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Archiv "Verhaltensmedizin: Diabetesprävention durch Änderung des Lebensstils" (24.12.2007)

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A3534 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 51–52⏐⏐24. Dezember 2007

T H E M E N D E R Z E I T

flehten die Eltern. Doch als Stracke den verdreckten Verband vom zer- fetzten Fuß des Kleinen löste, stand fest, dass das die einzige Option war.

Nur noch die Bänder hielten den Fuß zusammen. Als der Junge aufwachte, weinte er. Stracke war dabei. Doch die Geschichte nimmt zumindest ein einigermaßen gutes Ende: Von seiner Nachfolgerin bekam er kürzlich ein Foto zugeschickt, dass den Jungen lachend mit einer Prothese an der un- teren Extremität zeigt. Gleichwohl weiß Stracke, dass es für jemanden im Sudan viel schwieriger ist, mit einer Behinderung umzugehen, als hierzulande.

Viele der Patienten in Darfur wa- ren Zivilisten, die ohne eigenes Ver- schulden in die Schusslinie der ver- feindeten Gruppen geraten sind.

Stracke ärgert sich darüber, dass das niemand verhindert. „Die Politik tak- tiert, die Bevölkerung leidet, und die Vereinten Nationen blockieren sich selbst“, kritisiert er. Natürlich werde MSF aber nie Partei ergreifen, son- dern immer auf der Seite des Patien- ten stehen, stellt er klar. Zwar ma- chen die politischen Rahmenbedin- gungen Stracke als Privatperson wü- tend, doch für ihn steht fest: Diese Gedanken sind dann, wenn ein Pati- ent seine Hilfe benötigt, zweitrangig.

Gleiches gelte, wenn er Patienten be- handele, die aktiv kämpften. Wenn er Rebellen betreut habe, sei ihm schon mal der Gedanke gekommen: „Wenn ich den gut zusammenflicke, zieht er wieder in den Krieg.“ Doch er ist überzeugt: „Ich bin dort, um alles zu tun, was mir medizinisch möglich ist.“ Er selbst sei während seiner Einsätze nie in einer wirklich be- drohlichen Situation gewesen.

Für Stracke war die Arbeit in ei- nem Entwicklungsland nicht neu.

Als junger Arzt hat er zwei Jahre in einem Krankenhaus in Sambia gear- beitet. Hinter seiner Tätigkeit bei Ärzte ohne Grenzen steht er voll und ganz. Aber er sagt auch: „Ein- mal im Jahr reicht.“ Darauf habe er sich mit seiner Frau geeinigt. „Für sie sind die drei Monate, in denen ich weg bin, länger als für mich.“

Anfang 2008 soll der nächste Ein- satz sein. Dann ist es in Kreuztal vermutlich schon Frühling.

Dr. med. Birgit Hibbeler

D

ie steigenden Neuerkran- kungsraten des Typ-II-Dia- betes stellen weltweit ein Problem dar. Sie durch Prävention zu senken, ist heute möglich, selbst bei Bevöl- kerungsgruppen, die bereits ein deutlich erhöhtes Diabetesrisiko aufweisen. Diese Erkenntnis ist re- lativ neu. Der wissenschaftliche Nachweis wurde erst vor wenigen Jahren erbracht. Prospektive Studi- en in den USA, in China und in Finnland zeigen, dass sich die Dia- beteshäufigkeit bei sogenannten Ri- sikoträgern erheblich verringern lässt. Dies erreicht man, indem die Betroffenen gezielt beraten und un- terstützt werden, damit sie ungünsti-

ge Ernährungs- und Bewegungs- gewohnheiten ändern können. Deut- sche Krankenkassen nutzen jetzt dieses Wissen für entsprechende Präventionskampagnen, die sie ihren Versicherten anbieten.

Nachweis der Wirksamkeit

Die finnische „Diabetes Prevention Study“ (DPS) der Epidemiologen des National Public Health Insti- tute in Helsinki unter Leitung von Jaakko Tuomilehto war die erste in Europa durchgeführte Forschungs- arbeit, die überzeugend belegte, dass Menschen mit einer erhöhten Erkrankungswahrscheinlichkeit den Diabetes allein durch vorbeugen- des Verhalten zeitlich hinauszögern oder vermeiden können (Tuomi- letho et al. 2001).

