Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 3029. Juli 2005 AA2053
S E I T E E I N S
Krankenkassen
Zwischen den Fronten
Kliniksubventionen
„Ja“ aus Brüssel M
it dem Wahlsieg Gerhard Schrö-ders im Herbst 1998 konnten die Krankenkassen auf herrliche Zeiten hoffen. Schließlich besaßen sie in den Gewerkschaften und da- mit in der SPD traditionell viel mehr Einfluss als in der Union. Dass die sieben rot-grünen Jahre dann doch nicht so paradiesisch wurden, lag schlicht an der Wucht der Probleme, weniger daran, dass sich die Verbin- dungen in die SPD nicht ausgezahlt hätten: Die Regierung besetzte Schlüsselpositionen im Gesund- heitsministerium aus den Reihen der AOK, wichtige Stellschrauben im Gesundheitswesen wurden zu- gunsten der Kassen verstellt.
Umso mehr fällt auf, dass die Vor- stände der Krankenkassen in einer Phase, in der alle demoskopischen Zeichen auf das Ende von Rot-Grün
hindeuten, sich öffentlich sehr zu- rückhalten. Unverkennbar stoßen die Pläne von SPD und Grünen für eine Bürgerversicherung bei ihnen auf wenig Begeisterung. Pflicht- schuldigst loben sie lediglich die Be- tonung des Solidargedankens. Wie nach den SPD-Plänen gesetzliche und private Versicherung innerhalb der Bürgerversicherung nebenein- ander bestehen sollen, kann sich bei- spielsweise die Spitze der Ersatzkas- sen nicht so recht vorstellen.
Dass die Krankenkassen wenig von der Gesundheitsprämie der Union halten, ist bekannt. Zu Recht heben ihre Sprecher hervor, wie fa- milienfreundlich die heutige GKV aufgrund der beitragsfreien Mitver- sicherung des nicht erwerbstätigen Ehepartners und der Kinder ausge- staltet ist. Andererseits behaupten
sie vorschnell, die Kopfprämie wür- de Einkommensschwache stärker belasten als heute. Dabei lassen sich ihre Verteilungswirkungen erst ab- schätzen, wenn die Union verriete, ob sie die Milliarden für den Sozial- ausgleich über die Mehrwert- oder die Einkommensteuer aufzubringen gedenkt.
Nicht nur bei den Kassenvorstän- den setzt sich die Ansicht durch, dass weder das eine noch das andere Re- formmodell in reinrassiger Form verwirklicht werden wird. Eine schnelle Gesundheitsreform zeich- net sich ohnehin nicht ab. Damit bleibt Zeit, um die Wahlsieger von pragmatischen Lösungen zu über- zeugen. In einigen Fragen könnte das vielleicht sogar im Konsens der Vertragspartner des Gesundheits- wesens gelingen. Heinz Stüwe
Z
uschüsse aus Steuermitteln, die die Gemeinden Krankenhäusern in öffentlicher Trägerschaft ge- währen, müssen Kommunen nicht bei der Europäischen Kommission melden. Dies stellte die Brüsseler Behörde Mitte Juli klar. Bedingung für die Freistellung von der Geneh- migungspflicht ist jedoch, dass die bezuschussten Einrichtungen einen klar umrissenen öffentlichen Ver- sorgungsauftrag haben. Die EU- Kommission überlässt es dabei den Mitgliedstaaten, diesen zu definieren.Detaillierte Informationen über das duale Krankenhausfinanzierungssy- stem verlangt die Behörde nicht.
Mit der Ausnahmeregelung für den Verlustausgleich bei Krankenhäu-
sern in öffentlicher Trägerschaft will die Kommission allzu starken Priva- tisierungstendenzen auf dem Kran- kenhausmarkt einen Riegel vor- schieben.
Für private Klinkbetreiber aus Deutschland bedeutet diese Ent- scheidung einen herben Rückschlag.
Die Asklepios Kliniken GmbH hat wegen der aus ihrer Sicht unzulässi- gen Wettbewerbsverzerrungen auf- grund der in Deutschland gängigen Beihilfepraxis nicht nur Beschwerde bei der Kommission eingereicht, son- dern diese inzwischen auch vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Untätigkeit verklagt. Die privaten Betreiber verlangen von der Kom- mission ein Beihilfeprüfverfahren.
Vor wenigen Wochen hat darüber hinaus die Ärztevereinigung Medi Deutschland bei der EU-Kommissi- on Beschwerde eingereicht. Der zu- nehmende Wettbewerb im Gesund- heitswesen und die fortschreitende Verzahnung des ambulanten und stationären Sektors verlangten glei- che Spielregeln für alle, lautete ihr Argument. Derzeit prüfen die Brüs- seler Beamten, ob die Beschwerde begründet ist. Zudem bestätigte ein Sprecher von Wettbewerbskommis- sarin Nellie Kroes, dass die Kommis- sion einschreiten werde, falls sich Anhaltspunkte ergeben, dass eine Einrichtung nicht mit dem Beihilfe- recht vereinbare Zuschüsse aus öf- fentlicher Hand erhält. Petra Spielberg