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Archiv "Deutschland, Deutschland über alles?" (08.10.1982)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 40

vom 8. Oktober 1982

Deutschland, Deutschland über alles?

Die neuen Linken sind in die Jahre gekommen und wer- den konservativ, je nach Ent- wicklungsstand auf die iro- nisch-skeptische oder die na- tionale Art. Das entspricht nicht nur dem Lauf der Welt.

Die Neue Linke hat einen Grund mehr: ihre Vaterfigu- ren haben abgewirtschaftet.

Wer immer noch des stüt- zenden Vaters bedarf, wer die wärmende Gesinnungs- genossenschaft vermißt und eine neue Heimat sucht — in der Nation kann er beides fin- den: Nest und Übervater.

Nirgends kann man so subti- le Abrechnungen mit der Neuen Linken und ihren spä- ten alternativen Blüten lesen wie in „Trans Atlantik", der Zeitschrift des gewesenen Linken Hans Magnus En- zensberger, der sich zum sanften Skeptiker bekehrt hat. Der nationale Gedanke wird neuerdings von Günter Maschke, der auch einmal linken Idolen angehangen hat, in der nach ihm benann- ten Edition Maschke (im Ho- henheim Verlag) gepflegt.

Carl Schmitt etwa hat in ihm eine neue Heimstatt gefun- den. Hier erschien auch ein Buch des als links geltenden Mitterand-Beraters Regis De- bray, dem Maschke eine gei- stige Verwandtschaft mit Carl Schmitt bescheinigt. Auch im belletristischen Pro- gramm zeigt sich Maschkes Intention, „einen Angriff auf das zu führen, was man libe- rale Restauration genannt hat".

Das herausragende natio- nale Opus in der dem Na- tionalen gewogenen Edi- tion Maschke ist die so- eben erschienene große Studie des Bochumer poli- tischen Philosophen Ber- nard Willms. An dem Buch werden Leser, die des Na- tionalismus entwöhnt sind, schwer zu schlucken ha- ben. Dem Rezensenten ist gelegentlich die Galle hochgekommen; er ge- steht jedoch widerwillig, daß Willms ein faszinieren- des, rigoros um ein Thema

— die Vergöttlichung der Nation — kreisendes Ge- dankengebäude aufgebaut hat.

In einem umfangreichen philosophischen Teil, ba- sierend auf Hobbes, Hegel und Fichte, unternimmt Willms immer wieder neue Ansätze, Nation zu definie- ren und seine Auffassung, nach der sie letzte Instanz, gleichsam eine innerweltli- che göttliche Idee (der Aus- druck wird von Willms nicht verwendet, sondern bedeutet eine Interpreta- tion des Rezensenten) ist, zu begründen. Nation ist nach Willms der Staat in seiner konkreten Wirklich- keit, in ihr findet der einzel- ne seine Identität, sie gibt ihm Selbstbewußtsein. „Ih- re Wahrheit hat Nation durch ihren Charakter als begriffene Notwendigkeit kollektiver Selbstbehaup- tung; ihre Würde hat Na- tion durch ihre Unaus- weichlichkeit: Nation ist Schicksal."

Willms spendet heimatlos gewordenen Linken und

sonstwie nach neuer Orien- tierung Suchenden Sinn, alten und neuen Rechten Trost: „Das Urteil über den Nationalsozialismus kann für uns — für Deutsche — nur von uns her, d. h. vom Standpunkt der Nation her gefunden werden." Statt der Beschwörung des Un- heils des Nationalsozialis- mus müßte das Augenmerk

„auf jenes Unheil gerichtet werden, das die Übernah- me des moralisierten Ur- teils über den Nationalso- zialismus für die Nach- kriegsgeneration" bedeu- te. Eine Nation könne sich keiner moralischen Verur- teilung unterwerfen. Wenn sie es dennoch tue, sei es eine Unterwerfung unter den Gegner.

Dem Interesse des Siegers an völliger, auch geistiger Unterwerfung stehe das überragende Interesse der Deutschen nach Wieder-

Deutscher Professor, vom al- ten Schlage, gründlich über die Deutsche Nation nach- denkend: Willms (51)

herstellung ihrer Nation entgegen. Alles, was die Wiederherstellung behin- dere, könne nicht gerecht sein. Das ist in den Worten von Willms der „deutsche Imperativ". Und nur des- halb (und nicht etwa wegen irgendwelcher moralischer Vorbehalte) sieht er die So- wjetunion als den relativ größeren Feind Deutsch- lands an: Sie verbietet der DDR, die Wiederherstel- lung der Nation zu wollen.