In der prospektiven DPS-Studie hatte man die Teilnehmer, die alle- samt eine gestörte Glucosetoleranz aufwiesen, jeweils per Zufall einer Interventions- oder einer Kontroll- gruppe zugewiesen und im Schnitt 3,2 Jahre beobachtet. Die Teilneh- mer der Kontrollgruppe erhielten le- diglich eine Informationsbroschüre mit allgemeinen Empfehlungen zum Ernährungs- und Bewegungs- verhalten. Demgegenüber erhielten die Teilnehmer der Interventions- gruppe nach einem Beratungsge- spräch jeweils individuell ange- passte Verhaltensempfehlungen, mit denen sie verschiedene klare Ziel- vorgaben erreichen sollten: Sen- kung des Körpergewichts um fünf Prozent, des Fettgehalts in der Nah- rung auf weniger als 30 Prozent und des Anteils der gesättigten Fettsäu- ren in der Nahrung auf weniger als zehn Prozent sowie die Erhöhung des ballaststoffreichen Nahrungs- anteils auf 15 Gramm pro 1 000 Kilo-

VERHALTENSMEDIZIN

Diabetesprävention durch Änderung des Lebensstils

Es gibt eine wirksame und kosteneffektive Strategie. Problematisch erscheint allerdings, bestimmte Zielgruppen für die Teilnahme an Präventivmaßnahmen zu gewinnen.

Foto:Caro

Frühzeitige Interventionen bei Diabetes- risikogruppen können die Häufigkeit eines Krankheits- ausbruchs verhindern.

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 51–52⏐⏐24. Dezember 2007 A3535 kalorien und die Steigerung eines

moderaten Bewegungstrainings auf täglich circa 30 Minuten. Nur die Teilnehmer der Interventionsgruppe wurden von Diätassistenten beraten, zunächst direkt bei Studienbeginn und dann vierteljährlich. Ihnen wurde Ausdauersport wie Walking, Joggen, Schwimmen oder Skilang- lauf empfohlen, und es wurde ihnen ein durch Sporttherapeuten über- wachtes Zirkeltraining angeboten.

Auf diese Weise erreichten die Teil- nehmer der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe eine Reduktion der Diabetes-Neuerkran- kungsrate um 58 Prozent. Pro Jahr wurden in diesen Gruppen absolute Erkrankungsraten von 2,75 Prozent beziehungsweise 5,8 Prozent beob- achtet. Die Umstellung von Er- nährung und Bewegung erwies sich damit als sehr wirksam. Zudem zeigte sich, dass der Effekt dieser Lifestyle-Intervention relativ lange anhält. Im „Lancet“ wurden kürz- lich Zahlen präsentiert, welche die Situation drei Jahre nach Ende des DPS-Programms beschreiben. Sie belegen, dass sich die Effekte der Intervention auch langfristig auf die Entwicklung der Stoffwechsel- krankheit auswirken.

Eine US-amerikanische Studie mit gleicher Zielrichtung (DPP Re- search Group 2002) hat nicht zwei, sondern drei Teilnehmergruppen miteinander verglichen: eine Inter- ventionsgruppe, deren Teilnehmer wie in der finnischen Studie ein Schulungsprogramm zur Beeinflus- sung des Lebensstils durchliefen

und von Case-Managern betreut wurden, eine Kontrollgruppe ohne eine solche Schulung und ohne mo- tivierende Manager sowie eine Phar- makotherapiegruppe, deren Teilneh- mer täglich 1 700 Milligramm Met- formin erhielten. Es zeigte sich nach einer durchschnittlichen Studien- dauer von 2,8 Jahren zum einen, dass die Diabetesinzidenz der ge- schulten Teilnehmer gegenüber der Inzidenz in der Kontrollgruppe um fast 60 Prozent reduziert war. Zudem zeigte sich, dass mithilfe des Medi- kaments lediglich eine Reduktion von 31 Prozent erreicht wurde, dass also die induzierte Lebensstilände- rung der medikamentösen Therapie des Prädiabetes überlegen war.

