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Archiv "Gesundheitsmarkt Europa: Chancen und Risiken" (20.12.2004)

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enn von der europäischen Inte- gration gesprochen wird, füh- ren Kritiker gerne die Risiken und Kosten ins Feld. Dabei eröffnet der Binnenmarkt der Europäischen Union (EU) auch der Gesundheitswirtschaft viele Chancen.

Einer, der die Zeichen der Zeit er- kannt hat, ist der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen (NRW), Peer Steinbrück. Im bevölkerungsreichsten Bundesland sind derzeit rund eine Milli- on Menschen in der Gesundheitswirt- schaft beschäftigt. Wie Steinbrück auf dem European Health Care Congress in Düsseldorf erklärte, will er das Wachs- tum in diesem Markt nutzen, um sein Land zu einer Modellregion für inno- vative Ansätze in der Gesundheitswirt- schaft zu machen und sich zugleich euro- paweit als Exporteur für Leistungen aus dieser Branche zu profilieren. Außer- dem fördert die Landesgesundheitskon- ferenz NRW schon seit etlichen Jahren die grenzüberschreitende Versorgung im Rahmen von Euregio-Projekten, die den rund elf Millionen in den Grenzregionen zu den Niederlanden und Belgien leben- den Versicherten die Möglichkeit bie- ten, Gesundheitsleistungen auch in den Nachbarländern kostenfrei in Anspruch zu nehmen. Die von der EU geförderten Modelle liefern nach Ansicht des Vor- sitzenden der Kassenärztlichen Vereini- gung Nordrhein, Dr. med. Leonhard Hansen, den Beweis, dass trotz national unterschiedlicher Gesundheitssysteme eine grenzüberschreitende Versorgung von Patienten auch ohne Harmonisie- rung erfolgreich sein kann.

Euregios sind jedoch nur ein Beispiel für die Möglichkeiten eines europäi- schen Gesundheitsmarktes. Für Ärzte und Versicherte ebenso bedeutsam ist die schleichende Umstrukturierung der nationalen Gesundheitssysteme über

die Binnenmarkts- und Wettbewerbs- politik der EU. Das europäische Arz- neimittel- oder Medizinprodukterecht oder die geplante Verordnung zu Pro- dukten aus dem Bereich des Tissue En- gineering sowie die europäische For- schungspolitik sind beispielhaft für die Handhabe der EU, steuernd in den eu- ropäischen und somit auch nationalen Gesundheitsmarkt einzugreifen.

Der deutsche Arzt und Abgeordnete des Europaparlaments, Dr. med. Peter Liese, warnte deshalb davor zu glauben, Europa habe in Gesundheitsfragen keine Kompetenz, da Entscheidungen über den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung oder über die Fi- nanzierung der Gesundheitssysteme der- zeit noch national entschieden werden.

„Verantwortliche, die diesem Vorurteil nachhängen, haben weniger Einfluss auf die europäische Gesundheitspolitik, als sie haben könnten“, betonte er.

Des Guten zu viel

Aktuellstes Beispiel: die geplante Novel- le der Dienstleistungs-Richtlinie. Nach den Vorstellungen der EU-Kommission sollen künftig in allen Dienstleistungsbe- reichen, darunter auch in der vertrags- ärztlichen Versorgung, reglementierende Schranken fallen, die Ärzte bei der frei- zügigen Ausübung ihrer Leistungen in der EU behindern könnten. Für die Kas- senärztliche Bundesvereinigung (KBV) wäre damit des Guten zu viel getan. „Im Zuge des Abbaus von Hemmnissen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen will die EU das Kind nun mit dem Bade ausschütten“, kritisierte der KBV-Vorsit- zende, Dr. med. Manfred Richter-Reich- helm, in Brüssel. Bewährte Qualitätssi- cherungsstandards oder die Bedarfspla- nung könnten an den Vorgaben der Di-

rektive scheitern, so die Befürchtung des KBV-Chefs. Benachteiligt wären deut- sche Ärzte zudem aufgrund der Budge- tierungsregelungen, die für ausländische Ärzte, die ihren Beruf in Deutschland ausüben wollen, nicht gelten würden.

Problematisch ist auch das im Richt- linien-Vorschlag verankerte Herkunfts- landprinzip, nach dem für einen auslän- dischen Arzt nur die Rechtsvorschriften des Landes gelten sollen, aus dem er kommt, und nicht die des Staates, in dem er seinen Beruf künftig ausüben will.

Für die KBV ist ein solcher Ansatz in- akzeptabel, zumal dies zu einer Diskri- minierung deutscher Ärzte führen wür- de, die zumindest bis auf weiteres den strengen Regelungen des Vertragsarzt- rechtes unterliegen würden.

