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Archiv "Onkologie in Botswana: Zumindest das Nötigste bieten" (15.09.2006)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 37⏐⏐15. September 2006 A2369

T H E M E N D E R Z E I T

B

otswana besitzt ein staatli- ches Gesundheitssystem, das allen Bürgern gegen eine minimale Eingangsgebühr offensteht und das Gesundheitsstationen, kleinere Kli- niken, ein psychiatrisches und zwei Referenzkrankenhäuser umfasst.

Neben dem öffentlichen bietet sich ein privates Gesundheitssystem an, zu dem alle niedergelassenen Ärzte gehören und ein Privatkrankenhaus in der Hauptstadt Gaborone. Die Mehrheit der Patienten besitzt aller- dings keine private Krankenversi- cherung, sodass eine Behandlung im Privatsektor, wenn überhaupt, dann meist nur vorübergehend in- frage kommt.

Das Princess Marina Hospital (PMH) in der Hauptstadt Gaborone ist das größte Krankenhaus Bots- wanas. Die Innere Abteilung betreut circa 100 stationäre Patienten und betreibt eine große allgemeininterni- stische Ambulanz. Angegliedert ist eine der weltgrößten HIV/Aids-Am- bulanzen, in der täglich 150 bis 300 Patienten versorgt werden. Die ex- trem hohe HIV-Prävalenz ist ein zentrales Problem Botswanas. Sie lag in der Altersgruppe von 15 bis 49 Jahren Ende 2003 bei circa 37 Pro- zent (1). Hinter dieser dürren Zahl verbirgt sich nichts anderes als eine Katastrophe ungekannten Aus- maßes. Im Jahr 2000 wurde ein nationales HIV-Interventionspro- gramm entwickelt, das maßgeblich von internationaler Hilfe gestützt wird. Das Kernstück des Programms ist das Angebot kostenfreier antire- troviraler Mehrfachtherapie für alle betroffenen Staatsbürger. Daneben unterhält das PMH eine onkologi- sche Abteilung, die der deutsche Hä- matoonkologe Dr. med. Alexander von Paleske leitet. Von Paleske ist derzeit der einzige Onkologe im staatlichen Gesundheitssystem Bots-

wanas, sodass sich das Einzugsge- biet der Abteilung auf das ganze Land erstreckt. Ihm stehen lediglich ein bis zwei Assistenzärzte zur Seite – entsprechend betriebsam darf man sich die Arbeit dort vorstellen.

Die operative Behandlung von Krebspatienten findet im Rahmen der allgemeinen Versorgung in den Abteilungen Chirurgie, HNO und Gynäkologie statt. Maligne Erkran- kungen des Kindesalters (bis etwa 14 Jahre) werden in der Pädiatrie behandelt, es gibt dort aber keinen eigenen Fachbereich. In die onkolo- gische Versorgung sind außerdem ein relativ verlässliches Labor mit Blutbank einbezogen und die Patho- logie des Krankenhauses.

Das Privatkrankenhaus Gaboro- nes besitzt ebenfalls eine Onkologie und auch die einzige Strahlenthera-

pie des Landes. Patienten können aus dem staatlichen Gesundheitssy- stem zur Strahlentherapie überwie- sen werden, die Kostenübernahme muss zuvor aber beim Gesundheits- ministerium beantragt werden.

Ähnliches gilt für die Überweisung von Patienten ins Ausland (in die Republik Südafrika) zur Behand- lung zum Beispiel einer akuten Leukämie.

Ein typischer Arbeitstag in der Onkologie des PMH besteht aus

Konsiliartätigkeit für andere Abtei- lungen, Versorgung der onkologi- schen 20-Betten-Station und einer täglichen ambulanten Sprechstun- de, in der bis zu 30 Patienten behan- delt werden. Alle Chemotherapien werden von den Ärzten selbst zube- reitet (selbstredend nicht nach deut- schen Arbeitsschutzbestimmun- gen). Die Verabreichung erfolgt aus Zeit- und Organisationsgründen, wenn immer möglich, als Bolus.