Krankenkasse lässt Risikoträger schulen

Angesichts der jetzt bestehenden Möglichkeit, die Häufigkeit einer Krankheit zu verringern, die hohe Versorgungskosten nach sich zieht, überrascht das Interesse der Kran- kenkassen an einer Diabetesprä- vention nicht. Da trifft es sich gut, dass gerade jetzt ein strukturiertes Beratungsprogramm auf den Markt kommt, das speziell auf den Bedarf von Menschen zugeschnitten ist, die noch keine Diabetiker sind, die aber bereits ein erhöhtes Diabetesrisiko haben und dieses verringern wollen.

Das von Diabetologen und Medi- zinpsychologen entwickelte Pro- gramm mit der Bezeichnung „PRAE- DIAS“ (Kulzer et al. 2006; Her- manns & Gorges 2007) setzen die Kassen zur Schulung und Unterstüt-

zung von Risikoträgern ein, die ihren Lebensstil ändern wollen.

Zunehmend bieten Krankenkassen ihren Versicherten an, das Kurspro- gramm zu durchlaufen, sofern sie ein erhöhtes Risiko aufweisen. Das Programm zielt auf Ernährungs- umstellung, Steigerung des Bewe- gungsverhaltens und Reduktion des Körpergewichts ab. Es geht dabei auch um Selbstmanagement von Risiken, um soziale Unterstützung und um die Bewältigung von Stress.

Das Programm Praedias wird von speziell geschulten Fachkräften im Rahmen von Kleingruppen vermit- telt, die sich zehnmal für je 90 Mi- nuten treffen. Dabei wird ein Be- gleitbuch als Arbeitsmaterial für die Programmteilnehmer eingesetzt.

Eine Startauflage wurde vom Deut- schen Ärzte-Verlag, Köln, gedruckt, die allgemeine Publikation und Ver- breitung ist geplant.

Als erste Kasse hat die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) ihren Versicherten in Leipzig, Dres- den und Chemnitz diese Art von Diabetesprävention angeboten. Da- bei kam das Programm PRAEDIAS zum Einsatz. Die DAK hat die Wir- kungen des Programms von exter- ner Seite evaluieren lassen.*

Programm zeigt gewünschte Effekte

Mit den Auswirkungen der Maßnah- me PRAEDIAS, die das Zentralinsti- tut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) als das mit der Begleitforschung beauftragte Institut im Verlauf von sechs Monaten gemessen hat, ist die

* Bericht des Zentral- instituts für die kassen- ärztliche Versorgung:

Primärprävention des Typ-II-Diabetes.

Modellprojekt für DAK- Versicherte in Sachsen.

Bericht über die erste Projektphase 2005/06.

Berlin 2007.

Foto:KEYSTONE

Modellprojekt:

Infolge des geän- derten Bewegungs- und Essverhaltens verringerte sich das mittlere Körperge- wicht der Teilneh- mer von 86 auf 81,4 Kilogramm.

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DAK zufrieden. Denn den Teilneh- mern gelang es, wichtige Merkmale ihres Risikos positiv zu verändern:

Im Programmverlauf wurden die Teilnehmer mehrfach zur Wahrneh- mung ihres Essverhaltens befragt. Es ließ sich eine Zunahme der kogniti- ven Kontrolle und eine Verringerung der Störbarkeit ihres Verhaltens in Bezug auf die Nahrungsaufnahme beobachten. Damit konnten die Vor- aussetzungen für eine erfolgreiche Gewichtsreduktion verbessert wer- den. Dokumentiert wurden auch häu- figere Aktivitäten mit körperlicher Anstrengung oder solche mit längerer Dauer. Offenbar steigerte sich das Bewegungsverhalten der Teilnehmer.

