch das hält Dante aus.

Wenn Dante gegen Gier und Korruption schreibt, wenn er in eine der unteren Abteilungen der Hölle nicht eigentliche Sünder setzt, sondern Menschen, die keine Haltung zeigen, dann können wir über menschliches Verhalten nachdenken und Dante lesen.

Wir finden bei ihm viel mehr als nur kunstvolle Lyrik.

Und was die Rechnung in der eingangs genannten Pizzeria betrifft: Es kann uns passieren, dass der italienische Kellner mit dem Wechselgeld ein paar rezitierte Stanzen aus Dantes

„Divina Commedia“ melodisch auf den Tisch perlen lässt... Hier zu einer letzten „Ommagio a Dante“ (von 2015) des Sizilianers Simone Piranaio über Verse aus dem „Paradiso“:

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Musik 11 Simone Piranaio 4´45 <2>

„Omaggio a Dante“

Silviu Dima, Gioacchino di Stefano, Violine Gaspare D’Amato, Viola

Giuseppe Nastro, Violoncello Alberto Maniasci, Klavier STR 37148, LC 07523

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Die SWR2 Musikstunde geht zu Ende mit der „Ommagio a Dante“ des Sizilianers Simone Piranaio.

Mit einer letzten Hommage an diesen so komplexen Dichter, kann ich jetzt nur noch die Lektüre empfehlen….

Ich bin Antonie von Schönfeld und sage Grazie und Ciao, viel Spaß mit Dante.

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13 Literatur:

Dante Alighieri Göttliche Komödie

in Prosa übersetzt und kommentiert von Hartmut Köhler Reclam, Stuttgart 2021(gebunden, 3 Bände)

Dante Alighieri Göttliche Komödie

in Prosa übersetzt von Hartmut Köhler Reclam, Stuttgart 2021(Taschenbuch)

Dante Alighieri Göttliche Komödie

(mit den Illustrationen von Sandro Botticelli) übersetzt von Karl Bartsch

marix, Wiesbaden 2010

Giovanni Boccaccio Büchlein zum Lob Dantes

übersetzt du eingeführt von Moritz Rauchhaus Das kulturelle Gedächtnis, Berlin 2021

Sibylle Lewitscharoff Das Pfingstwunder Suhrkamp, Berlin 2016

Dan Brown Inferno

Lübbe, Köln 2013

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14 Sekundärliteratur

Stefana Sabin Dante. 100 Seiten Reclam, Stuttgart 2020

Franziska Meier Besuch in der Hölle C.H.Beck, München 2021

Karlheinz Stierle Dante Alighieri

C.H.Beck, München 2014

Fritz R. Glunk Dante

dtv, München 2003

Referenzen

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