Prinzipiell zur Verfügung stehen Doxorubicin, Mitoxantron, Cyclo- phosphamid, 5-Fluorouracil, Me- thotrexat, Cisplatin, Carboplatin, Bleomycin, Etoposid, Actinomycin ONKOLOGIE IN BOTSWANA

Zumindest das Nötigste bieten

Die Häufigkeit von Krebserkrankungen in armen Ländern wird oft unterschätzt. Das extreme Leid, das sie verursachen, verlangt nach grundlegenden Behandlungsangeboten.

Das Princess Ma- rina Hospital in der Hauptstadt Ga- borone ist das größ- te des Landes. An- gegliedert ist eine der weltgrößten Aids-Ambulanzen.

Foto:picture alliance/epa

Foto:Edu-Tourist

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D, Vincristin, Chlorambucil, Mel- phalan, Hydroxyurea. Liefereng- pässe verursachen aber häufige Pro- tokoll-Abweichungen beziehungs- weise veranlassen zu Therapieände- rungen. Als Antiemetika werden Dexamethason und Metoclopramid eingesetzt. Morphium kann in Bots- wana, im Gegensatz zu vielen ande- ren Entwicklungsländern, ohne be- hindernde Reglementierung verord- net werden.

Aufgrund der langen Anreisewe- ge und der begrenzten Aufnahmeka- pazität müssen Diagnose- und The- rapieentscheidungen schnell getrof- fen werden, wobei die, in der Regel selbst zu befundende, Feinnadelas- piration (FNA) von großer Bedeu- tung ist. Für den in Deutschland von Pathologen, Labormedizinern und Lymphknotenreferenzzentren „ver- wöhnten“ Onkologen ist dies eine Herausforderung, die man zeitwei- lig auch als Überforderung erleben kann. Eine der häufigsten Frage- stellungen ist die Abklärung von

Lymphadenopathien bei Aids-Pati- enten – wobei es hier in erster Linie zwischen TBC, reaktiver Lymph- adenopathie und malignen Lympho- men zu unterscheiden gilt. Da histo- logische Befunde nach Biopsie erst nach circa einem Monat eintreffen, folgen aus dem FNA-Befund direk- te Therapiekonsequenzen.

Das Spektrum der onkologischen Erkrankungen unterscheidet sich stark von dem in Deutschland und wird von der hohen HIV-Durchseu- chung geprägt (3): Das HIV-assozi- ierte Kaposi-Sarkom ist der häufigs- te maligne Tumor bei Männern in Botswana (30,6 Prozent aller Tumor- erkrankungen), während bei Frau- en das Cervixkarzinom dominiert (33,2 Prozent). Sehr häufig sind Mundhöhlen-, HNO- und Ösopha- guskarzinome bei Männern (zusam- men 22,3 Prozent). Bei Frauen stellt das Mammakarzinom (22,6 Pro- zent) die zweithäufigste Tumoren- tität dar, gefolgt vom Kaposi-Sar- kom. Daneben sieht man ein breites

Spektrum seltenerer maligner Tu- moren: von Weichteilsarkomen, Na- sopharynxkarzinomen, gastrointes- tinalen Tumoren über Hirntumoren, Tumoren des Kindesalters bis zum Aids-assoziierten Plattenepithelkar- zinom der Konjunktiva.

Die Erkrankungen sind bei der Erstdiagnose meist weit fortge- schritten, sodass onkologische Chir- urgie, zumal mit limitierten Mög- lichkeiten, eine geringere Rolle spielt als in Europa.

Die häufigsten neoplastischen Erkrankungen in der Hämatologie sind hochmaligne Lymphome, M.

Hodgkin, multiples Myelom/Plas- mozytom und akute Leukämie.

Häufig werden Knochenmarksun- tersuchungen angefordert zur Ab- klärung schwerer Zytopenien vor- wiegend bei Aids-Patienten: Es han- delt sich meist um toxische Medika- mentenwirkungen, klassisch apla- stische Anämien, Immunzytopeni- en, mykobakterielle Infektionen oder HIV-assoziierte Hypo- und Dysplasien.