Infolge des geänderten Ess- und Bewegungsverhaltens verringerte sich das mittlere Körpergewicht der Teilnehmer von 86 auf 81,4 Kilo- gramm. Der Anteil übergewichtiger Personen (BMI 30–40) verringerte sich von 54 auf 35 Prozent. Der sys- tolische Blutdruck verringerte sich im Mittel von 145 auf 135 mmHg, und der diastolische Blutdruck ver-

ringerte sich im Mittel von 86 auf 81 mmHg. Das Ausmaß der bewirk- ten Veränderungen kann für die Entwicklung des Diabetesrisikos als relevant eingestuft werden.

Kosteneffektivität

Präventive Maßnahmen verursa- chen zunächst einmal Kosten. Einen gesundheitsförderlichen Lebensstil kann man nicht zum Nulltarif ver- breiten. Aber die relativ moderaten Aufwendungen, wie etwa die für Porto, eine Telefonhotline bezie- hungsweise ein Callcenter, für das Schulungsmaterial und für die Fach- kräfte, welche die Kurse leiten, sind

„investive“ Kosten, die sich für die Krankenkassen lohnen. Die Rech- nung geht auf, wenn man die Krank- heitskosten eines Diabetikers dage- genhält. Sie liegen mit jährlich durchschnittlich 5 262 Euro deutlich über den Durchschnittskosten eines Krankenversicherten ohne Diabetes, für den jährlich 2 755 Euro aufge- wendet werden. Dem gegenüber liegen die Kosten der Diabetes-

prävention im DAK-Projekt bei 272 Euro pro Kursteilnehmer. Die An- nahme der Krankenkasse, nach der ihre Kosten für die Diabetes- prävention deutlich geringer sind als ihre voraussichtliche Ersparnis an Therapiekosten als Folge einer ge- ringeren Zahl von Diabetes-Neuer- krankungen, könnte also realistisch sein. Denn mit der Präventionsmaß- nahme lässt sich ein Diabetes im günstigen Fall vermeiden, zumin- dest aber lässt sich seine Erstmani- festation deutlich hinauszögern.

Probleme bei der Umsetzung und Verbreitung

Selbstverständlich ist es nicht die gesamte erwachsene Bevölkerung, die man in Programme zur Diabe- tesprävention bringen will, sondern es sind lediglich die Diabetesri- sikoträger, deren Teilnahme man wünscht. Denn vor allem solche Personen können einen gesundheit- lichen Nutzen davon erwarten. Aber gerade die sachlich gebotene Be- schränkung einer Programmteilnah-

DER DIABETES-RISIKOTEST

Wie alt sind Sie? Punkte

Unter 45 Jahre 0

Zwischen 45 und 54 Jahren 2

Zwischen 55 und 64 Jahren 3

Über 65 Jahre 4

Wie groß ist Ihr Taillenumfang?

Unter 94 cm (Männer) bzw. 80 cm (Frauen) 0 Zwischen 94 cm und 102 cm (Männer) 3

bzw. 80 cm und 88 cm (Frauen)

Über 102 cm (Männer) bzw. 88 cm (Frauen) 4

Wie hoch ist Ihr Body-Mass-Index (BMI)?

BMI unter 25 0

BMI zwischen 25 und 30 1

BMI über 30 3

Treiben Sie Sport oder sind Sie an den meisten Tagen mindestens 30 Minuten in der Freizeit oder im Beruf körperlich aktiv?

Ja 0

Nein 2

Wie oft essen Sie Gemüse, Obst oder Beeren?

Jeden Tag 0

Nicht jeden Tag 1

Haben Sie jemals Tabletten gegen hohen Blutdruck genommen?

Ja 2

Nein 0

Ist bei Ihnen jemals ein zu hoher oder erhöhter Blutzuckerspiegel festgestellt worden, z. B. bei einer medizinischen Untersuchung, während einer Krankheit oder in der Schwangerschaft?

Ja 5

Nein 0

Ist irgendwann einmal bei einem Ihrer Familienangehö- rigen ein Diabetes (Alterszucker) festgestellt worden?