Noch aber ist es nicht so weit. Bei ei- ner Anhörung zur Dienstleistungs- Richtlinie im EU-Parlament am 11. No- vember wurde der Vorschlag auch von anderen Verbänden scharf unter Be- schuss genommen. So plädierte der Bundesverband der Freien Berufe zum wiederholten Mal dafür, Freiberufler nicht mit anderen Dienstleistungssek- toren über einen Kamm zu scheren. In die gleiche Richtung zielte ein Bundes- ratsbeschluss vom Sommer dieses Jah- res. Die Bundesregierung hat sich noch keine abschließende Meinung gebildet, tendiert aber zu einem „Ja, aber“.

Doch nicht nur für die Gesundheits- berufe, auch für die EU-Bürger hält die schöne, neue, mobile Versichertenwelt Fallstricke parat. Die EU-Kommission wird zwar nicht müde zu betonen, dass sich die Gesundheitssysteme der Mit- gliedstaaten mehr und mehr miteinan- der verzahnen und die Urteile des Eu- ropäischen Gerichtshofs die Freizügig- keit zusätzlich erleichtert hätten. Den- noch hakt es noch gewaltig im europa- weiten Sozialversicherungsgetriebe. So kann beispielsweise von einem einheit- lichen europäischen Sozialrechtssystem bislang keine Rede sein, wie Matthias von Wulffen, Präsident des Bundessozi- algerichts (BSG), in Brüssel betonte.

Der EWG-Vertrag von Nizza und die sich daraus ableitenden Verordnungen der Europäischen Wirtschaftsgemein- schaft 1408/71 und 574/72 sehen zwar ei- ne Koordinierung der Sozialversiche- rungssysteme vor und ermöglichen es Er- werbstätigen, auch im Ausland kostenfrei P O L I T I K

A

A3464 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 51–5220. Dezember 2004

Gesundheitsmarkt Europa

Chancen und Risiken

Hemmnisse bei grenzüberschreitenden

(medizinischen) Dienstleistungen sollen

abgebaut werden.

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Gesundheitsdienstleistungen in An- spruch zu nehmen. Basis hierfür bildet der Auslandskrankenschein E 111 – be- ziehungsweise neuerdings die Europäi- sche Krankenversicherungskarte – oder eine Einschreibung in das ausländische Sozialversicherungssystem bei einem längerfristigen Aufenthalt. Darüber hin- aus hat der EuGH mit seinen Entschei- dungen zur grenzüberschreitenden Inan- spruchnahme von ambulanten und sta- tionären Leistungen für eine gewisse Dy- namik gesorgt und die Freizügigkeit auf alle Sozialversicherten ausgedehnt. Kriti- sche Stimmen, dass eine derart großzügi- ge Auslegung der Patientenfreizügigkeit auch zulasten der finanziellen Stabilität der sozialen Sicherungssysteme gehen könnte, haben die Luxemburger Richter bislang jedoch stets mit dem Argument abgetan, dass derartige Probleme nicht geeignet seien, die europarechtlichen Grundfreiheiten einzuschränken.

Doch der Teufel steckt im Detail. Un- ter anderem stehen Versicherte vor der Frage, wie sie die Qualifikation eines me- dizinischen Dienstleisters beurteilen können. „Das aber müssen sie“, erklärte von Wulffen, „denn davon hängt unter anderem ab, ob sie nach dem deutschen Krankenversicherungsrecht hierfür eine Kostenerstattung verlangen können.“

Auch das Kostenerstattungsverfahren selbst birgt nach Ansicht des BSG-Präsi- denten Tücken. Der EuGH hat zwar ent- schieden, dass das Prinzip bei der grenz- überschreitenden Gesundheitsversor- gung ebenfalls auf Staaten wie Deutsch- land, Österreich oder die Niederlande anzuwenden ist, für die nur das Sachlei- stungssystem gilt. Jedoch erhält der Ver- sicherte zum einen nur die Kosten erstat- tet, die ihm sein nationaler Krankenver- sicherungsträger bei einer vergleichba- ren Behandlung in seinem Heimatland bezahlt hätte. „Zum anderen sind bei der Höhe der Kostenerstattung Abschläge für den Verwaltungsmehraufwand der Kassen möglich und nach deutschem Krankenversicherungsrecht auch vorge- sehen, was zu erheblichen Belastungen des Versicherten führen kann“, gibt von Wulffen zu bedenken. Unklar ist außer- dem, wie es mit den Gewährleistungsan- sprüchen bei Behandlungsfehlern im EU-Ausland aussieht. All dies sind Fra- gen, auf die es sicherlich so schnell keine Antwort geben wird. Petra Spielberg

P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 51–5220. Dezember 2004 AA3465

D

ie Fehlzeiten in deutschen Kran- kenhäusern sind überdurchschnitt- lich hoch. Auffällig dabei ist, dass insbesondere Ärzte – trotz ausufern- der Arbeitszeiten und fehlenden Per- sonals – von allen Berufsgruppen in den Kliniken die geringste Krankenrate aufweisen. Das hat jetzt der „Fehl- zeitenreport 2004“ des Wissenschaftli- chen Instituts der AOK (WidO) gezeigt.