Die Bedeutung der Onkologie in Entwicklungsländern (ohne dass hier der problematische und heterogene Begriff „Entwicklungsland“ disku- tiert werden soll) wird oft unter- schätzt (5). Dabei geht die Weltge- sundheitsorganisation (WHO) von einer enormen Steigerung der Morta- lität an Krebserkrankungen in Ent- wicklungsländern aus, von derzeit circa 2,5 Millionen pro Jahr auf er- wartete 6,5 Millionen im Jahr 2015 – die Hauptlast weltweiter Krebser- krankungen (circa 60 Prozent aller Fälle) wird schon heute von Schwel- len- und Entwicklungsländern getra- gen (6, 7, 8). Gründe für die drasti- sche Zunahme maligner Erkrankun- gen sind Änderungen der Lebensge- wohnheiten (insbesondere der Er- nährung einschließlich Alkoholmiss- brauch), zunehmender Tabakge- brauch, Exposition gegenüber Um- weltgiften, Intensivierung der UV- Strahlung, Verbreitung kanzerogener Infektionen (die für circa 26 Prozent der Krebsfälle in Entwicklungs- ländern verantwortlich sind) und schlicht das Bevölkerungswachstum dieser Länder (5, 8, 9, 10, 11, 12).

Die onkologische Therapie in Entwicklungsländern steht dabei Botswanas Städte

– wie hier die Haupt- stadt Gaborone – sind zwar nicht von Elendsquartieren umgeben, dennoch leben große Teile der Bevölkerung in Armut.

Foto:VISUM

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Einrichtung nationaler Krebspro- gramme zwischen Ländern hoher, mittlerer und geringer Prosperität.

Für ein Land wie Botswana werden folgende Prioritäten in der Krebs- bekämpfung gesehen: Kampagnen gegen Nikotin- und Alkoholgenuss, Förderung gesunder Ernährung und körperlicher Aktivität, Überwachung kanzerogener Belastungen am Ar- beitsplatz, Programme gegen die Verbreitung kanzerogener Infektio- nen (insbesondere HPV), Zervix- Karzinom-Screening mit dem Ziel der breiten Erfassung der Hauptrisi- kogruppen, klinische Forschung im Bereich kosteneffektiver, breit an- wendbarer Therapieformen, Ange- bote teurer Behandlungen nur an spezialisierten Zentren, Konzentrie- rung onkologischer Therapie auf potenziell kurable Erkrankungen (das heißt insbesondere im Bereich pädiatrischer Onkologie), Bereit- stellung palliativer Versorgung, ins- besondere Schmerztherapie, für alle bedürftigen Patienten (22). Unnötig zu erwähnen, dass mit der Imple- mentierung jedes dieser Punkte in einem Land der Unterversorgung ungezählte Probleme verbunden sein können.

Neben staatlichen Initiativen kommt aber auch nichtstaatlichen Organisationen auf nationaler und internationaler Ebene (genannt sei- en zum Beispiel UICC, WHO, Inter- national Campaign for Establish- ment and Development of Oncolo- gy Centres, International Network for Cancer Treatment and Research oder Global Cancer Concern) beim Aufbau onkologischer Versorgungs- programme ein wichtiger Stellen- wert zu. Eine weitere, aber zu selten realisierte Möglichkeit der Unter- stützung der Onkologie in ressour- cenarmen Ländern sind längerfristi- ge Kooperationen zwischen onkolo- gischen Kliniken in Industrie- und Entwicklungsländern. Sie bieten Möglichkeiten des Austausches, der Ausbildung und Forschung, von de- nen beide Seiten profitieren können (9, 23, 24).

Dr. med. Martin Kimmich E-Mail: martin.kimmich@t-online.de

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stem die Kontinuität der Behand- lung behindern können (12, 14).

Zu vielen alltäglichen Fragen in der onkologischen Praxis in einem Entwicklungsland fehlt aber auch der Hintergrund klinischer For- schung: Soll in Botswana einer 40- jährigen HIV-infizierten Patientin mit nodal positivem Brustkrebs ad- juvante Chemotherapie angeboten werden (15)? Ist die kombinierte Radiochemotherapie bei Zervix- oder HNO-Karzinomen auch in ei- nem Entwicklungsland als Stan- dardtherapie anzusehen oder hat sie etwa Nachteile wegen erhöhter To-