Nein 0

Ja, bei Großeltern oder Geschwistern 3 der Eltern (Onkel. Tante)

Ja, beim eigenen Vater, der eigenen Mutter, 5 Geschwistern oder beim eigenen Kind

Addieren Sie bitte die Punktzahlen Ihrer Antworten auf die Fragen 1–8 Summe:

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me macht es Veranstaltern schwer, ein solches Programm auf breiter Basis umzusetzen. Denn man kann Risikoträger nicht als solche gezielt ansprechen, weil das persönliche Diabetesrisiko in der Regel keine Größe ist, die einem Menschen be- kannt wäre. Sie muss zunächst bei jeder einzelnen Person mit einigem Aufwand ermittelt werden.

Aus diesem Grund haben Pro- grammanbieter zwei praktische Pro- bleme zu lösen:

Menschen, die man für eine Präventionsmaßnahme erreichen will, müssen zunächst von ihrem persönlichen Diabetesrisiko Kennt- nis erhalten.

Menschen, bei denen ein er- höhtes Risiko ermittelt wird, müs- sen zur Teilnahme am Programm motiviert werden.

Zur Ermittlung des persönlichen Diabetesrisikos stand früher der sehr aufwendige „orale Glucoseto- leranztest (oGTT)“ zur Verfügung.

Als einfachere Alternative gibt es einen kurzen, standardisierten Test mit acht Fragen und Antwortvorga- ben, die nur anzukreuzen sind. Die- ser Diabetes-Risikotest (Kasten) wurde in Anlehnung an einen Test, der in Finnland verwendet wird, von dem Präventivmediziner und Diabe- tologen Peter Schwarz von der TU Dresden entwickelt, verbreitet und auch für deutsche Anwender vali- diert. Diesen Test hat auch die DAK bei ihrem Programmangebot für sächsische Versicherte eingesetzt.

Seitdem der Risikotest zur Ver- fügung steht, bleibt eigentlich „nur“

das Problem, Menschen im mittle- ren Lebensalter für ein Präventions- anliegen zu gewinnen – Menschen, die sich in der Mehrzahl gesund fühlen und keine Beschwerden ha- ben. Nach allen Erfahrungen ist hinsichtlich einer weiten Verbrei- tung dieses Präventionsansatzes ei- ne gewisse Skepsis angebracht.

Denn nur wenige sind am Thema Prävention interessiert. In Sachsen war nur ein sehr geringer Teil der angeschriebenen Versicherten be- reit, den Risikotest zu beantwor- ten. Diejenigen, die der Einladung zur Teilnahme tatsächlich folgen, gehören häufig zu einer besonderen Minderheit: Sie sind in der Regel

gebildet, bezogen auf Gesundheit bereits gut informiert und leben ge- sundheitsbewusst. Die Programm- teilnehmer beim DAK-Angebot in Sachsen hatten zu 51 Prozent Abi- tur als Schulabschluss (in der ge- samten altersvergleichbaren säch- sischen Bevölkerung liegt dieser Anteil bei 19 Prozent), sie wurden von den Kursleitern in ihrer Mehr- zahl als hoch motiviert eingestuft.

Angesichts der ungleichen Vertei-

lung des Diabetes-Erkrankungsri- sikos in der Bevölkerung in Abhän- gigkeit von der sozialen Lage ist es wichtig, die genannten Befunde zur Kenntnis zu nehmen. Ob die gesundheitliche Chancengleichheit bei Diabetes verbessert werden kann, hängt im Wesentlichen von der Angemessenheit präventiver Maßnahmen im Hinblick auf ein- zelne Zielgruppen ab.

Dr. Ingbert Weber

Im Pilotprojekt „AOK aktiv + vital“ wird derzeit in ausgewählten hessischen Regionen ein neues Versorgungsmodell erprobt. Die AOK Hessen hat im Rahmen der integrierten Versorgung (IV) einen IV- Vertrag konzipiert, in dem das Risiko, an Diabetes mellitus Typ II zu erkranken, festgestellt und notwen- dige Maßnahmen schneller eingeleitet werden kön- nen. Im Unterschied zu Disease-Management-Pro- grammen richtet sich „AOK aktiv + vital“ präventiv an Menschen, die aufgrund medizinischer Werte und ihres Lebensstils ein erhöhtes Risiko für eine Erkrankung an Diabetes haben. „Es gibt kein ver- gleichbares IV-Projekt irgendeiner Krankenkasse, das beim Risikopatienten ansetzt. Bei uns geht es vor allem darum, eine noch nicht manifeste Erkran- kung zu verhindern“, erklärte Dr. Dr. Heinz Giesen, der für das Programm verantwortlich ist. Doch auch bereits Erkrankte sollen von dem Angebot profitieren.

