DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
DIE GLOSSE
Borisol
gegen Tennisarm
Jetzt hat der Boris-Becker-Boom auch die Medizin erfaßt.
Kürzlich kam ein Repräsentant ei- nes großen Pharmaherstellers in die Praxis. Er strahlte: „Das ist der Gag. Das Mittel schlechthin. Ein- fach super, Herr Doktor ..."
Da seine Tiraden wenig Eindruck machten, öffnete er seinen Mu- sterkoffer, schwenkte eine Pak- kung triumphierend über den Kopf: „Das beste Präparat gegen den Tennisarm: ,Borisoll Für Sie als Sportarzt ein Medikament mit hundertprozentiger Erfolgsgaran- tie."
Stolz wies er mir die gekreuzten Tennisschläger mit dem B.B.- Kopf. Das neue Markenbild der Firma. Ich versuchte einzuwen- den: „Da sind doch die gleichen Substanzen drin wie ...
„Natürlich. Aber darum geht es hier nicht. Sondern um den psy- chologischen Heileffekt. Um die Super-Motivation zum Gesund- werden."
Er redete sich in Rage. Dann prä- sentierte er eine Musterpackung
„Borifen". „Man weiß ja", erklärte er lässig, „daß B. B. ständig Schürfwunden von seinen Stür- zen hat: ,Borifen` ist das Desinfek- tionsmittel. Werfen Sie den ande- ren Kram weg!"
„Es gibt doch Leute, die den Boris Becker gar nicht kennen", wagte ich dagegenzuhalten.
„Was? Insgesamt 95 Prozent ken- nen ihn laut Umfrage. Aber hier kommt noch das Beste: ,Borilat', das Wunder-Einreibemittel für Zerrungen aller Art."
„Sicher ideal für den Nacken von Tenniszuschauern beim ewigen Hin und Her ..."
Doch für meinen Scherz hatte er keinen Sinn. Sein Blick wurde fin- ster. „Was glauben Sie, Doktor, wie Sie dastehen, wenn Ihre Pa- tienten nach ,Borinex' fragen, und Sie haben keine Ahnung!"
„Borinex?"
„Ja, das neue Vitaminpräparat, zum Knochenaufbau", entgegne- te er unwirsch. „Oder wenn Ihre Patienten ,Boristil', das Super-Mit- tel gegen Juckreiz, wollen? Oder wenn Sie ,Borigel' verlangen ..."
„Von mir aus können sie Boris- menthol verlangen ..." unter-
brach ich ihn. Und blieb hart. War- um sollte ich diesen Marketing- Rummel mitmachen?
Zu Hause, abends, erzählte ich meiner Frau davon. Sie unter- brach mich sogleich: „Du, stell Dir vor, was ich heute gekauft habe?"
„Na, was denn?"
„Ein Super-Hautmittel: ,Boriskin', erfrischt sagenhaft und macht die Haut s000 jung ..." UM
Oxford -
Insel der Seligen?
Der britische Health Education Council hat Tabellen veröffent- licht, in denen die tabakbedingten Todesfälle in den verschiedenen Regionen von England und Wales aufgezählt werden. Dabei fällt ei- ne Region aus dem Rahmen.
Während die meisten Regionen mit tabakbedingten Todesfällen nahe am englisch-walisischen Durchschnitt von 208 auf 100 000 Einwohner liegen, sind es in der Region Oxford nur 166.
Andererseits fallen drei Regionen ganz erheblich nach oben auf.
Und das könnte die Erklärung lie- fern: Die Herausgeber der Studie haben es sich zu einfach ge- macht.
Als tabakbedingte Todesursachen wurden genannt: Ischämische Herzkrankheit, Lungenkrebs, Bronchitis und Emphysem. Viel- leicht hat nur die Oxforder Regio- nalverwaltung sich die Mühe ge- macht, nicht nur die Todesfälle zu zählen, sondern auch diejenigen auszusondern, bei denen in der Anamnese kein Tabak vorkommt.
Dafür spricht die Lokalisation der überdurchschnittlichen Regio- nen: Sie liegen im Norden, und da holt man sich Bronchitis und Em- physem wegen des Klimas und des Kohlenbergbaus auch ohne Rauchen leicht.
Selbstverständlich ist es leichter, mit eindrucksvollen Zahlen gegen das Rauchen zu kämpfen, und in- sofern mag hier der Zweck das Mittel rechtfertigen. Aber man be- merkt wieder einmal, mit welcher Vorsicht Todesursachenstatisti- ken zu lesen sind — man muß eben jede Zahl, wie es heute heißt,
„hinterfragen". bt 234 (18) Heft 5 vom 29. Januar 1986 83. Jahrgang Ausgabe A