xizität und Ineffizienz (16, 17)? Wie geht man mit unklaren pulmonalen Röntgen-Verschattungen um, wenn weder CT noch Bronchoskopie zur Verfügung stehen und eine hohe Tu- berkulosedurchseuchung besteht (TBC-Inzidenz 2003 in Botswana 633 pro 100 000, in Deutschland 8,2 pro 100 000) (18)? Mit welchem Prozentsatz schwerer Komplikatio- nen unter Chemotherapie muss ge- rechnet werden, wenn weder Tele- fonkontakt noch kurzfristige ärztli- che Untersuchung und schon gar keine regelmäßigen Blutbildkon- trollen möglich sind (19)? Was ge- schieht mit all den Patienten, zu de- nen der Kontakt abreißt, was häufig passiert, wenn Wohnort und Be- handlungsort gegebenenfalls Hun- derte von Kilometern voneinander entfernt liegen? Schon der Mangel an wissenschaftlichen Veröffentli- chungen verdeutlicht, dass Antwor- ten auf diese Fragen jenseits persön- licher Erfahrung nur schwer zu fin- den sind (Tabelle 3).

Die Häufigkeit onkologischer Er- krankungen und die mit ihnen ver- bundenen extremen Leiden machen es notwendig, dass auch in armen Ländern zumindest grundlegende Versorgungsangebote gemacht wer- den (13, 20, 21). Die WHO differen- ziert in ihren Empfehlungen für die vor Problemen, die sich zum Teil

von denen der Industrienationen sehr unterscheiden: Im Gesund- heitssystem stehen nur unzurei- chende Budgets zur Verfügung, es herrscht Mangel an Fachkräften.

Organisationsschwächen, Korrupti- on, Instandhaltungs- und Versor- gungsprobleme behindern die Ar- beit, und die staatliche Bereitschaft, das Gesundheitssystem allgemein, und speziell die Onkologie, als wichtig und förderungswürdig zu erkennen, lässt in vielen Staaten zu wünschen übrig (5, 13). Aufseiten der Patienten wird das Therapierisi- ko unter anderem durch Infektions- krankheiten und Mangelernährung erhöht. Insuffiziente Infrastruktur erschwert eine konsequente Be- handlung, Sprach- und kulturelle Barrieren sowie Analphabetismus können zu Miss- und Unverständnis führen, und die schlichte Armut be- hindert den Zugang zu ärztlicher Versorgung auf vielfältige Weise.

Traditionelle Medizin, als kulturell akzeptierte und oft besser verfügba- re Alternative zum öffentlichen Ge- sundheitssystem, kann zu Diagno- severschleppung beitragen, ebenso wie Friktionen zwischen öffentli- chem und privatem Gesundheitssy-

POLITISCH STABILE VERHÄLTNISSE

Botswana, das große Binnenland im südlichen Afrika, ist am ehesten als Land des Okavango-Delta und der Kalahari- Wüste bekannt. Die seit 1966 unabhängige Demokratie kann sich jedenfalls dank ihrer Stabilität weitgehend aus der politischen Berichterstattung europäischer Zeitungen heraushalten. Das zu weiten Teilen aus Wüste und Trockensavanne bestehende Land ist mit circa 1,8 Millio- nen Einwohnern dünn besiedelt. Der Großteil der Bevölke- rung lebt nach wie vor von Viehwirtschaft und kleiner Land- wirtschaft.

Der relative Reichtum des Landes stützt sich auf die weltgrößten Diamantenvorkommen und einen wachsenden Dienstleistungs- und Tourismussektor. Es bestehen aller- dings krasse Einkommensunterschiede innerhalb der Ge- sellschaft, und wenn die Städte auch nicht von Elendsquar- tieren umgeben sind, so leben doch große Teile der Bevöl- kerung in Armut. Die industrielle Entwicklung des hoch- preisigen Landes gestaltet sich schwierig, es besteht eine hohe Arbeitslosigkeit. Dennoch herrscht eine tolerante, ru- hige Stimmung im Land, und die Hautfarbe eines Fremden spielt eine angenehm untergeordnete Rolle.

Die Hauptlast onkologischer Erkrankungen tragen schon heute Schwellen- und Entwicklungsländer.

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit3706

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Referenzen

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