Die Bundesrepbulik hinge- gen „darf die Wiederher- stellung der Nation wollen, sie kann sie wollen, sie soll sie wollen". Die Verantwor- tung für die Einheit der Na- tion komme daher der Bun- desrepublik zu.

Eine Politik der nationalen Koexistenz „ist selbstver- ständlich revisionistisch.

Sie will Deutschland wie- derherstellen, also Jalta und die Teilung revidie- ren." Bei der Wiederher- stellung der Nation sei al- lerdings das „neue ge- schichtliche Niveau" zu be- rücksichtigen, ein Niveau,

„das der Veränderung der Lage Europas in der Welt ebenso entspricht wie den notwendigen Änderungen der Gesellschaftssysteme durch ein erneuertes natio- nales — als gesamtdeut- sches — Bewußtsein."

Willms' Idee der Nation kennt keine Halbheit! Wer immer die Nation um einer Gesinnung willen — auch solch erhabener wie Demo- kratie, Liberalismus, Frei- heit, Frieden, Sozialismus—

zur Disposition stellen wol- le, „gerät auf die Seite ihrer

Ausgabe

B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

79. Jahrgang Heft 40 vom 8. Oktober 1982 93

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Feinde". Nation - wenn man sie nur will - geht also allem voran. Erneuerung des Bewußtseins der Na- tion sei die notwendige Voraussetzung für das Wirksamwerden aller wei- teren sekundären Maxi- men. Sekundär sind bei- spielsweise Freiheit, De- mokratie oder auch Hu- manität. Willms fordert für deutsch-deutsche Ver- handlungen „eine umfas- sende Gesprächs- und Ver- handlungsbereitschaft, die aber von der Entschlossen- heit getragen sein muß, sich nicht erpressen zu las- sen, auch nicht mit huma- nitären Gesichtspunkten."

Willms nimmt für sich in Anspruch, die nationale Frage lediglich gründlich

durchdacht zu haben, nicht aber die Handlungsanlei- tungen zu geben.

Diese Einstellung von rei- nen Wissenschaftlern ist nicht unbekannt. Auch nicht die Folgen. Sollte je- mand auf den Gedanken kommen, die reine Welt der Ideen in schnöde Politik umzuwandeln - der rigoro- se Denker kann sich, sollte die nationale Politik ausar- ten, notfalls die Hände in Unschuld waschen. Bei- spiele gibt es. Carl Schmitt etwa. Norbert Jachertz

Bernard Willms: Die Deutsche Nation, Theorie, Lage, Zu- kunft, Hohenheim Verlag Köln-Lövenich, 1982, 324 Sei- ten, Leinen mit Schutzum- schlag, 38 DM

Medizin

Geisteswissenschaften

Gerhard Kürsteiner: Ah- nenträume, Die besondere Art der Träume in der Schicksalsanalyse, Verlag Hans Huber, Bern/Stuttgart!

Wien, 1980, 232 Seiten, ei- ne Abbildung, kartoniert, 40 DM

Das Buch scheint mir nur für Psychotherapeuten, Psychologen und interes- sierte Psychiater geeignet zu sein. Es befaßt sich mit Träumen, in denen das Er- scheinen der Ahnen erlebt wird. Dabei schildert der Autor, welche entscheiden- de Rolle die krankmachen- den Ahnen im Unbewußten

spielen. Wer sich für die Schicksalsanalyse als be- sondere Form der Psycho- therapie interessiert, sollte sich dieses Buch kaufen.

Es ist auf Grund seiner reichhaltigen Kasuistik si- cher praxisorientiert und außerdem leicht les- und begreifbar geschrieben.

Günter Last, Straubing

Anthony Barton: Freud, Jung und Rogers, Drei Sy- steme der Psychotherapie, Reihe: Konzepte der Hu- manwissenschaften, Ver- lagsgemeinschaft Klett- Cotta, Stuttgart, 1979, 269 Seiten, kartoniert, 28 DM Was ist eigentlich Psycho- therapie? - Diese Frage

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