Demnach fehlen die Ärzte krankheits- bedingt weitaus seltener als etwa Me- dizinallaboranten, Pflege- oder Reini- gungskräfte.

Im Rahmen der Untersuchung hat das Institut die Daten aller AOK-Ver- sicherten für das Jahr 2003 ausge- wertet. Auch wenn die Studie keine repräsentative Erhebung darstellt, wur- den in ihr doch immerhin die Arbeits- unfähigkeitsdaten von knapp 300 000 im Krankenhaus beschäftigten AOK- Versicherten ausgewertet. Damit ging etwa jeder vierte Klinikangestellte mit in die Studie ein. Zudem wurden auch die Daten von rund 6500 Ärzten – etwa fünf Prozent aller Klinikärzte – analysiert.

Hohe Arbeitsbelastung

Die Erhebung zeigt, dass der Kran- kenstand der in den Krankenhäusern angestellten AOK-Mitglieder mit 5,3 Prozent rund 0,4 Prozent über dem Durchschnitt der übrigen AOK-Versi- cherten lag. Im Mittel waren sie 19,2 Ka- lendertage krank, während der Durch- schnitt lediglich 17,7 Tage betrug. Mit 1,8 Prozent wiesen dabei die AOK-ver- sicherten Ärzte den geringsten Kran- kenstand auf. Wesentlich höher ist et- wa der der Krankenschwestern und -pfleger mit 3,9 Prozent oder auch der

der Pflege-Helfer mit 6,6 Prozent. Die höchste Krankenrate von 8,6 Prozent entfiel auf die Reinigungskräfte.

Die Fehlzeiten seien insbesondere auf arbeitsbedingte Belastungen zu- rückzuführen. Psychische, aber auch Muskel- und Skeletterkrankungen sei- en die Folge. Umfragen unter Klinik- Ärzten zufolge würden sich diese vor allem durch fachfremde Tätigkeiten wie etwa Dokumentationsarbeiten belastet fühlen, erklärt Christian Vetter vom WidO. Er ist einer der Herausgeber der Studie. Rund ein Drittel der Arbeitszei- ten ging dafür verloren. Neben der Zu- satzbelastung leide darunter auch die Arbeitsmotivation. Deswegen sei es wichtig, die hoch qualifizierten Fach- kräfte im Krankenhaus von diesen Ar- beiten zu entlasten. „Nicht unbedingt ist dafür neues Personal notwendig“, so Vetter. Speziell geschulte Mitarbeiter könnten diese Aufgaben weitaus effek- tiver erledigen.

Anders sieht das Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender der Krankenhausärztegewerkschaft Mar- burger Bund (MB). Um Neueinstellun- gen werde man nicht herumkommen, will man die Ärzte ausreichend entla- sten. Etwa 5 000 bis 6 000 neue Stellen seien notwendig: „Damit könnte eine deutliche und notwendige Entlastung erreicht und zugleich die Arbeitszeit- richtlinie umgesetzt werden.“

Zwar hält Montgomery die Datenba- sis der WidO-Untersuchung für „sehr eingeschränkt“. Denn vor allem Ärzte im Praktikum und Jungärzte seien bei der AOK versichert, während ältere Be- rufskollegen mit Erreichen der Versi- cherungspflichtgrenze häufiger in die pri- vate Krankenversicherung abwander- ten. Dennoch beurteilt er das Ergebnis der Studie als korrekt. Erhebungen in der Vergangenheit hätten bereits ge- zeigt, dass Klinik-Ärzte, anders etwa als das Pflege- oder das Reinigungsperso- nal, nur selten krankheitsbedingt fehlen würden. „Auch wenn die Arbeitsbela- stung immens hoch ist – die hohe sozia- le Verantwortung treibt sie zur Arbeit“, sagt Montgomery. Viele junge Ärzte würden zudem nur über befristete Ar- beitsverträge verfügen. Aus Angst, ihre Stelle zu verlieren, gingen diese häufig an ihre körperlichen und seelischen

Grenzen. Timo Blöß

Fehlzeitenreport 2004

Klinikärzte kaum krank

Studie: Vor allem fachfremde

Tätigkeiten führen zu hohen

Arbeitsbelastungen.

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