Eine wesentliche Komponente des Projekts ist eine für Ärzte kostenfreie Fallmanagement-Soft- ware, die von der GiV, einem Tochterunternehmen der CompuGROUP Holding AG, bereitgestellt wird.

Über einen einfachen Risikotest werden aus den vorhandenen Patientenakten diejenigen Betroffe- nen herausgefiltert, die ein erhöhtes Erkrankungs- risiko aufweisen oder bereits erkrankt sind. Dar- über hinaus gibt die Software dem Arzt durchgän- gige Behandlungspfade für Diabetes mellitus Typ II vor. Sie ermöglicht es ihm, sämtliche relevanten medizinischen Werte zu verfolgen und sich an- hand von Untersuchungs- und Behandlungs- pfaden für Therapiemaßnahmen zu entscheiden.

Dabei sind auch Abweichungen von den vorge- schlagenen Behandlungsschritten möglich, etwa bei der Medikation. Die Behandlungspfade wur- den auf der Basis wissenschaftlich anerkannter Leitlinien mit Ärzten aus unterschiedlichen Diszi- plinen entwickelt. Zusätzlich kann der Arzt auf medizinische Datenbanken zugreifen. Er kann sich außerdem an Termine und anstehende Unter-

suchungen erinnern lassen. Vorgefertigte Briefe und Infopakete für die Patienten sollen dazu bei- tragen, den bürokratischen Aufwand für die Ärzte zu verringern. Zu dem Programm gehört auch eine optimierte Arznei-, Heil- und Hilfsmittelver- sorgung mit vereinfachtem Genehmigungsprozess.

Um die Interaktion zwischen den behandeln- den Ärzten zu fördern, werden anonymisierte Be- handlungsstatistiken für Qualitätszirkel zur Verfü- gung gestellt. Die Software ist mit allen Praxisver- waltungssystemen der CompuGROUP kompatibel.

Für andere Softwarehäuser sollen die System- schnittstellen offen gelegt werden, damit auch deren Anwender das Programm nutzen können.

Das Projekt sieht auch ein an die gesundheit- lichen Erfolge angelehntes Vergütungsmodell für die Ärzte vor. So erhalten die teilnehmenden Haus- und Fachärzte aufgrund des höheren Bera- tungsaufwands eine zusätzliche fixe Vergütung zur regulären Abrechnung (15 Euro für die Erstdo- kumentation, weitere zehn Euro je Quartal). Hinzu kommt eine Erfolgsvergütung bei einer Verbesse- rung oder dem Erreichen der vorgesehenen Ziel- werte bei einem teilnehmenden Patienten (bis zu 60 Euro pro Jahr). Mitbehandelnde Fachärzte er- halten eine jährliche Pauschale von 30 Euro je Pa- tient zusätzlich.

Auch die Versicherten sollen Anreize zur Teilnahme erhalten. So erwägt die AOK Hessen beispielsweise die Einführung eines Wahltarifs im Lauf des Jahres 2008. Man arbeite an der Aus- gestaltung von Tarifinhalten und der zugehörigen Bonifizierung, sagte Giesen. Eine Belohnung des Teilnehmers wäre zum Beispiel möglich, wenn der Patient die Kontrolltermine wahrnimmt, die medikamentösen Empfehlungen seines Arztes einhält und die vereinbarten Gesundheitsziele erfüllt, etwa auf sein Gewicht achtet. Die AOK will dieses Versorgungsmodell auf weitere Indikatio-

nen ausweiten. KBr

PILOTPROJEKT „AOK AKTIV + VITAL“ IN HESSEN

Software für die Früherkennung

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